TE OGH 1986/5/7 8Ob28/86

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Veröffentlicht am 07.05.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik, Dr.Vogel, Dr.Kropfitsch und Dr.Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing.Klaus G***, Angestellter, Feldkirch-Tisis, Alte Landstraße 2, vertreten durch Dr.Gerold Hirn und Dr.Burkhard Hirn, Rechtsanwälte in Feldkirch, wider die beklagte Partei Werner D***, Tankstellenpächter, Feldkirch-Tisis, Wallaweg 22, vertreten durch Dr.Ludwig Gassner, Rechtsanwalt in Bludenz, wegen S 120.000,-- und Feststellung (Gesamtstreitwert S 180.000,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 13.September 1985, GZ.6 R 157/85-21, womit infolge Berufungen beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 11.April 1985, GZ.8 Cg 4040/84-14, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Antrag des Beklagten auf Zuspruch von Kosten für das Revisionsverfahren wird abgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte war Pächter der Agip-Tankstelle in Feldkirch-Tisis, Liechtensteinerstraße 115. Zu der Tankstelle gehört auch eine Waschbox. Einige Tage vor dem 21.Juli 1982 hatte der Kläger die Waschbox benutzt. Als Kollege des Beklagten mußte er hiefür nichts bezahlen. Beim Ausspritzen mit dem Unterbodenschutz hinterließ der Kläger im Bereich des in der Waschbox befindlichen Waschbeckens sowohl am Boden als auch an der Wand Schmutzflecken. In der Nacht vom 21. auf den 22.Juli 1982 brachte der Kläger dem Beklagten Werkzeug zurück, das er vom Beklagten entlehnt hatte. Dieses von ihm beschmutzte Werkzeug reinigte er in der Waschbox beim Waschbecken, wobei das Waschbecken und der Bereich herum neuerlich verschmutzt wurde. An diesem Abend war der Kläger rein zufällig vorbeigekommen, um das Werkzeug zurückzubringen. Der Beklagte und der bei ihm angestellte Johann W***, gegen den das Verfahren ruht, reinigten zu diesem Zeitpunkt die Waschbox. Da der Kläger einen Teil verschmutzt hatte, fühlte er sich verpflichtet, den von ihm verursachten Schmutz selbst zu entfernen. Dieser Teil wurde von ihm mit jenem Putzmittel gereinigt, das auch der Beklagte und sein Gehilfe für die Reinigung der übrigen Waschbox verwendeten. Als Reinigungsmittel diente eine Mischung, die auch Benzin enthielt und die vom Beklagten in Kenntnis des Klägers hergestellt worden war. Nach Beendigung seiner Tätigkeit ging der Kläger in den Verkaufsraum der Tankstelle, um sich dort einen "Gespritzten" einzuschenken. Anschließend wusch er sich am Waschbecken in der Waschbox die Hände. Nach dem Händewaschen unterhielt er sich 10 bis 15 Minuten mit dem Beklagten. Hiebei stand er beim Waschbecken. Anfangs waren der Beklagte und sein Gehilfe noch damit beschäftigt, die Waschbox fertig zu reinigen. Nachdem diese Reinigungsarbeiten erledigt waren, begann W*** die Wände und den Boden mit einem Dampfstrahler kalt abzuspritzen. Als er bereits ein bis drei Minuten mit dem Dampfstrahlgerät gereinigt hatte, kam es plötzlich zu einer Explosion, bei der der Kläger verletzt wurde. Die Höhe des ihm hiedurch erwachsenen Schadens ist mit S 120.000,-- im Revisionsverfahren nicht mehr strittig.

Die Explosion war darauf zurückzuführen, daß durch die Verwendung eines Benzingemisches mit Luft vermischte Benzindämpfe entstanden waren, die durch einen Funken zur Explosion gebracht wurden. Welche Zündquelle die Explosion ausgelöst hat, kann nicht mehr festgestellt werden, doch erscheint es am wahrscheinlichsten, daß der entscheidende Funke durch das automatische Einschalten eines im Raum stehenden Kompressors ausgelöst wurde.

Das Erstgericht sprach dem Kläger unter Abweisung eines Mehrbegehrens von S 45.000,-- einen Betrag von S 75.000,-- zu. Ferner stellte es fest, daß der Beklagte bis zur Höhe von drei Viertel verpflichtet ist, dem Kläger für weitere Schäden und nachteilige Folgen zu haften. Es ging hiebei von einem Mitverschulden des Klägers im Ausmaß von einem Viertel aus. Das Berufungsgericht gab dem gesamten auf Zahlung von S 120.000,-- samt Feststellung gerichteten Klagebegehren statt. Es sprach aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes S 15.000,-- und der von der Bestätigung betroffene Wert S 60.000,--, beide zusammen jedoch nicht S 300.000,-- übersteigen und erklärte die Revision für zulässig. In rechtlicher Hinsicht verneinte das Berufungsgericht ein Mitverschulden des Klägers. Die Reinigungstätigkeit des Klägers könne zwar den nach § 176 Abs.1 ASVG genannten, den Arbeitsunfällen gleichgestellten Tätigkeiten zugeordnet werden, doch sei diese Tätigkeit zum Unfallszeitpunkt bereits beendet gewesen. Wenn auch bei einer Tätigkeit nach § 176 Abs.1 Z.6 ASVG auch der Weg zur und von der Arbeitsstätte Versicherungsschutz genieße, könne doch zwischen der Tätigkeit selbst und dem späteren Heimweg eine Unterbrechung eintreten. Eine solche Unterbrechung sei hier zu bejahen, weshalb die Haftungsbefreiung des § 333 ASVG nicht vorliege. Die vom Beklagten gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen § 503 Abs.1 Z.4 ZPO erhobene Revision ist nicht gerechtfertigt. Richtig ist, daß nach § 175 Abs.1 ASVG, Arbeitsunfälle solche sind, die sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung ereignen. Von der Versicherung umfaßt wird auch der Weg von und zur Arbeitsstätte. Nach § 176 ASVG besteht die Versicherung auch für die den Arbeitsunfällen gleichgestellten Unfälle. Demnach gilt für solche Unfälle auch der Haftungsausschluß des § 333 ASVG. Richtig hat allerdings das Berufungsgericht erkannt, daß bei den letztgenannten Tätigkeiten nur bei der betrieblichen Tätigkeit oder auf dem Weg zur und von der Arbeitsstätte erfolgte Unfälle Versicherungsschutz genießen.

Rechtliche Beurteilung

Im vorliegenden Fall erscheint es nun fraglich, ob es sich bei der Tätigkeit des Klägers überhaupt um eine solche gehandelt hat, die § 176 ASVG unterstellt werden kann. Dem Kläger war Werkzeug leihweise zur Verfügung gestellt worden, woraus auch seine vertragliche Verpflichtung abzuleiten ist, dieses Werkzeug in gereinigtem Zustand zurückzustellen. Zwecks Reinigung hatte man ihm, ebenfalls unentgeltlich, das in der Waschbox vorhandene Waschbecken zur Verfügung gestellt. Auch daraus könnte die Verpflichtung des Klägers abgeleitet werden, die ihm zur Verfügung gestellte Fläche in jenem Zustand zurückzulassen, in dem er sie übernommen hatte. Würde man diesen Standpunkt vertreten, so wäre die Reinigungstätigkeit des Klägers nicht Ausfluß eines beschäftigungsähnlichen Verhältnisses zum Beklagten, sondern Erfüllung einer ihn aus dem Leihvertrag treffenden Verpflichtung. Diesfalls könnte aber von einem Versicherungsschutz und demnach von einem Haftungsausschluß nach § 333 ASVG keine Rede sein.

Diese Frage muß aber hier nicht endgültig geprüft werden. Es darf nämlich nicht übersehen werden, daß sich der Kläger nicht in der Absicht, irgendeine Reinigungstätigkeit für den Beklagten zu erbringen, zu der Waschbox begeben hat, sondern ausschließlich in der Absicht, das ihm geliehene Gerät zurückzubringen. Die bei der Reinigung dieses Gerätes von ihm verursachte Verschmutzung war nicht vorgesehen, weshalb der Kläger wohl kaum damit rechnen konnte, daß er eine Reinigungsarbeit vornehmen werde. Sein Weg zur Waschbox war daher nicht ein Weg zu einer Arbeitsstätte und wurde es auch nicht dadurch, daß er nachträglich eine Arbeit dort vorgenommen hat. Demnach kann aber auch sein ins Auge gefaßter Rückweg nicht als Weg von der Arbeitsstätte angesehen werden, weil dieser Rückweg nach der Absicht des Klägers von vornherein überhaupt nicht als Weg zu einer für einen Dritten zu verrichtenden Arbeit ins Auge gefaßt worden war. Aus diesem Grund erübrigt sich eine Erörterung der Frage, inwieweit zwischen einer unter Versicherungsschutz stehenden Arbeit und dem Rückweg von der Arbeit Lücken in der Versicherung entstehen können. Zu klären war ausschließlich die Frage, wann der Versicherungsschutz geendet hat. Selbst wenn man die Tätigkeit des Klägers als eine in den Betrieb des Beklagten eingegliederte ansehen würde, hätte es sich hiebei lediglich um spontane gelegentliche Handreichungen gehandelt. Bei derartigen spontanen gelegentlichen Handreichungen ist die zeitliche Dauer der Eingliederung punktuell auf die Dauer der jeweiligen Hilfeleistung begrenzt (vgl. Kolb in Geigel, Haftpflichtprozeß 19 , 1143). Die Hilfeleistung des Klägers ging über die Beendigung der Reinigungsarbeiten durch ihn zeitlich nicht hinaus. Demnach stand seine weitere Anwesenheit in der Tankstelle und in der Waschbox nicht unter Versicherungsschutz. Vielmehr war das nachträgliche Einnehmen eines Getränkes und die nunmehr mit dem Beklagten abgeführte Unterhaltung eine rein eigenwirtschaftlliche Tätigkeit des Klägers. Hiebei handelt es sich nämlich um ein Verhalten, das nicht als üblicherweise bei Hilfeleistungen dieser Art an den Tag gelegt gewertet werden kann. Mangels Vorliegens eines Versicherungsschutzes für den Kläger zum Zeitpunkt des Unfalles scheidet demnach der Haftungsausschluß des § 333 ASVG aus.

Mit Recht hat das Berufungsgericht auch ein Mitverschulden des Klägers an dem Unfall verneint.

Es ist zwar richtig, daß die Gefährlichkeit von Benzin jedermann bewußt sein muß, doch ist auch allgemein bekannt, daß Benzinmischungen zu Reinigungszwecken verwendet werden. Dies darf natürlich nur unter entsprechender Vorsicht und unter Beachtung der notwendigen Sicherheitsmaßnahmen, die einem Fachmann bekannt sein müssen, geschehen. Die Gefährlichkeit von Benzin hängt nämlich auch von der verwendeten Menge und dem Mischungsverhältnis ab. Der Kläger konnte annehmen, daß der Beklagte, als in einer Tankstelle tätiger Fachmann, die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen kannte und daß er sie auch beachten werde. Hiezu kommt, daß die Explosion wahrscheinlich durch die automatische Einschaltung eines im Raum vorhandenen Kompressors ausgelöst wurde. Die Funktion und die Arbeitsweise dieses Kompressors mußte aber der Kläger nicht kennen. Er konnte daher nicht damit rechnen, daß dieser Kompressor sich automatisch einschalten und hiebei einen Funken entwickeln werde, der zur Explosion von Benzindämpfen führt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO. Infolge seines Unterliegens wäre der Beklagte kostenersatzpflichtig, doch hat der Kläger keine Revisionsbeantwortung erstattet.

Anmerkung

E08281

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0080OB00028.86.0507.000

Dokumentnummer

JJT_19860507_OGH0002_0080OB00028_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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