TE OGH 1986/5/14 1Ob566/86

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Veröffentlicht am 14.05.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Alois K***, Maschinenschlosser, Tarsdorf, Hörndl 64, vertreten durch DDr. Hans Esterbauer, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Tamara K***, Hausfrau, Kelheim, Starenstraße 6, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Florian Lackner, Rechtsanwalt in Braunau am Inn, wegen Ehescheidung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 14.November 1985, GZ 3 b R 98/85-43, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Ried i.I. vom 5.Mai 1985, GZ 2 Cg 6/85-37, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.397,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 308,85 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile haben am 16.7.1982 vor dem Standesamt Tarsdorf die Ehe geschlossen; es war dies die erste Ehe des Klägers, hingegen die zweite der Beklagten. Der Ehe entstammt die am 23.6.1983 geborene Melanie Renate.

Der Kläger begehrt die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden der Beklagten. Sie habe grundlos den ehelichen Verkehr verweigert, geschimpft, genörgelt und den Haushalt verschwenderisch geführt. Sie habe ehewidrige Beziehungen zu anderen Männern unterhalten und die Ehe gebrochen; das während der Ehe geborene Kind stamme nicht von ihm. Sie habe den Kläger auch fälschlich des Ehebruchs bezichtigt und schließlich Anfang Jänner 1983 ohne jeden berechtigten Grund die eheliche Wohnung verlassen.

Die Beklagte wandte sich zuletzt nicht mehr gegen das Scheidungsbegehren, beantragte jedoch den Ausspruch, daß den Kläger das überwiegende Verschulden treffe. Er habe sie grundlos mit Eifersucht verfolgt und terrorisiert. Während ihrer Schwangerschaft habe er ständig, jedoch ohne Grund behauptet, das Kind sei nicht von ihm. Er selbst habe dagegen laufend Kontakte zu einem Eheanbahnungsinstitut unterhalten. Er habe auch zu unmöglichen Zeiten von ihr Geschlechtsverkehr verlangt und sie zutiefst gedemütigt, indem er ihr hiefür Geld zustecken habe wollen. Als sie wegen der ständigen Vorwürfe zu ihrer Schwester gezogen sei, habe er sie dort angeschwärzt und aufgefordert, nicht mehr zurückzukehren. Das Erstgericht schied die Ehe aus dem überwiegenden Verschulden des Klägers. Es stellte fest, es sei bei Aufnahme der häuslichen Gemeinschaft im Zuge der gegenseitigen Anpassung immer wieder zu Streitigkeiten gekommen, die ihre Ursache in den unterschiedlichen Wesenszügen der Eheleute gehabt hätten. Der Kläger sei zurückhaltend, gehemmt, naiv und sparsam und vom traditionellen ehelichen Rollenverhalten bestimmt gewesen, während das Wesen der Beklagten durch Wendigkeit, Großzügigkeit, Anpassungsfähigkeit und Freizügigkeit charakterisiert sei. Angesichts der Erfahrungen aus einer gescheiterten Ehe sei sie jedoch bemüht gewesen, sich in der Anpassungsphase einzufügen, habe aber ihre Charakterzüge nicht immer verbergen können; so habe sie auf Vorhalte und Einwände des Klägers schnippisch geantwortet. Auch das Telefon habe sie anfänglich allzu oft in Anspruch genommen. Wegen der erheblichen Fernsprechgebühren habe man sich auf ein Telefonschloß geeinigt, dessen Schlüssel der Kläger bei sich verwahrt habe. Als sie eines Tages wegen Erkrankung eines ihrer beiden Kinder aus der Vorehe den Arzt herbeirufen habe müssen, habe sie das Schloß aufgebrochen. Deshalb und weil der mißtrauisch gewordene Kläger in der Folge den Schlüssel verlegt habe, sei es zu Auseinandersetzungen gekommen. Für ihre Kinder aus erster Ehe erhalte die Beklagte monatliche Unterhaltsbeträge von DM 485,--; der Kläger habe lediglich DM 100,-- dazugelegt und sei der Überzeugung gewesen, daß die Beklagte für den Haushalt damit das Auslangen finden müsse. Da sie jedoch nicht ausgekommen sei, habe ihr der Kläger verschwenderische Haushaltsführung vorgeworfen. Störend sei gewesen, daß beide Eheleute - als Kunden von (verschiedenen) Eheanbahnungsinstituten - auch noch nach der Eheschließung Zuschriften von Heiratswilligen erhalten hätten. Während aber die Beklagte sogleich für die Einstellung solcher Kontaktaufnahmeversuche gesorgt habe, habe der Kläger die Beziehungen zu seinem Institut nicht sofort abgebrochen. Als die Beklagte einem Kontaktwilligen eine abschlägige Antwort erteilt habe, habe der Kläger bloß den Briefumschlag zu Gesicht bekommen, was seine Eifersucht nur noch gefördert habe. Aber auch die Beklagte sei eifersüchtig geworden, als der Kläger Anrufe mehrerer kontaktwilliger Frauen erhalten habe. Besonders ungünstig hätten sich die geschlechtlichen Beziehungen gestaltet; zu dieser Entwicklung habe jedoch in erster Linie der Kläger beigetragen. So habe er der Beklagten einmal, als sie den Verkehr verweigert habe, weil die Kinder noch wach waren, eine 50-DM-Banknote mit dem Bemerken in die Bluse gesteckt, daß sie vielleicht nun dazu bereit sei. Auch habe er ihr ernstlich den Vorschlag gemacht, bei jedem Geschlechtsverkehr DM 5,-- in ein Sparschwein zu werfen; mit dem Geld könne man den Urlaub bestreiten. Zu ernsthaften Zwistigkeiten sei es jedoch erst gekommen, als die Beklagte festgestellt habe, daß sie ein Kind erwarte. Obgleich sich zunächst nur der Kläger ein Kind gewünscht habe, während die Beklagte noch etwas zuwarten habe wollen, habe sie sich doch auf das Kind gefreut; der Kläger hingegen habe sofort Zweifel geäußert, daß er überhaupt Vater des Kindes sei. Als sie ihm beteuert habe, das Kind sei nur von ihm, sei erst recht ein Streit ausgebrochen. Grund seines Mißtrauens und seiner Eifersucht seien zwei Vorfälle kurz nach der Eheschließung gewesen. Von einer zu Ehren des jungvermählten Paares veranstalteten Feier des Fußballvereins, dessen Mitglied der Kläger gewesen sei, habe die Beklagte, weil sie sich nicht wohl gefühlt habe, frühzeitig aufbrechen wollen. Der Kläger habe noch bleiben wollen, sei aber einverstanden gewesen, daß sie ein Kamerad nach Hause bringe. Die Beklagte habe diesen zum Dank mit Kaffee und Kuchen bewirtet. Obgleich es zu keiner weitergehenden Beziehung gekommen sei, habe sich im Ort das Gerücht verbreitet, daß die Beklagte mit diesem Mann etwas gehabt habe. Von einem anderen Vereinsfest sei der Kläger vorzeitig aufgebrochen, weil ihm übel gewesen sei; die Beklagte sei noch geblieben und habe sich von einem Vereinskameraden des Klägers schließlich heimbegleiten lassen. Auch dabei sei es zu keinerlei ehestörenden Beziehungen gekommen, der Kläger habe sie jedoch mit einer Ohrfeige empfangen und als Hure beschimpft. Seither habe der Kläger vermutet, daß dieser Mann das Kind gezeugt habe. Seine Eifersucht habe zudem reichliche Nahrung gefunden, weil er von seinen Vereinskameraden deshalb immer wieder gehänselt worden sei. Seither habe er der Beklagten bei jeder Auseinandersetzung vorgehalten, das Kind stamme nicht von ihm. Die Beklagte habe sich deshalb einmal bei ihrer Schwester beklagt; deren Besuch habe aber zu keiner Beruhigung des Eheklimas geführt, so daß sie der Beklagten den Vorschlag unterbreitet habe, einige Tage Eheurlaub zu machen und mit den Kindern zu ihr zu kommen. Die Beklagte, durch die ständigen Vorwürfe des Klägers, das Kind sei nicht von ihm, nervlich zermürbt, habe eingewilligt. Auch der Kläger sei mit dem Vorschlag einverstanden gewesen. Die Beklagte habe aber nur einige Tage wegbleiben wollen und habe deshalb nur das Nötigste mitgenommen. Die Rückfahrt habe sich jedoch etwas verzögert, weil das Auto des Schwagers nicht zur Verfügung gestanden sei. Bei einem Ferngespräch habe der Kläger seine Vorwürfe wiederholt und sich geäußert, sie könne das "Geraffel" abholen. Bei weiteren Ferngesprächen habe er sie beschimpft und ihr erklärt, sie brauche gar nicht mehr nach Hause kommen. Die Beklagte habe hiedurch den Eindruck gewonnen, der Kläger werde sie nicht mehr bei sich aufnehmen; sie habe deshalb ihren Sohn von der Schule in Österreich abgemeldet und ihrer Kleidung nach Kelheim (Bundesrepublik Deutschland) mitgenommen. Hieraus schloß das Erstgericht, der Kläger habe das Scheitern der Ehe überwiegend verschuldet. Besonders vorzuwerfen sei es ihm, daß er der Beklagten während ihrer Schwangerschaft keine Rücksichtsnahme und Fürsorge angedeihen habe lassen, sondern sie im Gegenteil noch mit dem unbegründeten Vorwurf belastet habe, das Kind stamme nicht von ihm. Gegenüber diesen Eheverfehlungen träten die anfänglichen Unzulänglichkeiten in den Hintergrund. Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es traf aus dem Akt 1 C 1/84 des Bezirksgerichtes Braunau (der das vom Kläger eingeleitete Ehelichkeitsbestreitungsverfahren zum Gegenstand hat) die ergänzende Feststellung, die Vaterschaft des Klägers sei mit 99 % "sehr bis höchstwahrscheinlich", und führte zur Rechtsrüge aus, bei der Verschuldensabwägung sei ausschlaggebend, wodurch die Ehe unheilbar zerrüttet worden und in welchem Ausmaß das Verhalten des einen Ehegatten als zulässige Reaktion auf die Verhaltensweise des anderen zu beurteilen sei. Angesichts des Gesamtverhaltens der Streitteile sei der Schluß des Erstgerichts gerechtfertigt, daß das Zusammenleben vor allem durch die grundlose Eifersucht des Klägers vergiftet worden sei. Er habe mehr auf den Tratsch als auf seine Ehegattin gehört. Seine Eifersucht gipfle in dem haltlosen Vorwurf, das Kind sei nicht von ihm; diese besonders schwere Eheverfehlung sei nicht verjährt, weil er den Vorwurf ständig wiederholt und auch noch 1984 aufrechterhalten habe. Im übrigen seien auch verfristete Eheverfehlungen zu berücksichtigen, wenn das der Billigkeit entspreche. Die Beklagte habe die eheliche Gemeinschaft nicht eigenmächtig aufgelöst; im Hinblick auf die Äußerungen des Klägers habe für sie keine Veranlassung bestanden, zu ihm zurückzukehren. Das Verschulden des Klägers überwiege deshalb erheblich.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist nicht berechtigt.

Bei der Beurteilung der Mitverschuldensanteile der Ehegatten am Scheitern der Ehe ist deren Gesamtverhalten während der Ehe zu berücksichtigen. Der Ausspruch des überwiegenden Verschuldens eines Ehegatten setzt voraus, daß das Verschulden des einen Ehegatten erheblich schwerer wiegt als das des anderen; der Unterschied der Verschuldensanteile muß augenscheinlich hervortreten. Es muß also ein sehr erheblicher gradueller Unterschied des beiderseitigen Verschuldens gegeben sein (EFSlg.46.242 ff., 43.691 f., 41.281 ff. uva.; Schwind, EheG 2 251). Dabei kommt es nicht nur auf das Maß der Verwerflichkeit der einzelnen Eheverfehlungen, sondern auch darauf an, wie weit sie einander bedingen und welchen ursächlichen Anteil sie am Scheitern der Ehe hatten (EFSlg.46.235, 43.676 ua.). Es ist nicht nur darauf Bedacht zu nehmen, wer mit der schuldhaften Zerrüttung der Ehe begonnen, sondern auch wer den entscheidenden Beitrag zur unheilbaren Zerrüttung der Ehe geleistet hat (EFSlg.46.236, 43.679, 41.269 ua.).

Der Kläger übersieht, daß ihm keineswegs nur seine ständigen unbegründeten Vorwürfe, die Beklagte sei ihm nicht treu gewesen und das Kind stamme nicht von ihm, zur Last fallen. Er hat seine Kontakte zu seinem Eheanbahnungsinstitut nicht, wie geboten, nach der Eheschließung sofort abgebrochen; er hat der Beklagten auch viel zu wenig Wirtschaftsgeld zur Verfügung gestellt, weil er von der haltlosen Auffassung ausging, sie könne den Haushalt ohnedies überwiegend mit den ihr für die beiden Kinder aus der ersten Ehe gewährten Unterhaltsbeträgen versorgen; er hat ihr zudem, als sie mehr Geld forderte, vorgeworfen, sie sei verschwenderisch. Er demütigte sie, als er ihr Geld für den Geschlechtsverkehr zustecken wollte, und ließ ihr während der Schwangerschaft auch nicht die erforderliche Rücksicht und Anteilnahme angedeihen. Demgegenüber ist die Beklagte lediglich während der Anpassungsphase nach der Eheschließung zu wenig auf die charakterlichen Eigenheiten des Klägers eingegangen, hat zu wenig Bedacht auf seine Hemmungen und sein Mißtrauen genommen und sich auch gegenüber seinen Anliegen schnippisch gezeigt. Den Vorinstanzen ist darin beizupflichten, daß der Kläger die Zerrüttung durch sein demütigendes sexuelles Verhalten, sein ständiges Mißtrauen und seine laufenden Vorhalte, das Kind sei nicht von ihm, die Zerrüttung nicht bloß eingeleitet, sondern auch den entscheidenden Beitrag zu ihr geleistet hat. Verfehlt ist auch die selbst noch in der Revision vorgetragene Ansicht des Klägers, die Beklagte habe die eheliche Gemeinschaft grundlos aufgelöst. Daß sie für einige Tage zu ihrer Schwester fahren sollte, um von den ständigen Auseinandersetzungen, die ihrer Schwangerschaft nicht zuträglich sein konnten, Abstand zu gewinnen, fand auch seine Zustimmung. Als die Beklagte die Rückkehr ankündigte, erneuerte er seine Vorwürfe und gab ihr zu verstehen, sie solle sich ihre Habseligkeiten holen. Er beschimpfte sie am Telefon und sagte ihr, sie brauche gar nicht mehr zurückkommen. Die Beklagte mußte daher bei einer Rückkehr gewärtigen, daß er sie hinauswerfen werde, jedenfalls aber, daß er sein sie zermürbendes Verhalten wieder aufnehmen werde, dessentwegen sie "Eheurlaub" gemacht hatte. Daher fällt auch die Auflösung der häuslichen Gemeinschaft ihm zur Last. Bei dieser Sachlage ist den Vorinstanzen beizupflichten, daß die Eheverfehlungen der Beklagten fast in den Hintergrund treten, so daß der Ausspruch des überwiegenden Verschuldens des Klägers gerechtfertigt ist. An diesem Ergebnis können auch die Wesenszüge des Klägers nichts ändern, weil sie sein die Ehe zerrüttendes Verhalten nicht entschuldigen können. In der Revision macht der Kläger die Verfristung seiner Eheverfehlungen nicht mehr geltend; einer solchen Annahme stünde schon die Erwägung entgegen, daß der Fristenlauf während der Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft gehemmt ist (§ 57 Abs.1 EheG; Pichler in Rummel, ABGB, Rdz 3 zu § 57 EheG).

Der Revision ist somit ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E08105

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0010OB00566.86.0514.000

Dokumentnummer

JJT_19860514_OGH0002_0010OB00566_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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