TE OGH 1986/6/12 13Os38/86

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Veröffentlicht am 12.06.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12.Juni 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Schneider (Berichterstatter), Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Steinberger als Schriftführers in der Strafsache gegen Adolf L*** wegen des Vergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG. über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 18.Dezember 1985, GZ 6 c Vr 12.007/85-8, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Gehart, des Angeklagten Adolf L*** und des Verteidigers Dr. Bernhauser zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 2 (zwei) Monate herabgesetzt. Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 10.Mai 1936 geborene Baumeister Adolf L*** wurde des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG. schuldig erkannt. Darnach liegt ihm zur Last, vom 17. März 1982 bis zum 1.März 1984 in Wien "fortgesetzt in mehreren Tathandlungen" vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes 1972 entsprechenden Voranmeldungen, und zwar durch Ausweisung zu geringer Erlöse, von ihm nicht nur für möglich, sondern für gewiß gehaltene Verkürzungen von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer für die Voranmeldungszeiträume von Jänner 1982 bis Dezember 1983 im Betrag von insgesamt 1,228.478 S bewirkt zu haben.

Den Urteilsfeststellungen zufolge hatte der Angeklagte in den Umsatzsteuervoranmeldungen für das Jahr 1982 insgesamt zu Unrecht eine Gutschrift von 5.056 S statt einer richtig 590.640 S betragenden Zahllast geltend gemacht und für das Jahr 1983 eine um 632.782 S zu niedrige Zahllast (von angeblich nur 24.338 S) deklariert. Daß das Erstgericht bei der Ermittlung des Verkürzungsbetrags zu den nicht entrichteten Umsatzsteuervorauszahlungen die im Jahr 1982 zu Unrecht geltend gemachte Gutschrift von 5.056 S rechtsirrig hinzurechnete (s. §§ 49 Abs 1 lit b, 53 Abs 5 FinStrG.;

Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch, Finanzstrafgesetz, P. 5 zu § 49), hatte keinen erkennbaren Einfluß auf die mit 240.000 S weit unter der im § 33 Abs 5 FinStrG. normierten Grenze gebliebene Strafe und kann darum auf sich beruhen (EvBl 1984 Nr. 158, dort vorletzter Absatz; ferner 13 Os 131/81, 13 Os 140/81, 13 Os 34/85).

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte macht mit seiner auf § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde Straffreiheit durch Selbstanzeige geltend; er bringt vor, dem Finanzamt für alle geschuldeten Abgabenbeträge volle Sicherheit geleistet und außerdem termingemäße Ratenzahlungen von insgesamt 855.000 S geleistet zu haben, sodaß zumindest die Umsatzsteuerschuld für 1982 innerhalb Jahresfrist nachentrichtet worden sei.

Selbst wenn die im Veranlagungsakt des Finanzamtes vorhandenen (Jahres-) Umsatzsteuererklärungen, die der Beschwerdeführer für das Jahr 1982 am 20.Juli 1984 und für das Jahr 1983 am 26.Juni 1985 überreichte und in denen er alle für die Feststellung der Verkürzung bedeutsamen Umstände offenlegte, als Selbstanzeigen gewertet werden, konnte doch gemäß § 29 Abs 2 FinStrG. Straffreiheit nur insoweit eintreten, als die sich daraus ergebenden Beträge, die der Anzeiger schuldete, den Abgabenvorschriften entsprechend entrichtet wurden. Der in der Beschwerde vertretenen Ansicht, daß eine Sicherstellung des Abgabenanspruchs der Entrichtung gleichkomme, kann nicht gefolgt werden; stellt doch § 29 FinStrG. eine Ausnahmebestimmung dar, die eng und nicht ausdehnend zu interpretieren ist.

Bei den verkürzten Umsatzsteuervorauszahlungen handelte es sich um selbst zu berechnende Abgaben, die bereits vor der jeweiligen Selbstanzeige fällig waren (§ 21 Abs 1 UStG. 1972). Sie sind daher grundsätzlich sofort (Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch, Finanzstrafgesetz, P. 9 zu § 29), das heißt gleichzeitig mit der Selbstanzeige, zu entrichten; es sei denn, daß von der Abgabenbehörde Zahlungserleichterungen gewährt werden, wobei der Zahlungsaufschub ein Jahr (ab 1.Jänner 1986: zwei Jahre), bei selbst zu berechnenden Abgaben ab der Selbstanzeige, nicht überschreiten darf (§ 29 Abs 2 zweiter Satz FinStrG.). In diesem Fall gelten aber (zufolge strikter Interpretation der Ausnahmebestimmung und argumento a maiori ad minus) für die Rechtzeitigkeit des entsprechenden Ansuchens die zeitlichen Anforderungen an die Zahlung selbst. Es müßte also auch das Ersuchen um Zahlungserleichterung gleichzeitig mit der Selbstanzeige gestellt worden sein. Im vorliegenden Fall ist ein gleichzeitig mit den Selbstanzeigen gestelltes Zahlungserleichterungsansuchen weder den Akten der Abgabenbehörde zu entnehmen noch vom Angeklagten behauptet worden. In der Hauptverhandlung hatte er sich auch nicht auf eine gewährte Zahlungserleichterung, sondern überhaupt nur darauf berufen, "heuer bereits über 800.000 S Steuer bezahlt" zu haben, und Zahlungsquittungen über insgesamt 855.000 S vorgewiesen (S. 19). Das nunmehr darüber hinausgehende Beschwerdevorbringen, diese Zahlungen entsprächen einer vom Finanzamt gewährten Zahlungserleichterung, wobei hinsichtlich der auf das Jahr 1982 entfallenden Verkürzungsbeträge die (wie dargetan mit der hierüber am 20. Juli 1984 erstatteten Selbstanzeige begonnene) Jahresfrist eingehalten worden sei, ist als Neuerung im Nichtigkeitsverfahren unbeachtlich.

Zudem handelt es sich bei den dem Angeklagten angelasteten Verkürzungen der monatlich zu entrichtenden Umsatzsteuervorauszahlungen nicht, wie der Beschwerdeführer meint, um eine Mehrheit selbständiger Tathandlungen, bei denen die strafbefreiende Wirkung einer Selbstanzeige für jeden einzelnen Deliktsangriff oder auch nur für die Voranmeldungszeiträume innerhalb jedes einzelnen Kalenderjahres selbständig zu beurteilen wäre, sondern um ein fortgesetztes Delikt, bei dem Straffreiheit nur eintreten kann, wenn für sämtliche Teilhandlungen die Voraussetzungen, die das Gesetz für die Straffreiheit erfordert, gegeben sind (Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch, Finanzstrafgesetz, ENr. 5 zu § 29; 11 Os 5/84). Demnach kommt auch eine - vom Beschwerdeführer hilfsweise angestrebte - gesonderte Beurteilung der Straffreiheit nur für die auf Voranmeldungszeiträume des Jahres 1982 entfallenden Abgabenverkürzungen nicht in Betracht. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Sämtliche, im Gerichtstag von der Verteidigung in Ablichtung vorgelegten Urkunden beziehen sich auf Vorgänge, die zeitlich nach den allein entscheidungswesentlichen Steuererklärungen vom 20. Juli 1984 und vom 26.Juni 1985 stattgefunden haben; es war darauf nicht einzugehen.

Das Landesgericht verhängte über den Angeklagten nach § 33 Abs 5 FinStrG. eine Geldstrafe von 240.000 S, im Fall der Uneinbringlichkeit sechs Monate Freiheitsstrafe. Es wertete bei der Strafbemessung die (zwei) einschlägigen (finanzbehördlichen) Vorstrafen als erschwerend, hingegen als mildernd: das Geständnis, die Selbstanzeige (nicht im Sinn des § 29 FinStrG.), die unverschuldete finanzielle Notlage sowie die nachträgliche Bezahlung von Abgabenschulden.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der Geld- und der Ersatzfreiheitsstrafe sowie die Gewährung der bedingten Strafnachsicht an.

Der Berufung kommt (nur) in Ansehung der Ersatzfreiheitsstrafe Berechtigung zu (§ 283 Abs 4 StPO., § 195 Abs 1 FinStrG.), nicht jedoch hinsichtlich der weiteren Begehren:

Auf der Grundlage des Verkürzungsbetrages von (richtig) 1,223.422 S (siehe oben), demnach einer sich aus § 33 Abs 5 FinStrG. ergebenden Strafobergrenze von 2,446.844 S, erweist sich - auch unter Berücksichtigung der dem Angeklagten zukommenden gewichtigen Milderungsumstände - die vom Erstgericht ausgemessene Geldstrafe nicht als überhöht. Beträgt diese doch nur rund 10 % der Strafobergrenze.

Für diese Geldstrafe ist aber - orientiert man sich an dem in § 20 Abs 2 FinStrG. vorgeschriebenen Höchstmaß von einem Jahr - eine Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Monaten entsprechend. (Nur) in diesem Umfang war der Berufung ein Erfolg zuzuerkennen. Die bedingte Strafnachsicht kann nicht gewährt werden. Die Bedachtnahme auf die im vorliegenden Fall gegebenen spezial- und generalpräventiven Notwendigkeiten verbietet die Anwendung der §§ 26 FinStrG. und 43 StGB. Ganz abgesehen davon weisen bedingt nachgesehene Geldstrafen eine - hier nicht vertretbare - relativ geringe Effizienz auf.

Anmerkung

E08483

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0130OS00038.86.0612.000

Dokumentnummer

JJT_19860612_OGH0002_0130OS00038_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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