Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel, Dr. Melber, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rudolf L***, Verkaufsberater, Dominik Wölflgasse 6-10/72/14, vertreten durch Dr. Gerald Meyer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien
1) Heinz P***, Gemeindebediensteter, Johann
Teufelgasse 39-47/29/2/8, 1230 Wien, und 2) W*** S*** Wechselseitige Versicherungsanstalt, Schottenring 30, 1011 Wien, beide vertreten durch Dr. Eugen Wiederkehr, Rechtsanwalt in Wien, wegen Zahlung von S 1,101.500,-- s.A., Leistung einer monatlichen Rente von S 4.478,37 vom 1. Jänner 1981 bis 31. Dezember 1984 und von S 4.870,-- vom 1. Jänner 1985 bis 30. April 2007 und Feststellung (S 15.000,--), Revisionsstreitwert S 503.750,--, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 5. Dezember 1985, GZ. 15 R 266/85-99, womit infolge Berufung der klagenden Partei und der beklagten Parteien das Teilurteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 14. Juni 1985, GZ. 40 a Cg 221/81-92, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:
Spruch
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil, das im Umfang der Abweisung des Leistungs- und des Feststellungsbegehrens des Klägers (Punkte I 2 und II 2 des Urteilsspruches) als nicht in Beschwerde gezogen unberührt bleibt,
wird im Umfang der Stattgebung des gegen beide Beklagte gerichteten Feststellungsbegehrens (Punkt II 1 des Urteilsspruches) bestätigt.
Im Umfang des Abspruches über das gegen den Erstbeklagten gerichtete Leistungsbegehren wird das angefochtene Urteil dahin abgeändert, daß die Entscheidung in diesem Umfang (unter Einbeziehung des unangefochten gebliebenen Teiles) zu lauten hat:
Der Erstbeklagte ist schuldig, dem Kläger den Betrag von S 400.000,-- samt 4 % Zinsen aus S 100.000,-- vom 10. Juli 1980 bis 12. März 1981, aus S 150.000,-- vom 1. Juli 1981 bis 10. Jänner 1983 und aus S 400.000,-- seit 11. Jänner 1983 binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Das gegen den Erstbeklagten gerichtete Mehrbegehren des Klägers auf Zahlung eines weiteren Betrages von S 700.000,-- samt 4 % Zinsen aus S 150.000,-- vom 10. Juli 1980 bis 30. Juni 1981, aus S 350.000,-- vom 11. Jänner 1983 bis 8. Februar 1985 und aus S 700.000,-- seit 9. Februar 1985 wird abgewiesen.
Im Umfang der Stattgebung des gegen die Zweitbeklagte gerichteten Leistungsbegehrens wird das angefochtene Urteil in Ansehung eines Betrages von S 100.000,-- samt 4 % Zinsen seit 11. Jänner 1983 dahin abgeändert, daß das diesbezügliche Klagebegehren abgewiesen wird.
Im übrigen, das ist im Umfang der Stattgebung des gegen die Zweitbeklagte gerichteten Leistungsbegehrens mit einem Betrag von S 400.000,-- samt 4 % Zinsen aus S 100.000,-- vom 10. Juli 1980 bis 12. März 1981, aus S 150.000,-- vom 1. Juli 1981 bis 10. Jänner 1983 und aus S 400.000,-- seit 11. Jänner 1983, wird das angefochtene Urteil ebenso wie das Urteil des Erstgerichtes im gleichen Umfang aufgehoben. In diesem Umfang wird die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt, soweit das Urteil des Berufungsgerichtes bestätigt bzw. abgeändert wurde, dem Endurteil vorbehalten. Im übrigen sind die Kosten des Revisionsverfahrens als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 21. November 1979 ereignete sich gegen 16,30 Uhr im
13. Wiener Gemeindebezirk auf der Lainzer Straße in Höhe des Hauses Nr. 17 ein Verkehrsunfall, an dem der Kläger als Fußgänger und der Erstbeklagte als Halter und Lenker des PKW mit dem Kennzeichen
W 570.056 beteiligt waren. Die Zweitbeklagte ist der Haftpflichtversicherer dieses Kraftfahrzeuges. Der Kläger wurde beim Überqueren der Lainzer Straße vom PKW des Erstbeklagten niedergestoßen und schwer verletzt. Wegen dieses Verkehrsunfalles wurde der Erstbeklagte mit rechtskräftiger Strafverfügung des Strafbezirksgerichtes Wien vom 17. März 1980 des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 und Abs. 4 erster Fall StGB schuldig erkannt. In dieser Strafverfügung wurde ihm zur Last gelegt, daß er den Kläger nicht ausreichend beachtet und niedergestoßen habe.
Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte der Kläger unter Berücksichtigung einer von der Zweitbeklagten geleisteten Teilzahlung von S 100.000,-- zuletzt die Verurteilung der Beklagten zur ungeteilten Hand, der Zweitbeklagten im Rahmen des Haftpflichtversicherungsvertrages, zur Zahlung eines Betrages von S 1,101.500,-- s.A. und einer monatlichen Rente von S 4.478,37 für die Zeit vom 1. Jänner 1981 bis 31. Dezember 1984 und von S 4.870,-- für die Zeit vom 1. Jänner 1985 bis 30. April 2007; ferner stellte der Kläger ein auf Feststellung der Haftung der Beklagten zur ungeteilten Hand, der Zweitbeklagten im Rahmen des Haftpflichtversicherungsvertrages, für alle künftigen Unfallschäden gerichtetes Feststellungsbegehren.
Dem Grunde nach stützte der Kläger sein Begehren im wesentlichen auf die Behauptung, daß das Alleinverschulden an diesem Verkehrsunfall den Erstbeklagten treffe, der deswegen auch strafgerichtlich verurteilt worden sei. Der Kläger habe derart schwere Verletzungen erlitten, daß ihm ein Schmerzengeld von S 1,200.000,-- gebühre; ferner sei bei dem Unfall seine Kleidung beschädigt worden, wofür er Ersatz in der Höhe von S 1.500,-- begehre. Die verlangte Rente gebühre dem Kläger aus dem Titel des Verdienstentganges. Das Feststellungsinteresse des Klägers ist unbestritten.
Die Beklagten wendeten dem Grunde nach im wesentlichen ein, daß den Kläger ein mit 75 % zu bewertendes Mitverschulden treffe, weil er, ohne auf den Fließverkehr zu achten, plötzlich und für den Erstbeklagten überraschend die Fahrbahn laufend überquert habe; der Erstbeklagte habe keine Möglichkeit gehabt, unfallverhindernd zu reagieren. Die Beklagten anerkannten den vom Kläger behaupteten Kleiderschaden der Höhe nach, bestritten aber den Schmerzengeldanspruch des Klägers ebenso wie seinen Anspruch auf Verdienstentgang.
Das Erstgericht entschied mit Teilurteil über den Schmerzengeldanspruch des Klägers und über sein Feststellungsbegehren.
Es erkannte die Beklagten zur ungeteilten Hand, die Zweitbeklagte im Rahmen des Haftpflichtversicherungsvertrages, schuldig, dem Kläger S 300.000,-- s.A. zu bezahlen und wies das auf Zahlung eines weiteren Betrages von S 800.000,-- s.A. gerichtete Mehrbegehren des Klägers ab. Seinem Feststellungsbegehren gab es in Ansehung von zwei Fünfteln seiner künftigen Unfallschäden statt; das Feststellungsmehrbegehren wies es ab.
Das Erstgericht stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:
Zur Unfallszeit regnete es. Die Fahrbahn der Lainzer Straße - teils aus Würfelpflaster, teils aus Asphalt bestehend - war schon naß. Es herrschte Dunkelheit. Die Fahrbahn verlief an der Unfallstelle gerade und ging danach - in Fahrtrichtung des Erstbeklagten gesehen - in eine übersichtliche Fahrbahnkrümmung über. Die öffentliche Straßenbeleuchtung war eingeschaltet. Die Unfallstelle befindet sich im Ortsgebiet. Der Erstbeklagte lenkte sein Fahrzeug stadtauswärts und hielt dabei eine 1,8 m vom rechten Fahrbahnrand entfernte Fahrlinie ein. In Annäherung an die Unfallstelle befand sich rechts von ihm bei gänzlicher oder teilweiser seitlicher Überdeckung kein Fahrzeug. Der Kläger war als Fußgänger unterwegs und betrat die Fahrbahn der Lainzer Straße, um diese von rechts nach links - in Fahrtrichtung des Erstbeklagten gesehen - zu überqueren. Der Erstbeklagte erkannte den Kläger sofort nach Verlassen der Gehsteigkante in einem Bereich von 21,8 bis 27,8 m bzw. 1,2 bis 1,6 Sekunden vor der Kollision als Gefahr und hielt zu dieser Zeit eine Fahrgeschwindigkeit von 64 km/h ein. Die Bewegungsgeschwindigkeit des Klägers betrug 2 bis 2,7 m/sec; dies entspricht einem schnellen Gehen bis Laufen des zur Unfallszeit 37-jährigen Klägers. Bei der Bremsreaktion, die nach technischen Gesichtspunkten ohne Verspätung erfolgte, erreichte der Erstbeklagte eine Bremsverzögerung von 5 m/sec 2 mit seinen mit Spikesreifen ausgestatteten Fahrzeug. Die linken Räder zeichneten eine Blockierspur von 30 m, die rechten eine solche von 31,9 m Länge ab. Diese Spuren verliefen fahrbahnachsenparallel. Die Kollision fand bei einer Überdeckung von ca. 30 cm statt. Ein Unfall wäre auch dann unvermeidlich gewesen, wenn der Erstbeklagte im Zeitpunkt der Gefahrenerkennung eine Fahrgeschwindigkeit von 50 km/h eingehalten hätte. Die Kollisionsgeschwindigkeit wäre jedoch dann nicht - wie im vorliegenden Fall - im Bereich von 53 bis 60 km/h, sondern in einem solchen von 26 bis 38 km/h gelegen. In einem solchen Fall wären die Unfallsfolgen geringer ausgefallen.
Dem Kläger war die Sicht auf das sich nähernde beleuchtete Fahrzeug des Erstbeklagten schon aus großer Entfernung möglich. Zumindest auf den letzten 150 Metern vor der Kollisionsstelle verläuft die Fahrbahn geradlinig. Seitens des Klägers kann nur entweder eine krasse Fehleinschätzung der Entfernung des sich nähernden Fahrzeuges des Erstbeklagten vorgelegen haben oder er blickte überhaupt nicht in die Richtung des sich nähernden PKW, als er die Fahrbahn betrat.
Bei diesem Unfall erlitt der Kläger eine Gehirnquetschung, eine offene parieto-temporale Schädelfraktur, eine Oberschenkelfraktur links sowie eine rechtsseitige Unterschenkelfraktur. Im Anschluß an den Unfall wurde er in bewußtlosem Zustand in das Unfallkrankenhaus Meidling eingeliefert, wo er bis 12. Februar 1980 in der Intensivpflegestation behandelt wurde. Anschließend wurde er in die Neurologische Universitätsklinik Innsbruck transferiert, wo er bis 26. August 1980 lag. Nach Rücktransferierung in das Unfallkrankenhaus Meidling steht er seit 22. Oktober 1980 in laufender Pflege des Hauses der Barmherzigkeit in Wien 18. Der Kläger war vom Unfall bis zum 10. Dezember 1979 tief bewußtlos; ab diesem Zeitpunkt zeigte er Reaktionen auf Schmerzreize und öffnete auf lautes Anrufen die Augen; sonst war keine aktive Zuwendung zu erzielen.
Auch zum Zeitpunkt der Transferierung an die Universitätsnervenklinik Innsbruck am 12. Februar 1980 war lediglich eine Blickzuwendung auf Ansprache ohne sprachliche Äußerung zu erzielen.
Derzeit liegt beim Kläger ein apallisches Syndrom vor. Es handelt sich dabei um eine traumatische Dezerebration, die häufig bei schweren Gehirnquetschungen zur Beobachtung kommt, wenn die Verunglückten im Zusammenhang mit modernen Reanimationsmethoden das akute Koma überstehen. Gekennzeichnet ist das apallische Syndrom durch die parasomnische Bewußtseinslage; das heißt, der Kranke ist wach, hat aber jede Spontaneität und fast jedes Reaktionsvermögen verloren. Der Schlaf - Wachrhythmus ist gestört. Schmerzreize werden durch kurze Beuge- und Streckbewegungen sowie durch heftige vegetative Reaktionen (Tränenfluß, Schweißausbrüche, Tachycardie) beantwortet. Die Kranken lernen nicht zu kauen, zu trinken oder zu schlucken, obwohl die entsprechenden Primitivreflexe spontan auftreten.
Der Kläger zeigt fallweise Blickzuwendung und äußert gelegentlich unartikulierte Laute; ein darüber hinausgehender Kontakt ist mit ihm nicht zu erzielen. Es besteht eine linksseitige Fazialisparese mit inkomplettem Lidschluß, eine Tetraspastik sowie eine linksseitige Hemiparese. Es finden sich Kontrakturen im Bereich des linken Schultergelenkes, der Hüft- und Kniegelenke sowie der Sprunggelenke beidseits. Eine normale Nahrungsaufnahme ist nicht möglich; der Kläger ist weiterhin auf Sondenernährung angewiesen. Nach wie vor kommt es zum Auftreten zerebraler Krampfanfälle. Der Kläger ist an den Rollstuhl gefesselt und voll pflegebedürftig. Dieses Zustandsbild ist nicht wesentlich besserungsfähig. Die bei dem Unfall entstandenen Verletzungen des Klägers führten zu einer dauernden schwersten Gesundheitsschädigung und zu einer dauernden Minderung der Erwerbsfähigkeit von 100 %. Der Kläger lag insgesamt 74 Tage auf einer Intensivpflegestation und war bis zu seiner Überstellung in das Haus der Barmherzigkeit insgesamt 11 Monate in stationärer Spitalsbehandlung. Seit Ende dieser Spitalsbehandlung befindet er sich in völliger Hilflosigkeit und Pflegebedürftigkeit im genannten Institut. Nach chirurgischen und neurologischen Gesichtspunkten hatte der Kläger bis zum Tag der Untersuchung durch den Neurologen am 7. Oktober 1982 in geraffter Form 74 Tage schwere Schmerzen, 16 Wochen mittelgradige Schmerzen und 18 Monate leichte Schmerzen. Am 2. Jänner 1985 wurde der Kläger neuerlich durch den Neurologen untersucht. Gegenüber dem Zustand vom 7. Oktober 1982 trat nur eine Verminderung der Frequenz der zerebralen Krampfanfälle auf. Diese Änderung ist jedoch bezogen auf den Gesamtzustand nicht wesentlich.
Wenngleich das Zustandsbild des Klägers nicht durch andauernde Schmerzen gekennzeichnet ist, besteht doch dauernd ein hohes Maß an Beschwerden und Beeinträchtigungen, die trotz der reduzierten Bewußtseinslage wahrgenommen und verarbeitet werden. Dauernde Bettlägerigkeit, eine linksseitige Halbseitenlähmung, Muskelkrämpfe in der rechten oberen und unteren Extremität, die fehlende Möglichkeit, sich selbständig im Bett wesentlich zu bewegen, die Unfähigkeit, zu schlucken oder sich auch nur im bescheidenen Ausmaß seiner Umgebung verständlich zu machen, bedeuten ein hohes Ausmaß an Leiden. Diese Schmerzen, Beschwerden und Beeinträchtigungen erstrecken sich über einen Großteil des Lebensablaufes des Klägers. Eine Komprimierung der Schmerzperioden und deren Aufgliederung wie für den erstgenannten Zeitraum ist für spätere Zeiträume nicht möglich. Doch ist eine mehr oder weniger starke Belastung des Klägers durch Schmerzen, Beschwerden oder Beeinträchtigungen für einen großen Teil seines wachen Tagesablaufes anzunehmen, ohne daß von der Erwartung einer wesentlichen Besserung bis zu seinem Lebensende auszugehen wäre.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß beide Beteiligte ein Verschulden an dem Unfall treffe. Während der Erstbeklagte gegen § 20 Abs. 1 und Abs. 2 StPO verstoßen habe, habe der Kläger das im § 76 Abs. 1 und Abs. 4 lit. b StVO vorgeschriebene Verhalten nicht beachtet. Das Verschulden des Klägers, der sich kraß unachtsam verhalten habe, wiege schwerer, sodaß von einer Verschuldensteilung im Verhältnis von 2 : 3 zum Nachteil des Klägers auszugehen sei. Bei den festgestellten Verletzungen des Klägers und ihren Folgen erscheine ein global zu bemessendes Schmerzengeld in der Höhe von S 1,000.000,-- angemessen. Zwei Fünftel davon seien S 400.000,--, wovon die Teilzahlung von S 100.000,-- abzuziehen sei, sodaß dem Kläger aus dem Titel des Schmerzengeldes ein Betrag von S 300.000,-- zuzusprechen sei.
Dem Feststellungsbegehren sei unter Bedachtnahme auf die getroffene Verschuldensteilung stattzugeben.
Dieses Teilurteil wurde von beiden Streitteilen mit Berufung bekämpft.
Mit dem angefochtenen Urteil gab das Berufungsgericht der Berufung der Beklagten keine Folge. Hingegen gab es der Berufung des Klägers teilweise Folge und änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es die Beklagten zur ungeteilten Hand, die Zweitbeklagte im Rahmen des Haftpflichtversicherungsvertrages, schuldig erkannte, dem Kläger S 500.000,-- s.A. zu bezahlen (Punkt I 1 des Urteilsspruches) und das auf Zahlung eines weiteren Betrages von S 600.000,-- s.A. gerichtete Mehrbegehren abwies (Punkt I 2 des Urteilsspruches). Dem Feststellungsbegehren des Klägers gab es in Ansehung der Hälfte seiner künftigen Unfallschäden statt (Punkt II 1 des Urteilsspruches); das Feststellungsmehrbegehren wies es ab (Punkt II 2 des Urteilsspruches). Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes sowohl hinsichtlich des bestätigenden als auch hinsichtlich des abändernden Teiles S 300.000,-- übersteigt. Das Berufungsgericht führte im wesentlichen aus, die im § 268 ZPO normierte Bindungswirkung der gegen den Erstbeklagten ergangenen Strafverfügung bewirke, daß der Zivilrichter seinem Urteil keine Unfallsversion zugrundelegen dürfe, die im Widerspruch zu den den Schuldspruch notwendigerweise begründenden Tatsachen stehe. Werde dies nicht beachtet, dann dürfe das Rechtsmittelgericht ohne weiteres die bindenden Feststellungen der strafgerichtlichen Entscheidung seiner eigenen Entscheidung zugrundelegen, auch wenn durch die Vorinstanz davon abweichende Feststellungen getroffen worden seien. Da im vorliegenden Fall auf Grund der gegen den Erstbeklagten ergangenen Strafverfügung bindend feststehe, daß der Erstbeklagte den Kläger nicht ausreichend beachtet habe, könne das Erstgericht, das im übrigen dem Erstbeklagten nicht nur einen Verstoß gegen Abs. 2, sondern auch einen gegen Abs. 1 des § 20 StVO vorgeworfen habe, hinsichtlich dessen ein rechtmäßiges Alternativverhalten in Bezug auf Überschreitung der Geschwindigkeitsbegrenzung von 50 km/h nicht haftungsfrei stellen könne, nicht ohne Verstoß gegen die Prozeßgesetze von der Variante ausgehen, wonach der Erstbeklagte auf das Verlassen des Gehsteigrandes durch den Kläger unverzüglich reagiert habe. Damit könne aber auch nicht ausgeschlossen werden, daß der Fußgänger bei einer Geschwindigkeit des PKW bei Gefahrenerkennung von 50 km/h zeitlich gesehen von diesem nicht erfaßt worden wäre, wozu noch die Bindung des Zivilgerichtes an die Strafverfügung bezüglich der Kausalität komme. Jedenfalls lasse sich darüber hinaus in keiner Weise dartun, inwiefern dem Kläger bei gehöriger Aufmerksamkeit des Erstbeklagten und Einhaltung der Geschwindigkeitsbeschränkung des § 20 Abs. 1 und Abs. 2 StVO ein Schaden entstanden wäre. Für die Beklagten wäre nichts daraus gewonnen, wenn eingeräumt würde, daß sich der Unfall auch bei Einhaltung einer Geschwindigkeit von 50 km/h ereignet hätte, wenn daneben der Vorwurf der Verletzung der Vorschrift des § 20 Abs. 1 StVO sowie derjenige unaufmerksamer Fahrweise bestehen bliebe. Da der Kläger die Fahrbahn von rechts nach links überschritten habe, könne er eine Verletzung der Fahrordnung des § 7 Abs. 1 StVO durch den Erstbeklagten nur insoweit rügen, als dieser nicht einen ausreichenden Sicherheitsabstand vom rechten Fahrbahnrand eingehalten und ihn dadurch gefährdet hätte; soweit aber die Einhaltung eines zu großen Abstandes vom rechten Fahrbahnrand geltend gemacht werde, fehle es am Rechtswidrigkeitszusammenhang, weil diese Vorschrift grundsätzlich nur zugunsten des entgegen und und von links kommenden Verkehrs aufgestellt worden sei.
Die im Urteil des Erstgerichtes getroffenen Feststellungen würden somit nur insoweit der Entscheidung des Berufungsgerichtes zugrunde gelegt, als sie im Einklang mit der bindenden Wirkung der Strafverfügung gemäß § 268 ZPO stünden. Das Berufungsgericht gehe davon aus, daß der Erstbeklagte nicht aufmerksam gefahren sei und es daher bei Einhaltung einer Geschwindigkeit von 50 km/h und sofortiger Reaktion nicht zum Unfall gekommen wäre. Die in ZVR 1984/43 veröffentlichte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes habe einen Fall zum Gegenstand, der dem hier vorliegenden durchaus rechtsähnlich sei: Dem Fußgänger sei eine Verletzung der Vorschrift des § 76 Abs. 4 lit. b StVO vorgeworfen worden, dem Kraftfahrer eine relativ überhöhte Geschwindigkeit und verspätete Reaktion. Das Berufungsgericht folge den für diesen Fall ausgesprochenen Erwägungen des Obersten Gerichtshofes, der eine Verschuldensteilung im Verhältnis von 1 : 1 gebilligt habe. Aus den Berufungsausführungen der Beklagten sei zwar erkennbar, daß sie einen Anspruch auf Schmerzengeld grundsätzlich für gerechtfertigt erachteten, nicht aber, in welcher Höhe. Aus diesem Grund müsse die Berufung der Beklagten insoweit als unbestimmt und daher nicht gesetzmäßig ausgeführt angesehen werden. Darüber hinaus sei aber ohnedies die Berufung des Klägers gerechtfertigt. Im Vordergrund stehe die Schwere der Verletzungen und die gesamte Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes, nicht aber das Ausmaß der bisher anzunehmenden Schmerzperioden. Bei dem schwerstens verletzten Kläger bestehe dauernd ein hohes Maß an Beschwerden und Beeinträchtigungen, die trotz der reduzierten Bewußtseinslage wahrgenommen und verarbeitet würden und sich über den Großteil des Lebensablaufes erstreckten. Der geltend gemachte Anspruch von rechnungsmäßig S 1,200.000,-- erscheine daher nicht überhöht. Unter Berücksichtigung einer Schadensteilung im Verhältnis von 1 : 1 und unter Bedachtnahme auf die Teilzahlung von S 100.000,-- sei dem Kläger daher ein Betrag von S 500.000,-- zuzusprechen und das Mehrbegehren von S 600.000,-- abzuweisen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten. Sie bekämpfen es aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, "daß das Mitverschulden des Erstbeklagten am Zustandekommen des Verkehrsunfalles vom 21. 11. 1979 mit maximal 25 % festgelegt werde; demzufolge sei das Leistungsbegehren diesem Standpunkt angepaßt abzuweisen"; hilfsweise stellen sie einen Aufhebungsantrag.
Der Kläger hat eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, der Revision der Beklagten keine Folge zu geben. Die Revision ist im Hinblick auf den Wert des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschieden hat, ohne die im § 503 Abs. 2 ZPO normierte Einschränkung der Revisionsgründe zulässig und auch sachlich teilweise berechtigt. Vorwegzunehmen ist, daß trotz der ungewöhnlichen Formulierung des von den Beklagten primär gestellten Abänderungsantrages im Hinblick auf den gesamten Inhalt der Revisionsschrift kein Zweifel daran besteht, was die Beklagten mit diesem Rechtsmittel anstreben, nämlich die Abänderung der angefochtenen Entscheidung dahin, daß das Leistungsbegehren des Klägers zur Gänze abgewiesen und seinem Feststellungsbegehren nur in Ansehung eines Viertels seiner künftigen Unfallschäden stattgegeben, das Feststellungsmehrbegehren aber abgewiesen werde.
Rechtliche Beurteilung
Was zunächst die Frage der Verschuldensteilung betrifft, machen die Beklagten, soweit sie in ihrem Rechtsmittel die unrichtige Anwendung des § 268 ZPO durch das Berufungsgericht behaupten, inhaltlich den Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens geltend; dies allerdings zu Unrecht. Die im § 268 ZPO normierte Bindungswirkung rechtskräftiger verurteilender Erkenntnisse des Strafgerichtes, die sich nach ständiger Rechtsprechung auch auf Strafverfügungen erstreckt (SZ 25/14; ZVR 1974/96; ZVR 1979/312; SZ 53/145 uva.), hat zur Folge, daß der Zivilrichter keine vom Straferkenntnis abweichenden Feststellungen bezüglich des Nachweises der strafbaren Handlung, ihrer Zurechnung und des Kausalzusammenhanges zwischen der strafbaren Handlung und deren Folgen treffen darf (SZ 55/154 ua.). Wenn das Berufungsgericht in Bindung an ein rechtskräftiges Straferkenntnis gemäß § 268 ZPO einen bestimmten Sachverhalt feststellt, kann dies auch dann, wenn es dabei von dieser Gesetzesstelle widerstreitenden Feststellungen des Erstgerichtes ohne Beweiswiederholung abgeht, keinen Verfahrensmangel begründen (SZ 28/117 ua.).
Unter diesen Umständen ist darin, daß das Berufungsgericht (abweichend von den Feststellungen des Erstgerichtes) ohne Beweiswiederholung davon ausging, daß der Erstbeklagte unaufmerksam fuhr, kein Verfahrensmangel zu erkennen, weil auf Grund der Bindungswirkung der gegen den Erstbeklagten ergangenen Strafverfügung für das Zivilgericht bindend feststeht, daß der Erstbeklagte den Kläger nicht ausreichend beachtete. Die vom Berufungsgericht abweichend von den Feststellungen des Erstgerichtes getroffene Feststellung, daß es bei Einhaltung einer Geschwindigkeit von 50 km/h und sofortiger Reaktion des Erstbeklagten nicht zum Unfall gekommen wäre, ist allerdings durch die Bindungswirkung der gegen den Erstbeklagten ergangenen Strafverfügung nicht gedeckt, weil sich derartiges aus dieser Strafverfügung, die dem Erstbeklagten nur zum Vorwurf macht, den Kläger nicht ausreichend beachtet und daher niedergestoßen zu haben, nicht ableiten läßt. Insoweit wäre dem Berufungsgericht ein Verstoß gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz vorzuwerfen, weil es ohne Beweiswiederholung eine von den Feststellungen des Erstgerichtes abweichende Feststellung getroffen hat.
Dieser Verfahrensverstoß ist aber für die zu treffende Entscheidung nicht relevant. Es kommt nämlich gar nicht darauf an, ob, wie das Erstgericht feststellte, der Unfall auch bei Einhaltung einer Fahrgeschwindigkeit von 50 km/h durch den Erstbeklagten erfolgt wäre, wobei allerdings die Unfallsfolgen geringer ausgefallen wären, oder, wie das Berufungsgericht feststellte, der Unfall bei Einhaltung einer Fahrgeschwindigkeit von 50 km/h durch den Erstbeklagten überhaupt unterblieben wäre. Denn es entspricht ständiger Rechtsprechung, daß der Schädiger, der eine Schutznorm im Sinne des § 1311 ABGB übertreten hat, für die eingetretenen Unfallsfolgen haftet, es sei denn, er könnte beweisen, daß sich der Unfall auch bei rechtmäßigem Verhalten in gleicher Weise und mit gleich schweren Folgen ereignet hätte (ZVR 1984/273; ZVR 1985/1; ZVR 1985/28 uva.). Dieser Beweis wurde von den Beklagten jedenfalls nicht erbracht, mag man von der oben wiedergegebenen Feststellung des Erstgerichtes oder der abweichenden Feststellung des Berufungsgerichtes ausgehen.
Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt daher nicht vor.
Die vom Berufungsgericht vorgenommene Verschuldensteilung im Verhältnis von 1 : 1 ist zu billigen.
Entscheidend für die Verschuldensteilung ist nicht eine Gegenüberstellung der von einzelnen Verkehrsteilnehmern begangenen Verstöße gegen straßenverkehrsrechtliche Bestimmungen, sondern der Grad ihrer Fahrlässigkeit, die Wichtigkeit der verletzten Vorschriften für die Sicherheit des Straßenverkehrs und die Größe und Wahrscheinlichkeit der durch ihr schuldhaftes Verhalten bewirkten Gefahr (ZVR 1974/130; ZVR 1976/11; 8 Ob 37/84; 8 Ob 27/85 uva.).
Geht man von den Feststellungen der Vorinstanzen über den Unfallsablauf aus, dann ist dem Erstbeklagten, der im Ortsgebiet eine Fahrgeschwindigkeit von 64 km/h einhielt, eine Übertretung der Schutzvorschrift des § 20 Abs. 2 StVO anzulasten. Darüber hinaus steht (trotz der damit nicht im Einklang stehenden Feststellungen des Erstgerichtes über die sofortige Reaktion des Erstbeklagten auf das Betreten der Fahrbahn durch den Kläger) auf Grund der Bindungswirkung der gegen den Erstbeklagten ergangenen Strafverfügung fest, daß der Erstbeklagte den Kläger nicht ausreichend beachtete. Stellt man dem das Fehlverhalten des Klägers gegenüber, der die Fahrbahn ohne Beachtung des herankommenden Fahrzeuges des Erstbeklagten betrat und damit gegen § 76 Abs. 1 und Abs. 4 lit. b StVO verstieß, dann ist in der vom Berufungsgericht vorgenommenen Verschuldensteilung im Verhältnis von 1 : 1 ein Rechtsirrtum nicht zu erkennen. Die in der Revision der Beklagten zitierten oberstgerichtlichen Entscheidungen (ZVR 1982/258 und ZVR 1984/215) betreffen völlig anders gelagerte Sachverhalte; insbesondere war in diesen Fällen dem Kraftfahrzeuglenker kein Verstoß gegen § 20 Abs. 2 StVO vorzuwerfen.
Mit ihren Revisionsausführungen zur Höhe des Schmerzengeldanspruches des Klägers versuchen die Beklagten darzutun, daß dem Kläger nur ein Schmerzengeld von S 400.000,-- gebühre.
Dazu ist zunächst in verfahrensrechtlicher Hinsicht zu bemerken, daß die Beklagten zwar, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, ihre Rechtsrüge in der Berufung in Ansehung des dem Kläger zugesprochenen Schmerzengeldes nicht gesetzmäßig ausführten, weil sie dort nicht angaben, in welcher Höhe das dem Kläger gebührende Schmerzengeld zu bemessen sei (die Anführung des Berufungsinteresses ersetzt entgegen der in der Revision vertretenen Meinung der Beklagten eine derartige Ausführung keineswegs), daß sie aber trotzdem jedenfalls berechtigt sind, die Entscheidung des Berufungsgerichtes über die Höhe des dem Kläger gebührenden Schmerzengeldes mit Rechtsrüge zu bekämpfen, weil das Berufungsgericht dem Kläger ein höheres Schmerzengeld zuerkannte als das Erstgericht.
In der Sache selbst kann hier den Revisionsausführungen teilweise Berechtigung nicht aberkannt werden.
Das Schmerzengeld ist die Genugtuung für alles Ungemach, das der Geschädigte infolge seiner Verletzungen und ihrer Folgen zu erdulden hat. Es soll den Gesamtkomplex der Schmerzempfindungen unter Bedachtnahme auf die Dauer und Intensität der Schmerzen nach ihrem Gesamtbild, auf die Schwere der Verletzung und auf das Maß der physischen und psychischen Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes abgelten, die durch die Schmerzen entstandenen Unlustgefühle ausgleichen und den Verletzten in die Lage versetzen, sich als Ersatz für die Leiden und anstelle der ihm entgangenen Lebensfreude auf andere Weise gewisse Annehmlichkeiten und Erleichterungen zu verschaffen (ZVR 1983/200; 8 Ob 194/83; 8 Ob 69/85 uva.). Hieraus folgt einerseits, daß bei der Bemessung des Schmerzengeldes auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen, andererseits aber zur Vermeidung einer Ungleichmäßigkeit in der Rechtsprechung ein objektiver Maßstab anzulegen ist (vgl. Jarosch-Müller-Piegler, Das Schmerzengeld in medizinischer und juristischer Sicht 4 156 ff., insbesondere 160; ZVR 1982/392; 8 Ob 194/83; 8 Ob 69/85 ua.). Im vorliegenden Fall hat nach den Feststellungen der Vorinstanzen der Kläger unter Verletzungsfolgen zu leiden, die sicher zu den schwersten gehören, die man sich vorstellen kann. Dabei stehen nicht die körperlichen Verletzungen im Vordergrund, sondern die Tatsache, daß der zur Unfallszeit im 38. Lebensjahr stehende Kläger in seiner Persönlichkeit bleibend in schwerster Weise beeinträchtigt wurde. Geht man von den Feststellungen der Vorinstanzen über die beim Kläger eingetretenen Verletzungsfolgen aus, dann ist es zweifellos gerechtfertigt, dem Kläger ein Schmerzengeld zuzubilligen, das dem in der bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes erfolgten Höchstzuspruch von S 1,000.000,-- entspricht (5 Ob 608/84); eine Überschreitung dieser bisherigen Höchstgrenze erscheint allerdings nicht gerechtfertigt. Unter Berücksichtigung der vorgenommenen Schadensteilung und der dem Kläger zugekommenen Teilzahlung von S 100.000,-- ist daher dem Kläger ein Schmerzengeld von S 400.000,-- zuzusprechen und sein diesbezügliches Mehrbegehren abzuweisen.
Es kann allerdings neben dem Feststellungsbegehren nur über das gegen den Erstbeklagten gerichtete Leistungsbegehren aus dem Titel des Schmerzengeldes erschöpfend abgesprochen werden; über das aus diesem Titel gegen die Zweitbeklagte gerichtete Leistungsbegehren ist ein endgültiger Abspruch nur möglich, soweit es abzuweisen ist. Im Umfang der Stattgebung des gegen die Zweitbeklagte gerichteten Leistungsbegehrens mit einem Betrag von S 400.000,-- s. A. mußten die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben werden. Der Kläger begehrte die Verurteilung der Zweitbeklagten zur Zahlung des von ihm verlangten Kapitalbetrages "im Rahmen des Haftpflichtversicherungsvertrages" über den PKW des Erstbeklagten; in dieser Form gaben beide Vorinstanzen dem gegen die Zweitbeklagte gerichteten Leistungsbegehren statt.
Dazu ist zunächst auszuführen, daß nach allgemeinen Beweislastregeln jede Partei verpflichtet ist, die ihr günstigen rechtlich erheblichen Tatsachen zu behaupten und zu beweisen. Es hat daher auch grundsätzlich der Haftpflichtversicherer die für ihn günstigen Tatsachen, aus denen sich eine Beschränkung seiner Haftung nach § 155 Abs. 1 bzw. § 156 Abs. 3 VersVG ergibt, zu behaupten und zu beweisen. Derartige Tatsachenbehauptungen hat die Zweitbeklagte in Ansehung des vom Kläger verlangten Kapitalbetrages bisher nicht aufgestellt; ihr in der Klagebeantwortung erhobener Einwand der mangelnden Deckung durch die Versicherungssumme betrifft nur das Rentenbegehren des Klägers (ON 7 S 23). Dies hindert den Kläger nicht, selbst einer Haftungsbeschränkung des Versicherers in seinem Klagebegehren entsprechend Rechnung zu tragen und seinen Schadenersatzanspruch entsprechend zu kürzen, um einer teilweisen Klagsabweisung auf Grund von Einwendungen des beklagten Haftpflichtversicherers vorzubeugen. Der vom Kläger dem gegen den beklagten Haftpflichtversicherer gerichteten Kapitalbegehren beigefügten Beschränkung ("im Rahmen des Haftpflichtversicherungsvertrages") kann daher nicht jede Bedeutung für das Klagebegehren abgesprochen werden; allerdings macht sie in Wahrheit das Kapitalbegehren unbestimmt.
Bei dem Erfordernis der Bestimmtheit des Klagebegehrens als Voraussetzung für einen tauglichen Exekutionstitel handelt es sich nach Lehre (vgl. Fasching, Kommentar III 23 f.) und Rechtsprechung (vgl. ZBl. 1937/181; SZ 36/86; MietSlg. 7649; 8 Ob 606/78; 8 Ob 87/79) um eine prozessuale Klagsvoraussetzung, deren Vorhandensein von Amts wegen auch noch im Rechtsmittelverfahren zu prüfen ist.
Bei einer Leistungsklage muß das Begehren gemäß § 226 ZPO bestimmt bezeichnen, welche Leistung begehrt wird. Mit dem auf Leistung eines ziffernmäßig bestimmten Betrages "im Rahmen des Haftpflichtversicherungsvertrages" gerichteten Begehren wird der Leistungsgegenstand nicht bestimmt bezeichnet, weil damit nicht der geforderte volle Betrag, sondern unter Umständen ein Weniger, nämlich ein durch das Zulangen der vertraglichen Versicherungssumme begrenzter Betrag, begehrt wird, wobei diese Beschränkung nicht für eine Zwangsvollstreckung hinreichend bestimmt ist und somit den zu schaffenden Exekutionstitel unbestimmt und damit unvollstreckbar macht (8 Ob 87/79; 8 Ob 198, 268/79; 8 Ob 278, 279/80). Es entspricht herrschender Lehre (Fasching, Kommentar III 23 ff.) und Rechtsprechung (SZ 41/148; NZ 1969, 137; NZ 1977, 26; 8 Ob 606/78; 8 Ob 87/79 ua.), daß die Unbestimmtheit oder Undeutlichkeit des Begehrens nicht die sofortige Klagsabweisung rechtfertigt, sondern daß der Richter in Erfüllung seiner Prozeßleitungspflicht nach § 182 ZPO auch den anwaltlich vertretenen Kläger zu einer Präzisierung des Klagebegehrens aufzufordern hat. Pflicht des Gerichtes ist es aber nur, auf die Behebung des mangelhaften Urteilbegehrens hinzuwirken und dem Kläger die Verbesserung seines Begehrens aufzutragen. Sache des anwaltlich vertretenen Klägers ist es, dem Klagebegehren eine entsprechende bestimmte Fassung zu geben.
Unter diesen Umständen mußten im Umfang der Stattgebung des gegen die Zweitbeklagte gerichteten Leistungsbegehrens mit einem Betrag von S 400.000,-- s.A. im Sinne des § 510 Abs. 1 ZPO die Urteile beider Vorinstanzen aufgehoben werden. In diesem Umfang war die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Das Erstgericht wird dem Kläger Gelegenheit zu geben haben, im Sinne obiger Ausführungen auch gegen die Zweitbeklagte ein ziffernmäßig bestimmtes Kapitalbegehren zu stellen, wozu bereits ausreichen würde, daß der Kläger die bisherige Einschränkung bezüglich der Haftungsbeschränkung der Zweitbeklagten fallen läßt. Sollte sich die Zweitbeklagte auf eine Beschränkung der sie treffenden Verpflichtung zur Leistung eines Kapitalbetrages an den Kläger im Sinne des § 156 Abs. 3 VersVG berufen, dann wird es ihre Sache sein, die entsprechenden Tatsachen zu behaupten und im Falle ihrer Bestreitung unter Beweis zu stellen. Gewiß steht es dem Kläger frei, einem solchen Einwand durch eine entsprechende Einschränkung seines Kapitalbegehrens Rechnung zu tragen. Dies kann aber nur in der Form erfolgen, daß der Kläger nach wie vor ein bestimmtes Leistungsbegehren stellt; ein unbestimmtes Leistungsbegehren, das trotz Erfüllung der Prozeßleitungspflicht des Gerichtes nicht präzisiert wird, müßte letztlich erfolglos bleiben. Unter diesen Umständen war in teilweiser Stattgebung der Revision der Beklagten wie im Spruch zu entscheiden. Der Vorbehalt der Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 52 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO.
Anmerkung
E08639European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0080OB00020.86.0710.000Dokumentnummer
JJT_19860710_OGH0002_0080OB00020_8600000_000