TE OGH 1986/5/13 14Ob68/86

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Veröffentlicht am 13.05.1986
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuderna, Dr. Gamerith sowie die Beisitzer Dr. Walter Urbarz und Dr. Friedrich Neuwirth als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Sonja F***, Angestellte, Innsbruck, Andechsstraße 59, vertreten durch Dr. Johannes Roilo, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Peter B***, Kaufmann in Innsbruck, Herzog-Friedrich-Straße 32, vertreten durch Dr. Karl Heinz Klee, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen restl. S 74.544,23 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 2. Oktober 1985, GZ. 2 a Cg 20/85-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Innsbruck vom 11. Juni 1985, GZ. 2 Cr 393/84-6, teilweise bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit S 3.396,-

bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 308,- Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war beim Beklagten seit 1.3.1980 als Verkäuferin beschäftigt. Sie wurde am 16.11.1984 mit der Begründung entlassen, sie habe eine andere Dienstnehmerin aufgefordert, so wenig wie möglich zu arbeiten.

Die Klägerin bestritt, eine solche Äußerung gemacht zu haben, und begehrte wegen unberechtigter vorzeitiger Entlassung zuletzt - nach Einschränkung im Berufungsverfahren - die Bezahlung folgender, der Höhe nach außer Streit stehender Beträge:

1.) Kündigungsentschädigung         S  27.900,--

2.) Urlaubsentschädigung            S  11.994,23

3.) Abfertigung                     S  34.650,--

zusammen                                S  74.544,23

brutto sA.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, die Klägerin habe eine andere Mitarbeiterin durch die Aufforderung, möglichst wenig zu arbeiten, zum Ungehorsam gegen den Dienstgeber zu verleiten versucht, so daß die Entlassung gemäß § 27 Z 4 letzter Tatbestand AngG berechtigt sei.

Das Erstgericht gab dem (in erster Instanz noch mit einem höheren Betrag streitverfangenen) Klagebegehren mit S 86.625,- sA. statt und wies ein Mehrbegehren von S 9.836,53 sA. - insoweit unbekämpft - ab. Es traf folgende wesentliche Feststellungen:

Am 16.11.1984 sagte die 35jährige Klägerin zu ihrer 45 Jahre alten Arbeitskollegin Margot H***, die erst am 5.11.1984 den Dienst beim Beklagten angetreten hatte, vor Arbeitsbeginn: "Arbeiten Sie so wenig wie möglich! Wenn Sie viel arbeiten, ist es auch zu wenig; wenn Sie viel arbeiten, werden sie ohnehin nur ausgenützt."

Irgend ein konkreter Anlaß für diese Äußerung der Klägerin ist nicht feststellbar. Margot H*** machte der Frau des Beklagten, Margarethe B***, umgehend von der Äußerung der Klägerin Mitteilung. Margarethe B*** besprach die Äußerung der Klägerin mit ihrem Mann, der noch am Nachmittag desselben Tages die Entlassung der Klägerin aussprach. Die Arbeitsleistung der Klägerin war an und für sich gut. Die Klägerin kannte sich im Verkauf und im Lager gut aus. Irgendwelche andere Schwierigkeiten gab es mit der Klägerin nicht.

Das Erstgericht war der Ansicht, daß die Äußerung der Klägerin nicht als Aufforderung zur Unterlassung der Arbeitsleistungen oder zur Arbeitsverweigerung zu verstehen sei. Sinn der Äußerung sei gewesen, daß sich Margot H*** nicht besonders anstrengen und über die Arbeitspflicht hinaus nicht besonders engagieren sollte. Unmutsäußerungen von Arbeitnehmern stellten nicht schlechthin einen Entlassungsgrund dar. Wegen der Einmaligkeit des Vorfalles und den ansonsten zufriedenstellenden Leistungen der Klägerin sei ihre Äußerung nicht so schwerwiegend, daß es dem Beklagten nicht zumutbar gewesen wäre, die Kündigungsfrist einzuhalten.

Das Berufungsgericht verhandelte die Rechtssache gemäß § 25 Abs. 1 Z 3 ArbGG von neuem, traf dieselben Feststellungen wie das Erstgericht und sprach der Klägerin den in zweiter Instanz auf S 74.544,23 sA eingeschränkten Klagsbetrag zu.

Auch das Berufungsgericht sah in der Äußerung der Klägerin keinen Entlassungsgrund. Diese Äußerung erfülle weder den Tatbestand der Verleitung anderer Dienstnehmer zum Ungehorsam (§ 27 Z 4 letzter Tatbestand AngG), noch der Vertrauensunwürdigkeit (§ 27 Z 1 letzter Tatbestand AngG). Die Klägerin habe mit ihrer Äußerung Margot H*** nicht zu beeinflussen versucht, einer bereits getroffenen Anordnung des Dienstgebers nicht Folge zu leisten. Die Äußerung könne auch nicht als Versuch gewertet werden, Margot H*** zur Arbeitsverweigerung anzustiften oder sie zu veranlassen, vom Dienstgeber in Zukunft angordnete Überstunden nicht zu leisten. Die Äußerung der Klägerin sei vielmehr eher als Unmutsäußerung über das Betriebsklima zu verstehen. Die Klägerin habe damit zum Ausdruck gebracht, daß eine über die normale Arbeitsleistung hinausgehende Anstrengung keine entsprechende Würdigung durch den Beklagten erfahre. Die Äußerung der Klägerin sei auch nicht so schwerwiegend, daß diese vertrauensunwürdig geworden sei. Berücksichtige man, daß die Arbeitsleistungen der Klägerin an und für sich gut waren und es mit ihr sonst keine Schwierigkeiten gab, dann sei es dem Beklagten zumutbar gewesen, die Klägerin bis zum nächsten Kündigungstermin zu beschäftigen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision des Beklagten ist nicht berechtigt.

Gemäß § 27 Z 1 und 4 (jeweils letzter Halbsatz) AngG ist es insbesondere als ein wichtiger Grund, der den Dienstgeber zur vorzeitigen Entlassung berechtigt, anzusehen, wenn sich der Angestellte einer Handlung schuldig macht, die ihn des Vertrauens des Dienstgebers unwürdig erscheinen läßt, oder wenn der Angestellte andere Bedienstete zum Ungehorsam zu verleiten sucht. Die Entlassung eines Dienstnehmers ist grundsätzlich nur dann gerechtfertigt, wenn sein gesamtes Verhalten nach den gewöhnlichen Anschauungen der beteiligten Kreise - also nicht nach dem subjektiven Empfinden des Dienstgebers, sondern nach objektiven Grundsätzen - die Interessen des Dienstgebers so schwer beeinträchtigt, daß ihm nach der Lage des Falles eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum nächsten Kündigungstermin nicht zugemutet werden kann (Arb. 9.431 mwN ua). Dieser Grundsatz ist bei jenen Entlassungstatbeständen von Bedeutung, wo Zweifel darüber bestehen, ob ein wichtiger Grund zur Entlassung vorliegt, weil dort das Gesetz nicht näher ausführt, was unter einem "wichtigen" Grund zu verstehen ist (zB § 1162 ABGB), oder bei denen der Auflösungstatbestand so unbestimmt und so weit gefaßt ist, daß er erst gegenüber geringfügigeren Ordnungswidrigkeiten und Interessenverletzungen abgegrenzt werden muß (Arb. 9.255, 9.431; auch 10.210). Diese Notwendigkeit der Abgrenzung trifft sowohl für den Entlassungstatbestand der Vertrauensunwürdigkeit als auch der Verleitung zum Ungehorsam zu. Letzterer erfordert zwar nicht, daß die Verleitung zum Erfolg geführt hat, weil auch der Versuch genügt

(Martinek-Schwarz AngG 6 632; Kuderna, Entlassungsrecht 75, 96), setzt aber auf Seiten des Verleitenden eine entsprechende Intensität der Beeinflussung voraus. Ist sie nämlich nur gering, dann kann es nach den Umständen des Einzelfalls und unter Bedachtnahme auf die unter Dienstnehmern üblichen Gespräche an dem Tatbestandsmerkmal der Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung fehlen. (Kuderna aaO 76, 96). Im allgemeinen wird der Entlassungstatbestand der Verleitung zum Ungehorsam erfüllt, wenn der Angestellte seine Arbeitskollegen zu solchen Handlungen oder Unterlassungen auffordert, deren Verwirklichung durch den Auffordernden selbst zu dessen Entlassung berechtigen würde, zB die Dienstleistung ohne rechtmäßigen Hinderungsgrund zu unterlassen, die Dienste zu verweigern oder sich gerechtfertigten Anordnungen nicht zu fügen (Martinek-Schwarz aaO). Im vorliegenden Fall war die Intensität der Beeinflussung der anderen Bediensteten nur gering. Der erste Teil der Äußerung der Klägerin "Arbeiten Sie so wenig wie möglich" enthält zwar, für sich allein und wörtlich genommen, die Aufforderung zu einer schwerwiegenden Verletzung von Dienstgeberinteressen; die Äußerungen der Klägerin müssen aber in ihrem Zusammenhang beurteilt werden; so betrachtet stellen sie sich als eine in die Form eines Rates an die neue Angestellte gekleidete Unmutsäußerung dar, mit der die Klägerin zum Ausdruck brachte, daß sich ein Engagieren für den Beklagten nicht lohne; auch wenn man viel arbeite, sei es dem Chef zu wenig, und man werde nur ausgenützt. Der Adressatin dieser Äußerung mußte wohl nach zehntägiger Arbeit im Betrieb des Beklagten bereits aufgefallen sein, daß die Arbeitsleistung der Klägerin, die von den Vorinstanzen auf Grund der Vernehmung des Beklagten als an und für sich gut festgestellt wurde, zu dem von ihr gegebenen Rat, so wenig wie möglich zu arbeiten, in Widerspruch stand und damit nur Ausdruck einer Ablehnung von besonderem Engagement am Arbeitsplatz sein konnte. Bei dieser Situation war eine intensive negative Beeinflussung der um zehn Jahre älteren Angestellten Margot H*** dahingehend, sie solle nicht einmal die den Umständen nach angemessenen Dienste leisten (§ 6 Abs. 1 AngG) nicht zu befürchten. Insbesondere hat die Klägerin mit ihren gewiß zu mißbilligenden Bemerkungen nicht zum Ausdruck gebracht, daß Margot H*** keine Überstunden leisten solle, so daß die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Verweigerung der Leistung von Überstunden einen Entlassungsgrund darstellt, auf sich beruhen kann.

Die von der Klägerin gegenüber der neu eingetretenen Angestellten zum Ausdruck gebrachte negative Einstellung zu Leistungsfreudigkeit und Engagement am Arbeitsplatz rechtfertigte wohl einen erheblichen Vertrauensverlust durch den Dienstgeber. Die Beeinträchtigung seiner Interessen durch die Klägerin war aber nicht so schwerwiegend, daß ihm die weitere Zusammenarbeit mit ihr auch für die Zeit der Kündigungsfrist nicht mehr zumutbar gewesen wäre. Die zwar pflichtwidrigen, gegen berechtigte Dienstgeberinteressen gerichteten Äußerungen der Klägerin zu einer Mitbediensteten rechtfertigten im Hinblick auf die Einmaligkeit des Vorfalles und ihre bisherige gute Arbeitsleistung eine vorzeitige Entlassung noch nicht.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E08170

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0140OB00068.86.0513.000

Dokumentnummer

JJT_19860513_OGH0002_0140OB00068_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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