TE OGH 1986/5/27 10Os64/86

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Veröffentlicht am 27.05.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Mai 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Bernardini als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Friedrich, Dr.Reisenleitner, Dr.Kuch und Dr.Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Gumpinger als Schriftführer in der Strafsache gegen Franz T*** wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z 4 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 24.Februar 1986, GZ 12 Vr 1617/85-35, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das sonst unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des zum Nachteil des Klaus W*** begangenen Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB (Punkt III/b des Urteilssatzes) sowie des Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 Abs. 1 StGB (Punkt V. des Urteilssatzes), demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruches gemäß § 38 StGB) aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die durch den erfolglos gebliebenen Teil der Nichtigkeitsbeschwerde verursachten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Franz T*** der Vergehen (zu I.) der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z 4 StGB, (zu II.) der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB, (zu III.) der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB, (zu IV.) der Körperverletzung nach § 83 Abs. 2 StGB und (zu V.) des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er in Villach

I. am 4. Mai 1985 den Sicherheitswachebeamten RevInsp. Josef P*** während der Erfüllung seiner Pflichten durch einen Biß in das linke Handgelenk und einen Fußtritt gegen das rechte Schienbein vorsätzlich am Körper verletzt (oberflächliche Bißverletzung am linken Handgelenk und Schwürfwunden am rechten Unterschenkel);

II. am 4. Mai 1985 RevInsp. Josef P*** mit den Worten: "Dich stech' ich noch einmal ab; mir ist alles wurscht, Dir renn' ich mein Messer hinein, einmal erwisch' ich Dich !" gefährlich bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen;

III. nachgenannte Personen vorsätzlich am Körper verletzt, und zwar:

a) am 30. Mai 1985 den Christoph L*** durch einen Faustschlag ins Gesicht (Prellung des rechten Jochbeins);

b) am 13. August 1985 bewußt im gemeinsamen Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Emmerich S*** den Klaus W*** durch Faustschläge und Fußtritte (Hautabschürfungen im Gesicht);

IV. am 6. Juli 1985 die Johanna J*** durch einen Stoß, der ihren Sturz über einen Abhang zur Folge hatte, vorsätzlich am Körper mißhandelt und dadurch fahrlässig verletzt (Hämatome am rechten Unterarm, linken Oberschenkel und linken Unterschenkel sowie Hautabschürfungen über der Schienbeinkante links); und

V. am 24. September 1985 versucht, eine fremde bewegliche Sache, nämlich eine Flasche Marillenbrand im Wert von 84,90 S einem Verfügungsberechtigten des Kaufhauses I*** mit dem Vorsatz wegzunehmen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern. Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Gründe der Z 4, 5, 9 lit. a, 9 lit. c (der Sache nach indes lit. b) und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die ihrem Inhalte nach lediglich den Schuldspruch zu III/a (Körperverletzung des Christoph L***) unangefochten läßt.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde ist allerdings nur teilweise begründet. Im Recht ist der Beschwerdeführer mit seiner Verfahrensrüge (Z 4), soweit er sich in Ansehung des ihm zum Vorwurf gemachten Vergehens der Körperverletzung zum Nachteil des Klaus W*** (Faktum III/b) durch Abweisung des von ihm gestellten Beweisantrages auf zeugenschaftliche Vernehmung des Emmerich S*** und Matthäus T*** in seinen Verteidigungsrechten beschnitten erachtet. Wenngleich in diesem Antrag (S 153) ein Beweisthema nicht ausdrücklich angeführt ist, zielt er doch nach dem Zusammenhang (vgl. Mayerhofer-Rieder, StPO 2 , E 18 zu § 281 Abs. 1 Z 4) ersichtlich auf die Widerlegung des Anklagevorwurfs ab, daß die Hautabschürfungen im Gesicht des Zeugen Klaus W*** auf eine Einwirkung des Angeklagten zurückzuführen sind, was dieser durchwegs bestritten hat (S 21 in ON 24; S 101, 111 und verso, 147). Da sich den Angaben der beantragten Zeugen vor der Polizei (ON 24, S 19 und 29) - ebensowenig wie übrigens der gerichtlichen Aussage (S 151) des Verletzten selbst - keineswegs eindeutig entnehmen läßt, daß die Verletzung durch den Angeklagten (allenfalls im Zusammenwirken mit anderen) zugefügt worden ist, durfte das Schöffengericht ungeachtet der gemäß § 252 Abs. 2 StPO vorgenommenen Verlesung der Niederschriften über deren polizeiliche Aussagen den Antrag auf Vernehmung dieser (Tat-)Zeugen vor dem erkennenden Gericht nicht ablehnen, ohne hiedurch Grundsätze des Verfahrens hintanzusetzen, deren Beobachtung durch das Wesen eines die Verteidigung sichernden Verfahrens geboten ist.

Im Recht ist der Beschwerdeführer auch insoweit, als er in Ansehung des Schuldspruchs wegen Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 Abs. 1 StGB (V.) einen Feststellungsmangel (Z 10) dahin geltend macht, ob er bei Wegnahme der Flasche Marillenbrand im Wert von 84,90 S allenfalls zur Befriedigung eines Gelüstes (§ 141 Abs. 1 StGB) gehandelt hat und daß darnach seine Verfolgung wegen dieser Tat mangels Ermächtigung (§ 141 Abs. 2 StGB) ausgeschlossen wäre (sachlich Z 9 lit. b); weisen doch das Gutachten des Sachverständigen Dr. M*** (S 152), wonach es sich beim Beschwerdeführer um einen chronischen Alkoholiker handelt, sowie die dem Kaufhausdetektiv gegenüber geäußerte Tatmotivation des Angeklagten, er habe "Durst" gehabt (S 80), darauf hin, daß er zur Befriedigung eines gegenwärtigen Bedürfnisses (ÖJZ-LSK 1978/168 zu § 141 StGB) nach Alkohol gehandelt haben könnte, wobei die nach der Aktenlage in Frage kommende Alkoholmenge (vgl. S 113) diesem Fall der Diebstahlsprivilegierung keineswegs zu widersprechen scheint (vgl. ÖJZ-LSK 1978/169 zu § 141 StGB).

Deshalb erweist sich die Sache in den beiden erwähnten Fakten (III/b und V.) in der Tat noch nicht spruchreif, sodaß der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten insoweit schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort - teilweise - Folge zu geben, die betreffenden Schuldsprüche sowie demzufolge auch der Strafausspruch (einschließlich des darauf beruhenden Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung) aufzuheben und in diesem Umfang eine Erneuerung des Verfahrens in erster Instanz anzuordnen war (§ 285 e StPO). Im übrigen ist jedoch die Nichtigkeitsbeschwerde unberechtigt. Zur Erhebung der Verfahrensrüge (Z 4) wegen Abweisung eines Antrages auf "Beischaffung des Strafaktes", in dem der Zeuge P*** sich wegen falscher Zeugenaussage vor Gericht zu verantworten hat", ist der Beschwerdeführer nicht legitimiert. Denn nach dem Inhalt des ungerügt gebliebenen Hauptverhandlungsprotokolls, welches die ausschließliche Grundlage für die Prüfung eines behaupteten Verfahrensmangels darstellt, lautete der relevierte Beweisantrag lediglich auf "Beischaffung des Aktes hinsichtlich Josef P*** zum Beweis der (gemeint wohl: Un-)Glaubwürdigkeit dieses Zeugen" (S 151), enthielt somit noch keineswegs die erst in der Rechtsmittelschrift - somit unbeachtlicherweise (Mayerhofer-Rieder StPO2, E. 40 f zu § 281 Abs. 1 Z 4 uva) - aufgestellte Behauptung, daß es sich um einen Strafakt gegen Josef P*** handle, aus welchem sich der Verdacht der falschen "Zeugenaussage" vor Gericht (§ 288 Abs. 1 StGB) ergäbe.

Dem weiteren Antrag (S 153) auf Vernehmung des genannten Zeugen hinwieder mußte - wenngleich die Verlesung (S 151) der Aussage des Zeugen aus der Hauptverhandlung vom 10.Dezember 1985 in der wegen geänderter Senatszusammensetzung und Zeitablaufs wiederholten (§ 276 a StPO) Hauptverhandlung vom 24.Februar 1986 mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 252 Abs. 1 Z 1 StPO (vgl. S 149) nach dieser Bestimmung nicht zulässig war - nicht entsprochen werden; betrifft doch das Beweisthema, zu dem Josef P*** ersichtlich befragt werden sollte, nämlich die ihm nach seinen Behauptungen vom Angeklagten zugefügte, von diesem aber bestrittene Bißverletzung, angesichts der unbekämpften Feststellung einer dem Polizeibeamten darüberhinaus gleichzeitig zugefügten Trittverletzung am rechten Unterschenkel keine den deshalb wegen §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z 4 StGB ergangenen Schuldspruch als solchen in Frage stellende, entscheidungswesentliche Tatsache (vgl. 10 Os 10/85 in 8 Vr 2323/84 des Landesgerichtes Klagenfurt).

Schon aus dem gleichen Grunde geht auch die Mängelrüge (Z 5) fehl, in welcher der Beschwerdeführer dem Erstgericht zum Vorwurf macht, es hätte die Frage, ob der Angeklagte trotz gänzlicher Zahnlosigkeit überhaupt in der Lage sei, eine Bißverletzung zuzufügen, nur mit einer Scheinbegründung bejaht.

Im übrigen ist der Vollständigkeit halber darauf zu verweisen, daß sich das Erstgericht im Urteil mit der Möglichkeit der Verursachung von Bißspuren durch zahnlose Kieferbacken unter Bezugnahme auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. M*** ohnedies auseinandergesetzt hat (US 4 und 5). Insoferne der Beschwerdeführer hiezu vermeint, das Erstgericht hätte "weitere Feststellungen treffen müssen", ist sein Vorbringen überdies völlig unsubstantiiert.

Mit dem im Rahmen der Rechtsrüge (Z 9 lit. a) unternommenen Versuch, die vom Erstgericht als gefährliche Drohung mit einer Verletzung am Körper (II.) beurteilten Worte des Angeklagten in einem harmlosen Sinn umzudeuten, setzt sich der Beschwerdeführer über die - zum Bereich des Tatsachensubstrats zählende (Mayerhofer-Rieder, StPO 2 , E 46 f zu § 281), dessenungeachtet allerdings im Zusammenhang mit der rechtlichen Beurteilung getroffene - gegenteilige Feststellung des Schöffengerichtes über den Sinngehalt und die Tragweite dieser Äußerung hinweg, wonach es sich keinesfalls nur um "milieubedingte Unmutsäußerungen" gehandelt hat (US 10 unten).

Ebensowenig dem Gesetz gemäß ausgeführt ist die Rechtsrüge (Z 9 lit. a) in bezug auf den Schuldspruch wegen Körperverletzung an Johanna J*** (IV.), denn auf insoweit angeblich entlastende Verfahrensergebnisse und die daran geknüpfte Behauptung, das Erstgericht hätte seine Feststellungen über den Stoß gegen Johanna J*** "nicht mit Sicherheit" treffen können, demgemäß den Angeklagten "im Zweifel freisprechen müssen", kann der geltend gemachte materiellrechtliche Nichtigkeitsgrund, der stets ein Festhalten am Urteilssachverhalt zur Voraussetzung hat, nicht gestützt werden.

Somit war bei der nichtöffentlichen Beratung die Nichtigkeitsbeschwerde im übrigen als zum Teil nicht dem Gesetz entsprechend ausgeführt, zum Teil offenbar unbegründet gemäß § 285 d Abs. 1 Z 1 (iVm § 285 a Z 2) und Z 2 StPO sofort zurückzuweisen. Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die auch den Strafausspruch umfassende teil-kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E08816

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0100OS00064.86.0527.000

Dokumentnummer

JJT_19860527_OGH0002_0100OS00064_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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