TE Vfgh Erkenntnis 2001/9/24 G146/01

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Veröffentlicht am 24.09.2001
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Index

L7 Wirtschaftsrecht
L7200 Beschaffung, Vergabe

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
Krnt AuftragsvergabeG §1 Abs4 idF LGBl 55/1994

Leitsatz

Keine sachliche Rechtfertigung des Ausschlusses bestimmter Bieter bzw Bewerber um ein Baulos vom vergabespezifischen Rechtsschutz durch Freistellung öffentlicher Auftraggeber von vergabegesetzlichen Bindungen bei Vergabe von Baulosen unterhalb einem bestimmten Schwellenwert; Differenzierung in der Rechtsposition von Bewerbern und Bietern im nationalen Recht durch europarechtliche Bestimmungen nicht gerechtfertigt infolge der doppelten Bindung des Gesetzgebers bei der Umsetzung von Gemeinschaftsrecht

Spruch

§1 Abs4 des Gesetzes vom 10. Februar 1994 über die Vergabe öffentlicher Aufträge (Kärntner Auftragsvergabegesetz), LGBl. für Kärnten Nr. 55/1994, war verfassungswidrig.

Der Landeshauptmann ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist ein Verfahren über eine Beschwerde gegen einen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten (in der Folge: Ktn. UVS) anhängig, mit dem im Nachprüfungsverfahren betreffend die Vergabe des Bauvorhabens der Generalsanierung des Klagenfurter Stadttheaters der Antrag eines Bieters festzustellen, daß die Vergabe des Loses 3 (Revitalisierungs- und Restaurierungsarbeiten im Bereich des Bühnen- und Zuschauerhauses - Bautischlerarbeiten) rechtswidrig war, als unbegründet abgewiesen und diese Entscheidung damit begründet wurde, daß es gemäß §1 Abs4 Kärntner Auftragsvergabegesetz (in der Folge: KVergG) dem Auftraggeber freistünde, die Vergabe von Aufträgen hinsichtlich Losen, deren geschätzter Auftragswert ohne Umsatzsteuer weniger als 1 Mio. ECU betrage und deren kumulierter Auftragswert 20 v.H. des kumulierten Wertes aller Lose nicht übersteige, nicht diesem Gesetz zu unterwerfen.

2.a) Gegen diesen Bescheid wendet sich eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, auf Gleichheit vor dem Gesetz sowie auf Unversehrtheit des Eigentums behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides begehrt wird.

b) Bei der Behandlung der Beschwerde entstanden beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des §1 Abs4 KVergG idF LGBl. 55/1994, wonach es dem öffentlichen Auftraggeber freisteht, die Vergabe von Aufträgen hinsichtlich Losen, deren geschätzter Auftragswert ohne Umsatzsteuer weniger als 1 Mio. ECU beträgt und deren kumulierter Auftragswert 20 v.H. des kumulierten Wertes aller Lose nicht übersteigt, nicht dem KVergG zu unterwerfen. Der Verfassungsgerichtshof hat daher beschlossen, diese Bestimmung auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen. Er nahm vorläufig an, daß die Beschwerde zulässig ist und daß er bei ihrer Beurteilung unter anderem §1 Abs4 KVergG in der bezogenen Fassung anzuwenden hätte.

c) Die Kärntner Landesregierung wurde aufgefordert, zum Gegenstand des eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahrens eine schriftliche Äußerung zu erstatten. Dieser Aufforderung ist sie nicht nachgekommen.

II. Die in Prüfung gezogene Wortfolge steht in folgendem normativen Zusammenhang:

Das KVergG enthielt in der hier maßgeblichen Fassung gesetzliche Regelungen über das Vergabeverfahren und die Vergabekontrolle für die Vergabe von Liefer-, Bau- und Baukonzessions- (nicht aber Dienstleistungs-)aufträgen durch öffentliche Auftraggeber des Landes Kärnten oberhalb bestimmter Schwellenwerte. Als öffentliche Auftraggeber wurden in §3 Abs1 leg.cit. das Land, die Gemeinden, Gemeindeverbände, bestimmte Einrichtungen des Landes, rechnungshofkontrollpflichtige Unternehmen iS der Art127 und 127a B-VG sowie Landesgesellschaften und Städtische Unternehmungen nach dem Zweiten Verstaatlichungsgesetz und Elektrizitätsversorgungsunternehmen nach dem Kärntner Elektrizitätswirtschaftsgesetz idgF genannt. In den Abschnitten II, III, IV, VI und VII enthielt das Gesetz Vorschriften allgemeiner und besonderer Natur über das Vergabeverfahren; im VIII. Abschnitt fanden sich Regelungen über den vor dem Ktn. UVS wahrzunehmenden vergabespezifischen Rechtsschutz sowie schadenersatzrechtliche Normen. Sofern ein öffentlicher Auftraggeber eine Tätigkeit im Bereich der sog. "geschützten Sektoren" der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung ausübte, fanden die Bestimmungen des KVergG nur in eingeschränktem Ausmaß Anwendung (V. Abschnitt); insbesondere galten für derartige Vergaben nicht die gesetzlichen Vorschriften über das Nachprüfungsverfahren bzw. die im Gesetz enthaltenen zivilrechtlichen Regelungen (§4 Abs3 KVergG).

Der unter der Rubrik "Sachlicher Geltungsbereich" stehende §1 KVergG lautet in der vom Ktn. UVS angewandten Fassung LGBl. 55/1994 (die in Prüfung gezogene Bestimmung ist hervorgehoben):

"(1) Dieses Gesetz regelt die entgeltliche Vergabe von Lieferaufträgen, Bauaufträgen und Baukonzessionsaufträgen durch öffentliche Auftraggeber.

(2) Dieses Gesetz gilt für die Vergabe von öffentlichen Bauaufträgen und Baukonzessionsaufträgen, deren Auftragswert ohne Umsatzsteuer mindestens 5 Mio. ECU beträgt.

(3) Besteht ein Bauwerk aus mehreren Losen, für die jeweils ein gesonderter Auftrag vergeben wird, muß der Wert eines jeden Loses bei der Errechnung des Schwellenwertes berücksichtigt werden. Beläuft sich der kumulierte Wert der Lose auf den in Abs2 genannten Schwellenwert oder auf mehr, unterliegen alle Lose diesem Gesetz.

(4) Es steht dem öffentlichen Auftraggeber frei, die Vergabe von Aufträgen hinsichtlich Losen, deren geschätzter Auftragswert ohne Umsatzsteuer weniger als 1 Mio. ECU beträgt und deren kumulierter Auftragswert 20 v.H. des kumulierten Wertes aller Lose nicht übersteigt, nicht diesem Gesetz zu unterwerfen.

(...)"

(Mit der Novelle LGBl. 58/1997 wurde §1 durch die §§1 bis 1f ersetzt; die in Rede stehende "Losregelung" findet sich nach dieser Novelle in modifizierter Form in §1d Abs2 wieder. Mit Kundmachung LGBl. 65/1997 wurde das Kärntner Auftragsvergabegesetz (und §1d als §5) wiederverlautbart und zwischenzeitig durch die Landesgesetze LGBl. 23/1999 und 23/2000 novelliert. Durch die Novelle LGBl. 23/2000 wurde in §5 Abs2 die Wendung "eine Million ECU" durch "eine Million Euro" ersetzt.)

III. Der Verfassungsgerichtshof ist in seinem Prüfungsbeschluß vorläufig davon ausgegangen, daß die Beschwerde zulässig ist und daß er bei ihrer Behandlung §1 Abs4 KVergG in der in Prüfung gezogenen Fassung anzuwenden habe, sodaß diese Vorschrift präjudiziell im Sinne des Art140 Abs1 B-VG sein dürfte.

Diesen Annahmen ist die Kärntner Landesregierung nicht entgegengetreten.

Auch sonst ist im verfassungsgerichtlichen Verfahren nichts hervorgekommen, was den vorläufigen Annahmen über die Zulässigkeit des Anlaßbeschwerdeverfahrens bzw. über die Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Norm entgegenstehen könnte. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, erweist sich das Verfahren als zulässig.

IV. 1. In der Sache hatte der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, daß es sachlich nicht zu rechtfertigen sein dürfte, daß ein öffentlicher Auftraggeber bei der Vergabe von Losen, deren geschätzter Auftragswert ohne Umsatzsteuer weniger als 1 Mio. ECU beträgt und deren kumulierter Auftragswert 20% des kumulierten Wertes aller Lose nicht übersteigt, keinerlei vergabegesetzlichen Bindungen unterliegt und daher den Bewerbern und Bietern nicht einmal ein Minimum an Verfahrensgarantien eingeräumt ist. Er legte seine Bedenken folgendermaßen dar:

"Nach dem Wortlaut des wiedergegebenen §1 Abs4 KVergG unterliegen im Fall der Teilung eines Auftrags in Lose und deren getrennter Vergabe alle Lose ab einem geschätzten Auftragswert von 1 Mio. ECU dem KVergG. Ohne Beachtung der Vergabevorschriften dürfen demnach höchstens 20% des Gesamtauftragswerts vergeben werden; dies aber nur insoweit, als die betreffenden Lose unterhalb des 'Schwellenwertes' von 1 Mio. ECU liegen. Der Verfassungsgerichtshof hat nun das Bedenken, daß die geschilderte 'Losregelung' zu einer sachlich nicht zu rechtfertigenden Differenzierung zwischen der Rechtsposition von Bewerbern und Bietern im Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge führt: Denn in seinem Erkenntnis G110,111/99 vom 30. November 2000 hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, daß die Schwellenwertregelung des §3 Abs1 Bundesvergabegesetz, BGBl. 462/1993, durch die die in diesem Gesetz normierten Vergabeverfahrensregelungen und die vergabespezifischen Rechtsschutzinstrumentarien auf Aufträge beschränkt wurden, deren geschätztes Auftragsvolumen einen bestimmten Betrag überstiegen, dem Gleichheitsgrundsatz widersprochen hat: Eine sachliche Rechtfertigung dafür, daß der Gesetzgeber im Bereich unterhalb der in dieser Bestimmung normierten Schwellenwerte auf eine außenwirksame Regelung, die den Bietern und Bewerbern wenigstens ein Minimum an Verfahrensgarantien zur Verfügung stellte, gänzlich verzichtete und die Bewerber und Bieter damit generell vom vergabespezifischen Rechtsschutz ausschloß, war nicht erkennbar.

Im vorliegenden Fall hegt der Verfassungsgerichtshof gleichartige Bedenken: Es dürfte sachlich nicht zu rechtfertigen sein, daß ein öffentlicher Auftraggeber bei der Vergabe von Losen, deren geschätzter Auftragswert ohne Umsatzsteuer weniger als 1 Mio. ECU beträgt und deren kumulierter Auftragswert 20% des kumulierten Wertes aller Lose nicht übersteigt, keinerlei vergabegesetzlichen Bindungen unterliegt und daher den Bewerbern und Bietern nicht einmal ein Minimum an Verfahrensgarantien eingeräumt ist. Wieso aber etwa ein Bewerber bzw. Bieter um ein Auftragslos, das die angegebenen Wertgrenzen nicht erreicht, - anders als ein Unternehmer, der sich um einen Auftrag bewirbt, der die vorgesehene Wertschwelle übersteigt -, über keinerlei subjektives Recht auf Einhaltung von den öffentlichen Auftraggeber bindenden Vorschriften verfügen soll, ist vorläufig nicht einsichtig und dürfte aus eben jenen Gründen gleichheitswidrig sein, die dazu geführt haben, daß der Verfassungsgerichtshof §3 Abs1 BVergG idF BGBl. 462/1993 als verfassungswidrig qualifiziert hat. Dies verdeutlicht auch der der Beschwerde zugrundeliegende Vergabesachverhalt, dem zufolge die Auftraggeber ohne Bedachtnahme auf das vergabegesetzliche Bestbieterprinzip (§34 KVergG) - sich im Hinblick auf §1 Abs4 KVergG offenbar ohne jedwede Bindung an eine Bieterreihung wähnend - die Aufträge frei vergeben haben."

2. Die Kärntner Landesregierung ist diesen Bedenken des Verfassungsgerichtshofes nicht entgegengetreten.

3. a) Mit Erkenntnis G110,111/99 vom 30. November 2000 hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, daß die Schwellenwertregelung, wie sie in §3 Abs1 Bundesvergabegesetz 1993 enthalten war, verfassungswidrig war. Dabei hat er insbesondere festgestellt, daß es sachlich nicht zu rechtfertigen sei, bei Auftragsvergaben unterhalb der Schwellenwerte den Bewerbern und Bietern nicht einmal ein Minimum an Verfahrensgarantien zu gewährleisten und auf jedwede außenwirksame Regelung des Vergabeverfahrens - die im Bereich oberhalb der Schwellenwerte als erforderlich und notwendig angesehen wird - zu verzichten. Weiters verwies er darin auf jene Erkenntnisse (insb. VfSlg. 15.106/1998), in denen er den Ausschluß eines vergabespezifischen Rechtsschutzes für bestimmte Vergaben als sachlich nicht gerechtfertigt erachtet hatte und die Auffassung vertreten hatte, daß es der derzeitigen Ausgestaltung des zivilrechtlichen Bieterschutzes in der Phase der Kontrolle des Vergabeverfahrens vor Zuschlagserteilung an der notwendigen Effektivität mangle, sodaß die gänzliche Ausschaltung eines vergabespezifischen Rechtsschutzes für Teilbereiche der Vergabekontrolle den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht entspräche. Weiters führte der Verfassungsgerichtshof aus:

"Für die Effektivität des vergaberechtlichen Rechtsschutzes ist im Bereich der Kontrolle des Vergabeverfahrens vor der Zuschlagserteilung für den Bieter zum einen entscheidend, daß das Verfahren nicht allzu aufwendig gestaltet ist, und zum anderen, daß er rasch und einfach zu den (für den Bereich oberhalb der Schwellenwerte gemeinschaftsrechtlich verpflichtend vorzusehenden) Provisorialentscheidungen gelangen kann; für die betroffenen Auftraggeber und die zum Zuge gekommenen Bieter ist es hingegen von entscheidender Bedeutung, daß die Entscheidungen rasch erfolgen und Vergabeverfahren und Zuschlagserteilung nicht in einer den öffentlichen Interessen widersprechenden Weise ungebührlich verzögert werden. Nun fehlt es aber - wie auch in der Literatur betont wird (vgl. etwa Schlosser, Reformbedarf im Vergaberechtsschutz aus der Sicht eines Senatsvorsitzenden des Bundesvergabeamtes, JRP 1999, 242 f., und Aicher, Aspekte des Vergaberechtsschutzes vor den Zivilgerichten, JRP 1999, 253 ff.) - derzeit an geeigneten zivilverfahrensrechtlichen Vorschriften, die den besonderen Bedürfnissen einer raschen, vielfach keinen Aufschub duldenden, vergaberechtlichen Rechtskontrolle Rechnung tragen.

Das ist der Grund dafür, daß die vergaberechtlichen Vorschriften des Bundes und der Länder im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes vergabespezifische Rechtsschutzinstrumente für die Kontrolle der Einhaltung der Regelungen des Vergabeverfahrens vorsehen. Diese nur für Vergaben oberhalb bestimmter Schwellenwerte zur Verfügung zu stellen und bei Vergaben von Aufträgen geringeren Wertes in bestimmten Konstellationen auf einen solchen zu verzichten und sich ansonsten mit einem weniger effektiven Rechtsschutz zu begnügen, nämlich den Rechtsschutz in diesem Bereich komplizierter und aufwendiger zu gestalten, ist sachlich nicht zu rechtfertigen."

Diese Erwägungen - die den Verfassungsgerichtshof auch bewogen haben, mit Erkenntnis vom 26. Februar 2001, G43/00, eine Schwellenwertregelung betreffend Sektorenvergaben im BVergG 1997 idF BGBl. I 56/1997 als verfassungswidrig zu qualifizieren -lassen sich mutatis mutandis auf §1 Abs4 KVergG in der hier geprüften Fassung übertragen: Auch im Hinblick auf §1 Abs4 KVergG ist festzuhalten, daß es sachlich nicht zu rechtfertigen ist, einem Bieter bzw. Bewerber um ein Baulos, dessen geschätzter Auftragswert einen bestimmten Wert nicht übersteigt, keinerlei vergaberechtliche Rechtspositionen - die vor dem für Auftragsvergaben nach dem KVergG zur Nachprüfung zuständigen Ktn. UVS durchsetzbar wären - einzuräumen. Zwar hat der Verfassungsgerichtshof bereits im zitierten Erkenntnis zu G110,111/99 eingeräumt, daß Wertgrenzen - wie sie sich häufig in der Rechtsordnung finden würden - nicht a priori die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes bewirken würden, genauso wie dem Vergabegesetzgeber nicht entgegenzutreten sei, wenn er unterhalb bestimmter Wertgrenzen vereinfachte vergabeverfahrensrechtliche Regelungen bzw. dazu korrespondierend bei den Vorschriften über den vergabespezifischen Rechtsschutz Verfahrensvereinfachungen oder Verfahrensbeschleunigungen vorsehe oder in ähnlicher Form das Verfahren straffte. In diesem Sinne wäre es deshalb auch mit dem Gleichheitssatz vereinbar, für die Vergabe der in Rede stehenden Baulose vereinfachte Vergabevorschriften vorzusehen.

Nichts dergleichen ordnet §1 Abs4 KVergG in der geprüften Fassung aber an: Vielmehr zeichnet er öffentliche Auftraggeber - ohne sachlichen Grund - bei der Vergabe von Baulosen, die in ihrem Wert die in §1 Abs4 KVergG bezogenen Grenzen nicht erreichen, pauschal von allen vergabegesetzlichen Bindungen frei und stellt es in ihr Belieben, ein Vergabeverfahren nach den detaillierten verfahrensrechtlichen Bestimmungen des KVergG durchzuführen oder einen Zuschlag - ohne jedwede gesetzliche Bindung oder Beachtung vergabeverfahrensrechtlicher Positionen von Bietern - frei zu erteilen. Damit verliert auch der vergabespezifische Rechtsschutz hinsichtlich solcher Vergaben insofern seine Effektivität, als der zur Nachprüfung zuständige Ktn. UVS darauf beschränkt wird, (bloß) nachzuprüfen, ob ein in Rede stehendes Baulos iS der zitierten Bestimmung vorliegt, wobei bejahendenfalls die Vergabe dieses Loses seiner Prüfung anhand der gesetzlichen Vergabeverfahrensregelungen entzogen ist.

Daraus folgt, daß §1 Abs4 KVergG idF LGBl. 55/1994 eben jenen Bedenken begegnet, die den Verfassungsgerichtshof schon in den zitierten Verfahren G110,111/99 und G43/00 bewogen haben, die entsprechenden Schwellenwertregelungen als verfassungswidrig zu qualifizieren.

b) Angesichts der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs (vgl. etwa VfSlg. 15.106/1998), wonach der Gesetzgeber bei der Umsetzung von Gemeinschaftsrecht einer doppelten Bindung unterliegt, nämlich einer Bindung an die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben und an den verfassungsgesetzlich gezogenen Rahmen, vermag auch der Umstand, daß die geprüfte Bestimmung des KVergG praktisch wortgleich einer Bestimmung der Richtlinie 71/305/EWG idF der Richtlinie 89/440/EWG entspricht, eine Differenzierung in der Rechtsposition von Bewerbern und Bietern im nationalen Recht alleine nicht zu rechtfertigen.

c) Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofs haben sich sohin als gerechtfertigt erwiesen.

4. Es war daher auszusprechen, daß die in Prüfung genommene Wortfolge verfassungswidrig war.

V. Die Verpflichtung des Landeshauptmannes zur unverzüglichen Kundmachung der Feststellung erfließt aus Art140 Abs5 zweiter Satz B-VG und §64 Abs2 VerfGG.

VI. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

EU-Recht, Rechtsschutz, Vergabewesen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2001:G146.2001

Dokumentnummer

JFT_09989076_01G00146_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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