TE OGH 1986/6/24 5Ob535/86

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Veröffentlicht am 24.06.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Gamerith, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B*** Handelsgesellschaft mbH & Co. KG, Graz, Prankergasse 16, vertreten durch Dr. Helmut Schmid, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagten Parteien 1.) Peter Z***, Handelsvertreter, Graz, Prankergasse 3, 2.) Ewald S***, Handelsvertreter, Graz, Fischergasse 16, beide vertreten durch Dr. Josef List, Rechtsanwalt in Graz, wegen 26.708,29 S samt Anhang infolge Rekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgerichtes vom 18. Februar 1986, GZ. 4 R 444/85-30, womit das Endurteil des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 18. November 1985, GZ. 28 C 913/85-25, aufgehoben und eine Aufrechnungseinrede der beklagten Parteien zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Punkte II und III des angefochtenen Beschlusses werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:

"Der Berufung der klagenden Partei wird Folge gegeben. Das Endurteil des Erstgerichtes wird aufgehoben. Die von den beklagten Parteien in der Verhandlungstagsatzung vom 28. Oktober 1985 erhobene Aufrechnungseinrede (mit der sie die Forderungen von 269.005 S und 179.557,25 S bis zur Höhe der Klagsforderung als "kompensable Gegenforderungen zum streitgegenständlichen Klagsanspruch" einwendeten) wird zurückgewiesen. Das Teilurteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 4. März 1985, 4 R 518/84-20, bestätigt mit Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 10. September 1985, 5 Ob 570/85-23, gilt als Endurteil.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 18.502,53 S bestimmten Verfahrenskosten erster und zweiter Instanz (darin enthalten 1.630,- S an Barauslagen und 1.533,87 S an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen."

Die beklagten Parteien haben die Kosten ihres Rekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die beiden Beklagten waren in den Jahren 1979 bis 1982 aufgrund eines Handelsvertretervertrages für die Klägerin als selbständige Handelsvertreter tätig.

Mit der am 24. Februar 1984 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte die Klägerin die solidarische Verurteilung der Beklagten zur Rückzahlung von 26.708,29 S samt Anhang an Provisionsvorschüssen. Die Beklagten beantragten Klageabweisung. Sie bestritten die Klageforderung und wendeten in eventu bis zu deren Höhe eine aus der Vermittlung der Auslieferung des sogenannten "Baumat-Paketes" abgeleitete (nicht auf dem zwischen den Streitteilen bestandenen Handelsvertretervertrag beruhende) Provisionsforderung von 567.289 S aufrechnungsweise als Gegenforderung ein.

Das Erstgericht hat die Klageforderung mit 13.049,62 S als zu Recht bestehend erkannt, die Gegenforderung mindestens bis zur Höhe der Klagsforderung gleichfalls als zu Recht bestehend erklärt und daher das Klagebegehren, die Beklagten seien zur ungeteilten Hand schuldig, der Klägerin den Betrag von 26.708,29 S samt Anhang zu zahlen, abgewiesen.

Das Berufungsgericht hat mit Entscheidung vom 4. März 1985, 4 R 518/84-20, in teilweiser Stattgebung der Berufung der Klägerin

1.) mit Teilurteil die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig erkannt, den Klägern 26.708,29 S samt Anhang zu zahlen, 2.) das Ersturteil hinsichtlich der Entscheidung über die mit Aufrechnungseinrede geltend gemachte Gegenforderung der Beklagten gemäß § 496 Abs. 1 Z 2 ZPO aufgehoben und die Rechtssache im Umfang der Aufhebung zur Ergänzung der Verhandlung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Der Oberste Gerichtshof gab der gegen das Teilurteil des Berufungsgerichtes erhobenen Revision der Beklagten mit Urteil vom 10. September 1985, 5 Ob 570/85, nicht Folge. Auf die Entscheidungsgründe dieses Urteils wird zwecks Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.

Unbestritten ist, daß der Oberste Gerichtshof im Verfahren 7 Cg 568/83 des Landesgerichtes für ZRS Graz in Abänderung der Urteile der Vorinstanzen mit Urteil vom 10. Juni 1985, 1 Ob 588/85, das Klagebegehren, die hier klagende Partei sei schuldig, den hier beklagten Parteien den Betrag von 567.289 S samt Anhang zu zahlen, abgewiesen hat.

In der fortgesetzten Verhandlung über die Gegenforderung (§ 391 Abs. 3 Satz 2 ZPO) haben die Beklagten in der Verhandlungstagsatzung vom 28. Oktober 1985 (ohne Bezugnahme auf das Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 10. Juni 1985, 1 Ob 588/85, durch welches der Bestand der im vorliegenden Rechtsstreit einredeweise geltend gemachten Gegenforderung der Beklagten von 567.289 S samt Anhang endgültig verneint wurde) eine Aufrechnungseinrede erhoben, mit der sie aus dem zwischen den Streitteilen bestandenen Handelsvertretervertrag abgeleitete Provisionsforderungen von 269.005 S und 179.557,25 S, insgesamt also von 448.562,25 S, bis zur Höhe der Klagsforderung nun als "kompensable Gegenforderungen zum streitgegenständlichen Klagsanspruch" einwendeten. Im Verfahren bis zur Fällung des Teilurteils seien sie noch nicht in der Lage gewesen, diese Aufrechnungseinrede zu erheben.

Das Erstgericht hat nunmehr mit Endurteil die Klageforderung mit 26.708,29 S samt Anhang als zu Recht bestehend erkannt, "die Gegenforderung" mindestens bis zur Höhe der Klagsforderung gleichfalls als zu Recht bestehend erklärt und das Klagebegehren, die beklagten Parteien seien zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die Klagsforderung zu zahlen, daher (abermals) abgewiesen. Es traf folgende ergänzende Feststellungen:

Im Zeitraum 1. Oktober 1977 bis 31. Mai 1982 tätigten die Beklagten für die Klägerin unter anderem provisionspflichtige Geschäfte. Die Auftragssumme belief sich auf 59,393.378 S, die provisionspflichtige Summe auf 58,675.149 S. Vertraglich stand den Beklagten eine 25 %ige Provision zu, somit 14,668.787 S. Nach Abzug der die Beklagten treffenden Nachlässe von 3,264.115 S beträgt der Provisionsanspruch der Beklagten 11,404.672 S. Tatsächlich erhielten die Beklagten 11,135.667,-- S, sodaß den Beklagten nach wie vor ein Betrag von 269.005 S zusteht. Des weiteren tätigten die Beklagten für die Klägerin einen provisionspflichtigen Umsatz von 718.229 S und steht den Beklagten aus diesem Betrag ebenfalls eine 25 %ige Provision von 179.557,25 S zu.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß zwar nicht die aus der Vermittlung der Auslieferung des sogenannten "Baumat-Paketes" abgeleitete Provisionsforderung der Beklagten, wohl aber die aus der Tätigung provisionspflichtiger Geschäfte im Umfang von 58,675.149 S und 718.229 S abgeleitete 25 %ige Provisionsforderung der Beklagten zu Recht bestehe, wobei letztere Gegenforderung die Klagsforderung bei weitem übersteige. Das Berufungsgericht hat den Antrag der Klägerin auf Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung abgewiesen (Punkt I), aus Anlaß der Berufung der Klägerin das Endurteil des Erstgerichtes als nichtig aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Fällung des Endurteils an das Erstgericht zurückverwiesen (Punkt II/1), die von den Beklagten in der Verhandlungstagsatzung vom 28. Oktober 1985 erhobene Aufrechnungseinrede (mit der sie Forderungen von 269.005 S und 179.557,25 S bis zur Höhe der Klagsforderung als kompensable Gegenforderungen zum streitgegenständlichen Klagsanspruch" einwendeten) zurückgewiesen (Punkt II/2), ausgesprochen, daß die Parteien die Kosten ihrer im Rechtsmittelverfahren gegen das Endurteil erstatteten Schriftsätze selbst zu tragen haben (Punkt II/3) und das Verfahren in erster Instanz erst nach eingetretener Rechtskraft der Berufungsentscheidung fortzusetzen ist (Punkt II/4), sowie die Klägerin mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung verwiesen (Punkt III). Es führte aus:

Das Endurteil des Erstgerichtes sei in mehrfacher Hinsicht nichtig. Dies sei zwar von keiner der Parteien aufgegriffen worden, müsse aber von Amts wegen wahrgenommen werden.

Entgegen der im Endurteil des Erstgerichtes und in der Berufung der Klägerin zum Ausdruck gebrachten Rechtsmeinung sei in dem einem Teilurteil nach § 391 Abs. 3 ZPO folgenden Endurteil nicht mehr über das Zurechtbestehen der Klagsforderung und darüber abzusprechen, ob dem Klagebegehren stattgegeben oder ob es abgewiesen werde. Dies alles sei schon mit dem Teilurteil abschließend erledigt worden. Im Endurteil sei vielmehr - abgesehen von der Kostenentscheidung - zu entscheiden, ob die (vor der Erlassung des Teilurteils) geltend gemachte Gegenforderung zu Recht bestehe und dadurch die der Klägerin mit dem Teilurteil zuerkannte Klagsforderung (ganz oder zum Teil) durch Aufrechnung erloschen sei oder ob die - eben erwähnte - Gegenforderung nicht zu Recht bestehe (bzw. die Aufrechnungseinrede abgewiesen oder zurückgewiesen werde) und daher das erlassene Teilurteil als Endurteil anzusehen sei (zur Frage der Formulierung des Spruches eines solchen Endurteils siehe Fasching, Kommentar III 583 f und Fasching, Lehr- und Handbuch Rdz 1297; Melichar in JBl. 1946, 55 und Novak in JBl. 1951, 512 f). Mit dem Teilurteil des Berufungsgerichtes sei über das Klagebegehren rechtskräftig abgesprochen worden. Die im Endurteil des Erstgerichtes enthaltenen Aussprüche über das Zurechtbestehen der Klagsforderung und die Abweisung des Klagebegehrens widersprächen dem Grundsatz, daß über den Gegenstand einer rechtskräftig entschiedenen Streitsache nicht nochmals entschieden werden dürfe. Die mit dem Endurteil vorgenommene Abweisung des Klagebegehrens stehe der mit dem Teilurteil erfolgten Stattgebung des Klagebegehrens überdies diametral entgegen. Diese Nichtbeachtung der Rechtskraft eines Urteils - welche gemäß § 240 Abs. 3 ZPO jederzeit von Amts wegen zu berücksichtigen sei - stelle einen in § 477 ZPO nicht aufgezählten Nichtigkeitsgrund dar (vgl. MGA ZPO 13 § 477 Abs. 1 Z 1 bis 9 Entscheidungen unter Nr. 1 lit. b; Fasching, Lehr- und Handbuch Rdz 1757; Fucik in RZ 1984, 57), der die Aufhebung des Endurteils als nichtig nach sich ziehen müsse. Da der Ausspruch über den Bestand der Klagsforderung für sich allein gesehen nicht der Rechtskraft fähig sei (RZ 1982/42), sei er ungeachtet dessen, daß er von der Anfechtungserklärung der Berufung der Klägerin nicht erfaßt worden sei, mit aufzuheben. Das Endurteil des Erstgerichtes sei auch mit dem Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs. 1 Z 9 ZPO behaftet, weil es mit sich selbst im Widerspruch sei. Im Widerspruch zueinander stünden der Tenor und die Entscheidungsgründe des Endurteils bezüglich der Gegenforderung, weil es im Spruch heiße, daß die Gegenforderung mindestens bis zur Höhe der Klagsforderung zu Recht bestehe, aus den Entscheidungsgründen aber zu entnehmen sei, daß das Erstgericht den Bestand der (vor dem Teilurteil einredeweise geltend gemachten) Gegenforderung von 567.289 S samt Anhang verneine (was materiell der Entscheidung 1 Ob 588/85 entspreche). Aus den - diesbezüglich kursorischen - Entscheidungsgründen sei (gerade noch) zu erkennen, daß das Erstgericht eine andere (nach dem Teilurteil einredeweise geltend gemachte) Gegenforderung der Beklagten (welche es bei der Wiedergabe des Parteivorbringens und der Parteianträge im Endurteil nicht einmal erwähne) als bis zur Höhe der Klagsforderung zu Recht bestehend festgestellt habe. Der Nichtigkeitsgrund nach § 477 Abs. 1 Z 9 ZPO führe zu denselben Konsequenzen wie die Nichtbeachtung der Rechtskraft.

Einen besonders folgenschweren Verstoß stelle weiters die mit dem Endurteil vorgenommene meritorische Entscheidung über die von den Beklagten nach dem Teilurteil erhobene Aufrechnungseinrede dar:

Gemäß § 391 Abs. 3 ZPO habe das Gericht, wenn der Beklagte mittels Einrede eine - nicht konnexe - Gegenforderung geltend gemacht habe und über den allein spruchreif gewordenen Klagsanspruch mit Teilurteil erkannt worden sei, die Verhandlung über die - noch nicht spruchreife - Gegenforderung ohne Unterbrechung fortzusetzen. Nach dem Wortlaut der zitierten Bestimmung sei die Gegenforderung eindeutig (nur) jene, die der Beklagte durch seine Einrede vor dem Teilurteil geltend gemacht habe. Durch das Teilurteil entstehe lediglich eine Streitaufspaltung, aber keine (Berechtigung zu einer) Prozeßausweitung. In der nach dem Teilurteil fortgesetzten Verhandlung dürfe daher nur über das bisher unerledigte Aufrechnungsbegehren des Beklagten verhandelt und entschieden werden (siehe dazu Novak in JBl. 1951, 513 f). Daraus folge zwingend, daß eine beklagte Partei in der nach dem Teilurteil fortgesetzten Verhandlung keinen Rechtsschutzanspruch (keinen Justizgewährungsanspruch) darauf habe, daß das Gericht eine andere als die vor dem Teilurteil einredeweise geltend gemachte Gegenforderung auf ihre Aufrechenbarkeit mit dem Klagsanspruch hin prüfe und darüber entscheide. Eine von den Beklagten in diesem Verfahrensabschnitt erhobene Aufrechnungseinrede, mit der versucht werde, neue (weitere) Gegenforderungen zum Zweck ihrer Aufrechnung mit der Klagsforderung in das Verfahren einzuführen, sei somit unzulässig. Da prozessual unzulässige Aufrechnungseinreden vom Gericht zurückzuweisen seien (siehe Fasching, Lehr- und Handbuch, Rdz 1293), hätte das Erstgericht die von den Beklagten nach der Erlassung des Teilurteils erhobene (weitere) Aufrechnungseinrede zurückzuweisen gehabt. Dadurch, daß es statt dessen im Endurteil über die Aufrechenbarkeit dieser unzulässigerweise zum Verfahrensgegenstand gemachten Gegenforderungen mit dem Klagsanspruch (also meritorisch) entschieden habe, habe es gegen die Prozeßordnung verstoßen. Damit sei nicht etwa gegen eine bloße Ordnungsvorschrift des Verfahrensrechtes, sondern insbesondere gegen den fundamentalen Rechtsgrundsatz verstoßen worden, daß einer Partei nicht etwas zugesprochen werden dürfe, worauf sie nach dem Gesetz überhaupt keinen Anspruch habe. Die Rechtsfolgen eines solchen Verstoßes eines Zivilgerichtes seien im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Einen Anhaltspunkt zur Lösung dieser Frage biete die Entscheidung EvBl. 1940/177, wonach das Verfahren über verspätet angebrachte Einwendungen gegen die Prozeßordnung verstoße und mangels gesetzlicher Grundlage als nichtig zu beheben sei. Da der Gesetzgeber die Rechtsfolgen bei verspäteten Rechtsmitteln gleich geregelt habe wie bei unzulässigen Rechtsmitteln (vgl. § 471 Z 2, § 474 Abs. 2, § 507 Abs. 1, §§ 523 und 526 Abs. 2 ZPO), scheine es angebracht, jene Rechtsfolge, welche eintrete, wenn ein Anspruch vom Gericht berücksichtigt worden sei, der (wegen verspäteter Geltendmachung) nicht mehr bestehe, auch dort eintreten zu lassen, wo ein "Anspruch" vom Gericht berücksichtigt worden sei, der (in diesem Verfahren) überhaupt nie bestanden habe. In der meritorischen Entscheidung über eine prozessual unzulässige Aufrechnungseinrede liege daher ein Verstoß gegen die Prozeßordnung, der bei systemkonformer Interpretation als ein im § 477 ZPO nicht aufgezeigter Nichtigkeitsgrund anzusehen sei. Die Beseitigung einer solchen Entscheidung erscheine auch im Interesse einer geordneten Rechtspflege dringend geboten.

Da das Endurteil des Erstgerichtes somit in mehrfacher Hinsicht nichtig sei, die Prozeßparteien (insbesondere die Berufungswerberin) die vorliegenden Nichtigkeitsgründe aber nicht geltend gemacht hätten, sei dieses Urteil aus Anlaß der Berufung als nichtig aufzuheben und die Sache an das Prozeßgericht erster Instanz zur neuerlichen Fällung des Endurteils zurückzuverweisen gewesen. Bei der neuerlichen Urteilsfällung werde das Erstgericht auch über die bisherigen Verfahrenskosten (mit Ausnahme jener des hiemit endgültig erledigten zweiten Berufungsverfahrens) neu zu entscheiden haben. Da die Aufrechnungseinrede der Beklagten vom 28. Oktober 1985 unzulässig und daher keiner meritorischen Erledigung zuzuführen sei, sei sie vom Berufungsgericht zurückgewiesen worden. Durch die (mehrfach zitierte) Entscheidung 1 Ob 588/85 sei (für das vorliegende Verfahren richtungsweisend) klargestellt worden, daß die von den Beklagten vor dem Teilurteil erhobene Gegenforderung von 567.289 S samt Anhang nicht zur Aufrechnung mit dem Klagsanspruch verwendet werden könne. Die (vom Erstgericht praktisch bejahte, vom Berufungsgericht jedoch verneinte) Frage, ob die von den Beklagten nach dem Teilurteil erhobenen weiteren Gegenforderungen zu einer Aufrechnung mit dem Klagsanspruch verwendet werden dürften, sei damit zum zentralen Thema des Prozesses geworden. Welche Konsequenzen eine Nichtbeachtung der Vorschrift des § 391 Abs. 3 ZPO durch ein Zivilgericht nach sich ziehe, sei - wie schon erwähnt - im Gesetz nicht geregelt. Es liege darüber keine veröffentlichte Rechtsprechung vor und auch die Lehre habe sich - soweit überschaubar - dieses Problems noch nicht angenommen. Da die Entscheidung des Berufungsgerichtes und das weitere Verfahren (auch) von der Lösung dieser Frage des Verfahrensrechtes, der über das konkrete Verfahren hinaus zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit und Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukomme, abhingen, sei ein Rechtskraftvorbehalt ausgesprochen worden. Gegen die Punkte II/1 bis 3 des berufungsgerichtlichen Beschlusses richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Antrag, das erstgerichtliche Endurteil wiederherzustellen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin hat sich am Rekursverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig und im Ergebnis teilweise berechtigt. Die Zulässigkeit des Rekurses gegen Punkt II/1 des berufungsgerichtlichen Beschlusses ergibt sich aus dem vom Berufungsgericht wegen der Erheblichkeit der zu lösenden verfahrensrechtlichen Fragen beigesetzten Rechtskraftvorbehalt (vgl. Fasching, Lehr- und Handbuch Rdz 1983), die Zulässigkeit des Rekurses gegen Punkt II/2 des berufungsgerichtlichen Beschlusses aus dem wegen der damit verbundenen endgültigen Verweigerung des Rechtsschutzes analog anzuwendenden § 519 Abs. 1 Z 2 ZPO (vgl. Fasching, Lehr- und Handbuch Rdz 1981; Fasching, Kommentar IV 410 f.). Meritorisch ist zu dem Rekurs wie folgt Stellung zu nehmen:

Der Schwerpunkt des Rekurses liegt in dessen Ausführungen, die sich gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes richten, es sei unzulässig, in dem im § 391 Abs. 3 Satz 2 ZPO bezeichneten Verfahrensabschnitt neue (weitere) Gegenforderungen zum Zwecke ihrer Aufrechnung mit der Klagsforderung in das Verfahren einzuführen. Sie werden daher zuerst behandelt.

Hat der Beklagte mittels Einrede eine Gegenforderung geltend gemacht, welche mit der in der Klage geltend gemachten Forderung nicht im rechtlichen Zusammenhang steht, so kann gemäß § 391 Abs. 3 Satz 1 ZPO, wenn nur die Verhandlung über den Klagsanspruch zur Entscheidung reif ist, über denselben durch Teilurteil erkannt werden. In einem solchen Fall ist die Verhandlung über die Gegenforderung gemäß § 391 Abs. 3 Satz 2 ZPO ohne Unterbrechung fortzusetzen. Daraus ergibt sich, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, daß Gegenstand der nach der zweitgenannten Vorschrift fortzusetzenden Verhandlung (und des Endurteils) lediglich das bisher unerledigte, auf die vor Fällung des Teilurteils über die Klagsforderung aufrechnungsweise eingewendete Gegenforderung gestützte Aufrechnungsbegehren des Beklagten und die Folgen der Entscheidung über das Aufrechnungsbegehren für das Teilurteil und die Verfahrenskosten sind. N*** hat zutreffend hervorgehoben (JBl. 1951, 513), daß die Fällung eines Teilurteils nach § 391 Abs. 3 Satz 1 ZPO den Prozeß zwar spaltet, nicht aber ausweitet. Auch Fasching (Kommentar III 584) betont, daß das Verfahren nach einem über die Hauptforderung gemäß § 391 Abs. 3 Satz 1 ZPO gefällten Teilurteil eine Anomalie im Rahmen des Zivilprozesses darstellt, weil hier der Hauptsachantrag bereits erledigt und lediglich ein Eventualabwehrantrag des Beklagten zum ausschließlichen Gegenstand eines selbständigen Verfahrens wird, wobei für die Entscheidung auch über die Gegenforderung der Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung über die mit Teilurteil vorweg entschiedene Klagsforderung maßgeblich ist (vgl. auch Fasching, Lehr- und Handbuch Rdz 1297 mit Hinweis auf SZ 50/134, wonach in dem den Bestand der Gegenforderung bejahenden Urteil auszusprechen ist, daß und in welchem Umfang die mit Teilurteil zugesprochene Klagsforderung durch Aufrechnung bereits getilgt war). Im übrigen können die Parteien schon nach der allgemeinen Vorschrift des § 179 Abs. 1 Satz 1 ZPO bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung nur neue auf den Gegenstand dieser Verhandlung bezügliche tatsächliche Behauptungen und Beweismittel vorbringen. Im gegenständlichen Fall kommt hinzu, daß das Berufungsgericht das zuerst gefällte Urteil des Erstgerichtes hinsichtlich der Entscheidung über die mit Aufrechnungseinrede geltend gemachte Gegenforderung aus der Vermittlung der Auslieferung des sogenannten "Baumat-Paketes" gemäß § 496 Abs. 1 Z 2 ZPO aufgehoben hat, sodaß überdies § 496 Abs. 2 ZPO Platz greift, der neue Sachanträge im fortgesetzten Verfahren überhaupt ausschließt (Fasching, Kommentar IV 213). Sollte es zutreffen, daß die Beklagten die aus dem zwischen den Streitteilen bestandenen Handelsvertretervertrag abgeleitete Gegenforderung von zusammen 448.562,25 S nicht bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung vor Fällung des ersten Urteils des Erstgerichtes aufrechnungsweise geltend machen konnten, steht es ihnen frei, die Aufrechnungseinrede mittels Oppositionsklage gegen das Teilurteil, wenn zu dessen Gunsten Exekution bewilligt wurde, nachzuholen (vgl. dazu Fasching, Lehr- und Handbuch Rdz 1297 und Heller-Berger-Stix 384 ff; wie SZ 26/245 nunmehr ständige Rechtsprechung, zuletzt etwa EvBl. 1973/8, 3 Ob 3/82).

Dem Berufungsgericht ist auch darin beizupflichten, daß prozessual unzulässige Aufrechnungseinreden zurückzuweisen sind (Fasching, Lehr- und Handbuch Rdz 1293).

Der Auffassung des Berufungsgerichtes jedoch, daß die sachliche Behandlung der nach Fällung des Teilurteils über die Gegenforderung im zweiten Rechtsgang neu eingewendeten Gegenforderung Nichtigkeit bewirke, ist nicht beizutreten. Die Nichtigkeitsgründe sind zwar nach herrschender Auffassung im § 477 ZPO nicht erschöpfend aufgezählt (JBl. 1983, 266; SZ 21/37; SZ 20/266 ua; Fasching, Zivilprozeßrecht Rz 1757; Holzhammer, Österreichisches Zivilprozeßrecht 2 , 324). Handelt es sich aber nicht um Verfahrensverstöße, die in der Zivilprozeßordnung an anderer Stelle geregelt und mit den gleichen Sanktionen wie nach § 477 ZPO versehen sind (z.B. Streitanhängigkeit und Rechtskraft), müssen solche schwerwiegende Verfahrensmängel den Gründen des § 477 ZPO an Bedeutung mindestens gleichkommen, sodaß die Nichtanordnung der im § 477 ZPO sonst vorgesehenen Sanktion als planwidrige Regelungslücke zu beurteilen wäre (Fasching aaO). Seit dem Spruch 50 neu ist es ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, daß ein Verstoß gegen die Bestimmung des § 405 ZPO keine Nichtigkeit bewirkt, ein solcher Verstoß daher ohne Parteienrüge von Amts wegen nicht aufzugreifen ist (zuletzt ÖBl. 1986, 18; ZVR 1985/24; ZVR 1983/42; ZVR 1983/30 uva; aM Fasching aaO Rz 1453 mwN). Die sachliche Behandlung einer unzulässigen Aufrechnungseinrede kann nicht schwerer wiegen als die Sachentscheidung über ein überhaupt nicht gestelltes Begehren. Eine von Amts wegen wahrzunehmende Nichtigkeit liegt in einem solchen Fall dann aber nicht vor. Der im erstgerichtlichen Endurteil enthaltene Ausspruch, die Gegenforderung bestehe mindestens bis zur Höhe der Klageforderung zu Recht, ist auch nicht im Sinne des § 477 Abs. 1 Z 9 ZPO nichtig, wonach u.a. ein Widerspruch im Urteilsspruch selbst bestehen müßte. Welche Konsequenz eine nicht als nichtig zu behandelnde neue Aufrechnungseinrede auf das zu fällende Endurteil hat, bedarf hier keiner weiteren Erörterung, da die Berufungsausführungen der klagenden Partei ohnehin dahin verstanden werden können, daß sie die sachliche Behandlung der Aufrechnungseinrede als Verfahrensmangel rügten. Die Behandlung der Mängelrüge wäre zwar nicht im berufungsgerichtlichen Vorverfahren, sondern nur nach Durchführung der beantragten mündlichen Berufungsverhandlung zulässig gewesen. Der Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung wurde aber vom Berufungsgericht unbekämpft abgewiesen. Daß eine mündliche Berufungsverhandlung nicht durchgeführt wurde, ist daher im derzeitigen Verfahrensstadium nicht mehr wahrzunehmen. Soweit sich der Rekurs gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes wendet, das erstgerichtliche Endurteil sei in Ansehung der Aussprüche, die Klagsforderung bestehe mit 26.708,29 S samt Anhang zu Recht und das Klagebegehren, die Beklagten seien zur ungeteilten Hand schuldig, der Klägerin den vorgenannten Betrag zu zahlen, werde abgewiesen, wegen Verstoßes gegen die Rechtskraft des Teilurteils nichtig, ist auszuführen:

Der Oberste Gerichtshof hat bereits in seinem Urteil vom 10. September 1985, 5 Ob 570/85, unter Hinweis auf die einschlägige Lehre und Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht, daß im Falle eines nach § 391 Abs. 3 ZPO zulässigen Teilurteils nicht nur ein die Klagsforderung feststellendes Urteil, sondern ein Leistungsurteil zu ergehen hat. Auch ein derartiges Leistungsurteil ist gemäß § 392 Abs. 1 ZPO in Betreff der Rechtsmittel und der Exekution als ein selbständiges Urteil zu betrachten, das als solches in Rechtskraft erwächst. Das Endurteil hat je nach dem, ob der Bestand der bis zur Höhe der Klagsforderung aufrechnungsweise eingewendeten Gegenforderung bejaht wird oder nicht, entweder dahin, daß die Gegenforderung bis zur Höhe der Klagsforderung nicht zu Recht besteht, oder dahin zu lauten, daß die Gegenforderung bis zur Höhe der Klagsforderung zu Recht besteht und daher die mit Teilurteil zugesprochene Klagsforderung durch Aufrechnung erloschen ist. Auch das die Gegenforderung bejahende Endurteil greift durch die Feststellung des Erlöschens der Klagsforderung nicht in die Rechtskraft des Teilurteils ein, weil die prozessuale Feststellung der Aufrechnung ein nach dem Schluß der mündlichen Verhandlung über das Teilurteil liegender Tatbestand ist, der von der Rechtskraft des Teilurteils nicht mitumfaßt ist (Fasching, Lehr- und Handbuch Rdz 1293 und 1297). Dadurch, daß sich das Erstgericht nicht an die vorerwähnten Grundsätze hielt, sondern in seinem Endurteil (neuerlich) aussprach, die Klagsforderung bestehe zu Recht, und das Klagebegehren abwies, hat es aber - wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat - sehr wohl gegen die Rechtskraft des Teilurteils verstoßen, das den Bestand der Klagsforderung bejahte und der Klage stattgab.

Zusammenfassend ergibt sich somit, daß eine von den Beklagten wirksam eingewendete Gegenforderung nicht mehr vorliegt - die ursprünglich eingewendete Gegenforderung von 567.289 S wurde nach rechtskräftiger Abweisung in dem von den Beklagten angestrengten Leistungsprozeß fallen gelassen - und über das von der Klägerin gestellte Begehren bereits rechtskräftig in ihrem Sinne entschieden worden ist. Das führt zur ersatzlosen Aufhebung der Entscheidung erster Instanz und zum klarstellenden Ausspruch, daß das rechtskräftige Teilurteil als Endurteil zu gelten hat. Es war daher dem Rekurs teilweise Folge zu geben und spruchgemäß zu beschließen.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten erster und zweiter Instanz beruht auf §§ 41 und 50 ZPO, der Ausspruch, daß die Beklagten die Kosten ihres Rekurses selbst zu tragen haben, auf §§ 40, 50 ZPO.

Anmerkung

E09032

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0050OB00535.86.0624.000

Dokumentnummer

JJT_19860624_OGH0002_0050OB00535_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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