Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 12.Juni 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Schneider, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Steinberger als Schriftführers in der Strafsache gegen Georg P*** wegen des Vergehens der Täuschung nach § 108 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluß des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 29.April 1986, GZ 3 c Vr 1151/85-99, sowie über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 26.Februar 1986, GZ 3 c Vr 1151/85-96, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluß aufgehoben.
2. Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen Schuld werden zurückgewiesen.
3. Über die Berufung wegen Strafe wird in einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.
Text
Gründe:
Georg P*** wurde der Vergehen der Sachbeschädigung nach § 125 StGB. (1) und der Täuschung nach § 108 StGB. (2) schuldig erkannt. Darnach hat er am 26.April 1984 die Glasfüllung der Eingangstür des Gasthauses H*** zerstört, ferner im Jänner 1985 durch Montage des Kennzeichens W 248.851 auf einem nicht zum Verkehr zugelassenen Personenkraftwagen und durch dessen Benützung im Straßenverkehr in wiederholten Angriffen den Staat an seinem Recht auf Ausschluß nicht zugelassener und nicht haftpflichtversicherter Kraftfahrzeuge von der Teilnahme am Straßenverkehr absichtlich geschädigt.
I.
Rechtliche Beurteilung
Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe angemeldet (ON. 97) und eine Nichtigkeitsbeschwerde, gestützt auf § 281 Abs 1 Z. 5, 9 lit a und 10 StPO., sowie eine Berufung wegen Strafe zur Ausführung gebracht (ON. 98).
Die Nichtigkeitsbeschwerde wies der Vorsitzende des Schöffensenats (§ 285 b Abs 1 StPO.) gemäß § 285 a Z. 1 StPO. zurück, weil die angeführte Rechtsmittelanmeldung keineswegs auch als Anmeldung einer Nichtigkeitsbeschwerde gewertet werden könne. Dies trifft jedoch nicht zu, weil in der Anmeldung einer "Berufung wegen Nichtigkeit" (auch) die Anmeldung einer Nichtigkeitsbeschwerde zu erblicken ist (SSt. I/115, 11 Os 49/81, 9 Os 46/81, 12 Os 73/85, 10 Os 141/85). Die vom Vorsitzenden zur Begründung seiner Ansicht zitierte Judikatur (SSt. IV/11, RZ. 1961/84) stützt in Wahrheit nicht seine Meinung, handelt es sich dabei doch um Fälle, in denen Berufung nur wegen Schuld und Strafe, nicht aber wegen Nichtigkeit angemeldet worden war.
Es war daher der rechtzeitig gemäß § 285 b Abs 2 StPO. angefochtene, die Nichtigkeitsbeschwerde zurückweisende Beschluß aufzuheben, womit sich ein Eingehen auf den Eventualantrag auf Wiedereinsetzung erübrigt (ON. 100).
II.
Als Begründungsmangel rügt die Beschwerde im Faktum 1 mehrere vom Schöffengericht angeblich unberücksichtigt gebliebene Umstände; so, daß nach Aussage des Zeugen J*** der Gastwirt den Angeklagten "ergriffen" habe und daß nach der Verantwortung des Angeklagten er, nachdem er vom Wirt aus dem Lokal geschoben worden war, "stur" stehen geblieben sei und nur durch das Zuwerfen der Eingangstür, ohne seinen Willen die Scheibe mit seiner Schulter zerbrochen habe; ferner, daß Glassplitter nach der Polizeianzeige sowohl vor als auch im Gastraum gelegen seien und daß der Wirt angegeben hätte, daß der Beschwerdeführer hernach den Schaden begleichen wollte. Nur der letztgenannte Umstand blieb im Urteil unberücksichtigt, doch ist dieser nicht entscheidungswesentlich, weil Schadensgutmachung bei Sachbeschädigung kein Strafaufhebungsgrund ist (§ 167 StGB.). Wohl ist im Urteil konstatiert, daß der Wirt (H***) den Angeklagten aus dem Lokal hinausgedrängt und hinter ihm die Eingangstür geschlossen hat und daß nach der Beschädigung der Scheibe der Polizeibeamte sowohl vor als auch im Lokal Glassplitter gefunden hat (S. 402). Die Verantwortung, daß der Angeklagte die Scheibe ohne seinen Willen zerbrochen hätte, wurde hingegen vom Schöffensenat als unglaubwürdig abgelehnt, gestützt auf die Wahrnehmungen von namentlich genannten Zeugen, wonach erst nachdem die Tür geschlossen war, der Angeklagte deren Glas mit dem Knie eingedrückt hat. Damit ist auch der Vorwurf unrichtig, das Erstgericht hätte für diese Feststellung des Tathergangs keine Beweismittel angegeben (S. 307, S. 5 in ON. 9).
Aktenwidrig kann die Feststellung, der Beschwerdeführer hätte in wiederholten Angriffen den Staat an seinem konkreten Recht geschädigt, indem er nicht ausgeforschte Polizeibeamte durch den Kennzeichenwechsel täuschte und dadurch zur Duldung der Teilnahme am Verkehr verleitete, gar nicht sein, weil mit dieser Feststellung weder der Inhalt einer bei den Akten befindlichen Urkunde noch eine gerichtliche Aussage wiedergegeben (§ 281 Abs 1 Z. 5 StPO.), sondern auf Grund von abgeführten Beweismitteln eine bestimmte Tatsache als erwiesen angenommen wurde (§ 258 Abs 2 StPO.). Wiederholte Rechtsschädigung steht der Behauptung des Angeklagten, er habe bloß einmal ein nicht zugewiesenes Kennzeichen für ein Fahrzeug benützt, nicht entgegen, erfolgte doch diese Benützung über eine längere Wegstrecke. Die Feststellung, daß Polizeibeamte, welche dieser Täuschung erlegen sind, nicht ermittelt werden konnten, bedurfte angesichts der Tatsache, daß solche Beamten nicht ausgeforscht wurden, keiner weiteren Begründung.
Die Rechtsrüge (Z. 9 lit a), welche die Verurteilung wegen Sachbeschädigung mangels Vorsatzes als rechtsirrig bestreitet, geht nicht vom gesamten Urteilssachverhalt aus, sondern nur von der Tatsache, daß der Angeklagte aus dem Gasthaus gedrängt und hinter ihm die Eingangstür geschlossen wurde. Die Feststellung, daß er daraufhin mit dem Fuß die Eingangstür eingetreten hat, negiert die Beschwerde und ersetzt sie durch die Behauptung, daß der Wirt selbst die Tür beschädigt haben müsse. Die Rüge gelangt daher nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung.
Die Forderung der Beschwerde (Z. 10) nach der Annahme bloß versuchter Täuschung gemäß §§ 15, 108 StGB. ist gleichfalls nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt, weil sie die Urteilskonstatierung, daß die getäuschten Polizeibeamten nicht ausgeforscht werden konnten, durch die Behauptung ersetzt, es gebe überhaupt keine Polizeibeamten, die getäuscht worden seien.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als offenbar unbegründet (§ 285 d Abs 1 Z. 2 StPO.), teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt (§ 285 d Abs 1 Z. 1 StPO. in Verbindung mit § 285 a Z. 2 StPO.) bereits in nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen. Ebenso zurückzuweisen war die angemeldete Berufung wegen Schuld, weil ein derartiges Rechtsmittel gegen schöffengerichtliche Urteile in der Strafprozeßordnung nicht vorgesehen ist (§ 280 StPO.). Über die Berufung wegen Strafe wird gemäß § 296 Abs 3 StPO. verfahren werden.
Anmerkung
E08858European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0130OS00085.86.0612.000Dokumentnummer
JJT_19860612_OGH0002_0130OS00085_8600000_000