TE OGH 1986/7/8 2Ob627/86

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Veröffentlicht am 08.07.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Pflegschaftssache der am 30. Mai 1974 ehelichen geborenen mj. Michaela K***, infolge Revisionsrekurses der Mutter Christa K***, Hausfrau, 1190 Wien, Hackhofergasse 9 a/2, vertreten durch Dr. Johann Suppan, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 10. April 1986, GZ. 47 R 174/86-40, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Döbling vom 23. Jänner 1986, GZ. 2 P 120/85-33, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Eltern der nunmehr 12 Jahre alten Michaela K*** leben seit dem Jahre 1979 getrennt voneinander, das Verfahren zur Scheidung ihrer Ehe ist noch nicht beendet. Bis zum September 1985 befand sich das Kind bei der Mutter, seither beim Vater. Über die von beiden Elternteilen gestellten Anträge auf Zuweisung der elterlichen Rechte entschied das Erstgericht mit Beschluß ON 33 vom 23.1.1986 dahin, daß diese Rechte dem Vater zuerkannt wurden.

Das Rekursgericht bestätigte den erstgerichtlichen Beschluß. Gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes erhebt die Mutter einen auf § 16 AußStrG gestützten außerordentlichen Revisionsrekurs, in welchem sie die Beschwerdegründe der Nichtigkeit und der offenbaren Gesetzwidrigkeit geltend macht.

Rechtliche Beurteilung

Die behaupteten Beschwerdegründe liegen nicht vor, der außerordentliche Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen:

Gemäß § 177 ABGB hat das Gericht dann, wenn die Eltern des Kindes nicht bloß vorübergehend getrennt leben, über Antrag zu entscheiden, welchem Elternteil die aus den familienrechtlichen Beziehungen zwischen Eltern und minderjährigen Kindern erfließenden, rein persönlichen Rechte und Pflichten (§ 144) künftig allein zustehen. Das Gericht hat vor dieser Entscheidung das mindestens zehnjährige Kind zu hören (§ 177 Abs 2 ABGB).

Im vorliegenden Fall hat das Erstgericht die beiden Elternteile einvernommen, Berichte der zuständigen Jugendämter sowie ein psychologisches Gutachten eingeholt, mehrere Auskunftspersonen einvernommen und das Kind gehört. Im Hinblick auf die Beweisergebnisse kam es zu der Ansicht, daß die Zuteilung der elterlichen Rechte an den Vater dem Wohle des Kindes entspreche, weil die massiven Alkoholprobleme bzw. der Alkoholmißbrauch der Mutter nachteilige Wirkungen auf das Mutter-Kind-Verhältnis gezeigt habe, die zwölfjährige Michaela auch selbst geäußert habe, derzeit - solange die Alkoholprobleme der Mutter bestünden - lieber beim Vater leben zu wollen und die Erziehungseignung und -möglichkeiten des Vaters denen der Mutter gleichwertig seien. Das Rekursgericht teilte die erstgerichtliche Rechtsansicht und verwies weiters darauf, daß sich das Kind seit einem Jahr anstandslos im väterlichen Haushalt in einer gut gepflegten Eigentumswohnung befinde.

Im außerordentlichen Revisionsrekurs wird ein Mangel der Stoffsammlung vom Gewichte einer Nichtigkeit und gleichzeitig eine offenbare Gesetzwidrigkeit deswegen behauptet, weil die Untergerichte dem Antrag der Mutter auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweise dafür, daß sie keine Alkoholikerin sei, nicht entsprochen hätten und von ihrer Seite keine Gefährdung des Kindeswohles ausgehe. Mangels entsprechender Überprüfungen könne auch nicht gesagt werden, daß die Erziehungsverhältnisse beim Vater besser als bei ihr seien. Dem ist zu entgegnen, daß Verfahrensverstöße dann eine Nichtigkeit begründen, wenn hierin ein gravierender Mangel in der Stoffsammlung gelegen ist. Die Annahme einer offenbaren Gesetzwidrigkeit scheidet bei Verfahrensverstößen überhaupt aus, weil nach ständiger Rechtsprechung offenbar gesetzwidrig nur materiellrechtliche Unrichtigkeiten sein können.

Vorliegendenfalls führte das Erstgericht umfangreiche Erhebungen zur Frage eines Alkoholmißbrauches der Mutter durch und beide Unterinstanzen kamen zur Ansicht, daß es zur Beurteilung dieser Frage keiner weiteren Beweismittel bedürfe. Somit kann aber in der Unterlassung der Einholung auch noch eines einschlägigen Sachverständigengutachtens keinesfalls ein schwerer Mangel in der Stoffsammlung erblickt werden. Hinsichtlich der Erziehungsverhältnisse verwies das Rekursgericht darauf, daß die Unterbringung beim Vater seit einem Jahr anstandslos erfolge. Eine Feststellung, daß die Erziehungsmöglichkeiten bei ihm besser seien als bei der Mutter, wurde von den Unterinstanzen nicht getroffen. Im Hinblick auf den festgestellten Alkoholmißbrauch der Mutter hielten sie es als bei sonst gleichen Verhältnissen dem Kindeswohl besser entsprechend, die Elternrechte dem Vater zu übertragen. In dieser Ermessensentscheidung kann keine offenbare Gesetzwidrigkeit erkannt werden.

Anmerkung

E08514

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0020OB00627.86.0708.000

Dokumentnummer

JJT_19860708_OGH0002_0020OB00627_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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