TE OGH 1986/6/5 6Ob588/86

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Veröffentlicht am 05.06.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch, Dr.Schobel, Dr.Riedler und Dr.Schlosser als Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei A*** und T*** AG, Weierstraße 11, CH-9203 Niederwil, Schweiz, vertreten durch Dr.Christian Beurle, Dr.Hans Oberndorfer und Dr.Ludwig Beurle, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei R.C.P. M*** U*** S.R.L. Via S.Pellico 8/a, I-35036 Montegrotto, Italien, vertreten durch Dr.Friedrich Mosing, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 1,928.902,76 s.A., infolge Revisionsrekurses der Gegnerin der gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 19.März 1986, GZ2 R 76/86-42, womit der Beschluß des Landesgerichtes Linz vom 19.Februar 1986, GZ3 Cg 428/84-39, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die gefährdete Partei hat die Kosten ihres Rekurses selbst zu tragen.

Die gefährdete Partei ist schuldig, der Gegnerin der gefährdeten Partei die mit S 7.360,65 bestimmten Kosten des Revisionsrekurses (darin enthalten S 669,15 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung:

Mit einstweiliger Verfügung vom 20.Dezember 1984 wurde der beklagten Partei und Antragsgegnerin jede Verfügung über ihren Anspruch auf Zahlung gegenüber der V***-A*** AG in Linz im Rahmen bis S 2,500.000,-- untersagt, ein entsprechendes Drittverbot ausgesprochen und der gefährdeten Partei aufgetragen, für alle ihrer Gegnerin durch die einstweilige Verfügung verursachten Nachteile durch den gerichtlichen Erlag von S 200.000,-- Sicherheit zu leisten. Die aufgetragene Sicherheitsleistung wurde von der gefährdeten Partei am 4.Jänner 1985 durch Überweisung eines entsprechenden Betrages erbracht. Mit Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom 12.August 1985, wurde in Stattgebung des Widerspruches der Gegnerin der gefährdeten Partei die oben angeführte einstweilige Verfügung aufgehoben und der Sicherungsantrag der gefährdeten Partei abgewiesen. Dem Revisionsrekurs der gefährdeten Partei gegen diesen Beschluß wurde vom Obersten Gerichtshof nicht Folge gegeben und dessen Entscheidung der Gegnerin der gefährdeten Partei am 13.Dezember 1985 zugestellt. Mit dem am 28.Jänner 1986 beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz beantragte die gefährdete Partei gemäß § 400 EO die Ausfolgung der von ihr erlegten Sicherheitsleistung im Betrag von S 200.000,--.

Die Gegnerin der gefährdeten Partei sprach sich gegen die Ausfolgung der Sicherheitsleistung aus, da ihr durch die einstweilige Verfügung ein Schaden erwachsen sei, der die von der gefährdeten Partei erlegte Sicherheitsleistung überschreite. Die Gegnerin der gefährdeten Partei behauptete, sie sei gezwungen gewesen, einen Kredit in der Höhe des gesperrten Betrages in Italien aufzunehmen, wodurch ihr ein Schaden in der Höhe italienischer Bankkreditzinsen entstanden, ihre Kreditwürdigkeit beeinträchtigt und die Tätigung weiterer Geschäfte verhindert worden sei. Außerdem seien ihre Geschäftsbeziehungen zur V***-A*** AG erheblich gestört und erwartete Folgeaufträge nicht erteilt worden, sodaß sie einen erheblichen Gewinnentgang erlitten habe. Die gerichtliche Geltendmachung des Schadenersatzes bleibe vorbehalten. Das Erstgericht gab dem Antrag der gefährdeten Partei auf Ausfolgung der Sicherheitsleistung nicht Folge. Es führte aus, die Gegnerin der gefährdeten Partei habe sich einen Antrag auf Ersatzleistung gemäß § 394 EO vorbehalten. Die von ihr behaupteten Schäden seien durchaus glaubhaft, jedoch zum gegebenen Zeitpunkt noch nicht genau bezifferbar, sodaß eine "exakte Geltendmachung der Ersatzansprüche" von der Gegnerin der gefährdeten Partei noch nicht erwartet werden könne.

Über Rekurs der gefährdeten Partei gab das Rekursgericht dem Ausfolgungsantrag statt und trug dem Erstgericht auf, die erforderliche Anordnung nach Rechtskraft dieses Beschlusses zu treffen. Es sprach ferner aus, daß der Revisionsrekurs zulässig sei. Das Rekursgericht vertrat die Ansicht, der Gegnerin der gefährdeten Partei sei nach rechtskräftiger Aufhebung der einstweiligen Verfügung die Möglichkeit zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen gemäß § 394 Abs 1 EO offen gestanden. Sie habe jedoch innerhalb der 14-tägigen Frist des § 400 EO keine Ersatzansprüche geltend gemacht. Der Vorbehalt von Ersatzansprüchen genüge nicht, um den Anspruch der gefährdeten Partei auf Ausfolgung der Sicherheitsleistung zu hemmen, weil es sonst im Belieben der Antragsgegnerin stünde, durch Zuwarten mit der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen die Ausfolgung der Sicherheitsleistung grundlos zu verhindern. Daß der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen unüberwindliche Hindernisse entgegenstünden, habe die Antragsgegnerin nicht schlüssig dargetan.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der Gegnerin der gefährdeten Partei mit den Anträgen, den Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen oder ihn aufzuheben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist berechtigt.

Gemäß § 400 EO darf eine zur Deckung der Schadenersatzansprüche von der gefährdeten Partei erlegte Sicherheit ihr erst nach Ablauf von 14 Tagen seit Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses ausgefolgt werden, durch welchen die einstweilige Verfügung aufgehoben wird. Gemäß § 394 Abs 1 EO hat die Partei, auf deren Antrag die einstweilige Verfügung bewilligt wurde, ihrem Gegner für alle ihm durch die einstweilige Verfügung verursachten Vermögensnachteile Ersatz zu leisten, wenn der gefährdeten Partei der behauptete Anspruch, für welchen die einstweilige Verfügung bewilligt wurde, rechtskräftig aberkannt wird, wenn ihr Ansuchen sich sonst als ungerechtfertigt erweist oder wenn sie die zur Erhebung der Klage oder Einleitung der Exekution bestimmte Frist versäumt.

Nach ständiger Rechtsprechung (SZ 29/35, SZ 56/127) legt § 400 EO nur den frühesten Zeitpunkt fest, an dem die Kaution ohne Zustimmung des Antragsgegners der gefährdeten Partei wieder ausgefolgt werden darf.

Zur Frage, ob die Sicherheitsleistung ausgefolgt werden darf, wenn der Antragsgegner innerhalb der Frist des § 400 EO keinen Antrag nach § 394 Abs 1 EO gestellt, jedoch der Ausfolgung nicht zugestimmt hat, hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung JBl.1983,265 die einen gleichartigen Fall betraf (dort wurde der Sicherungsantrag vom Obersten Gerichtshof abgewiesen) wie folgt Stellung genommen:

"Mit dem Erlag der dem Kläger als der gefährdeten Partei gemäß § 390 Abs 2 EO auferlegten Sicherheit wurde für allfällige Ersatzansprüche der Beklagten als der Gegnerin der gefährdeten Partei am Erlagsbetrag ein (Kautions-)Pfandrecht begründet (§ 56 Abs 3 ZPO, §§ 78, 402 EO). Solange dieses Pfandrecht aufrecht besteht, ist eine Ausfolgung der Sicherheit an den Erleger ohne ausdrücklich erklärte oder fingierte Zustimmung des Pfandgläubigers unzulässig. Eine solche Zustimmung lag nach der Aktenlage nicht vor. Es stand aber auch nicht mit Sicherheit fest, daß keine Ersatzansprüche, zu deren Sicherstellung die Sicherheitsleistung auferlegt worden war, entstanden sind oder daß alle entstandenen derartigen Ansprüche wieder erloschen wären.

Die durch das Kautionspfand sichergestellten Ersatzansprüche sind im Verfahren nach § 394 EO zu verfolgen. Diese Antragstellung ist nicht befristet. Ersatzansprüche nach § 394 EO können daher, jedenfalls so weit es sich nicht um reinen Verfahrenskostenersatz handelt, nicht durch das Verstreichen einer verfahrensrechtlichen Antragsfrist erloschen sein. Daß die Ersatzansprüche nach § 394 EO einer materiellrechtlichen Verjährung unterworfen sind, ist bei einer Entscheidung nach § 394 EO, allenfalls bei Lösung der Vorfrage über den Rechtsbestand derartiger Ersatzansprüche, zu prüfen. Nach der derzeitigen Aktenlage kann also weder eine Präklusion des Ersatzanspruches noch auch dessen eindeutige Unbegründetheit angenommen werden.

Es bleibt daher zu untersuchen, ob unabhängig vom Bestand einer Ersatzforderung nach § 394 EO das gesetzliche Pfandrecht des Gegners der gefährdeten Partei erloschen ist (vgl. §§ 467 ff ABGB). Ein Erlöschen des Pfandrechtes mit Willen und Zustimmung des Gegners der gefährdeten Partei scheidet nach der Aktenlage aus. In Betracht käme also nur ein gesetzliches Erlöschen des Pfandrechtes. Ein solches Erlöschen könnte lediglich aus der Regelung des § 400 EO abgeleitet werden.

Es mag fraglich erscheinen, auf welche Weise der betreibende Gläubiger im Fall einer Untätigkeit seines Erlagsgegners die Freiheit der als Sicherheit hinterlegten Sachen oder Geldbeträge von einer aufrechten Pfandhaftung geltend zu machen habe, ob ihm ein negativer Antrag im exekutionsrechtlichen Verfahren nach § 394 EO zustünde, daß seinem Gegner, der einer Ausfolgung der erlegten Sicherheit nicht zugestimmt aber auch noch keinen Antrag nach § 394 EO gestellt hat, keine Ersatzansprüche nach § 394 EO zustehen, oder ob diese Frage als Vorfrage in einem Rechtsstreit über die Pfandfreiheit der Erlagsgegenstände gelöst werden muß. Festzuhalten ist für den Bestand der pfandrechtlich gesicherten Ersatzforderungen nach § 394 EO im gegebenen Zusammenhang bloß, daß für die Geltendmachung der Ersatzansprüche im Verfahren nach § 394 EO keine Ausschlußfrist bestimmt ist.

Rechtspolitisch erschiene - nicht zuletzt zur Vermeidung der eben aufgezeigten Anspruchsverfolgung gegenüber einem untätigen Erlagsgegner - eine Regelung wünschenswert, nach der das gesetzliche Pfandrecht des Erlagsgegners in bestimmten Fällen seiner prozessualen Untätigkeit erlösche. Allein aus der Bestimmung des § 400 EO läßt sich dogmatisch eine solche Ausschlußwirkung nicht ableiten. Weder aus den Materialien zu § 399 des Regierungsentwurfes noch aus den Argumentationen von Lehre und Rechtsprechung zu der im § 400 EO gesetzten 14-tägigen Frist läßt sich zwingend ableiten, daß nach Ablauf dieser Frist ohne Antragstellung nach § 394 EO das Pfandrecht erloschen sein sollte. Nach einhelliger Ansicht gibt die Bestimmung nur den frühesten Zeitpunkt an, in welchem die Sicherheit ausgefolgt werden dürfe. Es ist zuzugestehen, daß bei der hier vertretenen Ansicht der normierten Frist nur eine sehr geringe Bedeutung zukommt. Als Norminhalt bleibt aber dennoch die Regelung, daß dem Erlagsgegner eine Mindestfrist zur Feststellung seiner vermögensrechtlichen Nachteile gewahrt werde, die ihm auch etwa auf dem Weg des § 56 Abs 2 und 3 EO nicht verkürzt werden könnte". Von dieser Rechtsansicht abzugehen, besteht kein Anlaß. In Stattgebung des Revisionsrekurses war daher der Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Der Ausspruch über die Rekurskosten der gefährdeten Partei gründet sich auf die §§ 40, 50 ZPO, 78, 402 EO, jener über die Kosten des Revisionsrekurses der Gegnerin der gefährdeten Partei auf die §§ 41, 50 ZPO, 78, 402 EO.

Anmerkung

E08427

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0060OB00588.86.0605.000

Dokumentnummer

JJT_19860605_OGH0002_0060OB00588_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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