TE OGH 1986/6/3 14Ob65/86

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Veröffentlicht am 03.06.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuderna und Dr. Gamerith sowie die Beisitzer Dr. Martin Mayr und Dr. Walter Geppert als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.Ing.Stavros W***, Angestellter, Graz, Schillerplatz 5, vertreten durch Dr. Robert A. Kronegger, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Dr. Huschang R***, Kaufmann, Graz, Münzgrabenstraße 10, vertreten durch Dr. Willibald Rath, Rechtsanwalt in Graz, wegen restlicher S 23.768,96 samt Anhang (Revisionsstreitwert S 17.502,96), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 12. November 1985, GZ 2 Cg 40/85-33, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Graz vom 19. Dezember 1984, GZ 2 Cr 399/82-21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.199,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin sind S 480,- Barauslagen und S 247,20 Umsatzsteuer enthalten) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrte vom Beklagten, seinem ehemaligen Arbeitgeber, die Zahlung eines Bruttobetrages von S 41.896,50 sA. Davon entfällt ein Teilbetrag von S 34.214,- sA. auf Überstundenentgelt, von dem nur mehr ein Teilbetrag von S 17.502,96 den Gegenstand des Revisionsverfahrens bildet.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie brachte, soweit dies für das letzterwähnte Teilbegehren von Bedeutung ist, vor, allfällige, an sich bestrittene Überstunden seien durch Zeitausgleich sowie durch ein das kollektivvertragliche Mindestentgelt weit übersteigendes Gehalt vereinbarungsgemäß abgegolten worden.

Das Erstgericht sprach dem Kläger einen Teilbetrag von S 6.266,- sA zu und wies das - auch das gesamte Überstundenentgelt umfassende - Mehrbegehren von S 35.630,50 sA mit der Begründung ab, die Überstundenleistungen seien durch Zeitausgleich und durch ein das kollektivvertragliche Mindestentgelt für den maßgeblichen Zeitraum um S 75.850,- übersteigendes Entgelt abgegolten worden. Das Berufungsgericht bestätigte das im Umfang des Zuspruches von S 6.266,- unbekämpft gebliebene Urteil des Erstgerichts. Es führte das Verfahren gemäß dem § 25 Abs. 1 Z 3 ArbGG neu durch und traf folgende für das Revisionsverfahren wesentliche Feststellungen:

Das Ausmaß der vom Kläger geleisteten, mit einem Zuschlag von 50 % zu entlohnenden Überstunden wird gemäß dem § 273 Abs. 1 ZPO für das Jahr 1981 mit 48 und für das Jahr 1982 mit 27, also insgesamt mit 75 geschätzt. Die Überstunden, die mit einem Zuschlag von 100 % zu entlohnen sind, werden für die beiden vorgenannten Jahre mit 98,5 geschätzt. Diese Überstunden wurden entweder vom Beklagten angeordnet oder von ihm entgegengenommen. Alle anderen vom Kläger behaupteten Überstunden wurden entweder nicht im verzeichneten Ausmaß oder ohne Kenntnis des Beklagten geleistet. Der Beklagte brachte gegenüber allen Arbeitnehmern zum Ausdruck, daß die Überstunden nicht in Geld, sondern immer nur durch Zeitausgleich abgegolten werden; er hat dies im Verhältnis 1 : 1 auch getan. Der Kläger war mit dieser Abgeltung grundsätzlich einverstanden. Er äußerte sich in diesem Sinn und gab dies durch sein Verhalten zu erkennen. Zwischen den Parteien ist eine Willensübereinstimmung über diese Art der Abgeltung von Überstunden zustandegekommen. Im April 1982 wies der Kläger auf ein Guthaben an Überstunden hin und schlug zu deren Abgeltung Zeitausgleich vor. Der Beklagte war damit einverstanden. In der Folge wurde dem Kläger über dessen jeweiligen Vorschlag vom Beklagten zu den vom Berufungsgericht näher festgestellten Zeiten Zeitausgleich im Ausmaß von insgesamt 38,5 Stunden gewährt. Am 28. Mai 1982 behauptete der Kläger einer Angestellten des - gerade abwesenden - Beklagten gegenüber, er habe insgesamt 358 Überstunden verrichtet, die noch nicht abgegolten worden seien; er wolle 4 oder 5 Wochen hindurch dem Betrieb fernbleiben; 3 Wochen wolle er Urlaub und den Rest Zeitausgleich nehmen. Er erschien hierauf vom 14. Juni bis einschließlich 11. Juli 1982 nicht zur Arbeit und betrachtete davon 31,5 Stunden als Zeitausgleich. Als der Beklagte von den Überstundenforderungen des Klägers erfuhr, überreichte er ihm am 15. Juli 1982 ein die Kündigung des Klägers zum 30. September 1982 beinhaltendes Schreiben. Gleichzeitig forderte er den Kläger auf, vom 19. Juli 1982 bis 19. September 1982 in Anrechnung auf dessen Zeitausgleichsforderung dem Betrieb fernzubleiben und erst am 20. September 1982 wieder zur Arbeit zu erscheinen. Ob der Kläger dieser Aufforderung zunächst zustimmte oder ob er sie ablehnte, kann nicht festgestellt werden. Er wollte jedenfalls am 19. Juli 1982 wieder arbeiten, doch wurde ihm dies vom Beklagten unter Hinweis auf den Zeitausgleich untersagt. Der Kläger entfernte sich hierauf aus dem Betrieb und bot mit Schreiben vom 23. Juli 1982 dem Beklagten seine Arbeitsleistung an. Der Beklagte antwortete mit Schreiben vom 26. Juli 1982, daß seiner Meinung nach die vom Kläger behaupteten Überstunden schon durch die Höhe seiner Gehaltsbezüge abgegolten seien und daß er vorläufig nicht näher Stellung nehmen könne. Der Beklagte wollte deshalb den Kläger vom Betrieb fernhalten, weil er befürchtete, der Kläger könnte während der Kündigungsfrist geschäftliche Informationen, insbesondere Kundenanschriften, sammeln, um dem Beklagten dann Konkurrenz zu machen. Der Kläger hatte solche Anschriften anläßlich der Grazer Messe tatsächlich gesammelt. Am 20. September 1983 trat der Kläger seinen Dienst beim Beklagten wieder an, verbrachte aber die letzten Tage seines Arbeitsverhältnisses im Krankenstand und auf Postensuche. Die (nach dem § 273 Abs. 1 ZPO) festgestellten Überstunden des Klägers ergeben ein (vom Berufungsgericht näher aufgeschlüsseltes) Überstundenentgelt von insgesamt S 22.813,96. Auf den ebenfalls festgestellten, vom Kläger in Anspruch genommenen Zeitausgleich entfällt ein Betrag von S 5.311. Es verbleibt sohin eine restliche Überstundenentgeltforderung von S 17.502,96 (dieser Betrag bildet den Gegenstand des Revisionsverfahrens).

Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, der Kläger müsse sich die Zeit, die er über Aufforderung des Beklagten während der Kündigungsfrist vom 19. Juli bis 18. September 1982 dem Betrieb ferngeblieben sei, als Zeitausgleich zur Abgeltung der Überstundenforderung anrechnen lassen, weil er selbst immer durch sein Verlangen nach Zeitausgleich zu erkennen gegeben habe, daß diese Abgeltung der Überstunden für ihn günstiger sei als die Zahlung eines Überstundenentgelts, und weil die Parteien diese Form der Abgeltung grundsätzlich vereinbart hätten. Der Beklagte habe im Hinblick auf die oben erwähnte Befürchtung ein Interesse an der Abwesenheit des Klägers gehabt und dieser habe keinen Grund dafür angeführt, warum er den Zeitausgleich während der Kündigungsfrist entgegen dem Verlangen des Beklagten nicht habe in Anspruch nehmen wollen. Der Kläger sei während der Kündigungsfrist

346,5 Normalarbeitsstunden dem Betrieb des Beklagten ferngeblieben. Auch wenn man die den Betrag von S 17.502,96 zu Grunde liegenden Überstunden im Verhältnis von 1 : 1,5 bzw. (bei einem Überstundenzuschlag von 100 %) von 1 : 2 errechne, entspreche dies lediglich 239,5 Normalarbeitsstunden. Diese seien jedenfalls durch den vorerwähnten Zeitausgleich von 346,5 Normalarbeitsstunden abgegolten, so daß dem Kläger kein Anspruch auf Überstundenentgelt mehr zustehe.

Gegen den die Abweisung eines Teilbegehrens von S 17.502,96 betreffenden Teil dieser Entscheidung richtet sich die nur aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision des Klägers mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren im Umfang des vorerwähnten Teilbetrages stattgegeben werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die in der Rechtsrüge vorgetragene Auffassung des Klägers, er hätte mit dem Beklagten nicht vereinbart, daß er während des Laufes der Kündigungsfrist zur Abgeltung der noch offenen Überstundenentgeltforderung Zeitausgleich nehme, steht weder mit den Feststellungen noch mit der darauf gegründeten rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichtes in Widerspruch. Das Berufungsgericht ist nämlich ebenfalls davon ausgegangen, daß eine solche Vereinbarung nicht angenommen werden könne. Hingegen steht die weitere Auffassung des Revisionswerbers, die Parteien hätten über die Abgeltung von Überstunden durch Zeitausgleich keine grundsätzliche Vereinbarung getroffen, sondern nur eine solche von Fall zu Fall, mit den Feststellungen in Widerspruch. Danach brachte der Beklagte allen Arbeitnehmern gegenüber zum Ausdruck, daß er Überstunden nicht in Geld, sondern immer nur durch Zeitausgleich abgelten wolle, und er hat dies auch so getan; der Kläger war mit dieser Abgeltung grundsätzlich einverstanden; er äußerte sich in diesem Sinn und gab seine Zustimmung auch durch sein - vom Berufungsgericht näher festgestelltes - Verhalten zu erkennen. Dem Berufungsgericht ist daher beizustimmen, daß zwischen den Parteien grundsätzlich die Abgeltung von Überstunden durch Zeitausgleich vereinbart wurde, wobei es der Kläger war, der in der Folge im konkreten Fall an den Beklagten wegen Gewährung von Zeitausgleich herantrat und in einem Fall den Zeitausgleich von sich aus in Anspruch nahm.

Dem Revisionswerber ist zwar zuzugeben, daß auch im Rahmen einer grundsätzlichen Vereinbarung der Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Zeitausgleichs nicht einseitig vom Arbeitgeber oder Arbeitnehmer bestimmt werden kann. Da der Zeitausgleich ähnliche Zwecke wie der Erholungsurlaub verfolgt, können die Grundsätze des Urlaubsrechts, das ebenfalls eine Vereinbarung über den Zeitpunkt des Urlaubsantrittes vorsieht, angewendet werden (Grillberger, Arbeitszeitgesetz, 85). Nach dem § 4 Abs. 1 UrlG ist dieser Zeitpunkt zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer unter Rücksichtnahme auf die Erfordernisse des Betriebes und die Erholungsmöglichkeit des Arbeitnehmers zu vereinbaren. Dieser ist im Falle einer Kündigung grundsätzlich verpflichtet, den Urlaub während der Kündigungsfrist anzutreten, wenn nicht mangelnde Erholungsmöglichkeit oder sonstige wichtige Gründe entgegenstehen (DRdA 1978, 246). Da der Zeitausgleich aber nur ähnliche Zwecke wie der Erholungsurlaub verfolgt, ist der Erholungszweck beim Zeitausgleich weniger von Bedeutung als beim Urlaub.

Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf verwiesen, daß der Beklagte an der Abwesenheit des Klägers vom Betrieb während der Kündigungsfrist deshalb ein Interesse hatte, weil er befürchtete, daß der Kläger Kundenanschriften sammeln und den Beklagten dann konkurrenzieren könnte. Diese Befürchtung war objektiv berechtigt, weil der Kläger schon während der Grazer Messe derartige Anschriften gesammelt hatte. Der Kläger hat hingegen keinen Grund vorgebracht, der gegen eine Inanspruchnahme des Zeitausgleiches während der Kündigungsfrist sprechen könnte. Als Partei vernommen hat er lediglich angegeben, er habe kurze Zeit vorher Urlaub genommen. Dieser nicht näher konkretisierte Hinweis auf den für den Zeitausgleich weniger bedeutsamen Erholungszweck schlägt aber angesichts der festgestellten, jedenfalls überwiegenden betrieblichen Interessen des Beklagten nicht durch, sodaß der Widerspruch des Klägers gegen die Inanspruchnahme des Zeitausgleiches während der Kündigungsfrist sachlich nicht gerechtfertigt war. Daraus folgt, daß auch dem restlichen Klagebegehren die Berechtigung fehlt.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.

Anmerkung

E08160

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0140OB00065.86.0603.000

Dokumentnummer

JJT_19860603_OGH0002_0140OB00065_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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