TE OGH 1986/6/3 11Os71/86

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Veröffentlicht am 03.06.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. Juni 1986 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kral, Dr.Kießwetter, Dr.Walenta und Dr.Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Steinberger als Schriftführer in der Strafsache gegen Franz F*** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs. 1, 143 (zweiter Fall) StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen des Angeklagten sowie seiner gesetzlichen Vertreter Franz F*** sen. und Ida F*** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Jugendschöffengericht vom 18.November 1985, GZ 3 e Vr 68/85-46, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Tschulik, des Angeklagten und seiner gesetzlichen Vertreter Franz F*** sen. und Ida F*** sowie des Verteidigers DDr.Peter Stern zu Recht erkannt:

Spruch

Den Nichtigkeitsbeschwerden wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Punkt 2 des Schuldspruches (Vergehen der Nötigung nach dem § 105 Abs. 1 StGB) sowie demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruches über die Anrechnung der Vorhaft) aufgehoben und es wird gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Franz F*** (jun.) wird von der Anklage, am 24.November 1984 in Graz den Siegfried B*** durch die Äußerung, er werde ihn "verdreschen", wenn er nicht mitfahre, sohin durch gefährliche Drohung, zu einer Handlung, nämlich zum Mitfahren in dem von ihm gelenkten LKW mit dem Kennzeichen G 77.803, genötigt und hiedurch das Vergehen der Nötigung nach dem § 105 Abs. 1 StGB begangen zu haben, gemäß dem § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Für das ihm laut aufrecht bleibendem Punkt 1 des erstinstanzlichen Schuldspruches weiterhin zur Last fallende Verbrechen des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs. 1, 143 (zweiter Fall) StGB und für das von ihm laut rechtskräftigem Schuldspruch zu Punkt 3 des Urteiles des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 20. März 1985, GZ 3 e Vr 68/85-27, begangene Vergehen der Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 1 StGB wird Franz F*** (jun.) nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB unter Bedachtnahme auf den § 28 StGB und unter Anwendung der §§ 11 JGG, 41 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 2 (zwei) Jahren verurteilt. Gemäß den §§ 43 StGB, 11 Z 3 JGG wird die Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Die Aussprüche über die Vorhaftanrechnung und über den Ersatz der Kosten des Strafverfahrens werden aus dem Ersturteil übernommen. Im übrigen werden die Nichtigkeitsbeschwerden verworfen. Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und seine gesetzlichen Vertreter auf diese Entscheidung verwiesen. Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 4.September 1968 geborene (zur Tatzeit noch jugendliche) Lehrling Franz F*** (im zweiten Rechtsgang abermals) des Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs. 1, 143 (zweiter Fall) StGB und des Vergehens der Nötigung nach dem § 105 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last, in Graz

1./ zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im November 1984 dem Siegfried B***, indem er ein Messer gegen ihn richtete und ihn zur Herausgabe von 200 S aufforderte, durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache unter Anwendung einer Waffe mit dem Vorsatz abgenötigt zu haben, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, 2./ am 24. November 1984 den Siegfried B*** durch die Äußerung, er werde ihn "verdreschen", wenn er nicht mitfahre, mithin durch gefährliche Drohung, zum Mitfahren in dem von ihm gelenkten LKW genötigt zu haben.

Dieses Urteil wird vom Angeklagten Franz F*** (jun.) und von seinen gesetzlichen Vertretern Franz F*** sen. und Ida F*** mit gemeinsam ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden bekämpft, in denen als Nichtigkeitsgründe jene der Z 4, 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO geltend gemacht werden.

Rechtliche Beurteilung

Soweit die Beschwerden gegen den Punkt 2 des Schuldspruchs gerichtet sind, kommt ihnen Berechtigung zu.

Zutreffend wenden sich die Beschwerdeführer unter der Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gegen den Ausspruch, die Äußerung des Angeklagten, er werde Siegfried B*** "verdreschen", stelle eine gefährliche Drohung dar, welche objektiv geeignet gewesen sei, dem Bedrohten mit Rücksicht auf die Verhältnisse und seine persönliche Beschaffenheit oder die Wichtigkeit des angedrohten Übels begründete Besorgnisse einzuflößen. Eine gefährliche Drohung im Sinn des § 74 Z 5 StGB als Mittel einer Nötigung gemäß dem § 105 Abs. 1 StGB setzt nämlich voraus, daß der Täter einem anderen eine Verletzung an Körper, Freiheit, Ehre oder Vermögen in Aussicht stellt. Unter Verletzung am Körper ist hiebei grundsätzlich eine Körperverletzung im Sinn des § 83 StGB zu verstehen; wird mit bloßer Mißhandlung gedroht, so liegt keine gefährliche Drohung, sondern eine Beleidigung im Sinn des § 115 Abs. 1 StGB vor (vgl. EvBl. 1982/11 u.a.; Kienapfel, BT I 2 , RN 40 zu § 105 StGB; Leukauf-Steininger, Komm zum StGB 2 , RN 19 zu § 74). Nach den Urteilskonstatierungen drohte der Angeklagte Franz F*** (jun.) dem Siegfried B*** an, er werde ihn

"verdreschen", und kündigte ihm das Versetzen von Schlägen für den Fall an, daß er nicht bei der Spritztour mit dem LKW seiner Mutter mitmache. Nach Überzeugung des Schöffengerichtes war dieses Verhalten dazu bestimmt und auch objektiv geeignet, bei Siegfried B*** den Eindruck zu erwecken, der Angeklagte sei willens und in der Lage, das angedrohte Übel, nämlich das Versetzen von Schlägen, wirklich herbeizuführen (vgl. S 255 f, 269 d.A.). Feststellungen dahin, daß die inkriminierte Äußerung dem Bedrohten auch den Eindruck einer bevorstehenden Körperverletzung vermitteln sollte und konnte, wurden vom Erstgericht weder getroffen, noch hätten sie nach den Verfahrensergebnissen getroffen werden können, zumal Siegfried B*** im gegebenen Zusammenhang selbst davon sprach, im Fall der Weigerung (lediglich) mit einer "Ohrfeige" oder "Watschen" ("Tresche") gerechnet zu haben (vgl. S 127, 211 d.A.). Mangels einer den Voraussetzungen des § 74 Z 5 StGB entsprechenden gefährlichen Drohung erfüllt daher die inkriminierte Äußerung nicht den Tatbestand der Nötigung.

In bezug auf den Punkt 1 des Schuldspruchs erweisen sich die Beschwerden des Angeklagten und seiner gesetzlichen Vertreter hingegen als unbegründet.

Einen den Nichtigkeitsgrund der Z 4 des § 281 Abs. 1 StPO verwirklichenden Verfahrensmangel erblicken die Beschwerdeführer in der Abweisung der Anträge des Verteidigers auf Einholung eines gerichtspsychiatrischen Gutachtens zum Beweis der Unrichtigkeit der belastenden Angaben des ("übermäßig phantasievollen" und "nicht wahrheitsliebenden") Siegfried B***, sowie auf zeugenschaftliche Vernehmung des Josef U*** und des Ing. Hermann R*** (vgl. S 225, 241 f d.A.). Verteidigungsrechte des Angeklagten wurden indes durch das Unterbleiben der begehrten Beweisaufnahmen nicht verletzt: Von der beantragten Beiziehung eines gerichtspsychiatrischen Sachverständigen nahm das Erstgericht mit der zutreffenden Begründung Abstand, daß sich im Verfahren weder Hinweise auf eine charakterliche Abartigkeit oder pathologisch bedingte Beeinträchtigung der allgemeinen Wahrnehmungs- und Wiedergabsfähigkeit des Zeugen Siegfried B*** noch gegen seine (vom Einzelfall unabhängige) Aussageehrlichkeit schlechthin sprechende Umstände ergaben, deren Beurteilung medizinischer Fachkenntnisse bedurft hätte; vielmehr unterliegen die gegen seine Glaubwürdigkeit im Einzelfall vorgebrachten Argumente ausschließlich der Beweiswürdigung durch das Gericht (vgl. Mayerhofer-Rieder, II/1, ENr. 41 ff. zu § 150 StPO).

Der Zeuge Josef U*** stand als Beweismittel auf absehbare Zeit nicht zur Verfügung, weil er sich für unbestimmte Dauer an unbekannter Adresse im Ausland befindet (vgl. S 229, 241 d.A.); zudem hätte seine - im übrigen von den Beschwerdeführern nicht ausdrücklich beantragte - Vernehmung offenbar ausschließlich das Urteilsfaktum 2 betroffen (vgl. S 130 d.A.). Der Zeuge Ing. Hermann R*** - zum Beweis dafür geführt, daß darüber gesprochen worden sein soll, Siegfried B*** werde unrichtig aussagen - war zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung infolge eines Schlaganfalles vernehmungsunfähig (vgl. S 240 d.A.). Es liegt auf der Hand, daß bei einer solchen - von den Beschwerdeführern in erster Instanz nicht in Zweifel gezogenen - Erkrankung des Zeugen die Zeitdauer des Vernehmungshindernisses völlig ungewiß und nicht auf kurze Dauer begrenzbar ist.

Durch das ablehnende Zwischenerkenntnis wurden somit keine Verfahrensgrundsätze hintangesetzt, deren Beobachtung durch das Wesen eines die Verteidigung sichernden Verfahrens geboten ist. Die Beschwerdeausführungen, mit denen Begründungsmängel im Sinn der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO dargetan werden sollen, erschöpfen sich in einem unzulässigen und mithin unbeachtlichen Angriff auf die Beweiswürdigung des Schöffengerichtes, das mit ausführlicher Begründung die Erwägungen darlegte, auf Grund deren der Darstellung des Siegfried B*** Glauben geschenkt, die leugnende Verantwortung des Angeklagten Franz F*** hingegen als widerlegt erachtet wurde. Die Annahme, daß Siegfried B*** vor dem vor allem in alkoholisiertem Zustand aggressiven Angeklagten Angst hatte, ist in der Aussage des Zeugen B*** gedeckt und wird zusätzlich noch durch die Angaben des mittlerweile verstorbenen Josef T*** vor der Polizei und durch die in der Hauptverhandlung verlesenen Erhebungen des Jugendamtes des Magistrates Graz (in Verbindung mit den Vorstrafakten) gestützt (vgl. S 20 f, 70 f d.A.). Auch blieb es dem Schöffengericht unbenommen, seiner Feststellung, wonach der Angeklagte im Besitz eines Springmessers war, mit dem er Siegfried B*** drohte, um ihm einen Bargeldbetrag von 200 S abzunötigen, die im Erhebungsbericht der Polizei von Insp. Franz G*** protokollierte Erwähnung des Franz F*** sen. (S 25 d. A.) zugrundezulegen und dessen Behauptung, von der Polizei lediglich telefonisch befragt worden zu sein und nie von einem Springmesser gesprochen zu haben, unter Hinweis auf eine mögliche Absprache zwischen ihm und seinem Sohn als unglaubwürdig abzulehnen (vgl. S 260 ff d.A.). Der Schuldspruch wegen schweren Raubes ist demnach mängelfrei begründet.

In der Rechtsrüge ziehen die Beschwerdeführer in Zweifel, daß im festgestellten Verhalten des Franz F*** jun. eine Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben gelegen ist, welche einen Schuldspruch wegen schweren Raubes rechtfertigt (§ 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO). Laut den bezüglichen Urteilsfeststellungen ließ der Angeklagte mit Nötigungs- und Bereicherungsvorsatz das Springmesser einige Male auf- und zuschnappen, "fuchtelte" damit in einer Entfernung von ca. 15 cm vor dem Gesicht des Siegfried B*** "herum", verlangte gleichzeitig von ihm 200 S und setzte, als B*** die Herausgabe des Geldes vorerst verweigerte, seine Drohgebärden fort (vgl. S 254, 267 f d.A.). Dieses Hantieren mit einem Messer, verbunden mit der Forderung nach Geld, wurde vom Erstgericht zutreffend als Drohung gewertet, mit der eine gegenwärtige Gefahr für Leib oder Leben des Bedrohten verbunden war, und auf Grund welcher der Bedrohte den Eindruck gewinnen und ernstlich damit rechnen konnte, der Angeklagte werde das angedrohte Übel auch verwirklichen. Von einem "milieubedingten Vorfall" harmloser Art kann bei einer solchen Verhaltensweise keine Rede mehr sein. Der Schuldspruch nach den §§ 142 Abs. 1, 143 (zweiter Fall) StGB ist sohin auch rechtlich unbedenklich.

Bei der infolge Aufhebung des angefochtenen Urteiles in einem Teil des Schuldspruches und im Strafausspruch erforderlichen Neubemessung der Strafe wertete der Oberste Gerichthof als erschwerend das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, die einschlägigen Vorstrafen und den raschen Rückfall, als mildernd das Teilgeständnis, die Schadensgutmachung beim Raub, die vernachlässigte Erziehung und den Umstand, daß im konkreten Fall die Art der Drohung unter Verwendung einer Waffe ihrer Gefährlichkeit nach noch im unteren Normbereich der Tatbestandsmäßigkeit des § 143 StGB liegt.

Da die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen und begründete Aussicht besteht, daß der Angeklagte auch bei Verhängung einer das gesetzliche Mindestmaß unterschreitenden Freiheitsstrafe keine weiteren strafbaren Handlungen begehen wird, konnte die Bestimmung des § 41 StGB angewendet und eine zweijährige Freiheitsstrafe als schuldangemessen ausgesprochen werden. Insbesondere mit Rücksicht auf die Tatsache, daß der noch im jugendlichen Alter stehende Angeklagte bereits einen erheblichen Teil dieser Strafe durch die gemäß dem § 38 StGB darauf anzurechnende Untersuchungshaft verbüßte und nunmehr nach dem Besuch eines Umschulungskurses im Wirtschaftsförderungsinstitut wieder in Lehrausbildung steht, war ungeachtet des getrübten Vorlebens eine bedingte Strafnachsicht gerechtfertigt (§ 43 StGB, § 11 Z 3 JGG). Mithin war insgesamt wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen.

Anmerkung

E08681

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0110OS00071.86.0603.000

Dokumentnummer

JJT_19860603_OGH0002_0110OS00071_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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