TE Vwgh Erkenntnis 2005/7/4 2004/10/0090

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Veröffentlicht am 04.07.2005
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Index

L55003 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Niederösterreich;
L55053 Nationalpark Biosphärenpark Niederösterreich;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §45 Abs2;
AVG §52;
NatSchG NÖ 2000 §35 Abs2;
NatSchG NÖ 2000 §7 Abs1 Z4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde des LB in S, vertreten durch Mag. Alfred Schneider, Rechtsanwalt in 3180 Lilienfeld, Klosterrotte 4, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 9. April 2004, Zl. RU5-BE-138/002-2004, betreffend Beseitigungsauftrag nach NÖ Naturschutzgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Eigentümer des Grundstücks Nr. 419, KG A, auf welchem er im Jahre 2003 - nach seinen Angaben im Einvernehmen mit der Gemeinde A - durch Anschüttungen eine Angleichung eines Teils des Geländes an das übrige Gelände erreichen wollte. Er sprach bezüglich dieses Sachverhaltes auch auf der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten vor, wo ihm mitgeteilt wurde, dass Anschüttungen gemäß § 7 Abs. 1 Z. 4 des NÖ Naturschutzgesetzes 2000, LGBl. Nr. 5500, einer naturschutzbehördlichen Bewilligung bedürften, wenn sie sich auf eine Fläche von mehr als 1.000 m2 erstreckten und durch sie eine Änderung des bisherigen Niveaus um mehr als 1 m erfolge. Nach einer Erhebung am 20. August 2003, bei der eine Anschüttung auf einer Fläche von "50 m x max. 20 m, knapp 1.000 m2" festgestellt wurde und von einer Schütthöhe von "derzeit 6 m" die Rede ist, kam es am 22. September 2003 zu einer neuerlichen Erhebung durch ein Organ der Bezirksforstinspektion. Nach dem Erhebungsbericht sei "offensichtlich in der Vorwoche ca. 500 bis 1.000 m3 Material zugeführt" worden und "nun die Schüttfläche ca. 2.700 m2 (laut Lageplan)". In dem angeschlossenen Lageplan ist eine Fläche eingezeichnet, die sich als ein Vieleck mit Kantenlängen von 45 m, 50 m, 50 m und 45 m bzw. ca. 20 m darstellt, wobei auch vermerkt ist, welcher Teil der Schüttung ohne Rodung bzw. welcher Teil mit Rodung verbunden gewesen sei.

Auf dem Grundstück Nr. 419 und den Grundstücken Nr. 420 und 421, KG A, hatte sich ursprünglich eine Gemeindedeponie befunden. Mit Bescheid vom 22. Oktober 2003 wurde von der belangten Behörde nach dem Wasserrechtsgesetz 1959, BGBl. Nr. 215/1959, in der Fassung BGBl. I Nr. 74/1997, bescheidmäßig festgestellt, dass "die in der Auflassungsanzeige vom 5. November 1999 enthaltenen Abdeckungsmaßnahmen der Aushubdeponie auf Grundstück Nr. 419, 420 und 421, KG A, (30 cm Ton, darüber 40 cm Humus; infolge der Oberflächenneigung wurde sichergestellt, dass Niederschlagswasser vollflächig und ohne Wassersackbildung abfließen kann) projektsgemäß ausgeführt worden" seien. In diesem wasserrechtlichen Bescheid wird unter anderem festgestellt, dass der "Gesamtinformationsstand der Deponie" als ausreichend beurteilt werden könne "um einer Aufbringung von Humus als endgültige Abschlussmaßnahme zustimmen zu können". Weiters wird festgehalten, in der Deponie A seien letztmals vor dem Jahr 1997 Abfälle eingebracht worden, und als Begründung für die bescheidmäßig erfolgte Enthebung des Deponieaufsichtsorgans wird ausgeführt, 1997 sei "die Rekultivierung" erfolgt, die Deponie sei "abgeschlossen und rekultiviert".

Nachdem dem Beschwerdeführer der Bericht über die Erhebung vom 22. September 2003 zur Stellungnahme übermittelt worden war, erging ein Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten vom 19. Februar 2004, mit welchem dem Beschwerdeführer aufgetragen wurde, die widerrechtlich vorgenommenen Anschüttungen von Erdaushubmaterial, verunreinigt durch Ziegel, Beton, Baustahl, Bauholz und Palettenresten, mit einem Flächenausmaß von ca. 2.700 m2 und einer maximalen Schütthöhe von ca. 10 m von dem Grundstück Nr. 419, außerhalb des Ortsbereiches in der KG A, restlos zu entfernen und auf einen hiezu bewilligten Ablagerungsplatz zu verbringen.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass die Entfernung der konsenslosen Lagerungen schnellstmöglich, spätestens jedoch innerhalb eines Zeitraumes von sechs Wochen ab Zustellung des (Berufungs)Bescheides zu erfolgen habe. Begründend führt die belangte Behörde aus, dass mit dem angefochtenen Bescheid die Behörde erster Instanz dem Beschwerdeführer den Auftrag erteilt habe, die konsenslos vorgenommenen Anschüttungen von Erdaushubmaterial, verunreinigt durch Ziegel, Beton, Baustahl, Bauholz und Palettenresten, mit einem Flächenausmaß von ca. 2.700 m2 und einer maximalen Schütthöhe von ca. 10 m vom Grundstück Nr. 419 außerhalb des Ortsbereiches in der KG A restlos zu entfernen und auf einen hiezu bewilligten Ablagerungsplatz zu verbringen. Der Beschwerdeführer habe auf die Auskunft verwiesen, dass eine Naturschutzbewilligung erst dann erforderlich sei, wenn sich eine Anschüttung auf einer Fläche von mehr als 1.000 m2 erstrecke und eine Änderung des bisherigen Niveaus von mehr als 1 m erfolge. Diese Kriterien lägen aber nicht vor, da die betreffende Fläche lediglich ein Ausmaß von ca. 30 x 25 m besitze. Es entspräche auch nicht den Tatsachen, dass ca. 300 m2 Waldboden überschüttet worden seien. Nach Wiedergabe des Inhalts des § 7 Abs. 1 Z. 6 NÖ NSchG 2000, LGBl. 5500-2, und des § 35 Abs. 2 NÖ NSchG 2000 wird festgehalten, dass dem der belangten Behörde vorliegenden Akt zu entnehmen sei, dass die Behörde erster Instanz ein Ermittlungsverfahren durchgeführt habe, in dessen Zuge am 22. September 2003 durch den Amtssachverständigen an Ort und Stelle festgestellt worden sei, dass neuerlich ca. 500 bis 1.000 m3 Material zugeführt worden seien und die Schüttfläche nunmehr ca. 2.700 m2 betrage. Weiters sei die maximale Schütthöhe auf ca. 10 m erhöht und ca. 300 m2 Waldboden überschüttet worden.

Da für die Anschüttungen keine Naturschutzbewilligung angestrebt worden sei, sei im Zuge des Parteiengehörs angekündigt worden, dass die Entfernung der Ablagerungen nach dem NÖ NSchG 2000 bescheidmäßig aufgetragen werde. Der Beschwerdeführer habe lediglich mitgeteilt, dass seiner Meinung nach die Anschüttungen 1.000 m2 nicht überschritten.

Auf Grund des festgestellten Sachverhaltes sei die Behörde erster Instanz zur Ansicht gelangt, dass die verfahrensgegenständlichen Anschüttungen außerhalb des Ortsbereiches in einem Flächenausmaß von ca. 2.700 m2 und einer maximalen Schütthöhe von ca. 10 m durchgeführt worden seien. Für diese Anschüttungen lägen keine naturschutzbehördlichen Bewilligungen vor. Sie liefen somit den Bestimmungen des NÖ NSchG 2000 zuwider und es sei die Entfernung aufzutragen.

Dem Vorbringen in der Berufungsschrift, dass die Fläche lediglich ca. 30 x 25 m betrage und in einer Höhe von unter 1 m geschüttet worden sei, widerspreche der gesamte Akteninhalt. Das Vorbringen des Sachverständigen sei glaubhaft, schlüssig und durch Fotos und Planzeichnungen untermauert. Die "Wahrnehmungsdifferenz" zwischen "maximal 1 m Schüttung" und "bis zu 10 m Schüttung" sei in der Berufung nicht näher ausgeführt worden. Im Gegensatz dazu habe der Sachverständige in mehreren Erhebungen und auch die Marktgemeinde A in ihrem Bericht an die Behörde erster Instanz schlüssig und fachlich fundiert dargelegt, dass die Änderung des bisherigen Niveaus sicher um mehr als 1 m erfolgt sei.

Auf Grund des festgestellten Sachverhaltes und der dargelegten Erwägungen gelange die belangte Behörde zur Ansicht, dass der Entfernungsauftrag zu Recht erteilt worden sei. Der Berufung sei daher der Erfolg zu versagen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der sich der Beschwerdeführer in seinem gesetzlich gewährleisteten Recht auf Unterbleiben unnötiger und im Naturschutzgesetz nicht vorgesehener Auflagen bzw. auf Erlassung einer fehlerfreien Ermessensentscheidung verletzt erachtet. Es wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Anschüttungen bedürfen gemäß § 7 Abs. 1 Z. 4 des NÖ Naturschutzgesetzes 2000, LGBl. Nr. 5500, einer naturschutzbehördlichen Bewilligung, wenn sie (außer bei Hohlwegen) sich auf eine Fläche von mehr als 1.000 m2 erstrecken und durch sie eine Änderung des bisherigen Niveaus um mehr als 1 m erfolgt.

Die belangte Behörde hat sich im angefochtenen Bescheid zwar explizit lediglich auf § 7 Abs. 1 Z. 6 NÖ Naturschutzgesetz 2000, LGBl. Nr. 5500, betreffend die Bewilligungspflicht der Erweiterung von Deponien bezogen, inhaltlich aber geprüft, ob eine Anschüttung, die 1.000 m2 überschreitet und durch die das Niveau um mehr als 1 m verändert wurde, vorliege. Sie hat die Bestätigung des Auftrages somit inhaltlich auf § 7 Abs. 1 Z. 4 NÖ Naturschutzgesetz 2000, LGBl. Nr. 5500, gestützt.

Gemäß § 35 Abs. 2 NÖ Naturschutzgesetz 2000, LGBl. Nr. 5500, sind unabhängig von einer Bestrafung nach § 36 Personen, die den Bestimmungen dieses Gesetzes oder auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen oder Bescheiden zuwidergehandelt haben, von der Behörde zu verpflichten, den früheren Zustand wieder herzustellen oder, wenn dies nicht möglich ist, den geschaffenen Zustand den Interessen des Naturschutzes bestentsprechend abzuändern.

Unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften wendet sich die Beschwerde insbesondere gegen die von der belangten Behörde übernommene Feststellung, dass durch die Zuführung von ca. 500 bis 1.000 m3 Material die Schüttfläche auf ca. 2.700 m2 vergrößert worden sei. Dieses Vorbringen führt die Beschwerde im Ergebnis auch zum Erfolg.

Wenngleich der belangten Behörde einzuräumen ist, dass der planlichen Darstellung, die dem Erhebungsbericht des Organs der Bezirksforstinspektion St. Pölten vom 23. September 2003 angeschlossen ist, eine Schüttfläche von jedenfalls mehr als

2.500 m2 zu entnehmen ist, und auch die im Akt erliegenden Bilder eine offensichtlich frische Anschüttung zeigen, lassen sich aus diesen Beweismitteln jedoch noch nicht die von der Behörde erster Instanz gezogenen Schlüsse hinsichtlich des Ausmaßes der Anschüttung (die von der belangten Behörde bestätigt wurden) ziehen.

Der planlichen Darstellung ist nämlich nicht zu entnehmen, in welcher Beziehung diese Darstellung zu den Angaben im Erhebungsbericht steht. Es ist nicht ersichtlich, wann die durch diese Darstellung veranschaulichten Anschüttungen erfolgt sein sollen. Dies ist im Beschwerdefall schon im Hinblick darauf von Bedeutung, dass sich auf demselben Grundstück die in der Sachverhaltsdarstellung genannte Deponie befand, sodass aufzuklären wäre, zu welchem Zeitpunkt die Ablagerungen erfolgten. Es wäre der räumliche Bereich der seinerzeit im Rahmen der Deponie rechtmäßig erfolgten Ablagerungen von den dem Beschwerdeführer angelasteten Ablagerungen abzugrenzen. Sowohl im Erhebungsbericht von Ing. H vom 29. August 2003 über die in der Sachverhaltsdarstellung erwähnte Erhebung vom 20. August 2003 als auch im Bericht des Organs der Bezirksforstinspektion St. Pölten vom 23. September 2003 ist hinsichtlich der Erhebung vom 20. August 2003 von einer im August 2003 durchgeführten Schüttung auf einer Fläche von ca. 825 m2 mit einer maximalen Schütthöhe von 6 m die Rede (dies wäre rund ein Viertel der auf dem Plan eingezeichneten Fläche). Es wird nicht dargestellt, welchen Teil des Grundstücks bzw. welchen Teil der planlich dargestellten Anschüttung diese Anschüttung betraf. Es ist weiters nicht ersichtlich, welchen Teil der auf der Beilage zum Erhebungsbericht vom 23. September 2003 dargestellten Schüttung die nach dem August weiters vorgenommene Schüttung betroffen haben sollte. Im Hinblick auf den offensichtlichen Widerspruch der Angabe, dass durch eine Aufbringung von 500 bis 1.000 m3 Material eine Schüttfläche von 825 m2 auf 2.700 m2 vergrößert worden sein soll (wobei die maximale Schütthöhe nach den Angaben des Sachverständigen auf 10 m erhöht wurde, sodass hiefür - je nach Geländebeschaffenheit (Querschnitt des "Grabens") - jedenfalls mehr als die angeblich 500 - 1.000 m3 erforderlich gewesen wären), hätte die belangte Behörde den Einwand des Beschwerdeführers, die Schüttfläche sei kleiner als auf Grund der Angaben des Sachverständigen angenommen, nicht ohne weitere Beweiserhebungen als unbeachtlich abtun dürfen. Wenn auch die Erklärung für den offensichtlichen Widerspruch darin gelegen sein mag, dass nach der Erhebung im August mehr als die vom Sachverständigen (auf Grund welcher Wahrnehmungen immer) angenommenen 500 bis 1.000 m3 Material zugeführt worden waren, so wäre die belangte Behörde verpflichtet gewesen, auf Grund der in sich unschlüssigen Angaben des von der Behörde der ersten Instanz herangezogenen Sachverständigen eine Ergänzung der entsprechenden Sachverhaltsfeststellungen vorzunehmen (vgl. auch die ständige hg. Rechtsprechung zur Verpflichtung der Behörde, die Schlüssigkeit von Sachverständigengutachten zu überprüfen, Nachweise etwa bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 217 zu § 52 AVG; im vorliegenden Zusammenhang wäre klarzustellen gewesen, welche Wahrnehmungen das Erhebungsorgan tatsächlich gemacht hat und worauf der Schluss beruhte, dass - jedenfalls seit August 2003 - eine Anschüttung in der Größenordnung von rund

2.700 m2 vorgenommen worden sei).

Es lässt sich somit nicht ausschließen, dass die belangte Behörde bei Vermeidung des aufgezeigten Verfahrensmangels zu einem anderen Bescheid kommen hätte können.

Da somit der Beschwerdevorwurf, dass die Sachverhaltsfeststellungen auf einem mangelhaften Verfahren basieren, zutrifft, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 4. Juli 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2004100090.X00

Im RIS seit

19.08.2005

Zuletzt aktualisiert am

19.07.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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