TE OGH 1986/6/25 1Ob567/86

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.06.1986
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei U*** Baumaterialien Gesellschaft mbH, Wien 3., Rennweg 12, vertreten durch Dr. Alfred Strommer, Dr. Johannes Reich-Rohrwig, Dr. Georg Karasek, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Rosa P***, Geschäftsfrau, Wien 21., Schöpfleuthnergasse 25, vertreten durch Dr. Karl Zingher, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 16. Jänner 1986, GZ 41 R 18/86-9, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 15. Oktober 1985, GZ 6 C 2527/85-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte ist Mieterin der gesamten Liegenschaft EZ 437 KG Floridsdorf, Grundstück 265/1 Baufläche, mit ebenerdigem Werkstättengebäude samt Klosettanlagen und einem Lagerschuppen. Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 9.5.1983, MA 64-I 6/82, bestätigt mit Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung vom 26.4.1984, MDR-W 105/83, wurde gemäß § 30 Abs 2 Z 15 MRG über Antrag der klagenden Partei festgestellt, daß der Neubau einer mehrgeschoßigen Großgarage auf der Liegenschaft EZ 437 KG Floridsdorf im öffentlichen Interesse gelegen ist. Mit Erkenntnis

des Verwaltungsgerichtshofes vom 26.9.1984, Zl. 84/01/0160, 0161 =

MietSlg.36.447/1 = VwSlg.11.537/A, wurde eine dagegen gerichtete

Beschwerde der Beklagten als unbegründet abgewiesen. Die klagende Partei kündigte der Beklagten zum 31.1.1986 das Bestandobjekt gemäß § 30 Abs 2 Z 15 MRG auf. Gemäß § 32 Abs 1 MRG behielt sich die klagende Partei vor, das Ersatzobjekt erst im Zuge des Verfahrens anzubieten.

Die Beklagte wendete nur ein, unter den im § 30 Abs 2 Z 15 MRG verwendeten Begriff "Miethaus" fielen nur Häuser, deren einzelne Wohnungen oder Geschäftsräume vermietet seien, während ein einzelnes, nur Geschäftszwecken dienendes Gebäude nicht als Miethaus angesehen werden könne.

Das Erstgericht erkannte mit Zwischenurteil die Aufkündigung vorbehaltlich der Ersatzbeschaffung für rechtswirksam. Der Begriff "Miethaus" im Sinne des § 30 Abs 2 Z 15 MRG beziehe sich nicht nur auf mehrere Mietwohnungen umfassende Baulichkeiten, sondern stelle ganz allgemein nur auf das Vorliegen eines in Bestand genommenen Gebäudes ohne Rücksicht auf seinen Verwendungszweck ab. Dies entspreche auch der Bedeutung des Wortes Miethaus, wie sie im § 30 Abs 3 MRG Verwendung finde. Auch dort sei in Abänderung des bisher im Mietengesetz verwendeten Wortes Haus dieser Begriff zB auch für Eigentumswohnungen angewendet worden; daraus sei zu schließen, daß der Begriff Miethaus nicht nur auf ein Zinshaus mit mehreren Mietobjekten Anwendung finden könne.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000 übersteige. Der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 15 MRG habe gegenüber der früheren Bestimmung des § 19 Abs 2 Z 4 a MG, abgesehen von der Aufgliederung der Wohnungsnot in einen quantitativen Wohnungsbedarf und in einen qualitativen Wohnfehlbestand, nur durch die ausdrücklich im Gesetz vorgenommene Gleichstellung des Umbaues mit dem Abbruch eine Änderung erfahren. So wie der Begriff "Miethaus" durch die Mietengesetznovelle 1974 in das Mietengesetz eingeführt worden sei, sei er in das Mietrechtsgesetz übernommen worden. Schon aufgrund der wörtlichen Interpretation des Ausdruckes könne ganz allgemein gefolgert werden, daß es sich hiebei um zumindest ein ein Bestandobjekt beinhaltendes Gebäude handeln müsse. Auch sonst biete das Gesetz keinen Anhaltspunkt dafür, daß sich die aus § 30 Abs 2 Z 15 MRG ergebende Kündigungsbeschränkung nur auf mehrere Mietwohnungen umfassende Baulichkeiten und nicht auch auf zur Gänze vermietete Betriebsgebäude beziehen solle.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten, in der die Ansicht vertreten wird, der Begriff "Miethaus" im § 30 Abs 2 Z 15 MRG sei synonym mit dem im österreichischen Sprachgebrauch üblichen Begriff "Zinshaus", worunter üblicherweise ausschließlich mehrere Wohnungen aufweisende größere Objekte verstanden würden, bei denen schon bei Errichtung die Vermietung der Räume den Zweck der Bauführung gebildet haben müßte, ist nicht berechtigt.

Der Gesetzgeber verwendete den Begriff "Miethaus", soweit ersichtlich, erstmals im Bundesgesetz über die Ändereng mietrechtlicher Vorschriften und über Mietzinsbeihilfen, BGBl.1974/409. Die bisherige Bestimmung des § 19 Abs 2 Z 4 a MG,

wonach ein wichtiger Grund zur Kündigung dann vorliegt, wenn ein Gebäude abgetragen werden soll und mit dem Abbruch die Errichtung

eines Baues sichergestellt ist, wenn die Bezirksverwaltungsbehörde auf Antrag des Bauwerbers mit Bescheid erkannt hat, daß der geplante Bau aus zum Teil im Gesetz namentlich aufgezählten Gründen im öffentlichen Interesse liegt, sollte durch die Bestimmungen des § 19 Abs 2 Z 4 a MG, deren Nachfolgevorschrift § 30 Abs 2 Z 15 MRG ist, und § 19 Abs 2 Z 4 b MG ersetzt werden. Der Justizausschuß änderte zwar den Regierungsentwurf in beiden Bestimmungen ab, verwendete aber gleichwohl im § 19 Abs 2 Z 4 a den Begriff "Miethaus" und im § 19 Z 4 b MG den Begriff "Gebäude". Wie sich aber sowohl aus der RV, 852 BlgNR 13.GP 22, als auch aus dem AB, 1261 BlgNR 13.GP 3, ergibt, verstand der Gesetzgeber unter "Miethaus" nichts anderes als ein Gebäude im Sinne des früheren § 19 Abs 2 Z 4 a MG. Die neuen Tatbestände des § 19 Abs 2 Z 4 a MG und § 19 Abs 2 Z 4 b MG sollten nach dem Willen des Gesetzgebers den dem geltenden Recht entsprechenden Kündigungstatbeständen folgen. Schon im Geltungsbereich des Mietengesetzes war daher unter Miethaus nichts anderes als jedes Gebäude zu verstehen, in dem sich zumindest ein Mietobjekt befand. Da auch der Gesetzgeber des Mietrechtsgesetzes im allgemeinen nicht die Absicht hatte, die Kündigungsgründe inhaltlich einer wesentlichen Änderung zu unterziehen (7 Ob 591/84), ist auch unter dem Begriff "Miethaus" im Sinne des § 30 Abs 2 Z 15 MRG, auch dem Wortsinn entsprechend, jedes vermietete Gebäude zu verstehen. Es würde auch einen den Sinn des Gesetzes unverständlich machenden Wertungswiderspruch bedeuten, wenn viele Mieter eines großen Zinshauses in Wahrnehmung öffentlicher Interessen gekündigt werden könnten, der einzige Mieter tines kleinen Gebäudes solchen Interessen aber nicht weichen müßte.

Andere Einwendungen erhob die Beklagte in erster Instanz nicht. Soweit die Revisionswerberin nunmehr in Zweifel zieht, daß die Errichtung eines Neubaues sichergestellt sei und ob der Abbruch zur Errichtung der Garage überhaupt erforderlich wäre, handelt es sich um unbeachtliche Neuerungen. Die Frage aber, ob der geplante Neu- oder Umbau im öffentlichen Interesse liegt, entscheiden für das Gericht bindend allein die Verwaltungsbehörden (VwGH.ÖJZ 1973,614; Würth in Rummel, ABGB, Rdz 14 zu § 30 MRG).

Der Revision ist der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 393 Abs 4, 52 Abs 2 ZPO (SZ 23/243 uva).

Anmerkung

E08503

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0010OB00567.86.0625.000

Dokumentnummer

JJT_19860625_OGH0002_0010OB00567_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten