Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 8. Juli 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Bernardini als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Friedrich, Dr.Reisenleitner, Dr.Kuch sowie Dr.Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Gumpinger als Schriftführer in der Strafsache gegen Nikolaus P*** wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146 ff. StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Beschlüsse der Ratskammer des Kreisgerichtes Wels vom 27.August 1985, GZ 19 Vr 225/85-95, und vom 22.Oktober 1985, GZ 19 Vr 225/85-138, sowie gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom 6.November 1985, AZ 11 Ns 687/85, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Generalanwaltes Dr.Kodek als Vertreter der Generalprokuratur, jedoch in Abwesenheit des Beschuldigten zu Recht erkannt:
Spruch
Im Verfahren zum AZ 19 Vr 225/85 des Kreisgerichtes Wels wurde das Gesetz
1. durch die Beschlüsse der Ratskammer vom 27.August 1985, ON 95, und vom 22.Oktober 1985, ON 138 - in der Bestimmung des § 193 Abs. 3 StPO - sowie
2. durch den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz
(AZ 11 Ns 687/85) vom 6.November 1985, ON 147 - in der Bestimmung des § 193 Abs. 4 StPO -
verletzt, und zwar jeweils insoweit, als damit (zu 1.) die Aufrechterhaltung und (zu 2.) die Verlängerung der zulässigen Dauer der über Nikolaus P*** verhängten Untersuchungshaft trotz des Ablaufs der in den bezeichneten Gesetzesstellen dafür normierten Fristen auch auf den Haftgrund nach § 180 Abs. 2 Z 2 StPO gestützt wird.
Text
Gründe:
Der Untersuchungsrichter des Kreisgerichtes Wels verhängte im oben bezeichneten Verfahren mit Beschluß vom 13.Mai 1985, ON 37, über Nikolaus P*** aus den Gründen des § 180 Abs. 1 und Abs. 2 Z 2 sowie Z 3 lit. a bis c StPO die Untersuchungshaft.
Deren Fortsetzung stützte die Ratskammer mit ihren Beschlüssen vom 27.August 1985, ON 95, und vom 22.Oktober 1985, ON 138, ungeachtet des mittlerweiligen Ablaufs der in § 193 Abs. 3 StPO normierten zweimonatigen Frist nicht nur auf Z 3, sondern auch auf Z 2 des § 180 Abs. 2 StPO, wobei sie sich insoweit auf die (der darauf bezogenen Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofes zuwiderlaufende) Judikatur des Oberlandesgerichtes Linz berief. Gemäß § 193 Abs. 4 StPO bestimmte dieses (AZ 11 Ns 687/85) mit Beschluß vom 6.November 1985, ON 147, daß die nach § 180 Abs. 1 und Abs. 2 Z 2 sowie Z 3 lit. b und c StPO fortgesetzte Untersuchungshaft des Nikolaus P*** bis zu zehn Monaten dauern dürfe. Damit beharrte es unter Ablehnung der vom Obersten Gerichtshof zu 13 Os 180-182/84 = EvBl. 1985/96 = ÖJZ-LSK 1985/36 vertretenen gegenteiligen Auffassung auf seinem schon zu 8 Bs 361/84 und 11 Ns 267/85 erläuterten Standpunkt, wonach bei der Fortsetzung einer Untersuchungshaft aus einem anderen Grund als dem einer überdies weiterhin bestehenden Verdunkelungsgefahr lediglich die in § 193 Abs. 3 und 4 StPO für den Fall ihres ausschließlichen Vorliegens vorgesehene zeitliche Begrenzung der Haftdauer (auf zwei oder allenfalls drei Monate) nicht zum Tragen komme, wogegen die Ansicht, daß der in Rede stehende Haftgrund nach dem Ablauf dieser Fristen nicht mehr wirksam sei, auf einer unzulässigen Vermengung der Wirksamkeit eines Haftgrundes mit der Zulässigkeit einer bestimmten Haftdauer beruhe; § 193 StPO regle nämlich (in Abs. 2 bis 4 unter verschiedenen Aspekten) ausschließlich die zulässige Dauer der Untersuchungshaft, besage aber nichts darüber, ob ein ursprünglich angenommener Haftgrund noch bestehe oder nicht; dafür sei allein § 180 StPO maßgebend; in Ansehung der Wirksamkeit bestehender Haftgründe mit Bezug auf die zulässige Dauer einer Untersuchungshaft jedoch sei bei Annahme einer Verdunkelungsgefahr aus der jeweiligen Verwendung des Wortes "bloß" in Abs. 3 und 4 des § 193 StPO in Verbindung mit der Überlegung, daß beim Vorliegen mehrerer Haftgründe nicht "mehrere" - jeweils auf einen von ihnen gestützte - "Haften ... nebeneinander bestehen", darauf zu schließen, daß die Wirksamkeit einer bestehenden Verdunkelungsgefahr nur dann mit dem Ablauf der vorerwähnten Fristen erlösche, wenn die Haft ausschließlich aus diesem Grund verhängt worden sei; die Bestimmungen des § 45 Abs. 3 und 4 StPO hinwieder, wonach die Beschränkung des Verkehrs des verhafteten Beschuldigten mit seinem Verteidiger nur für den Fall vorgesehen ist, daß er "auch oder ausschließlich" wegen Verdunkelungsgefahr in Haft ist, beträfen nicht die Voraussetzungen für die Wirksamkeit dieses Haftgrundes, sondern vielmehr deren Konsequenzen.
Rechtliche Beurteilung
Die zitierten Entscheidungen der Ratskammer des Kreisgerichtes Wels und des Oberlandesgerichtes Linz stehen mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Nach § 193 Abs. 3 StPO darf die Dauer der bloß aus dem Grund der Verdunkelungsgefahr verhängten Untersuchungshaft (§ 180 Abs. 2 Z 2 StPO) zwei Monate, die Dauer der auch oder ausschließlich aus einem anderen Grund verhängten Untersuchungshaft (§ 180 Abs. 2 Z 1 und 3 oder Abs. 7 StPO) sechs Monate nicht übersteigen. Unter gewissen Voraussetzungen kann der Gerichtshof zweiter Instanz bestimmen, daß die bloß aus dem Grund der Verdunkelungsgefahr verhängte Haft bis zu drei Monaten und die auch oder ausschließlich aus einem anderen Grund verhängte Haft bis zu einem Jahr oder allenfalls bis zu zwei Jahren dauern dürfe (§ 193 Abs. 4 StPO).
Dem Oberlandesgericht Linz ist einzuräumen, daß dieser Wortlaut des § 193 StPO vordergründig für die Ansicht zu sprechen scheint, daß der Haftgrund einer Verdunkelungsgefahr beim Zusammentreffen mit anderen Haftgründen auch über die in Abs. 3 und 4 für den Fall seiner ausschließlichen Aktualität normierten Fristen hinaus wirksam sei; eine dahingehende Auslegung ist jedoch zum einen nicht zwingend und zum anderen aus historischen und teleologischen Erwägungen nicht sachgerecht.
Aus § 193 Abs. 2 StPO, wonach die Untersuchungshaft aufzuheben ist, sobald ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen, ist nämlich abzuleiten, daß bei der Prüfung, welche von den in Abs. 3 und 4 zur Bestimmung der zulässigen Höchstdauer einer derartigen Haft normierten Fristen im Einzelfall maßgebend ist, nur die zu dieser Zeit im Sinn des § 180 Abs. 2 oder 7 StPO (noch) aktuellen Haftgründe zu berücksichtigen sind: Gründe, aus denen die Untersuchungshaft seinerzeit verhängt wurde (oder die später ihrer Aufrechterhaltung zugrunde gelegt wurden), aber in der Folge weggefallen sind, haben bei der Ermittlung der maximal zulässigen Haftdauer außer Betracht zu bleiben; nicht darnach, aus welchen Gründen ursprünglich die Haft verhängt wurde, ist dementsprechend zu differenzieren, sondern nach den die Untersuchungshaft im jeweiligen Prüfungszeitpunkt tragenden Gründen.
Die - auf den Regelfall, in dem alle bei der Ermittlung der
höchstzulässigen Haftdauer noch aktuellen Gründe schon für die
Verhängung der Haft maßgebend gewesen waren, gemünzten - Worte "die
Dauer der aus dem Grund ..." (und: "... aus einem anderen Grund")
"verhängten Untersuchungshaft" in § 193 Abs. 3 und 4 StPO sind
demgemäß im Zusammenhang mit Abs. 2 (systematisch und teleologisch
berichtigend) als "die Dauer der auf dem aktuellen Grund ..." (und:
"... aus einem anderen aktuellen Grund") "beruhenden
Untersuchungshaft" zu verstehen. Daraus folgt jedoch für die hier interessierenden Fälle des Zusammentreffens einer Verdunkelungsgefahr mit anderen Haftgründen - sohin einer "auch ... aus einem anderen Grund verhängten Untersuchungshaft" - lediglich, daß die in diesen Verfahrensbestimmungen für sie getroffene Regelung, nämlich die Zulässigkeit einer maximalen Haftdauer von sechs Monaten (Abs. 3) oder von einem Jahr, allenfalls von zwei Jahren (Abs. 4), das Vorliegen einer nach dem Ablauf von zwei (Abs. 3) oder drei (Abs. 4) Monaten (noch) aktuellen, also in Ansehung ihrer Voraussetzungen (nach wie vor) existenten Verdunkelungsgefahr voraussetzt, aber nicht notwendigerweise, wie das Oberlandesgericht Linz rechtsirrig vermeint, das Vorliegen einer nach dem Ablauf jener Fristen (weiterhin) als Haftgrund wirksamen derartigen Gefahr.
So gesehen steht demnach der Wortlaut des § 193 Abs. 3 und 4 StPO nicht der Auffassung entgegen, daß aus der im jeweils ersten Teil dieser Gesetzesstelle normierten Regelung, wonach eine allein aktuelle Verdunkelungsgefahr nach dem Ablauf von zwei (Abs. 3) oder drei (Abs. 4) Monaten die weitere Aufrechterhaltung einer Untersuchungshaft nicht mehr zu tragen vermag, die mit dem Ablauf jener Fristen eintretende generelle Unwirksamkeit einer solchen (gleichwohl weiterhin existenten) Gefahr als Haftgrund abzuleiten ist, so daß die weitere Aufrechterhaltung der Haft in den Fällen des Zusammentreffens einer (aktuellen) Verdunkelungsgefahr mit anderen Gründen (ebenso wie beim Vorliegen ausschließlich anderer Gründe) ab diesen Zeitpunkten einzig und allein auf deren weiterer Wirksamkeit beruht. Eine eben dahingehende Auslegung der in Rede stehenden Verfahrensbestimmungen aber ist in der Tat unter historischen und teleologischen Aspekten eindeutig indiziert.
Die insoweit bedeutsamen Teile dieser Bestimmungen wurden durch Art. II Z 11 StRÄG 1971, BGBl. Nr. 273, geschaffen; ihr Vorläufer war § 190 Abs. 2 StPO 1945 (1873) mit dem Wortlaut:
"Ist der Beschuldigte bloß aus dem im § 175 Z 3 erwähnten Grund in Haft, so darf diese in der Regel nicht über zwei Monate ausgedehnt werden. Eine Ausnahme hievon, jedoch auch nur in der Ausdehnung bis auf höchstens drei Monate, vom Tage der Verhaftung angefangen, kann auf Antrag des Staatsanwaltes oder des Untersuchungsrichters von dem Gerichtshofe zweiter Instanz aus sehr wichtigen Gründen und bei besonders weitwendigen Untersuchungen bewilligt werden."
Diese von Glaser initiierte Regelung (vgl. S. Mayer, Entstehungsgeschichte der Österreichischen Strafproceß-Ordnung, 1876, I 605) stellt sich als Ausfluß der Grundgedanken des (im Verfassungsrang stehenden) Gesetzes zum Schutz der persönlichen Freiheit, RGBl. 1867/142, dar (Ausschußbericht des Abgeordnetenhauses von 1869, wiedergegeben bei S. Mayer aaO 608), dessen Ziel die tunlichste Einschränkung der Untersuchungshaft war. Von dieser Position des Gesetzgebers her wurde die in Rede stehende Bestimmung von Anfang an so verstanden, daß damit eine absolute Obergrenze für die Dauer der Kollusionshaft - selbst bei nachträglichem Hervorkommen weiterer Fakten mit bestehender Verdunkelungsgefahr - geschaffen wurde (S. Mayer, Commentar zu der Österreichischen Strafproceß-Ordnung, 1878, II 676; Waser in der Allgemeinen österreichischen Gerichts-Zeitung 1881 125 f), und zwar auch bei Vorliegen eines anderen Haftgrundes, namentlich jenes einer Fluchtgefahr (Rulf, Die österreichische Strafproceßordnung 2 , 1874, 197; Ungenannt in der Allgemeinen Juristen-Zeitung 1881 429 f). Der zeitlichen Begrenzung der Untersuchungshaft aus dem Grunde der Verdunkelungsgefahr lag die Überzeugung zugrunde, daß innerhalb einer Frist von zwei Monaten - die gelegentlich schon als zu hoch gegriffen bezeichnet wurde (S. Mayer, Commentar, II. Band S 676) - oder allenfalls von drei Monaten "die Untersuchung unter allen Umständen so weit gediehen sein kann, daß eine Vereitlung oder Erschwerung derselben durch Verabredung des Beschuldigten oder durch Beseitigung der Spuren des Verbrechens nicht mehr zu besorgen sein wird" (Ausschußbericht aaO 608; vgl. auch Vargha, Das Strafproceßrecht, 1885, 166), wobei auf den (erwünschten) Nebeneffekt der Fristsetzung als Zwang zur beschleunigten Sammlung des Beweismaterials verwiesen wurde (Mitterbacher-Neumayer, Erläuterungen zur Strafproceß-Ordnung, 1874, 397; Ullmann, Lehrbuch des österreichischen Strafproceßrechts 2 , 1882, 439). Die dargestellten Erwägungen scheinen in der Folge dermaßen allgemein anerkannt gewesen zu sein, daß sich Lehre und (veröffentlichte) Judikatur nicht mehr damit beschäftigten. Erst nach 1945 sprach das Oberlandesgericht Wien - augenscheinlich in Fortsetzung der bisher gepflogenen Gesetzesanwendung - in den veröffentlichten Entscheidungen EvBl. 1947/214, EvBl. 1948/438 und JBl. 1953, 665 aus, daß der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr nach Ablauf der im Gesetz bezeichneten Fristen selbst dann nicht mehr aufrechterhalten werden kann, wenn nach wie vor andere Haftgründe vorliegen (oder neu eintreten).
Daß die hier interessierende Problematik vor dem Jahr 1971 in der Praxis nur wenig aktuell war, mag gewiß zum Teil auch daran liegen, daß sich die Frage, aus welchem Grund ein Beschuldigter in Untersuchungshaft gehalten wurde, auf die Gestaltung der Haft faktisch kaum auswirkte.
Eine Änderung trat insofern erst durch die mit Art. II Z 1 StRÄG 1971 neu geschaffenen Bestimmungen des § 45 Abs. 3 und 4 StPO ein, wonach bis zur Mitteilung der Anklageschrift nur dann eine Gerichtsperson der (ansonsten ohne diese Beschränkung gestatteten) Besprechung zwischen einem verhafteten Beschuldigten und dessen Verteidiger beizuwohnen hat, wenn ersterer auch oder ausschließlich wegen Verdunkelungsgefahr in Haft ist, und wonach auch der Briefverkehr des verhafteten Beschuldigten mit seinem Verteidiger nur unter diesen Voraussetzungen einer Überwachung unterliegt. Den Gesetzesmaterialien hiezu ist nicht im mindesten zu entnehmen, daß die damit bewirkte Besserstellung gegenüber der bisherigen Rechtslage - so war etwa bei einer Besprechung des verhafteten Beschuldigten mit seinem Verteidiger stets das Beisein einer Gerichtsperson erforderlich gewesen - nicht auch jener in Haft befindlichen Gruppe von Beschuldigten zuteil werden sollte, in Ansehung deren der (gleichwohl aktuelle) Haftgrund einer Verdunkelungsgefahr infolge des Ablaufs der (schon) in § 190 Abs. 2 StPO aF normiert gewesenen Fristen nach der vormaligen Rechtsanwendungspraxis nicht mehr wirksam gewesen war. Die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (39 d. Beil. zu den sten. Prot. d. NR. XII. GP 22) weisen nur darauf hin, daß es dem damals in Geltung gestandenen Recht entspreche, wenn die bloß aus dem Grund der Verdunkelungsgefahr verhängte Haft auf zwei Monate beschränkt werde; aus dem Bericht des Justizausschusses (512 d. Beil. zu den sten. Prot. d. NR XII. GP 10) ergibt sich zu dieser Frage nichts. Daraus ist zu schließen, daß auch im Jahr 1971 die Wirksamkeit des Haftgrundes einer Verdunkelungsgefahr (und damit gleichermaßen die Beschränkungen des Verkehrs eines verhafteten Beschuldigten mit seinem Verteidiger) nach der Absicht des Gesetzgebers in jedem Fall mit dem Ablauf der in die Regelung des § 193 Abs. 3 und 4 StPO nF übernommenen Fristen enden sollte. Vor dem Hintergrund dieser historischen Entwicklung schließlich führt eine an rechtsstaatlichem Verständnis orientierte teleologische Auslegung des § 193 Abs. 3 und 4 iVm § 45 Abs. 3 und 4 StPO gleichfalls zu dem Ergebnis, daß der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr darnach in keinem Fall länger als bis zu zwei oder - nach entsprechender Verlängerung durch den Gerichtshof zweiter Instanz - höchstens bis zu drei Monaten wirksam ist, und zwar selbst dann, wenn (weiterhin) andere Haftgründe gegeben sind:
wäre doch nicht einzusehen, aus welchen sachgerechten Erwägungen eine über die Dauer von zwei oder allenfalls drei Monaten hinaus weiterhin aktuelle Verdunkelungsgefahr nicht bei einem auf freien Fuß befindlichen, wohl aber bei einem (im Effekt nur aus zudem vorliegenden anderen Gründen) in Untersuchungshaft angehaltenen Beschuldigten zu der (mit ihrer weiteren Wirksamkeit verbundenen) Konsequenz einer nicht unerheblichen Beeinträchtigung seiner Verteidigungsmöglichkeiten führen sollte.
Der Oberste Gerichtshof sieht sich daher nicht veranlaßt, von der in der Entscheidung vom 6.Dezember 1984, 13 Os 180-182/84 (EvBl. 1985/96 = ÖJZ-LSK 1985/36), vertretenen Rechtsansicht abzugehen.
In diesem Sinn wird auch in den Erlässen des Bundesministeriums für Justiz vom 22.November 1971, Zl. 1809-9b/71 (abgedruckt bei Mayerhofer/Rieder 2 IV 310 f), und vom 21.März 1986, Zl. 440.001/12-II 3/85, JABl. 1986 Nr. 27, darauf hingewiesen, daß hinsichtlich der Verdunkelungsgefahr die Rechtslage vor und nach dem StRÄG 1971 im wesentlichen gleich geblieben sei und daß - der (vom Oberlandesgericht Linz abgelehnten) Judikatur des Obersten Gerichtshofes entsprechend - nach dem Ablauf der gesetzlichen Höchstdauer von zwei oder allenfalls drei Monaten Verdunkelungsgefahr auch neben anderen Haftgründen nicht mehr herangezogen sowie der Verkehr des verhafteten Beschuldigten mit seinem Verteidiger keinesfalls mehr Beschränkungen im Sinn des § 45 Abs. 3 und 4 StPO unterworfen werden dürfe.
Angesichts dieses letztlich doch klaren Ergebnisses sind alle Überlegungen darüber, ob der Gesetzgeber die Regelung der erörterten Problematik nicht unmißverständlicher hätte formulieren können, wie etwa dahin, daß die Wirksamkeit einer bestehenden Verdunkelungsgefahr als Haftgrund in jedem Fall mit dem Ablauf der in Rede stehenden Fristen ende, und aus welchen Gründen er sich statt dessen für die mit dem StRÄG 1971 gewählte Fassung entschieden hat, müßig.
Demnach sei im gegebenen Zusammenhang nur noch der Vollständigkeit halber vermerkt, daß zum einen die (sich gleichwohl als Einheit darstellende) Untersuchungshaft nach einer Dauer von zwei Monaten auch beim Vorliegen anderer Gründe nur dann (mit den nach § 45 Abs. 3 und 4 StPO damit verbundenen Konsequenzen) zudem auf eine - (weiterhin) aktuelle - Verdunkelungsgefahr gestützt werden darf, wenn (zeitgerecht) eine (bis zur Höchstdauer von drei Monaten zulässige) dahingehende Genehmigung des Gerichtshofes zweiter Instanz im Sinn des § 193 Abs. 4 StPO erwirkt wird, und daß zum anderen im Fall einer an sich unbekämpften Haftverhängung (oder -aufrechterhaltung) der Beschuldigte gegen deren Begründung auch mit Verdunkelungsgefahr gleichermaßen wie der öffentliche Ankläger gegen die Nichtannahme dieses Haftgrundes (im Hinblick auf § 45 Abs. 3 und 4 StPO) zur Beschwerde (§§ 114 Abs. 1 Z 4, 195 Abs. 6 StPO) legitimiert ist.
Aus den dargelegten Erwägungen waren die aufgezeigten Gesetzesverletzungen in Stattgebung der von der Generalprokuratur erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes wie im Spruch festzustellen.
Anmerkung
E08668European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0100OS00028.86.0708.000Dokumentnummer
JJT_19860708_OGH0002_0100OS00028_8600000_000