TE OGH 1986/5/26 8Ob47/85

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Veröffentlicht am 26.05.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik, Dr.Vogel, Dr.Kropfitsch und Dr.Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Jozina S***, Geschäftsfrau, Merellaan 101, Maassluis, Niederlande, und 2.) Onno Albert S***, Beamter, ebendort wohnhaft, beide vertreten durch Dr.Herbert Neuhauser, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Karl R***, Landwirt, Leitersdorf 15, 8422 St.Nikolai ob Draßling, und 2.) G*** W***

V***, Herrengasse 18-20, 8011 Graz, beide vertreten durch Dr.Heinrich Kammerlander jun., Rechtsanwalt in Graz, wegen Zahlung von hfl 61.160,-- samt Anhang und einer Rente von hfl 17.000,-- ab 1. September 1974 sowie Feststellung (S 30.000,--), infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 17.April 1985, GZ.2 R 205/84-113, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 7.September 1984, GZ.13 Cg 16/84-108, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil, das im übrigen als nicht in Beschwerde gezogen unberührt bleibt, wird ebenso wie das Urteil des Erstgerichtes im Umfang der Abweisung des Begehrens der Erstklägerin mit einem Betrag von hfl 43.273,66 und des Begehrens des Zweitklägers mit einem Betrag von hfl 9.199,37 und im Kostenpunkt aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.

Text

Begründung:

Der niederländische Staatsangehörige Jan S***, der Gatte der Erstklägerin und der Vater des Zweitklägers, wurde bei einem Verkehrsunfall am 22.August 1971 im Gemeindegebiet von St.Veit am Vogau als Insasse des PKW mit dem Kennzeichen St 224.475 getötet. Der Erstbeklagte ist der Halter und Lenker, die Zweitbeklagte der Haftpflichtversicherer dieses Kraftfahrzeuges. Die Ersatzpflicht der Beklagten für die aus diesem Verkehrsunfall den Klägern entstandenen Schäden ist dem Grunde nach unbestritten.

Im vorliegenden Rechtsstreit (die Klage wurde am 22.Juli 1974 eingebracht) begehrten die Kläger aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes aus diesem Verkehrsunfall die Verurteilung der Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung des Schillinggegenwertes von hfl 61.160,-- samt Anhang zum Warenkurs des Klagstages und einer jährlichen Rente im Schillinggegenwert von hfl 17.000,-- zum Warenkurs des Zahlungstages ab 1.September 1974 jeweils am 1. September eines jeden Jahres im vorhinein; diese Leistungen seien je zur Hälfte an die Erstklägerin und an den Zweitbeklagten zu erbringen (ON 85 S.501). Darüber hinaus stellten die beiden Kläger ein auf Feststellung der Haftung der Beklagten zur ungeteilten Hand für künftige Schäden der Kläger aus diesem Verkehrsunfall gerichtetes Feststellungsbegehren. Das auf Zahlung eines Kapitalbetrages gerichtete Leistungsbegehren setzt sich zusammen aus Begräbniskosten (hfl 3.808,15), Kosten für Parten und Danksagungen (hfl 204,64), Kosten des Totenmahles (hfl 67,97), Telefon- und Reisespesen (hfl 646,10), Kosten der Errichtung einer Zwischenbilanz (hfl 798,--), Kosten der Durchführung der Verlassenschaft (hfl 2.382,42) und der Überführung der Leiche aus Österreich (hfl 2.252,90) sowie Unterhaltsentgang für die ersten drei Jahre nach dem Unfall in der Höhe von jährlich hfl 17.000,--. Auch das Rentenbegehren ist auf den Titel des Unterhaltsentganges gestützt. Im ersten Rechtsgang verurteilte das Erstgericht mit Urteil vom 2. Mai 1983 (ON 97) die Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von hfl 9.975,98 samt Anhang, umgerechnet in österreichischen Schilling zum Warenkurs des Klagstages, und wies das auf Zahlung von weiteren hfl 49.479,12 samt Anhang gerichtete Mehrbegehren der Kläger ebenso ab wie ihr Rentenbegehren. Dem Feststellungsbegehren gab es statt. Den Entscheidungsgründen dieses Urteiles ist nur zu entnehmen, daß der an die Kläger erfolgte Zuspruch Begräbniskosten von hfl 3.808,15, Kosten für Parten und Danksagungen von hfl 204,64, Kosten des Totenmahles von hfl 76,79, Kosten für die Überführung der Leiche nach Holland von hfl 2.252,90 und Reisekosten von hfl 646,-- umfaßt. Eine nachvollziehbare Begründung für den weiteren Zuspruch läßt sich den Entscheidungsgründen dieses Urteiles nicht entnehmen. Dieses Urteil blieb in seinem klagsstattgebenden Teil unangefochten und wurde nur in seinem klagsabweisenden Teil von den Klägern mit Berufung bekämpft.

Mit Beschluß vom 10.Jänner 1984 (ON 104) gab das Berufungsgericht diesem Rechtsmittel Folge. Es hob die Entscheidung des Erstgerichtes in ihrem klagsabweisenden Teil auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Im zweiten Rechtsgang verurteilte das Erstgericht mit Urteil vom 7. September 1984 (ON 108) die Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung eines Betrages von S 65.406,31 samt Anhang an beide Kläger, zur Zahlung eines Betrages von S 923,63 samt Anhang an die Erstklägerin und von S 2.467,18 samt Anhang an den Zweitkläger; das Mehrbegehren auf Zahlung von weiteren hfl 41.091,13 samt Anhang wies es ebenso ab wie das Rentenbegehren der Kläger. Wie sich aus den Entscheidungsgründen dieses Urteiles ergibt, umfaßt der Zuspruch an beide Kläger Unterhaltsentgang für die Zeit bis 30.Oktober 1976, der Zuspruch an die Erstklägerin Unterhaltsentgang für die Zeit vom 1. November bis 31.Dezember 1976 und der Zuspruch an den Zweitkläger Unterhaltsentgang für die Zeit vom 1.Jänner bis 31.Mai 1977. Auch dieses Urteil blieb in seinem klagsstattgebenden Teil unangefochten und wurde nur in seinem klagsabweisenden Teil von den Klägern mit Berufung bekämpft.

Mit dem angefochtenen Urteil gab das Berufungsgericht diesem Rechtsmittel keine Folge. Es traf nach Beweiswiederholung umfangreiche Feststellungen über die Höhe des Unterhaltsentganges der beiden Kläger und die von der Erstklägerin bezogene Witwenpension, deren Wiedergabe hier im einzelnen unterbleiben kann. Es ermittelte die Höhe des Anspruches der Erstklägerin auf Ersatz ihres Unterhaltsentganges in der Weise, daß es vom festgestellten Unterhaltsentgang der Erstklägerin die ihr ausbezahlte Witwenrente (zuzüglich des jeweiligen anteiligen Urlaubsgeldes) abzog. Auf diese Weise ermittelte das Berufungsgericht einen der Erstklägerin zu ersetzenden Unterhaltsentgang für die Zeit vom 1.September 1971 bis 31. Dezember 1973 in der Höhe von hfl 2.697,16. Die Höhe des Anspruches des Zweitklägers auf Ersatz seines Unterhaltsentganges ermittelte das Berufungsgericht in der Weise, daß es vom festgestellten Unterhaltsentgang des Zweitklägers die der Erstklägerin mit ihrer Witwenpension zugekommenen Kinderzulagen und Kinderzuschläge abzog. Auf diese Weise ermittelte das Berufungsgericht einen dem Zweitkläger zu ersetzenden Unterhaltsentgang für die Zeit vom 1.September 1971 bis 31.Dezember 1974 in der Höhe von hfl 846,35. Darüber hinausgehende Ersatzansprüche beider Kläger aus dem Titel des Unterhaltsentganges verneinte das Berufungsgericht. Es führte aus, daß durch die in diesem Verfahren bereits erfolgten rechtskräftig gewordenen Zusprüche der den Klägern entstandene Unterhaltsentgang bereits zur Gänze abgegolten worden sei, selbst wenn man von einem Umrechnungskurs von durchschnittlich 1:7 ausgehe und alle sonstigen von den Klägern geltend gemachten Ansprüche (insgesamt hfl 10.160,-- , das entspreche annähernd S 71.120,--) berücksichtige. Die Entscheidung des Erstgerichtes sei daher in ihrem klagsabweisenden Teil im Ergebnis jedenfalls berechtigt. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Kläger. Sie bekämpfen sie aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß der Erstklägerin ein weiterer Betrag von hfl 43.273,66 und dem Zweitkläger ein weiterer Betrag von hfl 9.199,37, jeweils umgerechnet in österreichische Schilling zum Warenkurs des Zahlungstages, zugesprochen werde; hilfsweise stellen sie einen Aufhebungsantrag.

Die Beklagten haben eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Sinne des gestellten Aufhebungsantrages berechtigt.

Die Kläger wenden sich mit ihrer Revision nur mehr dagegen, daß von dem vom Berufungsgericht für sie ermittelten Unterhaltsentgang die der Erstklägerin zugekommene Witwenrente bzw. die dazu ausbezahlten Kinderzulagen und Kinderzuschläge abzuziehen seien. Davon ausgehend errechnen sie für die Erstklägerin einen Unterhaltsentgang für die Zeit vom Unfall bis 31.Oktober 1976 von hfl 43.273,66 und für den Zweitkläger einen solchen für die Zeit vom Unfall bis Ende 1976 von hfl 9.199,37.

Über diese Frage kann auf der Grundlage der Feststellungen der Vorinstanzen nicht erschöpfend abgesprochen werden. Die Vorinstanzen sind zutreffend davon ausgegangen, daß im Hinblick auf Unfallsort und -zeit die Schadenersatzansprüche der Kläger nach österreichischem Recht zu beurteilen sind; dieses Recht ist somit auch für die Beurteilung einer allfälligen Vorteilsausgleichung maßgebend.

Aus den Feststellungen der Vorinstanzen ist lediglich zu entnehmen, daß die Erstklägerin nach dem Tod ihres Ehegatten von einem niederländischen Sozialversicherungsträger eine Witwenrente zuzüglich bestimmter Kinderzuschläge erhielt und daß dieser Sozialversicherungsträger wegen dieser Leistungen gegenüber den Beklagten nicht Regreß genommen hat.

Dies reicht nicht aus, um darüber absprechen zu können, ob sich die Kläger derartige Leistungen auf ihre Schadenersatzansprüche nach § 1327 ABGB anrechnen lassen müssen oder nicht.

Vorwegzunehmen ist, daß die allfällige Anordnung einer Legalzession bei Erbringung von Leistungen eines Sozialversicherungsträgers mit der Vorteilsausgleichung insoweit nichts zu tun hat, als das Gesetz in diesen Fällen eindeutig davon ausgeht, daß die Zuwendung nicht auf den Schaden angerechnet wird, der Ersatzanspruch daher in voller Höhe bestehen bleibt und auf den Sozialversicherungsträger übergeht. Es handelt sich daher in diesen Fällen in Wahrheit nicht um ein Problem der Vorteilsausgleichung, sondern um ein solches der aktiven Klagslegitimation des Geschädigten, der eben in diesen Fällen seinen Schaden nur mehr insoweit selbst geltend machen kann, als dieser nicht auf den Sozialversicherungsträger übergegangen ist (Koziol, Haftpflichtrecht 2 I 212; ZVR 1977/77; 8 Ob 36/81 u.a.). Die Frage der Legalzession hat daher mit den im Schadenersatzrecht geltenden allgemeinen Grundsätzen der Vorteilsausgleichung in Wahrheit nichts zu tun. Wenn allerdings im vorliegenden Fall nach den Feststellungen der Vorinstanzen der niederländische Sozialversicherungsträger wegen der der Erstklägerin geleisteten Zahlungen den Beklagten gegenüber nicht Regreß genommen hat, sagt dies nichts darüber, ob die diesbezüglich maßgeblichen niederländischen Rechtsvorschriften eine Legalzession zu seinen Gunsten enthalten, die der Erstklägerin im Rahmen der vom Sozialversicherungsträger an sie erbrachten Leistungen die aktive Klagslegitimation nehmen würde. Im übrigen hat sich im Meinungsstreit um die sogenannte Vorteilsausgleichung bei Zuwendungen an den Geschädigten von dritter Seite in letzter Zeit eine teleologische Betrachtungsweise durchgesetzt. Die Anrechnung eines Vorteiles muß dem Zweck des Schadenersatzes entsprechen und soll nicht zu einer unbilligen Entlastung des Schädigers führen. Es ist also nicht schlechthin jeder Vorteil anzurechnen, der dem Geschädigten aus dem vom Schädiger verursachten Ereignis zufließt (zu weitgehend hier z.B. noch Wolff in Klang 2 VI 6), sondern es kommt immer auf die ganz besondere Art des erlangten Vorteiles und den Zweck der Leistung des Dritten an (Koziol, Haftpflichtrecht 2 I 203 ff.;

SZ 53/58; 8 Ob 36/81 u.a.). Unter diesen Gesichtspunkten wurden etwa im Falle typischer Leistungen aus einer (ausländischen) staatlichen Pflichtversicherung, die den Hinterbliebenen des Getöteten unabhängig von der Todesursache eine ausreichende Versorgung auch bei Entfall der bisher vom Getöteten erbrachten Unterhaltsleistung sichern sollten, die Voraussetzungen der Vorteilsausgleichung bejaht (8 Ob 36/81).

All dies läßt sich jedoch im vorliegenden Fall bezüglich der der Erstklägerin zugekommenen Witwenrente nicht beurteilen, weil die Rechtsnatur dieser Leistung nicht geklärt ist. Es wird daher im fortgesetzten Verfahren klarzustellen sein, auf welcher Rechtsgrundlage die Erstklägerin Anspruch auf diese Leistungen hatte, was der Zweck dieser Leistungen war und ob allenfalls nach den Bestimmungen der dafür maßgebenden niederländischen Rechtsordnung diese Leistungen zu einem Übergang von Schadenersatzansprüchen des Leistungsempfängers an den Leistenden führte.

Eine Anrechnung der von der Erstklägerin bezogenen Kinderzuschläge auf den Anspruch des Zweitklägers auf Ersatz von Unterhaltsentgang im Sinne des § 1327 ABGB könnte unter diesen Gesichtspunkten nur in Betracht kommen, wenn es sich bei diesen Zuschlägen um eine reine Durchlauferpost im Vermögen der Erstklägerin handelte und diese Beträge widmungsgemäß in voller Höhe dem Zweitkläger zukommen sollten. Handelte es sich hingegen nur um eine Leistung an die Erstklägerin, die ihr deswegen erbracht wurde, weil sie für den Zweitkläger sorgepflichtig war, dann käme eine Anrechnung dieser Kinderzuschläge auf den Schadenersatzanspruch des Zweitklägers wegen Unterhaltsentganges nicht in Betracht.

Erst wenn solcherart Natur, Zweck und Folgen der der Erstklägerin aus Anlaß des Todes ihres Gatten zugekommenen Leistungen an Witwenrente (einschließlich der Kinderzuschläge) eindeutig klargestellt sind, kann über die noch offene Frage der Anrechenbarkeit dieser Leistungen auf die Ersatzansprüche beider Kläger wegen Unterhaltsentganges im Sinne des § 1327 ABGB im Sinne der oben dargestellten rechtlichen Grundsätze erschöpfend abgesprochen werden, wobei allerdings auch auf die beiden Klägern bereits aus diesem Rechtsgrund zugesprochenen Beträge Rücksicht zu nehmen sein wird.

Da es unter diesen Umständen offenbar einer Verhandlung in erster Instanz bedarf, um die Sache spruchreif zu machen (§ 510 Abs 1 ZPO), waren im Umfang der Anfechtung die Urteile beider Vorinstanzen aufzuheben und war in diesem Umfang die Rechtssache an die erste Instanz zurückzuverweisen.

Der Vorbehalt der Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E09879

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0080OB00047.85.0526.000

Dokumentnummer

JJT_19860526_OGH0002_0080OB00047_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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