Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl, Dr. Schobel, Dr. Klinger, Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei Dipl.Ing.Dr. Gerhard K***, Bauingenieur, Saskatoon, 1661 Bader Crescent, Saskatchewan, Kanada, vertreten durch Dr. Michael Stern, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte und widerklagende Partei Leila K***, geborene H***, im Haushalt, Menden, St.Augustin, Gutenbergstraße 13, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr.Sygmund Schmerz, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ehescheidung und Leistung gesetzlichen Unterhaltes, infolge Revision der klagenden und widerbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 19.Oktober 1984, GZ 15 R 188/84-625, womit infolge Berufung der beklagten und widerklagenden Partei das Teilurteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 14.Juli 1983, GZ 11 Cg 266/78-579, in der Entscheidung über den Antrag auf Ausspruch über das Verschulden an der Zerrüttung der Ehe abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird n i c h t stattgegeben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Streitteile sind am 18.August 1964 in Salzburg die Ehe eingegangen. Der Ehemann war und blieb österreichischer Staatsbürger. Die in Jaffa geborene Ehefrau erwarb durch die Eheschließung die österreichische Staatsangehörigkeit. Der letzte gemeinsame inländische Wohnsitz der Streitteile lag im Sprengel des Erstgerichtes.
Am 30.Oktober 1968 brachte der Ehemann eine auf § 49 EheG gestützte Scheidungsklage an. Im Sinne eines am 18.Oktober 1972 bei Gericht eingelangten Fortsetzungsantrages brachte der Ehemann vor, die Streitteile lebten seit 26.März 1969 ständig voneinander getrennt; darauf stützte der Ehemann ein auf § 55 aF EheG gegründetes Scheidungsbegehren. Die Beklagte erhob Widerspruch. Am 17.Februar 1977 erhob die Beklagte ihrerseits eine auf § 49 EheG gestützte Widerklage, in der sie unter anderem behauptete, der Ehemann habe sie 1969 böswillig verlassen. Mit diesem Scheidungsbegehren verband die Ehefrau ein Begehren auf Leistung des Unterhaltes in der Zeit nach Rechtskraft des Scheidungsausspruches. Mit dem Urteil vom 30.November 1977 schied das Erstgericht die Ehe aus beiderseitigem Verschulden und sprach der Ehefrau - unter Abweisung eines Mehrbegehrens von 7 % - Unterhalt für die Zeit ab Rechtskraft der Scheidung im Ausmaß von 18 % des Nettoeinkommens des Ehemannes zu.
Infolge Berufung beider Parteien faßte das Berufungsgericht einen Aufhebungsbeschluß.
In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 23. Januar 1979 erklärte der Ehemann, nur noch das Scheidungsbegehren im Sinne des § 55 Abs3 EheG aufrecht zu erhalten. Die Ehefrau zog ihr Scheidungsbegehren unter Verzicht auf den Anspruch zurück. Sie hielt aber ihr Unterhaltsbegehren aufrecht und erklärte dessen Ausdehnung.
Gegen das auf § 55 Abs3 EheG gestützte Scheidungsbegehren des Mannes wendete die Frau ein, die Ehezerrüttung sei nicht absolut unheilbar.
Davon abgesehen beantragte sie gemäß § 61 Abs3 EheG, das Alleinverschulden des Ehemannes an der Zerrüttung festzustellen. Der Ehemann gestand mit dem Vorbringen, die Beklagte grundlos verlassen und ehestörende Beziehungen zu seiner geschiedenen Ehefrau unterhalten zu haben, ausdrücklich sein Alleinverschulden an der Zerrüttung zu.
Mit dem Urteil vom 27.März 1979 schied das Erstgericht die Ehe aus dem Grunde des § 55 Abs3 EheG und traf dabei den von der Ehefrau begehrten Ausspruch nach § 61 Abs3 EheG.
Das Berufungsgericht faßte abermals einen Aufhebungsbeschluß. Die Ehefrau behauptete im dritten Rechtsgang eine mehrfache Wiederaufnahme der ehelichen Gemeinschaft (im Februar 1979, Mai 1979 und Sommer 1980). Außerdem machte sie Versöhnung un Wiederaufnahme der Ehe im Sommer 1981 geltend.
Der Ehemann war seit dem Jahre 1975 in der kanadischen Provinz Saskatchewan wohnhaft. Er brachte beim zuständigen kanadischen Gericht eine auf Abschnitt 4, Unterabschnitt 1, Buchstabe e, Unterbuchstabe ii des kanadischen Scheidungsgesetzes gestützte Scheidungsklage gegen die Frau ein; dazu behauptete der Ehemann, seit März 1969 nicht mehr mit seiner Ehefrau zusammenzuleben. Das in Österreich anhängige Scheidungsverfahren verschwieg er. Das kanadische Gericht faßte am 14.Oktober 1981 über die auf den Grund der Ehezerrüttung infolge Getrenntlebens der Eheleute durch mindestens fünf Jahre, seit die klagende Partei die beklagte Partei verlassen hat, gestützte Scheidungsklage ein vorläufiges, bedingtes Erkenntnis (Decree Nisi) und nach dem Verstreichen der darin festgesetzten Frist von drei Monaten das endgültige Scheidungsurteil (Decree Absolute) vom 10.Februar 1982 auf Scheidung der am 18. August 1964 zwischen den Streitteilen geschlossenen Ehe. Diese Entscheidung enthält keinen Schuldausspruch.
Das Bundesministerium für Justiz hat mit dem Bescheid vom 4. Juni 1982, Zl.414.346/9-I-12/82 gemäß § 24 Abs1 der 4.DVEheG festgestellt, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anerkennung des erwähnten Decree Absolute vom 10.Februar 1982 gegeben sind.
Über eine von der Ehefrau gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hatte der Verwaltungsgerichtshof bis zur Fällung des Berufungsurteiles nicht entschieden gehabt.
Der Ehemann vertrat zwar in der Folge die Ansicht, rechtskräftig geschieden zu sein, stellte aber ausdrücklich klar, daß seinerseits keine Klagsrücknahme erfolge.
Die Ehefrau bestritt, daß die Voraussetzungen für die Anerkennung des kanadischen Urteiles vorlägen und diese Entscheidung mit Wirkung für den inländischen Rechtsbereich die Ehe zur Auflösung gebracht habe. Für den Fall, daß das kanadische Urteil als eheauflösend angesehen Derden sollte, beantragte sie die Feststellung, daß den Ehemann das alleinige Verschulden an der Zerrüttung der Ehe treffe.
Das Prozeßgericht erster Instanz schränkte die Verhandlung und Entscheidung "auf den Rechtsstreit wegen Ehescheidung" ein. Mit dem Teilurteil vom 14.Juli 1983, ON 579, wies das Erstgericht das Scheidungsbegehren des Mannes im Hinblick auf das kanadische Scheidungserkenntnis und den nach § 24 Abs1 der 4.DVEheG ergangenen Bescheid wegen rechtskräftig entschiedener Sache ab. Daraus folgerte das Erstgericht, daß auch der im Sinne des § 61 Abs3 EheG gestellte Antrag der Ehefrau abgewiesen werden müsse. Das Berufungsgericht faßte aus Anlaß der gegen das Teilurteil vom 14.Juli 1983 erhobenen Berufung den Beschluß auf Aufhebung dieses Urteiles sowie des bisher über die Ehescheidungsklage abgeführten Verfahrens als nichtig und wies die Klage in diesem Umfang wegen rechtskräftig entschiedener Streitsache zurück. Der Oberste Gerichtshof hat den gegen diesen Zurückweisungsbeschluß erhobenen Rekurs in Ansehung des Scheidungsbegehrens zurückgewiesen, im übrigen aber den Zurückweisungsbeschluß aufgehoben und dem Gericht zweiter Instanz eine neuerliche Entscheidung aufgetragen (Beschluß vom 12.Juli 1984, 6 Ob 592/84; ON 624). Die näheren Einzelheiten des Verfahrensverlaufes können der Begründung dieser Entscheidung entnommen werden.
Das Berufungsgericht hat mit seinem Urteil vom 19.Oktober 1984, ON 625, das Urteil erster Instanz insofern abgeändert, daß es dem Antrag der Ehefrau stattgab und aussprach, den Ehemann treffe das alleinige Verschulden an der Zerrüttung der Ehe.
Als Tatsachen legte das Berufungsgericht dabei zugrunde, daß das kanadische Gericht die Scheidung der Ehe aus dem Grunde der sec (4) subsec (1) lit (e) sublit (ii) des kanadischen Divorce Act (Ehezerrüttung infolge Getrenntlebens der Eheleute durch mindestens fünf Jahre, seit die klagende Partei die beklagte Partei verlassen hat) ausgesprochen hat, daß mit ministeriellem Beschluß gemäß § 24 Abs1 der 4.DVEheG das Vorliegen der Anerkennungsvoraussetzungen festgestellt wurde und der Ehemann als Scheidungskläger sein alleiniges Verschulden an der Zerrüttung der Ehe ausdrücklich zugestanden habe.
In rechtlicher Beurteilung führte das Berufungsgericht aus:
Nach § 20 Abs1 IPR-Gesetz - den die inländischen Gerichte in dem hierlands anhängigen Rechtsstreit anzuwenden gehabt hätten - wären die Voraussetzungen und die Wirkungen der Scheidung nach inländischem Recht zu beurteilen gewesen. Das vom Ehemann - unter Verschweigung des hierlands anhängigen Scheidungsverfahrens - angerufene kanadische Gericht habe das dort gestellte Scheidungsbegehren nach kanadischem Recht beurteilt. In Ansehung dieser Entscheidung sei das Vorliegen der Anerkennungsvoraussetzungen gemäß § 24 Abs1 der 4.DVEheG festgestellt worden. Dessenungeachtet sei der nacheheliche Unterhaltsanspruch der Ehefrau als Scheidungsfolge im Sinne des § 20 Abs1 IPR-Gesetz nach inländischem Recht zu beurteilen. Es müsse nämlich auf jeden Fall vermieden werden, daß es einem Ehegatten durch gesonderte Klagsführung im Ausland möglich sei, über die prozessuale Bindungswirkung der ausländischen Entscheidung hinaus auf die Scheidungsfolgen durch Änderung ihrer rechtlichen Grundlagen Einfluß zu nehmen. Anderenfalls wäre es nämlich rein vom Zufall abhängig, ob über den vom ausländischen Gericht bindend entschiedenen Teilbereich hinaus der Gesamtkomplex der durch die Entscheidung aufgeworfenen Fragen nach einem vom an sich berufenen inländischen Recht abweichenden ausländischen Recht beurteilt werden müßte. Es könne nicht Sinn der grundsätzlich angestrebten Gleichsetzung von Ehescheidungs- und Ehewirkungsstatut sein, eine vollständige Verdrängung des berufenen Rechtes durch eine geschickte Prozeßführung eines Ehegatten zu erreichen. Ein derartiges Ergebnis wäre umsoweniger sachgerecht, als gerade auch im vorliegenden Verfahren vom Bundesministerium für Justiz die Frage, ob nach österreichischem internationalen Privatrecht auch österreichisches Ehescheidungsrecht berufen gewesen wäre, nur dahin geprüft worden sei, ob die Ehe auch bei Anwendung österreichischen Scheidungsrechtes (§ 55 Abs3 EheG) geschieden worden wäre (§ 328 Abs 1 Z 3 dZPO), nicht aber im Hinblick auf weiterreichende vermögensrechtliche Folgen.
Das Berufungsgericht unterstellte aus dem auf § 20
Abs1 IPR-Gesetz und einer Erschleichung der Rechtsprechung des ausländischen Gerichtes durch den Ehemann abgeleiteten Verpflichtung der inländischen Gerichte, den nachehelichen Unterhaltsanspruch der Frau nach inländischem Recht zu beurteilen, einen Rechtsschutzanspruch der Frau, das Verschulden des Ehemannes an der zum Scheidungsgrund erhobenen Zerrüttung der Ehe als Tatsachenvoraussetzung für den Unterhaltsanspruch urteilsmäßig feststellen zu lassen; es erachtete den Ausspruch nach dem eigenen Vorbringen des Mannes als berechtigt. Darin erblickte das Berufungsgericht offensichtlich keine Ergänzung des ausländischen, nach ausländischem Recht gefällten Scheidungsurteiles, sondern eine autonome Entscheidung des (zeitlich vor dem ausländischen Gericht) angerufenen inländischen Gerichtes, dem infolge der Anerkennung des ausländischen Scheidungsurteiles nur noch ein Rest des ursprünglichen Streitgegenstandes zur Entscheidung verblieben sei, nach inländischem Recht, wobei die Entscheidung des ausländischen Gerichtes lediglich ein notwendiges Beziehungselement darstelle. Der Ehemann ficht die abändernde Entscheidung des Berufungsgerichtes aus den Revisionsgründen nach § 503 Abs1 Z 2 und 4 ZPO mit einem auf Abweisung des von der Ehefrau gestellten Feststellungsantrages gerichteten Abänderungsantrag und einem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag an.
Die Ehefrau strebt die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Der Ehemann hat unter bewußter Verschweigung der Streitanhängigkeit seines auf § 55 Abs3 EheG gestützten Scheidungsbegehrens die Jurisdiktion der kanadischen Gerichte für sein auf sec (4) subsec (1) lit (e) sublit (ii) gestütztes Scheidungsbegehren in Anspruch genommen und eine Scheidung der Ehe nach kanadischem Scheidungsrecht erwirkt. Mit ministeriellem Bescheid wurde das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anerkennung dieses kanadischen Urteiles festgestellt. Für die Scheidungsfolgen übt das Erkenntnis Tatbestandswirkung in der Richtung aus, daß die Ehe aus dem zugrundegelegten Sachverhalt nach kanadischem Scheidungsrecht aufgelöst wurde. Das bindet aber das zur Entscheidung über ein für die Zeit nach der Scheidung gestelles Unterhaltsbegehren angerufene inländische Gericht nicht in der Weise, daß es die Voraussetzungen des Unterhaltsanspruches nur deshalb, weil die Ehe nach kanadischem Recht geschieden worden war, auch nach kanadischem Recht zu beurteilen hätte.
Das zur Entscheidung über eine Scheidungsfolge angerufene inländische Gericht hat die maßgebende Rechtsordnung nach § 20 IPR-Gesetz zu ermitteln. Eine Norm des Inhaltes, daß auf die bei der Entscheidung über das Scheidungsbegehren tatsächlich angewendete Rechtsordnung abzustellen wäre, besteht nicht. Das Unterhaltsbegehren der Ehefrau wird gemäß § 20
Abs1 IPR-Gesetz nach inländischem Recht zu beurteilen sein. Für eine Anwendung des § 69 Abs2 EheG ist ein urteilsmäßiger Ausspruch im Sinne des § 61 Abs3 EheG tatbestandlich vorausgesetzt. Die Ehefrau hat daher einen im Zusammenhang mit der Tatsache der Ehescheidung aus einem dem § 55 Abs3 EheG entsprechenden Grunde einer ausländischen Rechtsordnung einen selbständigen Rechtsschutzanspruch auf eine Entscheidung im Sinne des § 61 Abs3 EheG.
Das Revisionsgericht vermag aus diesen Erwägungen die zur Rechtsrüge des Revisionswerbers dargelegten Bedenken gegen die Sachbeurteilung durch das Berufungsgericht nicht zu teilen. Auch die Verfahrensrüge ist nicht stichhältig.
Die mündliche Streitverhandlung erster Instanz ist am 31. Januar 1983 geschlossen worden (Art X Z 4 des Bundesgesetzes vom 11. November 1983, BGBl. Nr.566). Das Erstgericht traf keine Feststellungen, die einen Schluß auf das Verschulden an der Zerrüttung der Ehe zuließen. Das Berufungsgericht legte dazu die Tatsachen zugrunde, die der nunmehrige Revisionswerber im Verfahren erster Instanz selbst behauptete, ohne daß er sie in der Berufungsmitteilung widerrufen hätte. Er kann sich daher nicht dadurch für beschwert erachten, daß seine eigenen Tatsachenbehauptungen zu den Ursachen der Ehezerrüttung zugrunde gelegt wurden. Die Wertung dieser Tatsachen durch das Berufungsgericht ist unbedenklich und wird auch als solche vom Revisionswerber nicht bekämpft.
Der Revision war also ein Erfolg zu versagen.
Der Vorbehalt der Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs2, § 392 Abs2 ZPO.
Anmerkung
E08579European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0060OB00586.85.0710.000Dokumentnummer
JJT_19860710_OGH0002_0060OB00586_8500000_000