Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl und Dr.Kuderna sowie die Beisitzer Dr.Walter Urbarz und Dr.Friedrich Neuwirth, als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei "DER ANKER" Allgemeine Versicherungs-Aktiengesellschaft in Wien 1., Hoher Markt 10-11, vertreten durch Dr.Alfred Kasamas, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Ernst W***, Zusteller, Wiener Neustadt, Daimlergasse 21, vertreten durch Dr.Ingo Schreiber, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, wegen S 88.559,-- sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 20.Dezember 1984, GZ4 Cg 25/84-24, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Wiener Neustadt vom 4. Juli 1984, GZ Cr 75/84-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Beklagte ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.843,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 600,-- Barauslagen und S 385,80 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 22.7.1982 gegen 18 Uhr lenkte der Beklagte, welcher damals teilzeitbeschäftigter Aushilfschauffeur des Taxiunternehmers Johann F*** war, einen seinem Arbeitgeber gehörenden, bei der klagenden Partei vollkaskoversicherten PKW Mercedes 240 d - ein Funktaxi - auf der Bundesstraße 54 durch das Ortsgebiet von Schwarzau am Steinfeld in Richtung Wiener Neustadt. Er hatte einen Funkspruch erhalten, daß er dort auf dem Hauptplatz Fahrgäste aufnehmen sollte. Als er sich dem Ortsende von Schwarzau näherte, hielt er eine Fahrgeschwindigkeit von 105 km/h ein. Die Fahrbahnoberfläche der Bundesstraße war naß; sie wies Spurrillen auf, in welchen sich infolge vorausgegangener Niederschläge Wasser angesammelt hatte. Um einen Aquaplaningeffekt zu vermeiden, fuhr der Beklagte nicht im Bereich der rechten Fahrbahnhälfte, wo die Spurrillen besonders stark ausgeprägt waren, sondern annähernd in der Fahrbahnmitte. Als er wegen Gegenverkehrs nach rechts auslenken mußte und dadurch in jenen Fahrbahnbereich geriet, in welchem die Spurrillen vorhanden waren, kam das Fahrzeug etwa 100 m vor dem Verkehrszeichen "Ortsende" durch Aquaplaning ins Schleudern. Es stieß in der Folge gegen einen Leitpflock aus Kunststoff und kam dann mit einem Gartenzaun und einem Zaunsteher in Kontakt, wobei es vom Beginn des Schleudervorganges bis zum Stillstand eine Strecke von 98 m zurücklegte. Den dabei entstandenen Totalschaden in der unbestrittenen Höhe von S 88.559,-- hat die Klägerin ihrem Versicherungsnehmer Johann F*** am 9.8.1982 ersetzt. Bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h wäre der Aquaplaningeffekt nicht aufgetreten.
Der Beklagte hatte den Führerschein der Gruppen A und B im Jahr 1973 erworben. Er arbeitete ca.15 Stunden wöchentlich als nebenberuflicher Taxilenker und erzielte dabei ein monatliches Nettoeinkommen von S 1.800,-- bis S 2.000,--. Der Beklagte konnte auf eine umfangreiche Fahrpraxis zurückblicken, zumal er auch für seinen Hauptarbeitgeber - die Firma M*** - täglich rund 200 km mit dem PKW fahren mußte.
Mit der Behauptung, daß der Beklagte den Unfall grob fahrlässig verursacht habe, begehrt die Klägerin als Legalzessionarin (§ 67 VersVG) vom Beklagten die Zahlung des - der Höhe nach außer Streit stehenden - Betrages von S 88.559,-- sA.
Der Beklagte beantragte die Abweisung dieses Begehrens. Ein Regreß des Kaskoversicherers gegen den Kraftfahrzeuglenker wäre nur bei vorsätzlicher Herbeiführung des schädigenden Ereignisses zulässig. Dem Beklagten falle aber nicht einmal auffallende Sorglosigkeit, sondern nur ein minderer Grad des Versehens, wenn nicht überhaupt nur eine entschuldbare Fehlleistung, zur Last, so daß ihm mit Rücksicht auf die besonderen Umstände des Falles und auf sein geringes Einkommen gemäß § 2 des Dienstnehmerhaftpflichtgesetzes die Ersatzpflicht völlig zu erlassen wäre. Im übrigen fehle es am Rechtswidrigkeitszusammenhang, weil die im Ortsgebiet geltende Geschwindigkeitsbegrenzung nur solchen Gefahren begegnen solle, die typischerweise im verbauten Gebiet auftreten, nicht aber dem durch Aquaplaning verursachten Schleudern eines Fahrzeuges.
Das Erstgericht erkannte im Sinne des Klagebegehrens. Daß das Befahren regennasser Fahrbahnen mit besonderen Gefahren verbunden ist, habe auch dem Beklagten bekannt sein müssen; die von ihm unter solchen Verhältnissen und in Kenntnis des Vorhandenseins wassergefüllter Spurrillen eingehaltene Fahrgeschwindigkeit von 105 km/h lasse daher die Annahme auffallender Sorglosigkeit gerechtfertigt erscheinen.
Die Berufung des Beklagten blieb erfolglos. Das Berufungsgericht führte die Verhandlung gemäß § 25 Abs.1 Z 3 ArbGG von neuem durch und kam dabei zu den gleichen Feststellungen wie das Ersturteil. Davon ausgehend, biligte es auch die rechtliche Beurteilung dieses Sachverhaltes durch das Prozeßgericht erster Instanz. Das Urteil des Berufungsgerichtes wird seinem ganzen Inhalt nach vom Beklagten mit Revision aus dem Grunde des § 503 Abs.1 Z 4 ZPO bekämpft. Der Beklagte beantragt, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern, hilfsweise den ihm auferlegten Ersatzbetrag auf 1/5 des Klagebetrages, das sind S 17.711,80, zu mäßigen.
Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Gemäß § 67 VersVG gehen Schadenersatzansprüche, die dem Versicherungsnehmer gegen einen Dritten zustehen, auf den Versicherer insoweit über, als dieser dem Versicherungsnehmer den Schaden ersetzt hat. Wie das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang richtig erkannt hat, ist "Dritter" im Sinne dieser Gesetzesstelle jeder, der nicht Versicherungsnehmer oder Versicherter ist. Da bei der Kaskoversicherung der Fahrzeuglenker nicht mitversichert ist, können die dem Versicherungsnehmer gegen ihn zustehenden Ersatzansprüche auf den Versicherer übergehen; sie unterliegen allerdings dann, wenn der Fahrzeuglenker - wie hier - Arbeitnehmer des Versicherungsnehmers war, den Bestimmungen des Dienstnehmerhaftpflichtgesetzes (Arb 9143 mwN; ebenso Arb 10.064 = RdA 1984,227 ua). Die Annahme einer darüber hinausgehenden Schutzfunktion der Kaskoversicherung zugunsten des angestellten Kraftfahrzeuglenkers, wie sie in der Revision behauptet wird, entbehrt jeder gesetzlichen Grundlage.
Zu Unrecht wendet sich der Beklagte auch gegen den Vorwurf, daß er den Unfall vom 22.7.1982 durch "auffallende Sorglosigkeit" im Sinne des § 2 DHG - also grob fahrlässig im Sinne des allgemeinen Schadenersatzrechtes - herbeigeführt habe. Grobe Fahrlässigkeit hat ein Arbeitnehmer nach ständiger Rechtsprechung dann zu vertreten, wenn eine außergewöhnliche und auffallende Vernachlässigung einer Sorgfaltspflicht vorliegt und der Eintritt des Schadens nicht nur als möglich, sondern als wahrscheinlich vorauszusehen war, es sich also um ein Versehen handelt, das mit Rücksicht auf seine Schwere oder Häufigkeit nur bei besonders leichtsinnigen oder nachlässigen Menschen vorkommt und sich dabei auffallend aus der Menge der unvermeidlichen Fahrlässigkeitshandlungen des täglichen Lebens heraushebt; dabei ist im Einzelfall immer auf die persönlichen Verhältnisse des Schädigers abzustellen (Arb 9702 = SozM I A e 1141 mwN; RdW 1984,181 ua). Diese Voraussetzungen haben die Vorinstanzen hier mit Recht bejaht: Wie jeder andere Fahrzeuglenker, hatte auch der Beklagte seine Fahrgeschwindigkeit den gegebenen Straßen- und Witterungsverhältnissen anzupassen und sie demgemäß vor allem bei nasser Fahrbahn und Vorhandensein wassergefüllter Spurrillen entsprechend zu reduzieren, um das Auftreten eine Aquaplaningeffektes - also die Bildung eines Wasserkeils unter den Rädern des Fahrzeuges - zu vermeiden. Daß sich der Beklagte dieser Gefahr durchaus bewußt war und deshalb nicht im Bereich der rechten Fahrbahnhälfte, sondern annähernd in der Fahrbahnmitte fuhr, bestreitet er selbst nicht; dabei mußte ihm aber auch klar sein, daß sich bei allfälligem Gegenverkehr die Notwendigkeit ergeben konnte, wieder nach rechts und damit gerade in den Bereich der Spurrillen auszulenken. Wenn er trotz dieser besonders gefährlichen Straßenverhältnisse eine Fahrgeschwindigkeit einhielt, die mit 105 km/h mehr als doppelt so hoch lag als die im Ortsgebiet geltende, nur unter optimalen Voraussetzungen zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h, dann erscheint der Vorwurf einer außergewöhnlichen und auffallenden Vernachlässigung der Sorgfaltspflichten eines Kraftfahrzeuglenkers umso mehr gerechtfertigt, als der Beklagte damit auch jene Fahrgeschwindigkeit von 80 km/h, bei welcher nach seinen eigenen Angaben die Aquaplaning-Gefahr "üblicherweise auftritt", nahezu um die Hälfte überschritten hat. Eine besondere Dringlichkeit des dem Beklagten durch Funk erteilten Fahrauftrages ist von den Vorinstanzen nicht festgestellt worden; auch sie könnte im übrigen die hier festgestellte, nach den Umständen als geradezu verantwortungslos zu bezeichnende Fahrweise nicht rechtfertigen, welche beim Auftauchen eines entgegenkommenden Fahrzeuges oder einem sonstigen Hindernis auf der Fahrbahn fast zwangsläufig zu einem Unfall führen mußte. Zutreffend haben die Vorinstanzen aber auch den Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der weit überhöhten Fahrgeschwindigkeit des Beklagten und dem dadurch verursachten Unfall bejaht und dabei mit Recht darauf verwiesen, daß die vom Beklagten mehrfach übertretenen Geschwindigkeitsbeschränkungen nach § 20 Abs.1 und Abs.2 StVO ganz allgemein den Zweck haben, die durch überhöhte Fahrgeschwindigkeit im Straßenverkehr auftretenden Gefahren hintanzuhalten (ZVR 1975/111; ZVR 1976/198; ZVR 1983/157 ua).
Hat aber der Beklagte den Unfall vom 22.7.1982 grob fahrlässig verursacht, dann ist gemäß § 2 DHG - in der hier noch anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl.1983/169 - eine Minderung seiner Ersatzpflicht ebenso ausgeschlossen wie ein Verfall des - nach seinem Übergang auf die Klägerin erst im November 1983 gerichtlich geltend gemachten - Ersatzanspruches. Der Beklagte ist vielmehr der Klägerin im vollen Umfang zum Ersatz verpflichtet.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E08174European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0040OB00065.85.0513.000Dokumentnummer
JJT_19860513_OGH0002_0040OB00065_8500000_000