TE OGH 1986/6/19 8Ob560/86

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Veröffentlicht am 19.06.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch, Dr. Zehetner und Dr. Huber als Richter in der Vormundschaftssache für den mj. Thomas Albert M***, geboren am 5. Dezember 1967, infolge Revisionsrekurses des Vaters Albert K***, Bankangestellter, Knappen 14, Axams, vertreten durch Dr. Karl Hepperger, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 7. Februar 1986, GZ. 2 b R 21/86-55, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 2. Jänner 1986, GZ. 3 P 200/85-52, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der mj.Thomas Albert M***, geboren am 5.12.1967, ist das uneheliche Kind der Mutter Monika M***, geborene S***, und des Vaters Albert K***.

Der Vater beantragte die Enthebung von seiner Unterhaltsverpflichtung mit der Begründung, daß sich die Kindesmutter in Holland verehelicht habe und das Kind nunmehr den neuen Familiennamen M*** trage. Die Mutter betreibe mit ihrem Ehemann ein 70-Betten-Hotel und ein Reisebürounternehmen, weshalb das Kind nicht mehr auf die Unterhaltsbeiträge des Kindesvaters angewiesen sei. Zudem sei der Vater aufgrund seiner weiteren Sorgepflichten nicht in der Lage, den bisherigen Unterhalt von S 1.200,-- zu leisten.

Die Mutter sprach sich gegen den Antrag des Vaters auf Unterhaltsenthebung aus.

Das Erstgericht wies den Antrag des Vaters, seine Unerhaltsverpflichtung gegenüber dem pflegebefohlenen Thomas Albert M*** für erloschen zu erklären, ab. Es stellte fest, daß der Minderjährige österreichischer Staatsangehöriger ist und seit August 1984 die Hotelschule in Apeldoorn (Niederlande) besucht. Er hat kein eigenes Einkommen. Der Vater wurde mit dem Beschluß des Bezirksgerichtes Hopfgarten ab 1.11.1977 zu einer Unterhaltsleistung von monatlich S 1.200,-- verpflichtet. Die Mutter heiratete am 14.8.1978 Adrian Gerardus Petrus Henrikus M***. Mit der Erklärung vom 9.2.1979, 3 P 200/85-24, stimmte der Vater der Namensgebung durch den Ehemann der Mutter zu. Eine Legitimation des Pflegebefohlenen erfolgte nicht. Die Ehe des Vaters Albert K*** wurde mit dem rechtskräftigen Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 10.7.1984 geschieden. Der Vater ist für seine geschiedene Ehegattin Edith K*** mit einem Betrag von S 2.000,-- und für seine beiden ehelichen Kinder Heide Susanne K***, geboren am 6.11.1971 und Claudia Maria K***, geboren am 27.10.1974, mit je S 1.500,-- monatlich unterhaltspflichtig. Außerdem verpflichtete sich der Vater gegenüber seiner geschiedenen Ehegattin im Rahmen einer Vereinbarung über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse zu einer Ausgleichsleistung von insgesamt S 500.000,-- in zwei gleichen Teilbeträgen von je S 250.000,--. Der Vater verdiente zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Enthebung von seiner Unterhaltsverpflichtung monatlich durchschnittlich S 17.270,--.

Rechtlich bejahte das Erstgericht die Leistungsfähigkeit des Vaters zur Zahlung des bisherigen Unterhaltsbeitrages von monatlich S 1.200,--.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters keine Folge, sondern bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung. Nach Ansicht des Gerichtes zweiter Instanz sei der Antrag des Vaters auf Enthebung von seiner Unterhaltsverpflichtung nach österreichischem Recht zu beurteilen. Durch die Angaben der Mutter und die Vorlage einer Fotokopie des Staatsbürgerschaftsnachweises und eines Auszuges aus dem Reisepaß sei klargestellt, daß sowohl die Mutter als auch der mj.Thomas Albert die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen. Darüberhinaus sei auch der Vater selbst österreichischer Staatsbürger, wie sich sowohl aus dem Pflegschaftsakt als auch aus dem Scheidungsakt 8 Cg 603/83 des Landesgerichtes Innsbruck ergebe. Nach Art.1 des Übereinkommens über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht bestimme das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Kindes, ob, in welchem Ausmaß und von wem das Kind Unterhaltsleistungen verlangen kann. Gemäß Art.2 lit.b dieses Übereinkommens könne abweichend von den Bestimmungen des Art.1 jeder der vertragsschließenden Staaten sein eigenes Recht für anwendbar erklären, wenn die Person, von der die Unterhaltsleistungen verlangt werden und auch das Kind die Staatsangehörigkeit dieses Staates besitzen. Von diesem Vorbehalt habe die Republik Österreich Gebrauch gemacht. Zufolge dieses Vorbehaltes zu Art.2 des Haager-Unterhaltsstatutsabkommens vom 24.10.1956, BGBl.1961/293, sei auch dann, wenn sich das die österreichische Staatsbürgerschaft besitzende Kind in Holland aufhält, für die Unterhaltsentscheidung österreichisches Recht anzuwenden, da auch der Unterhaltssschuldner die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt. Dabei mache es keinen Unterschied, ob die Unterhaltsentscheidung über Antrag des Unterhaltsberechtigten oder des Unterhaltsschuldners ergeht. Die Behauptung des Vaters, daß er seine Zustimmung zur Namensgebung des Kindes von dessen Verzicht auf Unterhaltsleistungen ihm gegenüber abhängig gemacht hätte, sei im Hinblick auf seine Erklärung vom 9.2.1979 aktenwidrig. Eine Mitteilung, daß die holländischen Behörden aufgrund des genannten Übereinkommens eine Maßnahme getroffen hätten, sei nicht erfolgt. Wenn dies der Fall gewesen wäre, wäre eine solche gemäß Art.11 des Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen (BGBl.446/1975) unverzüglich erfolgt. Im übrigen sei die Leistungsfähigkeit des Vaters zur Bezahlung des begehrten Unterhaltsbetrages zu bejahen.

Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der ao. Revisionsrekurs des Vaters, in welchem er offenbare Gesetzwidrigkeit geltend macht und beantragt, die vorinstanzlichen Beschlüsse dahin abzuändern, daß seine Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem Minderjährigen für erloschen erklärt wird oder daß die genannten Beschlüsse aufgehoben werden. Seiner Auffassung nach sei holländisches Recht anzuwenden. Die Vorinstanzen hätten sich damit näher auseinandersetzen müssen. Außerdem verbleibe dem Vater nur mehr so wenig für seinen eigenen Unterhalt, daß er davon kaum leben könne. Dazu war zu erwägen:

Rechtliche Beurteilung

Soweit der Rekurs die Frage zum Gegenstand hat, ob holländisches Recht Anwendung findet, steht ihm § 14 Abs.2 AußStrG nicht entgegen, weil diese Frage nicht zum Bemessungskomplex im Sinne der zitierten Vorschrift und des Jud.60 gehört (JBl.1964,465; RZ 1968, 94; RZ 1969, 33; SZ 49/78 ua). Wenn die Entscheidung infolge unrichtiger Anwendung von Kollisionsnormen auf Sachnormen einer nicht berufenen Privatrechtsordnung beruhte, wäre offenbare Gesetzwidrigkeit im Sinne des § 16 Abs.1 AußStrG - wie vom Rechtsmittelwerber geltend gemacht - gegeben (5 Ob 664/78 ua). Dies ist hier jedoch nicht der Fall:

Zunächst ist klarzustellen, daß Gegenstand dieses Verfahrens das Begehren des Vaters auf Befreiung von der Unterhaltsleistung gegenüber dem Minderjährigen ist. Es geht demnach darum, ob gesetzliche Unterhaltsansprüche des Minderjährigen weiterhin bestehen oder nicht. Wie das Rekursgericht zutreffend klarlegte, findet das Übereinkommen über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht, BGBl.1961/293, samt Gesetz BGBl. 1961/295 (kurz: "Unterhaltsstatutabkommen") Anwendung, weil es gemäß Art.1 Abs.4 und Art.6 "für die gesetzlichen Unterhaltsansprüche" aller (auch unehelicher) unverheirateter Kinder unter 21 Jahren mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem Vertragsstaat gilt (Schwimann, Internationales Privatrecht 237, 238). Soweit der Rechtsmittelwerber die Anwendung des Unterhaltsstatutabkommens deshalb in Abrede stellt, weil das zur Entscheidung der österreichischen Gerichte führende Begehren nicht vom unterhaltsberechtigten Kind, sondern von ihm, dessen unterhaltsverpflichteten Vater ausging, findet sich für diese Auslegung keine Deckung im bezogenen Übereinkommen; dieses stellt vielmehr im Art.1 darauf ab, "ob und in welchem Ausmaß und von wem das Kind Unterhaltsleistungen verlangen kann", ohne die Beurteilung dieser Frage auf einen bloß vom unterhaltsberechtigten Kind stammenden Antrag einzuschränken. Auch der hier zur Anwendung gelangende Art.2 lit.a des Unterhaltsstatutabkommens spricht bloß davon, daß "das Begehren" vor eine Behörde dieses (österreichischen) Staates gebracht wird, ohne die zum Entscheidungsinhalt gemachte Frage der Unterhaltsleistung auf die alleinige Antragsberechtigung des Minderjährigen zu limitieren. Da Österreich von der Ermächtigung des Art.2 gemäß § 1 des BG 30.10.1958, BGBl.1961/295, dahin Gebrauch gemacht hat, daß auf den Unterhaltsanspruch des Kindes österreichisches Recht anzuwenden ist, wenn das Unterhaltsbegehren (= das den Unterhalt betreffende Begehren) bei einem österreichischen Gericht gestellt wird, Unterhaltsschuldner und Kind - wie hier - österreichische Staatsbürger sind und der Unterhaltsschuldner im Zeitpunkt der Stellung des Begehrens seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hat, wurde vom Rekursgericht zutreffend österreichisches Recht angewendet. Die geltend gemachte offenbare Gesetzwidrigkeit liegt daher nicht vor.

Auf Fragen der Leistungsfähigkeit des Vaters, die er in seinem ao. Revisionsrekurs ebenfalls releviert, war zufolge der Bestimmung des § 14 Abs.2 AußStrG (Jud.60) nicht weiter einzugehen. Der ao. Revisionsrekurs war demnach zurückzuweisen.

Anmerkung

E08449

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0080OB00560.86.0619.000

Dokumentnummer

JJT_19860619_OGH0002_0080OB00560_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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