TE OGH 1986/5/15 13Os59/86

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Veröffentlicht am 15.05.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 15.Mai 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Schneider, Dr. Lachner und Dr. Brustbauer (Berichterstatter) als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Jagschitz als Schriftführerin in der Strafsache gegen Sascha T*** wegen des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs. 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Jugendgerichtshofs Wien als Schöffengerichts vom 20.Feber 1986, GZ. 1 b Vr 1856/85-16, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Gehart, und des Verteidigers Dr. Fiebich, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, im freisprechenden Teil sowie im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Gründe:

Der am 21.August 1968 geborene Sascha T*** wurde der Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs. 1 StGB, des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs. 1 und 2 StGB, der Körperverletzung nach § 83 Abs. 2 StGB und der Sachbeschädigung nach § 125 StGB schuldig erkannt. Von der Anklage des Vergehens der versuchten Täuschung nach §§ 15, 108 Abs. 1 StGB wurde T*** gemäß § 259 Z. 3 StPO freigesprochen. Hiezu stellte das Jugendschöffengericht im wesentlichen fest, daß der Angeklagte an einem zum Verkehr nicht zugelassenen Kleinmotorrad, das er (von einem Bekannten) gekauft, aber ohne dessen Einwilligung noch vor der (von der Zahlung des restlichen Kaufpreises abhängig gemachten) Übergabe in Gebrauch genommen hatte (worauf sich der Schuldspruch nach § 136 StGB bezieht), die Kennzeichentafel eines anderen, für ihn zum Verkehr zugelassenen Kleinmotorrads derselben Type anbrachte und damit am 12.Juli 1985 in Wien auf Straßen mit öffentlichem Verkehr fuhr. Im 3. Bezirk wurde er von einer Polizeistreife angehalten, die bei der Überprüfung des Fahrzeugs entdeckte, daß dieses - neben mehreren technischen Mängeln - eine andere als die in dem vom Angeklagten vorgewiesenen (zum geführten Kennzeichen gehörenden) Zulassungsschein angegebene Motor- und Fahrgestellnummer aufwies.

In rechtlicher Beziehung vertrat das Jugendschöffengericht die Auffassung, es fehle eine vom Angeklagten beabsichtigte Täuschung (gemeint: Beeinträchtigung eines konkreten staatlichen Rechts), weil das Fahrzeug den materiellen Zulassungsvoraussetzungen (in technischer Hinsicht) entsprochen habe und auch die Ausforschung des Lenkers an Hand des dem Angeklagten (wenn auch für ein anderes Fahrzeug) zugewiesenen Kennzeichens (ungehindert) möglich gewesen wäre.

Der Freispruch wird von der Staatsanwaltschaft unter Anrufung des § 281 Abs. 1 Z. 5 und 9 lit. a StPO mit Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft.

Rechtliche Beurteilung

Auszugehen ist davon, daß - wie die Anklagebehörde zutreffend ausführt - zu den materiellen Voraussetzungen der Zulassung eines Kraftfahrzeugs gemäß § 37 Abs. 2 KFG auch das Bestehen einer Haftpflichtversicherung (§ 59 KFG) gehört. Wer ein nicht zum Verkehr zugelassenes Kraftfahrzeug, für das keine Haftpflichtversicherung besteht, mit dem Kennzeichen eines anderen Fahrzeugs versieht, mag ihm dieses Kennzeichen auch rechtmäßig zugewiesen worden sein, und damit öffentliche Verkehrsflächen benützt, verantwortet objektiv das Vergehen der versuchten Täuschung nach § 108 StGB. Wird doch dadurch das konkrete Recht des Staats beeinträchtigt, solche Kraftfahrzeuge (ohne Zulassung und ohne Haftpflichtversicherungsschutz) vom öffentlichen Straßenverkehr auszuschließen (LSK 1976/268 = EvBl 1976/290 = ZVR 1977/32; ZVR 1979/185; ZVR 1980/108 u.a.). Zu dem im Anklagevorwurf (S. 43) ausdrücklich als maßgebende Rechtsgrundlage für die Annahme einer versuchten Täuschung bezeichneten Fehlen einer Haftpflichtversicherung hat das Jugendschöffengericht in ersichtlicher Verkennung der aufgezeigten Rechtslage keine Feststellungen getroffen. Dieser von der Staatsanwaltschaft gerügte Mangel bewirkt gemäß § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO die Nichtigkeit des angefochtenen Freispruchs und erfordert insoweit eine Erneuerung des Verfahrens in erster Instanz. Der Ausspruch des Jugendschöffengerichts, dem Angeklagten sei es "in subjektiver Hinsicht aber gar nicht auf eine Täuschung an(gekommen)" (S. 140), steht dem nicht entgegen. Der Bezugnahme (im gegebenen Zusammenhang der Urteilsbegründung) auf "alle" materiellen Zulassungsvoraussetzungen, die (ohnehin) erfüllt gewesen seien, kann nicht entnommen werden, daß sich diese Negierung der Täterabsicht (§ 5 Abs. 2 StGB) auch auf das (vom Gericht schon in objektiver Beziehung als eine der wesentlichen materiellen Zulassungsvoraussetzungen vernachlässigte) Fehlen einer Haftpflichtversicherung bezöge.

Mithin erübrigt es sich, auf das Vorbringen der Staatsanwaltschaft zu den Fragen der Verkehrstüchtigkeit und des rechtmäßigen Fahrzeugbesitzes (vgl ZVR 1981/102 u.a.) fallbezogen näher einzugehen.

Anmerkung

E08344

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0130OS00059.86.0515.000

Dokumentnummer

JJT_19860515_OGH0002_0130OS00059_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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