Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 22.Mai 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Krenn als Schriftführer in der Strafsache gegen Mehmet K*** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SGG über die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 23.Oktober 1985, GZ 6 b Vr 9.557/85-22 nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Generalanwaltes Dr. Hauptmann als Vertreter der Generalprokuratur, und des Verteidigers Dr. Michael Stern, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten Mehmet K***, zu Recht erkannt:
Spruch
Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird gemäß § 290 Abs. 1 StPO das angefochtene Urteil aufgehoben und nach § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:
Mehmet K*** ist schuldig, er hat in Wien den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge in Verkehr gesetzt, indem er in der Zeit vom 7. bis 10.August 1985 100 Gramm Heroin an Unbekannte weitergab oder verkaufte.
Er hat hiedurch das Verbrechen nach § 12 Abs. 1 SGG nF begangen und wird hiefür nach dieser Gesetzesstelle zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren sowie gemäß § 13 Abs. 2 SGG nF zu einer Wertersatzstrafe von 250.000 S, im Falle der Uneinbringlichkeit zweieinhalb Monate Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt. Gemäß § 38 Abs. 1 Z 1 StGB wird die Vorhaft vom 10.August 1985, 15,30 Uhr bis 23.Oktober 1985, 12,30 Uhr auf die Strafen angerechnet. Mit ihren Berufungen werden die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Gemäß §§ 389, 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mehmet K*** des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SGG (alte Fassung) schuldig erkannt. Darnach hat er in Wien vorsätzlich den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in solchen Mengen in Verkehr gesetzt, daß daraus in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen konnte, indem er in der Zeit vom 7. bis 10. August 1985 100 Gramm Heroin an Unbekannte weitergab, bzw. verkaufte.
Die vom Angeklagten gegen dieses Urteil erhobene Nichtigkeitsbeschwerde wurde mit Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 10.April 1986, GZ 12 Os 48/86-6, bereits in nichtöffentlicher Beratung zurückgewiesen. Dabei hat sich der Oberste Gerichtshof eine Maßnahme gemäß § 290 Abs. 1 StPO für den Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung über die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten vorbehalten.
Im gegenständlichen Strafverfahren war der Tatzeitpunkt zwischen dem 7. und 10.August 1985 gelegen. Am 1.September 1985 trat das Suchtgiftgesetz in der Fassung der Suchtgiftgesetznovelle 1985 (BGBl. 1985/184) in Kraft. Am 23.Oktober 1985 wurde das Urteil in erster Instanz gefällt. Mangels jeglicher Übergangsbestimmungen in der Suchtgiftgesetznovelle 1985 erweist sich die Strafdrohung des § 12 Abs. 1 SGG nF (Freiheitsstrafe bis fünf Jahre) günstiger als die des § 12 Abs. 1 SGG aF (gleitender Strafsatz von einem Jahr bis zu zehn Jahren), weshalb gemäß § 61 StGB das für den Täter günstigere Recht anzuwenden ist. Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher das Ersturteil, in dem das Strafgesetz zum Nachteil des Angeklagten unrichtig angewendet worden ist, gemäß § 290 Abs. 1 StPO aufzuheben und der Angeklagte wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SGG nF schuldig zu erkennen.
Rechtliche Beurteilung
Bei der dadurch notwendig gewordenen Neubemessung der Strafe wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend die beträchtliche Menge des in Verkehr gesetzten Suchtgifts, als mildernd hingegen, daß der Angeklagte bisher einen ordentlichen Lebenwandel geführt hat und die Tat mit seinem sonstigen Verhalten in auffallendem Widerspruch steht.
Daß der Angeklagte als Gastarbeiter jederzeit bereit ist, einer redlichen Arbeit nachzugehen und daß er sich unter schwierigen Verhältnissen mit seiner Frau und sechs minderjährigen Kindern in der Fremde durchbringen mußte (S 154), stellen keine ins Gewicht fallende strafmildernde Umstände dar.
Unter Abwägung der angeführten Strafbemessungsgründe entspricht - ausgehend von der erwähnten gesetzlichen Strafdrohung - eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren dem Verschulden des Angeklagten und dem beträchtlichen Unrechtsgehalt seiner Tat.
Der Gewährung bedingter Strafnachsicht stehen einerseits das Fehlen besonderer Gründe, die Gewähr für künftiges Wohlverhalten des Rechtsbrechers im Sinne des § 43 Abs. 2 StGB bieten, andererseits generalpräventive Aspekte im Interesse einer wirksamen Bekämpfung des Suchtgiftmißbrauchs entgegen.
Bei Bemessung der Wertersatzstrafe war von einem Durchschnittswert (im Kreise rauschgiftsüchtiger Personen) von 2.500 S pro Gramm Heroin auszugehen.
Da der Aktenlage nicht zu entnehmen ist, daß der Angeklagte dem Mißbrauch von Suchtgift ergeben ist, kommt die Härteklausel des § 12 Abs. 5 SGG nF nicht zum Tragen.
Die Vorhaftanrechnung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
Mit ihren Berufungen waren die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf die Neubemessung der Strafe zu verweisen.
Anmerkung
E08477European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0120OS00048.86.0522.000Dokumentnummer
JJT_19860522_OGH0002_0120OS00048_8600000_000