TE OGH 1986/6/5 6Ob564/86

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Veröffentlicht am 05.06.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Riedler und Dr. Schlosser als Richter in der Vormundschaftssache der mj. Sandra A***, geboren 29. März 1976, derzeit bei den Pflegeeltern Josef und Franziska W***, Landwirte,

4753 Taiskirchen, Lacken Nr.4, vertreten durch den Magistrat der Stadt WELS als Amtsvormund, infolge Revisionsrekurses der Mutter Rosemarie T***, Hilfsarbeiterin, 4050 Traun, Tannhubstraße 26, vertreten durch Dr. Siegfried Schwab, Rechtsanwalt in Wels, gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wels als Rekursgerichtes vom 23. Jänner 1986, GZ R 39/86-106, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Wels vom 24. Oktober 1985, GZ 1 P 491/82-91, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die mj. Sandra Nicole A*** wurde am 29.3.1976 als

uneheliches Kind der Rosemarie A*** (nunmehr verehelichte T***) geboren. Günter Johann W*** hat die Vaterschaft zu diesem Kind anerkannt. Am 6.7.1979 wurde Sandra A*** im Rahmen der freiwilligen Erziehungshilfe bei den Pflegeeltern Josef und Franziska W*** in Taiskirchen untergebracht. Am 7.7.1982 beantragte die Bezirkshauptmannschaft R*** IM I*** als Amtsvormund, den Verbleib der Minderjährigen bei den Pflegeeltern gemäß § 26 Abs 2 JWG zu genehmigen. Am 16.7.1982 beantragte die Mutter des Kindes, die am 5.6.1982 mit Franz T*** die Ehe geschlossen hatte, ihr das Kind in Pflege und Erziehung zurückzugeben. Sie behielt das Kind nach einem Besuch am 22.7.1982 zunächst bei sich. Hierauf wurde am 11.8.1982 vor dem Bezirksgericht Ried im Innkreis ein "Vergleich" zwischen den Ehegatten W*** und der Mutter des Kindes abgeschlossen, wonach das Gericht zunächst die Unterbringung auf dem Pflegeplatz bei Josef und Franziska W*** gemäß § 26 Abs 2 JWG genehmigte. Gleichzeitig ordnete es aber auch die Übergabe des Kindes an die Mutter zur Pflege und Erziehung für den 4.9.1982 an.

Am 17.2.1984 stellte der Amtsvormund den Antrag, die Minderjährige gemäß § 26 Abs 1 JWG in gerichtliche Erziehungshilfe zu überweisen. Zur Begründung wurde angeführt, bei der Minderjährigen liege ein Erziehungsnotstand vor, zu dessen Behebung die langfristige Unterbringung bei den ehemaligen Pflegeeltern Josef und Franziska W*** geplant sei.

Das Erstgericht überwies im ersten Rechtsgang die Minderjährige gemäß § 26 Abs 1 JWG in gerichtliche Erziehungshilfe durch Unterbringung bei den Pflegeeltern Josef und Franziska W*** und ordnete den sofortigen Vollzug dieser Maßnahme an.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Mutter nicht Folge. Mit Beschluß vom 14.12.1984, ON 69, gab der Oberste Gerichtshof dem außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter Folge, hob die Beschlüsse der Vorinstanzen auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Auch im zweiten Rechtsgang überwies das Erstgericht die Minderjährige gemäß § 26 Abs 1 JWG in gerichtliche Erziehungshilfe durch Unterbringung bei den Pflegeeltern Josef und Franziska W***. Es ging zusammenfassend davon aus, daß die Mutter durch übertriebene Strenge und allzu forderndes ehrgeiziges Antreiben des Kindes diesem die Lebensfreude verleidet habe, so daß aus einem lebhaften Kind bäuerlichen Typs ein scheues, verunsichertes und nervöses Stadtkind mit zahlreichen psychosomatischen Störungen geworden sei. Es bestehe ein Erziehungsnotstand.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Mutter nicht Folge. Es teilte die Ansicht des Erstgerichtes, daß bei der Minderjährigen ein Erziehungsnotstand vorliege und bei einer Rückkehr des Kindes in die Pflege ihrer Mutter die konkrete Gefahr für seine Entwicklung in Form einer neurotisch bedingten Verwahrlosung bestehe. Ein neuerlicher Milieuwechsel könne der Minderjährigen nicht zugemutet werden, da er möglicherweise irreparable Schäden zur Folge haben würde.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Mutter mit den Anträgen, die Maßnahme nach § 26 JWG aufzuheben und das Kind in ihre Pflege zu geben oder die Beschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben und diesen eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist unzulässig.

Gemäß § 16 Abs 1 AußStrG findet gegen eine bestätigende Entscheidung des Rekursgerichtes die Beschwerde an den Obersten Gerichtshof nur im Falle einer offenbaren Gesetz- oder Aktenwidrigkeit der Entscheidung oder einer begangenen Nullität statt.

Eine Nullität oder eine offenbare Aktenwidrigkeit wird im Revisionsrekurs nicht behauptet.

Eine offenbare Gesetzwidrigkeit liegt nach ständiger Rechtsprechung nur dann vor, wenn ein Fall im Gesetz ausdrücklich und so klar gelöst ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wurde. Es bildet daher nicht jede unrichtige rechtliche Beurteilung eine offenbare Gesetzwidrigkeit (SZ 39/103 uva). Verstöße gegen verfahrensrechtliche Vorschriften können nach ständiger Rechtsprechung im Rahmen eines außerordentlichen Revisionsrekurses nur wegen Nullität angefochten werden (SZ 51/140 uva). Soweit daher im Revisionsrekurs ausgeführt wird, das Verfahren sei offenbar gesetzwidrig, kann dies mit der außerordentlichen Revision nicht geltend gemacht werden. Aber auch eine materiellrechtliche offenbare Gesetzwidrigkeit liegt nicht vor.

Welche tatsächlichen Umstände im konkreten Einzelfall die Anordnung einer Maßnahme gemäß § 26 JWG rechtfertigen, ist im Gesetz nicht näher bestimmt (EFSlg.44.672 ua). Es vermag daher die Behauptung, daß diese Umstände im konkreten Fall zur Rechtfertigung einer derartigen Maßnahme nicht ausreichen, den Anfechtungsgrund des § 16 Abs 1 AußStrG nicht herzustellen (EFSlg.44.672 ua). Eine offenbare Gesetzwidrigkeit kann nur dann vorliegen, wenn die Anordnung in Mißachtung des Grundprinzipes des Kindeswohles oder unter Ermessensmißbrauch erfolgt wäre (EFSlg.44.672 ua). Davon kann nicht gesprochen werden.

Beide Sachverständige sind - wenn sie auch in anderen Punkten verschiedener Ansicht waren - doch übereinstimmend zu dem Ergebnis gekommen, daß es dem Wohl des Kindes dient, wenn es auf seinem bisherigen Pflegeplatz belassen wird. Unter diesen Umständen kann aber nicht davon gesprochen werden, daß die Beschlüsse der Vorinstanzen in Mißachtung des Kindeswohles ergangen wären. Der Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.

Anmerkung

E08212

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0060OB00564.86.0605.000

Dokumentnummer

JJT_19860605_OGH0002_0060OB00564_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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