TE OGH 1986/5/13 10Os7/86 (10Os61/86)

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Veröffentlicht am 13.05.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 13.Mai 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch sowie Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Jagschitz als Schriftführerin in der Strafsache gegen Julius T*** und andere wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Reinhard T***, über die Berufung des Angeklagten Peter S*** sowie über die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes der Generalprokuratur gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 21.November 1985, GZ 20 Vr 1392/85-18, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Erster Generalanwalt Dr. Nurscher, des Angeklagten S*** und der Verteidiger Dr. Weber und Dr. Schaller, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten T***, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Durchführung der Hauptverhandlung vom 21.November 1985 im Verfahren AZ 20 Vr 1392/85 des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht verletzt hinsichtlich des Angeklagten T*** das Gesetz in der Bestimmung des § 45 a Abs. 1 StPO.

Das in dieser Hauptverhandlung gefällte Urteil, GZ 20 Vr 1392/85-18, das hinsichtlich der Angeklagten T*** und R*** zur Gänze sowie im Schuldspruch des Angeklagten S*** unberührt bleibt, wird hinsichtlich des Angeklagten T*** aufgehoben und im Umfang der Aufhebung die Strafsache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Darauf wird der Angeklagte T*** mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und seiner Berufung verwiesen. Der Berufung des Angeklagten S*** wird nicht Folge

gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten S*** die Kosten des ihn betreffenden Berufungsverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

I. Aus dem Akt AZ 20 Vr 1392/85 des Landesgerichtes Feldkirch ergibt sich:

Der Angeklagte Reinhard T*** hatte in dem gegen ihn und die Angeklagten T***, S*** und R*** wegen Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG und anderer strafbarer Handlungen geführten Strafverfahren am 8.Juni 1985 die Rechtsanwälte Dr.Reinhold Moosbrugger und Dr.Wolfgang Ölz als Verteidiger bestellt. Die Vollmacht wurde dem Gericht am 27.Juni 1985 vorgelegt. Zu der auf Grund einer Anklageschrift für den 21.November 1985 anberaumten Hauptverhandlung wurde u.a. der Verteidiger Dr. Ölz geladen, dem die Ladung am 5.November 1985 zugestellt wurde (S 339 f).

Zu dieser Hauptverhandlung vor dem Schöffengericht erschien der Angeklagte T*** mit dem Rechtsanwaltsanwärter Dr. (Johannes Michael) Burger (für die) "Kzl. Dr. Ölz" (S 345). In der Hauptverhandlung wurde das Urteil verkündet, mit dem (u.a.) der Angeklagte T*** des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG und des Vergehens nach § 16 Abs. 1 Z 1 und 2 SuchtgiftG schuldig erkannt und zu einer Strafe verurteilt wurde (ON 18). Der Angeklagte T*** meldete gegen das Urteil rechtzeitig Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an (ON 20) und führte eine auf die Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs. 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde sowie eine Berufung aus (ON 22).

Erhebungen des Obersten Gerichtshofes gemäß § 285 f StPO über die Vertretungsbefugnis des Rechtsanwaltsanwärters Dr. Burger vor dem Schöffengericht (§ 45 a Abs. 1 StPO) ergaben, daß Dr. Burger - jedenfalls zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung - die Rechtsanwaltsprüfung nicht abgelegt hatte und ihm dieses Erfordernis auch nicht erlassen wurde (ON 27). Er war somit nicht befugt, den vom Angeklagten T*** bestellten Verteidiger in einer Hauptverhandlung vor dem Schöffengericht zu vertreten.

Rechtliche Beurteilung

Durch den aufgezeigten, vom Gericht zugelassenen Vorgang wurde der vom Angeklagten T*** nicht geltend gemachte Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 1 a StPO verwirklicht (Mayerhofer-Rieder, StPO 2 , Anm 3 zu § 45 a StPO; EvBl 1973/192; EvBl 1950/293 uva), der zwar nicht im Rahmen einer Maßnahme nach § 290 Abs. 1 StPO von Amts wegen wahrgenommen werden konnte; diese auch dem Schöffengericht, das Dr. Burger als Verteidiger zuließ und nicht für eine Verteidigung durch einen befugten Verteidiger Sorge trug, unterlaufene Gesetzesverletzung war allerdings auf Grund der deshalb von der Generalprokuratur erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes festzustellen.

Mit dieser Feststellung war zudem die konkrete Wirkung einer Aufhebung des Urteils und die Anordnung der Verfahrenserneuerung zu verknüpfen, weil nicht auszuschließen ist, daß sich der aufgezeigte Mangel der Vertretung durch einen (als solchen qualifizierten) Verteidiger im schöffengerichtlichen Verfahren, somit die Verletzung essentieller und deshalb unter Nichtigkeitssanktion stehender Verteidigungsrechte (vgl hiezu §§ 41 Abs. 3, 220 Abs. 1 und 3 StPO, Art 6 Abs. 3 lit c MRK) zum Nachteil des Angeklagten T*** auswirkte

(vgl auch EvBl 1980/169; SSt 49/42 = JBl 1979, 331;

EvBl 1973/192 = RZ 1973/142; ZVR 1970, 152; EvBl 1950/293 u.a.). Die

regelmäßig anzunehmende Möglichkeit einer Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten zeigt sich schon daraus, daß § 281 Abs. 1 Z 1 a StPO einen absoluten Nichtigkeitsgrund darstellt, dessen Relevanz auf die Entscheidung auch im Fall einer Geltendmachung durch einen Angeklagten nicht weiter zu prüfen ist (Platzgummer, Grundzüge des Österr. Strafverfahrens, S 158).

Aus den angeführten Gründen war daher nicht nur die Gesetzesverletzung festzustellen, sondern auch das erstgerichtliche Urteil hinsichtlich des Angeklagten T*** aufzuheben und insoweit die Verfahrenserneuerung anzuordnen.

Der Angeklagte T*** war demgemäß mit seinen Rechtsmitteln auf diese Entscheidung zu verweisen.

Im Hinblick auf die Tatzeit der diesem Angeklagten zur Last fallenden deliktischen Handlungen (vor dem Inkrafttreten der Suchtgiftgesetznovelle 1985, BGBl 184) und auf die durch die Suchtgiftgesetznovelle 1985 vorgenommene Änderung der Strafbestimmung des § 12 Abs. 1 SuchtgiftG wird das Erstgericht im erneuerten Verfahrensgang auch begründete Feststellungen zu sämtlichen Tatbestandsvoraussetzungen des § 12 Abs. 1 alt SuchtgiftG zu treffen haben, mithin auch darüber, welche Verwendung oder Verbreitung des Suchtgiftes vom Täter beabsichtigt war, d.h. welches Ausmaß der Suchtgiftstreuung von ihm gewollt war. Bei Annahme aller Tatbildmerkmale des § 12 Abs. 1 alt SuchtgiftG wird sodann ein Günstigkeitsvergleich (§ 61 StGB) anzustellen sein. II. Die vom Angeklagten S*** erhobene Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Erstgerichtes wurde mit dem Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 29.April 1986, GZ 10 Os 7/86-9, bei der nichtöffentlichen Beratung zurückgewiesen. Anzumerken bleibt, daß auch im Schuldspruchfaktum A/I/14, nach welchem dem Angeklagten S*** zur Last fällt, im Juli 1984 in der Schweiz 23 g Heroin von Hakdemir CIN an einen Dealer "F***" überbracht zu haben, die inländische Gerichtsbarkeit gegeben und damit kein Anlaß zu einem Vorgehen nach § 290 Abs. 1 StPO vorhanden ist. Wenngleich zufolge der inhaltlichen Neugestaltung des § 12 SuchtgiftG durch die Suchtgiftgesetznovelle 1985 die Bestimmung des § 64 Abs. 1 Z 4 StGB auf Suchtgiftverbrechen nach § 12 SuchtgiftG nicht mehr anwendbar ist (Leukauf-Steininger, Strafrechtliche Nebengesetze, 2. Ergänzungsheft 1985, S 54), ist die inländische Gerichtsbarkeit unter dem Gesichtspunkt des § 64 Abs. 1 Z 6 StGB gegeben, weil sich Österreich gemäß Art 36 Abs. 2 lit a Z IV der Einzigen Suchtgiftkonvention verpflichtete, schwere Verstöße gegen die Konvention zu verfolgen, wenn der Täter in Österreich betreten wird, sofern auf Grund österreichischen Rechts das Ersuchen um seine Auslieferung abgelehnt wird und er noch nicht verfolgt und verurteilt wurde (Leukauf-Steininger aaO). Der Angeklagte S*** wurde aber nach der Aktenlage wegen der bezeichneten Tathandlung in der Schweiz nicht verfolgt und verurteilt, ein allfälliges Auslieferungsersuchen der Schweiz müßte abgelehnt werden, weil er Österreicher ist. Selbst dann aber, wenn die Voraussetzungen des § 64 Abs. 1 Z 6 StGB nicht gegeben wären, käme die inländische Gerichtsbarkeit nach § 65 Abs. 1 Z 1 StGB in Betracht, zumal ein Suchtgiftdelikt der vorliegenden Art auch in der Schweiz mit Strafe bedroht ist und keine der Voraussetzungen des § 65 Abs. 4 StGB vorliegt.

Der Angeklagte S*** wurde vom Erstgericht nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG (zu ergänzen: und § 28 StGB) zu 15 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht als erschwerend das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, als mildernd das volle und umfassende Geständnis, die bisherige Unbescholtenheit sowie den Umstand, daß die Taten "schon über ein Jahr zurückliegen".

Der Berufung des Angeklagten S***, der eine Herabsetzung des Ausmaßes der Freiheitsstrafe und die Gewährung bedingter Strafnachsicht anstrebt, kommt keine Berechtigung zu. Von einer Tatbegehung schon vor längerer Zeit (§ 34 Z 18 StGB) kann beim Verstreichen eines Zeitraumes von bloß einem Jahr allerdings nicht gesprochen werden. Im übrigen aber wurden die Strafzumessungsgründe vom Erstgericht zutreffend festgestellt. Dem in der Berufung hervorgekehrten Umstand, daß der Angeklagte (ursprünglich) durch CIN verleitet worden sei, kommt angesichts der darauffolgenden mehrfach wiederholten Tathandlungen keine fortdauernde ins Gewicht fallende mildernde Bedeutung mehr zu. Die Suchtgiftmenge von rund 57 g Heroin, die der Angeklagte in Verkehr setzte (oder hiezu beitrug), läßt das vom Erstgericht gewählte Strafausmaß als keineswegs überhöht erscheinen. Es steht auch in ausgewogener Relation zu den über die Mitangeklagten T*** und T*** verhängten Freiheitsstrafen, denn diese beiden Angeklagten haben die Verbreitung von nur entsprechend geringeren Suchtgiftmengen zu verantworten.

Die Wiederholung der deliktischen Angriffe, die erhebliche Suchtgiftmenge und der Umstand, daß es sich bei Heroin um eines der gefährlichsten Suchtgifte handelt, lassen selbst bei dem nicht vorbestraften Angeklagten S*** auch die Anwendung bedingter Strafnachsicht nicht zu. Es fehlt an den Voraussetzungen des § 43 Abs. 2 StGB. Von einer Gewähr künftigen Wohlverhaltens aus besonderen Gründen kann schon angesichts der Tatwiederholungen nicht gesprochen werden. Im übrigen gebieten es auch generalpräventive Erwägungen, bei Handel mit gefährlichen Suchtgiften durch Täter, die nicht einmal selbst süchtig sind, sondern ihr Gewinnstreben verfolgen - wie es vorliegend beim Angeklagten S*** der Fall ist - Strafen zu vollstrecken, um der Begehung ähnlich strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken.

Der Berufung des Angeklagten S*** war daher ein Erfolg zu versagen.

Anmerkung

E08470

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0100OS00007.86.0513.000

Dokumentnummer

JJT_19860513_OGH0002_0100OS00007_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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