TE OGH 1986/5/7 8Ob32/86

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Veröffentlicht am 07.05.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Christine N***, Arbeiterin, 1200 Wien, Brigittaplatz 1-2/14/3, vertreten durch Dr.Hans Wagner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Gerhard W***, Angestellter, 3580 Horn, Mold Nr. 60, vertreten durch Dr. Otto Philp und Dr. Gottfried Zandl, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 68.000,-- und Feststellung (Streitwert S 5.000,--, Gesamtstreitwert S 73.000,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 15.November 1985, GZ 15 R 231/85-43, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 15.Mai 1985, GZ 21 Cg 703/85-38, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

1. zu Recht erkannt:

Spruch

Hinsichtlich des Ausspruches über das Feststellungsbegehren wird der Revision nicht Folge gegeben und das angefochtene Urteil in diesem Umfang als Teilurteil bestätigt.

Die Kostenentscheidung bleibt in diesem Umfang der Endentscheidung vorbehalten.

2. den Beschluß

gefaßt:

Hinsichtlich des Ausspruches über das Leistungsbegehren wird der Revision Folge gegeben und das angefochtene Urteil aufgehoben; zugleich wird auch das Urteil des Erstgerichtes in diesem Umfang aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

In diesem Umfang sind die Kosten des Rechtsmittelverfahrens als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 12.August 1981 ereignete sich in 1200 Wien, auf der Kreuzung Wegstraße - Burghardtgasse ein Verkehrsunfall, an dem das von der Klägerin gelenkte Moped Puch Sprinter mit dem polizeilichen Kennzeichen W 19.138 und der vom Beklagten gelenkte PKW VW 1303 S mit dem polizeilichen Kennzeichen N 269.226 beteiligt waren. Das Alleinverschulden am Zustandekommen dieses Unfalls, bei welchem die Klägerin verletzt wurde, trifft den Beklagten.

Die Klägerin begehrte zuletzt den Zuspruch eines Betrages von S 82.991,66, darunter ein Schmerzengeld von S 40.000,-- und die Kosten einer kosmetischen Operation in der Höhe von S 37.400,--. Sie habe durch den Unfall einen Kreuzbandriß, eine Gehirnerschütterung sowie Hautabschürfungen erlitten, zur Beseitigung der vorhandenen Narben sei noch eine Operation erforderlich. Gleichzeitig wurde ein Feststellungsbegehren gestellt.

Der Beklagte bestritt das Klagebegehren, beantragte Klagsabweisung und wendete insbesondere ein, der Kreuzbandriß sei nicht unfallskausal.

Das Erstgericht sprach im ersten Rechtsgang der Klägerin einen Betrag von S 68.000,-- zu, gab dem Feststellungsbegehren statt und wies das Mehrbegehren von S 14.991,66 ab, wobei es in den Feststellungen hervorhob, daß ohne Berücksichtigung der Operation auf Grund des Kreuzbandrisses die Klägerin 3 Tage starke, 8 Tage mittlere und 30 Tage leichte Schmerzen erlitt, unter deren Berücksichtigung jedoch 5 Tage starke, 11 bis 12 Tage mittelstarke und 33 bis 38 Tage leichte Schmerzen. Das vom Beklagten angerufene Oberlandesgericht hob dieses Urteil im klagsstattgebenden Teil mit Beschluß vom 21.Dezember 1984, ON 32, auf. Es hob hervor, daß ohne den vom Beklagten verschuldeten Unfall die klagsgegenständliche Operation nicht vorgenommen worden und auch ihre Folgen, sowie die Notwendigkeit einer kosmetischen Operation nicht eingetreten wären. Dies allein sei aber nicht genügend, um die Haftung des Beklagten auch für diesen Teil der Unfallsfolgen zu begründen. Ein Anlageschaden der Klägerin könnte, vorbehaltlich des Falles der überholenden Kausalität, ihm nur dann angelastet werden, wenn der bereits vorhandene Kreuzbandriß (erst) in Verbindung mit dem Unfall eine Operation medizinisch erforderlich gemacht hätte. Falls dies aber bejaht werden müsse, stelle sich die Frage der Vorteilsausgleichung.

Im zweiten Rechtsgang sprach das Erstgericht der Klägerin den vollen noch offenen Betrag von S 68.000,-- s.A. zu und gab dem Feststellungsbegehren statt, wobei es davon ausging, daß es ohne den Unfall zu keiner Operation des Kreuzbandrisses gekommen wäre, daß ihr aber dadurch auch kein Vorteil entstanden sei. In rechtlicher Hinsicht verwies es auf die Vorschrift des § 1325 ABGB. Der Anspruch auf Ersatz der Heilungskosten werde mit der Körperverletzung und deren Folgen existent und es könnten daher auch nicht aufgewendete Heilungskosten begehrt werden. Es seien daher die Kosten für eine zweckmäßige kosmetische Operation zuzusprechen. Schmerzengeld sei Genugtuung für alles Ungemach, das der Verletzte infolge der Verletzung erduldet habe, es solle den Gesamtkomplex der Schmerzempfindungen abgelten, die durch die Schmerzen entstandenen Unlustgefühle ausgleichen und den Verletzten in die Lage versetzen, sich als Ausgleich für die Leiden und statt der ihm entzogenen Lebensfreude auf andere Weise gewisse Annehmlichkeiten und Erleichterungen zu verschaffen. Wenngleich festgestellt worden sei, daß es sich bei dem Kreuzbandriß um eine ältere Verletzung gehandelt habe, dessen Operation durch den Unfall ausgelöst worden sei, so sei die Haftung des Beklagten für die durch die Operation des Kreuzbandrisses hervorgerufenen Schmerzperioden zu bejahen. Eine Vorteilsausgleichung komme nicht in Betracht, da die Behebung des Kreuzbandrisses für die Klägerin keinen Vorteil bedeutet habe, da sie ohne Unfall sich der gegenständlichen Operation nicht hätte unterziehen müssen. Der Klägerin stünden daher ein Schmerzengeld von S 38.000,-- sowie Kosten der kosmetischen Operation von S 30.000,-- zu, insgesamt daher S 68.000,--. Im Hinblick darauf, daß die Behandlung der klagenden Partei noch nicht abgeschlossen sei, sie aber die Absicht habe, eine kosmetische Operation durchführen zu lassen, sei auch das Feststellungsbegehren gerechtfertigt. Die Berufung des Beklagten blieb erfolglos. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- nicht übersteigt und daß die Revision nicht zulässig sei; es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und billigte auch dessen rechtliche Beurteilung. In Erledigung der Rechtsrüge führte die zweite Instanz aus, eine Haftung des Schädigers könne nur für den Fall bejaht werden, daß die Kreuzbandoperation infolge einer unfallskausalen Verschlechterung des Zustandes erforderlich wurde oder dem Arzt selbst (etwa infolge einer Fehldiagnose) auch nur erforderlich schien, nicht aber schon für den Fall, daß die unfallsbedingte Untersuchung nur zur Aufdeckung eines Leidens führte, das mit dem schädigenden Ereignis in keinem weiteren Zusammenhang stand. Dies entspreche auch den auf die deutsche Rechtsprechung (BGHZ 25, 86 = NJW 1957, 1475; NJW 1968, 2287) gestützten Ausführungen Reischauers in Rummel II Rdz 12 zu § 1295 ABGB: Werden bei der Behandlung einer Körperverletzung andere Krankheiten entdeckt und entstehen infolge der Entdeckung Schäden, so sei nicht dafür einzustehen, weil das (entdeckte) Leiden nicht auf den Unfall zurückzuführen sei und daher die Risken, die ein solches Leiden mit sich bringe, der Geschädigte zu tragen habe. Unfallskausal sei lediglich die Entdeckung des Leidens, doch sei diese wiederum nichts von der Rechtsordnung Verpöntes. Kunstfehler des behandelnden Arztes seien daher bei solchen, nur anläßlich des Unfalls aufgedeckten Leiden im Gegensatz zu solchen, die bei Behebung der Unfallsfolgen selbst unterlaufen sind, dem Schädiger nicht zuzurechnen. Der vorliegende Fall sei jedoch durch die Besonderheit gekennzeichnet, daß die Operation nicht völlig unabhängig vom Unfall durchgeführt wurde, weil auf Grund der hiebei durchgeführten ärztlichen Betreuung ebenso ein völlig anderes Leiden erkannt worden wäre. Vielmehr sei es zur Operation nur deshalb gekomme, weil die behandelnden Ärtze der Auffassung waren, Folgen des Unfalls selbst zu beheben. Möge diese Operation auch unzweckmäßig und jedenfalls erfolglos gewesen sein, sei sie doch zur vermeintlichen Beseitigung von Unfallsfolgen erfolgt und nicht zu derjenigen eines damit nicht im Zusammenhang stehenden Leidens. Der Fall könne also nicht anders betrachtet werden, als derjenige von Aufwendungen für erfolglos gebliebene Heilungsversuche oder für ärztliche Kunstfehler bei der Behandlung der Unfallsfolgen selbst. Wie dargetan, käme hier eine Entlastung des Schädigers nur im Fall der Vorteilsausgleichung in Betracht, für welche aber nach dem ergänzend festgestellten Sachverhalt kein Raum bleibe. Da sich auch sonst keine Bedenken gegen die Rechtsrichtigkeit der angefochtenen Schmerzengeldausmessung fänden, sei die bekämpfte Entscheidung zu bestätigen gewesen.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die außerordentliche Revision des Beklagten aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Klagsabweisung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

In ihrer Revisionsbeantwortung beantragt die Klägerin, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, allenfalls ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes zulässig, weil zur Frage der Haftung des Schädigers für Aufwendungen zur Behebung eines nicht unfallskausalen Leidens, das anläßlich der Behandlung einer vermeintlichen unfallskausalen Verletzung entdeckt wurde, soweit ersichtlich eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht vorliegt (§ 502 Abs 4 Z 1 ZPO), sie ist auch teilweise berechtigt.

Der Revisionswerber führt aus, sämtliche mit dem Kreuzbandriß zusammenhängenden, der Klägerin entstandenen Schäden, so auch die durchgeführte Operation und deren Folgen, insbesondere eine künftige kosmetische Operation, seien nicht unfallskausal; der Beklagte habe für diese Schäden nicht zu haften; durch die Operation sei die Kausalkette unterbrochen worden.

Hiezu ist folgendes auszuführen:

Nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes erlitt die Klägerin bei dem vom Beklagten verschuldeten Unfall eine leichte Gehirnerschütterung, Rißquetschwunden in der Scheitel- und Hinterhauptregion rechts, sowie verschiedene Hautabschürfungen. Da im Röntgen ein Kreuzbandriß der Klägerin festgestellt wurde, wurde dieser am 14.August 1981 operativ versorgt, wobei im Zuge der Operation kein Blut gefunden wurde, sodaß festgestellt wurde, daß es sich um eine Verletzung, die nicht auf den gegenständlichen Unfall zurückzuführen ist, handelt und deren Entstehung wesentlich länger zurückliegen muß. Auf Grund der operativen Versorgung des Kreuzbandrisses wurde eine Oberschenkelgipshülse angelegt und es befand sich die Klägerin bis 17. August 1981 in stationärer Behandlung des Lorenz Böhler Krankenhauses und bis 3.Dezember 1981 in ambulanter Behandlung, wobei am 24.September 1981 die Gipsabnahme erfolgte. In ambulanter Behandlung wurden die Nähte entfernt. Unter Berücksichtigung der Operation auf Grund des Kreuzbandrisses litt die Klägerin 5 Tage starke, 11 bis 12 Tage mittelstarke, 33 bis 38 Tage leichte Schmerzen, wobei bei den leichten Schmerzen die Restbeschwerden, welche bis Ende 1983 andauerten, berücksichtigt sind. Ohne den gegenständlichen Unfall hätte sich die Klägerin der Kreuzbandrißoperation nicht unterziehen müssen, da das Vorhandensein eines solchen Kreuzbandrisses keinesfalls eine Operation erfordert. Weiters ist der Klägerin durch die Operation auch kein Vorteil entstanden. Auf Grund der Operation des Kreuzbandrisses befindet sich bei der Klägerin im Bereich des rechten Kniegelenkes eine cirka 20 cm z-förmige Narbe, die auf den Ober- bzw. Unterschenkel übergeht. Die Narbe ist stellenweise bis zu 2 cm breit, noch mäßig gerötet, mit deutlichen Stichmarken. Die Narbe ist im wesentlichen im Niveau der umgebenden Haut. Die Narbe muß als kosmetisch sehr auffallend bewertet werden und es könnte durch eine kosmetische Operation eine Verbesserung erzielt werden, wobei, da sich eine ungünstige Narbenbildung bei der Klägerin befürchten läßt, ein vorsichtiges stufenweises operatives Vorgehen empfehlenswert ist, wobei die Operationskosten sich insgesamt auf S 30.000,-- belaufen. Aus diesen Feststellungen folgt, daß der bei der Klägerin bestehende Kreuzbandriß, der anläßlich der Feststellung der Unfallsschäden entdeckt und als vermeintliche Unfallsfolge operativ versorgt wurde, wobei sich erst bei der Operation herausstellte, daß diese Verletzung schon vor dem Unfall vorhanden war, unabhängig vom Unfall entstanden ist. Wenn auch die Einleitung der Operation an sich und die damit verbundenen Folgen - somit auch eine künftig vorzunehmende kosmetische Opertion - unter diesen Umständen als unfallskausal zu beurteilen sind, gilt dies jedenfalls nicht für medizinische Maßnahmen, die allein zur Behandlung des nicht durch den Unfall verursachten Kreuzbandrisses in der Absicht, diese Verletzung zu heilen oder zumindest zu bessern, vorgenommen wurden. Diesbezüglich besteht schon mangels eines natürlichen Kausalzusammenhanges zwischen dem Unfall und diesen Schäden keine Haftung des Schädigers. Zur abschließenden Beurteilung der der Klägerin entstandenen Schäden, soweit sie nicht ausschließlich durch die Behandlung des nicht unfallskausalen Kreuzbandrisses verursacht wurden, fehlt es aber an den erforderlichen Feststellungen, sodaß in diesem Umfang die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben werden mußten. Im fortgesetzten Verfahren werden die entsprechenden Feststellungen zu treffen sein.

Bezüglich der als unfallskausal zu wertenden Schäden, somit aller jener, die nicht auf die Behandlung des Kreuzbandrisses zurückzuführen sind, besteht weiterhin ein Feststellungsinteresse der Klägerin, sodaß das Urteil des Berufungsgerichtes hinsichtlich des Ausspruches über das Feststellungsbegehren zu bestätigen war. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 52 Abs 1 und 2, 392 Abs 2 ZPO.

Anmerkung

E08282

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0080OB00032.86.0507.000

Dokumentnummer

JJT_19860507_OGH0002_0080OB00032_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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