TE OGH 1986/6/25 1Ob550/86

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Veröffentlicht am 25.06.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ottokar Z***, Hauseigentümer, Wien 2., Nordbahnstraße 30, vertreten durch Dr. Gerhard Rieger, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei P*** G*** MBH, Wien 2., Ausstellungsstraße 5, vertreten durch Dr. Helmut Michlmayr, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 23. Oktober 1985, GZ 41 R 946/85-12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 20. Mai 1985, GZ 41 C 520/83-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei, die mit S 3.517,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 308,85 Umsatzsteuer und S 120,- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Maria F*** war seit Juli 1972 Mieterin der im Hause Wien 2., Ausstellungsstraße 5, gelegenen Geschäftsräumlichkeit Nr. 2, in der sie ein Kaffeehaus betrieb. Aus familiären Gründen sperrte sie das Lokal im September 1980. Im April 1981 verkaufte und übergab sie das Unternehmen an die F*** G*** MBH, von der sie einen Geschäftsanteil von 1 % hielt. Diese Gesellschaft führte bis Oktober 1982 das Kaffeehaus selbst. Im Oktober 1982 verpachtete die Gesellschaft das Unternehmen an Anton P***. Am 23.3.1983 wurde der zwischen Maria F*** und der F*** G*** MBH über das Unternehmen abgeschlossene Kaufvertrag wegen Nichtbezahlung des Kaufpreises einvernehmlich aufgelöst, das Pachtverhältnis zwischen der F*** GESMBH und Anton P*** beendet und das Unternehmen von Maria F*** an Anton P*** um S 300.000,- verkauft. In der Folge veräußerte Anton P*** das Unternehmen an die beklagte Partei. Der von Anton P*** bezahlte Preis von S 300.000,- entsprach etwa dem Ertrags- bzw. Verkehrswert des Kaffeehauses.

Der Kläger begehrt die Feststellung, die beklagte Partei sei nicht Hauptmieterin des Bestandobjektes Nr. 2. Durch den Verkauf des von Maria F*** betriebenen Unternehmens an die F*** GESMBH im Jahre 1981 sei ein gespaltenes Mietverhältnis entstanden. Maria F*** habe Ende 1981 den Gewerbeschein zurückgelegt und das Kaffeehaus seither nicht mehr selbst betrieben. Im März 1983 habe Maria F*** zwar den Kaufvertrag mit der F*** GESMBH rückgängig gemacht, das Unternehmen habe jedoch unverändert Anton P*** betrieben. Maria F*** habe an Anton P*** lediglich die Mietrechte, jedoch nicht ein von ihr betriebenes Unternehmen verkauft. Der Kaufpreis von S 300.000,- stehe in einem krassen Mißverhältnis zum Wert des von Anton P*** übernommenen Inventars, es habe sich daher bei diesem Betrag um das Entgelt für den Erwerb der Bestandrechte gehandelt. Die beklagte Partei wendete ein, der Kaffeehausbetrieb sei ohne Unterbrechung in den von Maria F*** gemieteten Geschäftsräumlichkeiten geführt worden. Das Unternehmen selbst sei Gegenstand des zwischen Maria F*** und Anton P*** abgeschlossenen Kaufvertrages gewesen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Durch die vor Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes erfolgte erste Unternehmensveräußerung im April 1981 sei ein gespaltenes Mietverhältnis entstanden. Infolge einvernehmlicher Aufhebung dieses Kaufvertrages am 23.3.1983 seien Maria F*** aber wieder alle Rechte aus dem Mietvertrag zugestanden. Sie sei daher im März 1983 Mieterin der Bestandräumlichkeiten und Eigentümerin des Unternehmens gewesen, das Unternehmen selbst habe sie aber schon seit September 1980 nicht mehr betrieben, sodaß schon nach dem Wortlaut des § 12 Abs 3 MRG Mietrechte nicht an Anton P*** übergegangen sein konnten. Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge; es änderte das Urteil des Erstgerichtes im Sinne der Abweisung des gestellten Begehrens ab. Es sprach aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-

übersteige. Unbeachtlich sei, daß das Inventar zum Zeitpunkt der Rückabwicklung des Unternehmenskaufvertrages im März 1983 im Eigentum des Unternehmenserwerbers gestanden sei, der bis dahin das Unternehmen als Pächter des bisherigen Unternehmenseigentümers der F*** G*** MBH geführt habe. Um von einem lebenden

Unternehmen sprechen zu können, müßten nicht unbedingt sämtliche für ein solches in Betracht kommenden Unternehmensteile wie Betriebsmittel, Inventar, Standort, Kundenkreis, Warenlager usw. gegeben sein. Das Fehlen des Inventars oder des Warenlagers, das Fehlen einer Gewerbeberechtigung oder die Verlegung des Gewerbebetriebes nach der erstmaligen Veräußerung vom 17.12.1981 seien daher allein nicht entscheidend. Auch die Sperre des Betriebes vom September 1980 bis zur Weiterführung durch die F*** GESMBH im April 1981 bedeute nicht eine dauernde Stillegung des Betriebes, die nur zu dem Zwecke erfolgt wäre, um einen Käufer zu sachen. Nach den Umständen des Falles könne bei einem Kaffeehausbetrieb bei einer so kurzen Sperre im Zusammenhang mit der Veräußerung nicht davon gesprochen werden, daß das wesentliche Element einer selbständig organisierten Erwerbsgelegenheit, der good will, durch die Sperre gänzlich verlorengegangen sei. Es läge daher eine dauernde Stillegung nicht vor. Da Maria F*** durch die Rückabwicklung des Unternehmenskaufvertrages und Beendigung des Pachtvertrages wieder verfügungsberechtigte Eigentümerin des bisher durch die F*** G*** geführten identen Unternehmens geworden und das bis dahin bestandene gespaltene Mietverhältnis beendet worden sei, sei zu diesem Zeitpunkt und in dem der neuerlichen Veräußerung an Anton P*** dem Kaufvertrag ein Unternehmen zugrundegelegen und nicht nur die Mietrechte Gegenstand der Veräußerung gewesen. Daß in der Zwischenzeit das Unternehmen nicht von Maria F***, sondern von der F*** GESMBH betrieben worden sei und diese das Unternehmen wieder durch den Pächter geführt habe, verhindere nicht die Rechtsfolgen des § 12 Abs 3 MRG, da es nicht darauf ankomme, daß zur Zeit der Veräußerung oder vorher das Unternehmen vom Mieter selbst betrieben werde, sondern lediglich daß das in den Bestandräumen von wem auch immer betriebene lebende Unternehmen zum Zeitpunkt der Veräußerung im Eigentum des verfügungsberechtigten Mieters gestanden sei. Anton P*** sei daher nach § 12 Abs 3 MRG Mieter des Geschäftslokales geworden. Damit seien aber auch die Voraussetzungen gegeben gewesen, daß Anton P*** das Unternehmen an die beklagte Partei weiterverkaufen habe können und damit neuerlich die Rechtsfolgen des § 12 Abs 3 MRG eingetreten seien.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der klagenden Partei ist nicht berechtigt. Es ist nicht strittig, daß auf den vom Kläger mit Maria F*** abgeschlossenen Bestandvertrag gemäß § 43 Abs 1 MRG die Bestimmungen des I. Hauptstückes dieses Gesetzes Anwendung zu finden haben. Nach ständiger Rechtsprechung gilt die Regelung des § 12 Abs 3 MRG auch für Altverträge, die vor dem Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes abgeschlossen wurden, sofern die Unternehmensveräußerung nach dem Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes erfolgte (MietSlg. 36.279/12, 35.303/14 und 23, Würth-Zingher, MRG 2 Anm. 4 zu § 12; Zingher in ÖJZ 1982, 118).

§ 12 Abs 3 MRG normiert einen bei Vorliegen der darin genannten Voraussetzungen ex lege eintretenden Vertragsübergang, der grundsätzlich die gesamte Vertragsstellung mit allen Nebenrechten und Nebenpflichten umfaßt (MietSlg. 36.279/12; Würth in Rummel, ABGB, Rdz 7 zu § 12 MRG; Frotz-Hügel, ÖStZ 1982, 143 f; Zingher aaO 113, 116).

Der Revisionswerber vertritt die Ansicht, die Veräußerung eines lebenden Unternehmens genüge für einen Mietrechtsübergang nach § 12 Abs 3 MRG allein noch nicht, dieses Unternehmen müsse auch vom Bestandnehmer selbst betrieben worden sein. Da der Rückerwerb des Unternehmens durch Maria F*** von der F*** GESMBH und die Weiterveräußerung an Anton P*** am selben Tag erfolgt seien, bliebe kein Raum für den Betrieb des Unternehmens durch Maria F***. Es entsprach ständiger Rechtsprechung, daß die Verpachtung und Veräußerung eines in den Bestandräumlichkeiten betriebenen Unternehmens den Kündigungsgrund nach § 19 Abs 2 Z 10 MG nicht herstellen konnte (MietSlg. 33.362, 33.363 uva). Die im § 12 Abs 3 MRG verwendeten Begriffe Unternehmen und Geschäftsräumlichkeiten sind im Sinne der zum Mietengesetz ergangenen Rechtsprechung auszulegen (Fenyves in Handbuch zum MRG 320; Zingher aaO 114). Für den Fall einer Unternehmensveräußerung nach § 19 Abs 2 Z 10 MG wurde immer nur verlangt, daß ein lebendes Unternehmen einschließlich der Bestandrechte veräußert werde (MietSlg. 33.363). Für einen Mietrechtsübergang nach § 12 Abs 3 MRG ist es dann aber ausreichend, daß der Eigentümer sein lebendes Unternehmen unter Wahrung der Unternehmensidentität veräußert (Fenyves aaO 321; Zingher aaO 114). Im vorliegenden Fall wurde wegen Nichtzahlung des Kaufpreises der zwischen Maria F*** und der F*** GESMBH abgeschlossene Kaufvertrag vom April 1980 einvernehmlich am 23. März 1983 aufgelöst. Damit fand das gespaltene Mietverhältnis sein Ende. Maria F*** standen dann nicht nur alle Rechte und Pflichten aus dem mit dem Kläger abgeschlossenen Hauptmietvertrag zu (vgl. Würth in Rummel, ABGB, Rdz 7 zu § 12 MRG), sie war auch wieder Eigentümerin des in den Bestandräumlichkeiten betriebenen Kaffeehausunternehmens geworden. Dieses Unternehmen war bis zum Zeitpunkt des Auflösungsvertrages von Anton P*** als Pächter der F*** GESMBH betrieben worden. Es handelte sich also nach wie vor um ein lebendes Unternehmen als organisierte Erwerbsgelegenheit, zu dem bei einem Kaffeehaus gerade auch wesentlich die Geschäftslage und der Kundenstock als good will gehören. Gewiß verlangt § 12 Abs 3 MRG, daß das veräußerte Unternehmen vom Hauptmieter im Mietgegenstand betrieben wurde. Das geschah von Maria F*** auch vor der Veräußerung des Unternehmens an die F*** G*** M.B.H. Wenn dieser Kaufvertrag wegen Nichtzahlung des Kaufpreises wieder aufgelöst werden mußte, kann es nicht darauf ankommen, daß Maria F*** sodann das (veräußert gewesene) Unternehmen nicht mehr führte, sondern allein darauf, daß dies vor Abschluß des sodann fehlgeschlagenen Kaufvertrages der Fall gewesen war und Maria F*** nunmehr wieder zum Betrieb des Unternehmens berechtigt war. Sie mußte also nach der Auflösung des Kaufvertrages mit der F*** GESMBH nicht wieder selbst führen, um es mit den Rechtsfolgen des § 12 Abs 3 MRG veräußern zu können. Der Schutzgedanke des Gesetzes, lebende Unternehmen zu erhalten und dem Unternehmensinhaber auch die Mietrechte zu verschaffen, muß auch in einem solchen Fall voll zum Tragen kommen. Wesentlich ist nur, daß das vom Erwerber betriebene Unternehmen mit dem des Veräußerers identisch ist (Schauer in JBl 1985, 259). Soweit in der Revision ausgeführt wird, daß der mit Anton P*** vereinbarte Kaufpreis von S 300.000,- ausschließlich auf die Mietrechte entfalle, geht die Revision nicht von den Feststellungen der Vorinstanzen aus, daß der Ertrags- bzw. Verkehrswert des Unternehmens etwa S 300.000,- betragen habe. Die gerügte Mangelhaftigkeit liegt, wie der Oberste Gerichtshof prüfte, nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Sind aber die Mietrechte gemäß § 12 Abs 3 MRG von Maria F*** an Anton P*** und von diesem an die beklagte Partei übergegangen, ist der Revision der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E08354

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0010OB00550.86.0625.000

Dokumentnummer

JJT_19860625_OGH0002_0010OB00550_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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