Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Hule als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Zehetner, Dr.Klinger und Mag.Engelmaier als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei "G***"-Film-Gesellschaft m.b.H., (HRB 12.251 Handelsgericht Wien), 1230 Wien, Lechthalergasse 49/34, vertreten durch Dr.Peter Weidisch, Rechtsanwalt, 5020 Salzburg, Erzabt-Klotzstraße 8, wider die beklagte Partei Reinhard H***, Maskenbildner, D-8000 München 90, Schlierseestraße 31, vertreten durch Dr.Kurt Asamer und Dr.Christian Schubert, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Unzulässigkeit einer Exekution, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 19. Februar 1986, GZ.32 R 450/85-21, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 12.September 1985, GZ.8 C 3/85-16, und das bisherige Verfahren als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Beim Handelsgericht Wien ist seit 4.August 1970 zu HRB 12.251 die "G***"-Film-Gesellschaft m.b.H. mit Sitz in Wien eingetragen. Betriebsgegenstand ist die Herstellung von zur öffentlichen Aufführung bestimmten Filmen (Laufbildern) einschließlich Fernsehfilmen und Aufzeichnungen, die Produktion von Live-Sendungen bzw. Herstellung von Unterhaltungsproduktionen aller Art und deren Vertrieb, insbesondere auch im Ausland, sowie der Verleih und Vertrieb von Laufbildern aller Art. Geschäftsführerin ist Elsa R***. Als Geschäftsanschrift scheint im Handelsregister 1230 Wien, Mauerberggasse 34, auf.
Beim Landesgericht Salzburg wurde am 20.September 1979 zu HRB 3.584 die "G***"-Film-Gesellschaft m.b.H. mit Sitz in Salzburg eingetragen, die am 1.August 1984 nach § 2 ALöschG wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegen gelöscht wurde. Der Gegenstand dieses Unternehmens war dem der vorerwähnten Wiener Gesellschaft gleich, die Salzburger Gesellschaft war jedoch berechtigt, sich an einem Unternehmen gleichen oder ähnlichen Gegenstands zu beteiligen oder Geschäfte eines solchen Unternehmens zu führen. Geschäftsführerin war Elsa R***; Einzelprokurist war Robert R***. Als Geschäftsanschrift schien im Handelsregister 5020 Salzburg, Vogelweiderstraße 50, auf.
Am 8.Mai 1981 brachte der nunmehrige Beklagte gegen die "G***"-Film-Gesellschaft m.b.H., 5020 Salzburg,
Vogelweiderstraße 50, zu Handen der Geschäftsführerin Elsa R***, beim Landesgericht Salzburg zu 11 Cg 243/81 eine Klage ein. In diesem Verfahren wurde am 10.Juli 1981 ein Vergleich geschlossen. Aufgrund dieses Titels wurde dem nunmehrigen Beklagten mit Beschluß des Bezirksgerichtes Salzburg vom 10.Dezember 1981, 8 E 9691/81, gegen die "G***"-Film-Gesellschaft m.b.H., 5020 Salzburg, Vogelweiderstraße 50, die Fahrnisexekution bewilligt, die jedoch zunächst nicht vollzogen werden konnte, weil die verpflichtete Partei nach dem Bericht des Gerichtsvollziehers nach 1130 Wien, Auhofstraße 37, verzogen war. Deshalb wurde die Exekutionssache nach § 44 JN dem Exekutionsgericht Wien überwiesen. Die betreibende Partei hatte am 8.August 1984 mit der Begründung, daß die verpflichtete Partei in 1130 Wien, Auhofstraße 31, eine Betriebsstätte unterhalte, auch einen diesbezüglichen Überweisungsantrag gestellt und einen neuen Vollzug an dieser Anschrift beantragt, der jedoch nicht durchgeführt werden konnte, weil sich dort die "G***"-Film-Gesellschaft m.b.H. & Co. Film-Vertriebs-KG befand. Mit Beschluß des Exekutionsgerichtes Wien vom 30.Oktober 1984 wurde die Exekutionssache auf Antrag der betreibenden Partei vom 29.Oktober 1984 nach § 44 JN dem Bezirksgericht Liesing überwiesen. Der Vollzugsversuch an der angegebenen Anschrift 1230 Wien, Mauerberggasse 34, blieb jedoch erfolglos, weil sich dort nach dem Bericht des Gerichtsvollziehers nur ein Wohnhaus von Robert und Elsa R*** befindet und die verpflichtete Partei dort keine Gewahrsame besitzt. Am 23. November 1984 beantragte die betreibende Partei beim Bezirksgericht Liesing die Einleitung des Verfahrens nach §§ 47 f.EO. In diesem Antrag scheint als verpflichtete Partei erstmals eine "G***"-Film-Gesellschaft m.b.H. HRB 12.251 Handelsgericht Wien auf, gegen die die Exekution in der Folge fortgesetzt wurde. Auf dem Briefpapier der "G***"-FilmGesellschaft m.b.H. scheinen zwei Adressen auf:
"5020 Salzburg, Vogelweiderstraße 50" und "Prod.Büro Wien:
1130 Wien, Auhofstraße 31".
Am 4.Februar 1985 brachte die "G***"-Film-Gesellschaft m.b.H. (HRB 12.251 Handelsgericht Wien) gegen den betreibenden Gläubiger des erwähnten Fahrnisexekutionsverfahrens unter Berufung auf § 36 Abs.2 EO beim Bezirksgericht Salzburg als Exekutionsbewilligungsgericht eine mit S 65.969,38 bewertete Klage wegen Unzulässigkeit der Exekution ein. Darin behauptete sie, die jetzt beim Bezirksgericht Liesing anhängige vorerwähnte Fahrnisexekution werde nunmehr gegen sie vollzogen. Dies sei unzulässig, weil der Exekutionstitel nicht gegen die Klägerin vollstreckbar sei, die mit der Titelschuldnerin, der seinerzeitigen gleichnamigen Gesellschaft mit dem Sitz in Salzburg, nicht ident und auch nicht deren Rechtsnachfolgerin im Sinn des § 9 EO sei. Die Klägerin beantragte, die Exekution gegen sie für unzulässig zu erklären und nach Rechtskraft des Urteils einzustellen (ON 1). In der Tagsatzung vom 3.Juni 1985 ergänzte die Klägerin, der dem Exekutionstitel zugrunde liegende Auftrag sei von der Gesellschaft mit dem Sitz Salzburg erteilt worden, die den Film "Egon Schiele, Exzesse" produziert habe. Klage und Exekution seien gegen die beim Landesgericht Salzburg eingetragene Gesellschaft geführt worden. Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage, weil der Exekutionstitel gegen die Klägerin bestehe. Die Zustellung der (seinerzeitigen) Klage in Salzburg sei unerheblich. Es liege keine Rechtsnachfolge vor. Deshalb sei kein Tatbestand nach § 36 oder 35 EO gegeben (ON 10).
In der Tagsatzung vom 5.September 1985 stellten die Parteien außer Streit, daß es sich bei den beiden Gesellschaften um zwei völlig getrennte, nicht idente Gesellschaften handelt, daß keine Rechtsnachfolge vorliegt und daß es sich bei der im (Titel-)Verfahren geltend gemachten Forderung um Kosten des damaligen Klägers für Maskenbildnerarbeiten für den Film "Egon Schiele, Exzesse" gehandelt hat. Zu der von der Klägerin vorgelegten Zahlungsvereinbarung zwischen der "G***"-Film-Gesellschaft, 5020 Salzburg, Vogelweiderstraße 50, und der Firma Reinhard H*** vom 30.April 1980, Beilage A, erklärte der Konzipient der Beklagtenvertreter, daß der Vertrag und der dem (Exekutions-)Titel vorausgegangene Schriftwechsel zwischen dem Beklagten und der Wiener Gesellschaft zustande gekommen sei. Zu den vom Beklagtenvertreter vorgelegten Schreiben der "G***"-Film-Gesellschaft m.b.H., 5020 Salzburg, Vogelweiderstraße 50, Prod.Büro Wien: 1130 Wien, Auhofstraße 31, an den nunmehrigen Beklagten vom 29.Dezember 1980, Beilage 1, bzw. an Dr.Kurt A*** vom 30.März 1982, Beilage 2, die beweisen sollten, daß die Klägerin auch im Titelverfahren immer unter Anführung beider (nämlich der Salzburger und der Wiener) Adressen aufgetreten sei, brachte die Klägerin vor, daraus gehe eindeutig hervor, daß der Schriftwechsel nur von der Salzburger Ges.m.b.H. geführt worden sei. Der Hinweis auf das Produktionsbüro in Wien sei kein Indiz dafür, daß sich die Wiener Gesellschaft damit in irgendeiner Weise verpflichtet hätte (ON 15).
Das Erstgericht erklärte die vom Bezirksgericht Salzburg zu 8 E 9691/81 bewilligte und nunmehr vom Bezirksgericht Liesing zu E 11.988/84 (E 1577/85) vollzogene Exekution gegen die Klägerin für unzulässig.
Nach der Ansicht des Erstgerichtes sei das Klagebegehren schon wegen der Außerstreitstellung, daß es sich um zwei völlig getrennte Gesellschaften handle und keine Rechtsnachfolge vorliege, begründet. Es bestehe kein Anhaltspunkt dafür, daß sich der Exekutionstitel gegen die Klägerin gerichtet habe. Es bestehe kein Zweifel, daß im Titelverfahren die Gesellschaft mit Sitz in Salzburg geklagt werden sollte und der Titel auch gegen diese Gesellschaft erwirkt wurde, deren Rechtspersönlichkeit mit der Löschung im Salzburger Handelsregister am 1.August 1984 erloschen sei. Die gegen diese Gesellschaft bewilligte Exekution habe daher nicht mehr fortgeführt werden können. Die Klägerin könne sich dagegen mit Klage wehren, daß die Exekution gegen sie fortgesetzt werde.
Gegen dieses Urteil erhob der Beklagte wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung Berufung, in der er die Abweisung des Klagebegehrens beantragte, und zwar vor allem deshalb, weil nie behauptet worden sei, daß die Klägerin Rechtsnachfolgerin der gleichnamigen Gesellschaft mit Sitz in Salzburg sei. Es läge daher keine Tatsache im Sinn des § 36 EO vor. Im übrigen sei jedenfalls die Gesellschaft mit Sitz in Wien Vertragspartner und Gegner im Titelprozeß sowie Verpflichtete des Fahrnisexekutionsverfahrens. Die Klägerin beantragte, der Berufung nicht Folge zu geben. Der Beklagte habe als betreibender Gläubiger des derzeit beim Bezirksgericht Liesing anhängigen Exekutionsverfahrens insbesondere in seinem Antrag vom 23.November 1984 die Klägerin eindeutig als verpflichtete Partei bezeichnet und damit deren Identität mit der gleichnamigen Titelschuldnerin, der Gesellschaft mit Sitz in Salzburg, behauptet, weshalb sich die Klägerin gegen diese Exekutionsführung wehren könne.
Das Berufungsgericht hob mit Beschluß aus Anlaß "der Rechtsmittelentscheidung" das erstgerichtliche Urteil und das bisherige Verfahren als nichtig auf und wies die Klage unter Aufhebung der Verfahrenskosten zurück.
Das Erstgericht habe über eine nicht auf den Rechtsweg gehörige Sache erkannt (§ 477 Abs.1 Z.6 ZPO), weil die Frage der Wesensgleichheit des Titelschuldners und des Verpflichteten nur aufgrund eines Rekurses oder eines Einstellungsantrages, also im Exekutionsverfahren selbst geprüft und entschieden werden könne und der Rechtsweg, insbesondere eine Klage nach § 36 EO, unzulässig sei. Einer der im § 36 EO taxativ aufgezählten Gründe für eine Impugnationsklage sei hier nicht Streitgegenstand. Die Verletzung allgemeiner Grundsätze des § 7 Abs.1 EO, z.B. die Prüfung der Identität zwischen Titelschuldner und Verpflichtetem, könne weder mit Klage nach § 36 Abs.1 Z.1 EO noch nach den §§ 35 oder 37 EO bekämpft werden, weil hiefür der streitige Rechtsweg nicht vorgesehen sei (EvBl.1972/206; RpflSlgE 1980/99).
Gegen diesen im Berufungsverfahren ergangenen Beschluß des Berufungsgerichtes richtet sich der in der Hauptsache nach § 519 Abs.1 Z.2 ZPO ohne Beschränkung im Sinn des § 502 Abs.4 Z.1 ZPO statthafte Rekurs des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Klage wegen Unvollständigkeit bzw. Unschlüssigkeit der Klagserzählung abzuweisen, allenfalls (ohne Nichtigerklärung des Verfahrens) zurückzuweisen, allenfalls den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen; wenigstens aber die Klägerin zum Ersatz der Kosten aller Instanzen zu verpflichten.
Die Rekursgegnerin erstattete keine Rekursbeantwortung.
Rechtliche Beurteilung
Das Rechtsmittel ist, und zwar soweit es sich gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz über den Kostenpunkt richtet, nach § 528 Abs.1 Z.2 ZPO, im übrigen deshalb unzulässig, weil der Beklagte durch die angefochtene Entscheidung nicht beschwert ist.
Die Beschwer ist das in höherer Instanz vorausgesetzte Rechtsschutzbedürfnis des Rechtsmittelwerbers. Sie liegt vor, wenn der Rechtsmittelwerber durch die angefochtene Entscheidung in seinem Rechtsschutzbegehren beeinträchtigt ist und deshalb ein Bedürfnis auf Rechtsschutz gegen diese Entscheidung hat (Fasching, ZPR RZ 1710). Formelle Beschwer liegt vor, wenn die gefällte von der beantragten Entscheidung zum Nachteil des Rechtsmittelwerbers abweicht (Fasching, ZPR RZ 1714).
Beim Beklagten ist zu unterscheiden, ob sein Gegenantrag auf Zurückweisung aus prozessualen Gründen oder auf Sachabweisung des gegnerischen Antrags oder auf beides lautet: Hat er nur oder primär Sachabweisung begehrt, dann ist er beschwert, wenn der Antrag des Gegners aus solchen prozessualen Gründen zurückgewiesen wird, die - nach Behebung - jederzeit eine neue Antragstellung ermöglichen (Fasching, ZPR RZ 1716).
Wenn aber das der Klage stattgebende erstgerichtliche Urteil von der zweiten Instanz mit dem bisherigen Verfahren aus dem oben dargestellten Grunde endgültig für nichtig erklärt und die Klage zurückgewiesen wird, hat der Beklagte kein rechtliches Interesse an der Beseitigung dieses Beschlusses (JBl.1956, 183; JBl.1978, 155). Der Beklagte hat zwar im Verfahren erster Instanz die Abweisung der Klage beantragt und dies im wesentlichen damit begründet, daß kein Tatbestand nach § 36 EO gegeben sei. Auch in seiner Berufung gegen das der Klage stattgebende Urteil beantragte er im wesentlichen mit derselben Begründung wieder die Abweisung des Klagebegehrens.
Die nunmehr angefochtene Entscheidung des Berufungsgerichts, mit der das erstgerichtliche Urteil nicht im Sinn der vom Berufungswerber beantragten Abweisung des Klagebegehrens abgeändert, sondern samt dem bisherigen Verfahren als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurde, weicht daher formell vom Berufungsantrag ab, allerdings nicht zum Nachteil des Rekurswerbers. Das Berufungsgericht hat die Klage nämlich nicht aus solchen prozessualen Gründen zurückgewiesen, die der Klägerin jederzeit eine neuerliche gleichartige Klage ermöglichen würden, sondern mit der Begründung, daß der nach Ansicht des Berufungsgerichts geltend gemachte Klagegrund, daß die Klägerin mit der Titelschuldnerin und verpflichteten Partei des Fahrnisexekutionsverfahrens nicht ident sei, keiner der im § 36 EO taxativ aufgezählten Klagegründe sei. Damit ist das Berufungsgericht ohnehin dem Haupteinwand des Beklagten gefolgt.
Daß das Berufungsgericht aus diesem Grund die Klage nicht abgewiesen, sondern wegen Unzulässigkeit des (streitigen Rechtswegs) zurückgewiesen hat, gereicht dem Beklagten - jedenfalls in der Hauptsache - nicht zum Nachteil. Auch dann, wenn das Berufungsgericht das Klagebegehren aus diesem Grund abgewiesen hätte, wäre damit nur darüber abgesprochen, daß der geltend gemachte Klagegrund keinen zulässigen Klagegrund nach § 36 EO darstellt. Die Klägerin wäre dadurch aber ebensowenig an einer Antragstellung im Exekutionsverfahren gehindert wie durch die vom Berufungsgericht vorgenommene Zurückweisung der Klage.
Das Interesse des Beklagten an der Beseitigung der auch ihn belastenden Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz über den Kostenpunkt reicht im Hinblick auf § 528 Abs.1 Z.2 ZPO nicht aus, ein Bedürfnis des Beklagten auf Rechtsschutz gegen die von ihm angefochtene Entscheidung zu begründen (JBl.1956, 183 u.a.).
Anmerkung
E08393European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0030OB00053.86.0618.000Dokumentnummer
JJT_19860618_OGH0002_0030OB00053_8600000_000