TE OGH 1986/7/9 3Ob545/86

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Veröffentlicht am 09.07.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als Richter in der Pflegschaftssache für die Minderjährigen 1) Robert V***, geboren 25. Dezember 1969, und

2) Renate V***, geboren 3. Oktober 1979, wohnhaft bei den Eltern in 1030 Wien, Kardinal Nagl-Platz 1/12, infolge Revisionsrekurses des Vaters Erich V***, Versicherungsangestellter, 1030 Wien, Kardinal Nagl-Platz 1/12, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 20. Februar 1986, GZ. 43 R 26/86-38, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 26. November 1985, GZ. 10 P 44/85-34, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die ehelichen Eltern der beiden Minderjährigen 1.) Robert V***, geboren 25.12.1969, und 2.) Renate V***, geboren 3.10.1979, sind in aufrechter Ehe miteinander verheiratet und leben gemeinsam mit ihren Kindern im gemeinsamen Haushalt. Am 15.2.1985 stellte die Mutter den Antrag, sie zur besonderen Sachwalterin für die Kinder zu bestellen und den Vater zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbetrages von 4.000 S für Robert und 3.000 S für Renate zu verpflichten.

Die Mutter begründete ihren Antrag im wesentlichen damit, daß der Vater zwar teilweise in natura Unterhaltsbeträge leiste, dies aber nie im ausreichenden Maße. Der Vater stelle der Mutter, die den Haushalt führe, aber kein Wirtschaftsgeld zur Verfügung und spreche sich auch immer wieder gegen ganz konkrete notwendige Ausgaben aus, was unzumutbar sei. Zu einem Großteil müsse die Mutter selbst für den Unterhalt aufkommen. Da sie aber wegen der Betreuung des Haushaltes und der Kinder nur halbtags arbeiten könne, reiche ihr Verdienst nicht aus, um alles zu decken.

Der Vater beantragte die Abweisung der Anträge der Mutter. Er machte vor allem geltend, daß er für den Unterhalt bisher immer ausreichend aufgekommen sei, so daß es überhaupt keiner Unterhaltsfestsetzung bedürfe. Dem Vater gehe es um einen besonders demokratischen Erziehungsprozeß, weshalb er der Mutter vorgeschlagen habe, daß er jeweils einen Geldbetrag in einen Behälter gebe, der allen Familienangehörigen zugänglich sei, wobei diese aber die jeweils getätigten Ausgaben in ein Haushaltsbuch eintragen sollten. Die Mutter habe zwar immer wieder Geldbeträge entnommen, sich aber grundsätzlich gegen die Behälterlösung ausgesprochen. Das Erstgericht wies die elterlichen Rechte und Pflichten der Mutter zu (Punkt 1) und verpflichtete den Vater zur Zahlung der beantragten Unterhaltsbeträge ab 15.2.1985 (Punkt 2). Es stellte fest, daß der Vater seit Februar 1985 lediglich die Auslagen für die Wohnungsmiete, das Telefon, das Gas und Strom, Fernsehen und eine Haushaltsversicherung aus seinem Einkommen bestritten habe. Ohne dies mit seiner Familie abzustimmen, habe der Vater etwa seit September 1985 in der Ehewohnung einen Behälter aufgestellt, in den er 6.000 S gab. Aus diesem Behälter hätte jedes Familienmitglied Geld entnehmen können und wäre dann fehlendes Geld vom Vater wieder beigebracht worden.

In rechtlicher Hinsicht erblickte das Erstgericht in diesem Verhalten eine Verletzung der Unterhaltspflicht, weshalb dem Vater die elterlichen Rechte entzogen werden müssen. Überdies müsse der Vater zu einer nach seinem Einkommen angemessenen Unterhaltsleistung verpflichtet werden.

Das Gericht zweiter Instanz änderte diesen Beschluß in seinem Punkte 1 dahin ab, daß dem Vater lediglich das Recht zur Vertretung der beiden Kinder im Verfahren zur Durchsetzung ihrer Unterhaltsansprüche entzogen werde, sodaß dieses Recht der Mutter ab 15.2.1985 allein zustehe. In seinem Punkt 2 wurde der Beschluß des Erstgerichtes bestätigt.

Auch das Gericht zweiter Instanz ging von einer Unterhaltsverletzung durch den Vater aus. Seine Vorstellungen über die Aufstellung eines Behälters seien nicht vertretbar. Hinsichtlich der Unterhaltshöhe seien die Feststellungen des Erstgerichtes zutreffend und damit auch die auferlegten Unterhaltsbeträge angemessen.

Gegen den Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz wendet sich der Revisionsrekurs des Vaters.

Rechtliche Beurteilung

Vorausgeschickt sei, daß gemäß § 14 Abs.2 AußStrG gegen die Entscheidung der zweiten Instanz über die Bemessung gesetzlicher Unterhaltsansprüche ein weiterer Rekurs nicht offensteht. Zum Komplex der Bemessung gehört insbesondere auch die Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen und die Berücksichtigung des Einkommens des anderen Elternteils (EFSlg.47.141, 47.144, 47.146). Auf Bemessungsfragen kann der Oberste Gerichtshof auch im Rahmen eines ansonsten zulässigen Revisionsrekurses nicht eingehen (SZ 49/28). Zu den Ausführungen des Vaters über die seiner Ansicht nach unzutreffende Ermittlung seines eigenen Einkommens und des Einkommens der Mutter ist es daher dem Obersten Gerichtshof verwehrt, Stellung zu nehmen.

Zulässig ist der Revisionsrekurs nur insoweit, als der Vater die Voraussetzungen zur Bestellung der Mutter als Sachwalterin und zur Festsetzung eines Unterhaltsbetrages überhaupt bestreitet, soweit es also um den Grund des Unterhaltsanspruches selbst geht. Dem Revisionsrekurs kommt jedoch keine Berechtigung zu. Während aufrechter Ehe und noch nicht vollzogener Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes der Eltern ist zwar grundsätzlich der Unterhalt in natura zu leisten. Und so lange der Vater seine Unterhaltspflicht freiwillig erfüllt, hat diesbezüglich kein Gerichtsbeschluß zu ergehen (SZ 43/79, SZ 55/174). Entgegen der Ansicht des Vaters sind aber die Voraussetzungen für die Festsetzung des Unterhaltes in Form einer Geldrente deshalb gegeben, weil der Vater nach den Feststellungen der Vorinstanzen in der Vergangenheit seine Unterhaltspflicht nur höchst unzureichend erfüllt hat (EFSlg.28.669).

Nur für gewisse Fixkosten (Wohnungsmiete u.a.) kam der Vater regelmäßig und verläßlich und wirklich freiwillig auf. Der Vater lehnte es jedoch ab, der Mutter, welche mit der Haushaltsführung und der Betreuung der Kinder betraut war, ein ausreichendes Wirtschaftsgeld zur Verfügung zu stellen, mit dem sie u.a. die nötigen Auslagen für die einzelnen Bedürfnisse der Kinder bestreiten hätte können.

Die Ankündigung des Vaters, er lege einen Betrag von 6.000 S zur freien Verfügung aller Familienmitglieder in einen Behälter, Entnahmen seien in ein Heft zu verzeichnen und er, der Vater, werde den Behälter immer wieder entsprechend mit Geld auffüllen, kann die Zahlung eines Wirtschaftsgeldes nicht ersetzen. Wie der Oberste Gerichtshof schon wiederholt ausgesprochen hat, muß der Naturalunterhalt vielmehr in einer Weise gewährt werden, der der Würde der Ehefrau und Mutter der Kinder entspricht (EFSlg.14.737 = Bd.VIII/1 EFSlg.23.709, 28.566). Dies ist dann nicht der Fall, wenn die Ehefrau gleichsam ständig von der Gnade des Ehemannes abhängig ist, ob er jeweils rechtzeitig den Behälter auffüllen werde, ob er die jeweiligen Entnahmen billigen werde, oder ob er jede einzelne Ausgabe zum Gegenstand einer unzumutbaren Diskussion machen werde. Mit einem "demokratischen" Erziehungsstil hat dies nichts zu tun, vor allem nicht, wenn die vom Vater gewünschte Maßnahme den übrigen Familienmitgliedern gegen ihren Willen aufgezwungen werden soll. Dazu kommt, daß die vom Vater gewünschte Methode auch deshalb für die Mutter untragbar ist, weil das Geld dem freien Zugriff der beiden 16 und 6 Jahre alten Kindern preisgegeben wäre, so daß keinerlei Gewähr bestünde, daß der Mutter für die wirklichen Bedürfnisse der Kinder immer die ausreichenden Mittel zur Verfügung stünden.

Davon, daß die Mutter durch gelegentliche tatsächliche Entnahmen aus dem Behälter den Wünschen des Vaters zumindestens stillschweigend ihre Zustimmung erteilt hätte, kann keine Rede sein, da sie sich - auch nach der Darstellung des Vaters - selbst stets gegen die Behältermethode ausgesprochen hat.

Wenn der Vater an die Grundsätze der Menschlichkeit appelliert und auf eine auf Vertrauen und Harmonie aufgebaute Zukunft seiner Familie hofft, so liegt es an ihm, durch eine pünktliche Zahlung der ihm auferlegten Unterhaltsbeträge für die Kinder bei diesen und bei der Mutter vielleicht doch noch das Gefühl zu erwecken, daß es ihm nicht nur um die Durchsetzung seines eigenen Willens und Justamentstandpunktes, sondern um die wirkliche Leistung des Unterhaltes für die Kinder geht.

Alle Hinweise auf bestehende Differenzen zwischen den Ehegatten und Spannungen zwischen den Eltern und den Kindern verkennen dieses Kernproblem und haben im übrigen mit der Unterhaltsfestsetzung nichts zu tun. Eine Aussetzung (Stillegung) des Unterhaltsfestsetzungsverfahrens ist im Gesetz nicht vorgesehen. Die hier im Eheverfahren gegebenen Möglichkeiten können schon deshalb nicht auf das Verfahren zur Festsetzung des Unterhaltes übertragen werden, weil dies eine Gefährdung des Unterhaltes der Kinder mit sich bringen könnte.

Die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz, der Mutter das alleinige Recht auf Vertretung der Kinder zur Durchsetzung der Unterhaltsansprüche zu übertragen und die Festsetzung eines Unterhaltsbetrages für die beiden Kinder, steht damit aufgrund des gegebenen Sachverhaltes mit dem Gesetz im Einklang, weshalb dem Revisionsrekurs des Vaters kein Erfolg beschieden sein kann.

Anmerkung

E08530

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0030OB00545.86.0709.000

Dokumentnummer

JJT_19860709_OGH0002_0030OB00545_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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