TE OGH 1986/6/30 10Os92/86

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Veröffentlicht am 30.06.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 30.Juni 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch sowie Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Gumpinger als Schriftführer in der Strafsache gegen Thomas R*** wegen des Vergehens des Diebstahls nach § 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z 3 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 8.Jänner 1986, GZ 8 E Vr 4023/85-6, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Generalanwaltes Dr. Rzeszut als Vertreter der Generalprokuratur, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Durchführung des Strafverfahrens vor dem Einzelrichter und dessen Urteil vom 8.Jänner 1986 verletzen das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 11 Z 1 letzter Satz und 31 JGG. Dieses Urteil sowie alle darauf beruhenden Verfügungen werden aufgehoben; die Sache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung nach Maßgabe der für Jugendstraftaten im Sinne des § 1 Z 3 JGG und für Jugendstrafsachen im Sinne des § 1 Z 4 JGG geltenden gesetzlichen Sonderbestimmungen an das Landesgericht Klagenfurt zurückverwiesen.

Text

Gründe:

Aus dem Akt 8 E Vr 4023/85 des Landesgerichtes Klagenfurt ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

Der am 8.Jänner 1968 geborene Hilfsarbeiter Thomas R*** wurde mit - durch einen Protokolls- und Urteilsvermerk nach §§ 458 Abs. 2, 488 Z 7 StPO beurkundeten - Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes Klagenfurt vom 8.Jänner 1986, GZ 8 E Vr 4023/85-6 des Vergehens des Diebstahls nach § 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z 3 StGB schuldig erkannt, weil er in der Zeit von Ende August bis Mitte Oktober 1985 in Klagenfurt in mehreren Angriffen unter Ausnützung einer Gelegenheit, die durch eine ihm aufgetragene Arbeit geschaffen worden ist, vier Paar Halbschuhe im Gesamtwert von 2.196 S zum Nachteil der Auftraggeberin Firma A*** Sportschuhfabriken GesmbH mit dem Vorsatz weggenommen hat, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern. Nach § 127 Abs. 2 StGB wurde über ihn unter Anwendung des § 37 Abs. 1 StGB eine Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 100 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 50 Tagen verhängt.

Dem Verfahren lag eine an die Staatsanwaltschaft Klagenfurt gerichtete Anzeige der Bundespolizeidirektion Klagenfurt vom 25. November 1985 zugrunde, die am 10.Dezember 1985 (gemeinsam mit dem von der Staatsanwaltschaft Klagenfurt gestellten Strafantrag) beim Landesgericht Klagenfurt eingelangt ist (vgl. S 29 des Bezugsaktes). In dieser Anzeige wird das Geburtsdatum mit 8.1.1958 angeführt (S 5; vgl. aber S 19, wo der Beschuldigte angibt, am 8.1.1968 geboren worden zu sein). Demgemäß-ist auch in dem an den Einzelrichter des Landesgerichtes Klagenfurt gerichteten Strafantrag das Geburtsdatum 8.1.1958 enthalten.

Die Durchführung des Strafverfahrens vor dem Einzelrichter des Landesgerichtes Klagenfurt und das von diesem gefällte Urteil vom 8. Jänner 1986 stehen mit dem Gesetz nicht im Einklang, weil Thomas R*** sowohl zur Tatzeit als auch im Zeitpunkt der Einleitung des Strafverfahrens das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, weshalb die urteilsgegenständliche Tat als Jugendstraftat im Sinn des § 1 Z 3 JGG und das in Rede stehende Strafverfahren als Jugendstrafsache im Sinn des § 1 Z 4 JGG zu beurteilen sind. Nur der Vollständigkeit halber sei festgehalten, daß der Angeklagte am Tage der Hauptverhandlung das 18. Lebensjahr vollendete, er daher erst am nächsten darauffolgenden Tage als Erwachsener galt (EvBl. 1977/63).

Rechtliche Beurteilung

Demzufolge war gemäß § 31 Abs. 1 JGG zur Durchführung des Strafverfahrens das Schöffengericht in der gemäß § 32 Abs. 2 JGG vorgeschriebenen Besetzung sachlich zuständig. Als Folge der Nichtbeachtung der für Jugendstrafsachen geltenden Verfahrensvorschriften unterblieben auch die in § 26 Abs. 1 JGG vorgesehenen Verständigungen, die Beigabe eines Verteidigers gemäß § 38 Abs. 1 JGG die Mitwirkung des gesetzlichen Vertreters nach § 39 JGG sowie die Einholung von Jugenderhebungen im Sinne des § 42 JGG.

In materiellrechtlicher Hinsicht wäre die Anlaßtat gemäß § 11 Z 1 letzter Satz JGG rechtsrichtig nach der auf die Hälfte herabgesetzten Strafdrohung des § 127 Abs. 2 StGB zu ahnden gewesen. Da sich insbesondere die letztangeführte materiellrechtliche Gesetzesverletzung zum Nachteil des Verurteilten ausgewirkt hat, war gemäß § 292 StPO in Stattgebung der von der Generalprokuratur gemäß § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahruag des Gesetzes das obangeführte Urteil - und demgemäß auch alle darauf beruhenden weiteren Verfügungen - aufzuheben sowie die Erneuerung des Verfahrens anzuordnen. Das Landesgericht Klagenfurt wird dabei ungeachtet des Umstandes, daß Thomas R*** inzwischen das 18. Lebensjahr vollendet hat, als Schöffengericht in Jugendstrafsachen zu entscheiden haben, wobei allerdings die Bestimmungen der §§ 38 bis 41 JGG nicht mehr anwendbar sind (10 Os 56/86). Auf § 220 (iVm § 41) StPO wird verwiesen.

Anmerkung

E08659

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0100OS00092.86.0630.000

Dokumentnummer

JJT_19860630_OGH0002_0100OS00092_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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