TE OGH 1986/7/14 1Ob557/86

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Veröffentlicht am 14.07.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Jutta S***, Hausfrau, Weißenbach, Furtherstraße 52, vertreten durch Dr. Willi Fuhrmann, Rechtsanwalt in Baden, wider die Antragsgegner 1.) Franz G***, Hilfsarbeiter,

2.) Lucia G***, Verkäuferin, beide Neuhaus a.d. Triesting 44, beide vertreten durch Dr. Peter Kaupa, Rechtsanwalt in Baden, wegen Heiratsgutbestellung infolge Revisionsrekurses der Antragsgegner gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Rekursgerichtes vom 17. Februar 1986, GZ R 272/85-42, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Pottenstein vom 20. Mai 1985, GZ 1 Nc 11/83-29, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wieder hergestellt wird.

Text

Begründung:

Die am 14.2.1962 geborene Antragstellerin ist das sechste von neun ehelichen Kindern der Antragsgegner. Sie schloß am 8. August 1981 mit Albert Scheibelreiter die Ehe. Schon vor der Eheschließung der Antragstellerin war es zwischen ihr und den Eltern zu Meinungsverschiedenheiten gekommen, die dazu führten, daß sich die Antragstellerin, die schon bei ihrem späteren Gatten wohnte, an das Gericht um Abhilfe wandte. Im Zuge eines Vergleichsversuches wurde vereinbart, daß von der Antragstellerin verschiedene Fahrnisse und Dokumente, die sich noch in der elterlichen Wohnung befanden, am 15.6.1981 von den Eltern abgeholt werden sollten. Die Antragstellerin erschien zum vereinbarten Termin vor dem Haus der Eltern. Die Eltern waren aufgebracht, weil die Antragstellerin mit ihren Anliegen nicht zu ihnen gekommen war, sondern gleich die Hilfe des Gerichtes in Anspruch genommen hatte. Da dies bereits wiederholt vorgekommen war, wollten sie "ein für allemal Ruhe haben" und verlangten von der Antragstellerin, vor der Herausgabe der restlichen Sachen die Unterfertigung einer schriftlichen Erklärung, die von der Zweitantragsgegnerin vorbereitet worden war und folgenden Wortlaut hatte: "Ich bestätige hier mit meiner Unterschrift, die von mir geforderten Gegenstände (Kleider, Luster, Staubsauger und Vorhänge etc.) von meinen Eltern Franz und Lucia G*** erhalten zu haben und verpflichte mich, keine weiteren Forderungen gleich welcher Art mehr zu stellen." Die Antragstellerin dachte damals, daß sie heiraten werde, doch war ein Termin der Hochzeit noch nicht bekannt. Die Antragsgegner wollten sich durch diese Erklärung gegen jede zukünftige Forderung der Tochter absichern. Die Antragstellerin hat sich darüber offenbar keine näheren Gedanken gemacht. Es war ihr bei Unterfertigung der Erklärung nicht bekannt, daß sie im Falle einer Heirat gegenüber den Eltern Ansprüche auf Bestellung eines Heiratsgutes geltend machen könne.

Die Antragstellerin begehrt mit ihrem am 9. März 1983 gestellten Antrag, das vom Erstantragsgegner zu leistende Heiratsgut mit S 40.000,-, das von der Zweitantragsgegnerin zu leistende mit S 30.000,- zu bestimmen. Auf die Leistung eines Heiratsgutes habe sie nicht verzichtet. Zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung vom 14. Juni 1981 hätte sie nicht gewußt, daß ihr ein Anspruch auf Heiratsgut zustehe. Der Verzicht habe sich auch nur auf alle Forderungen bezogen, die zum Zeitpunkt der Unterfertigung bestanden hätten.

Die Antragsgegner wendeten ein, sie seien finanziell nicht in der Lage, der Antragstellerin ein Heiratsgut zu gewähren. Die Antragstellerin habe auch auf die Bestellung eines Heiratsgutes verzichtet.

Im zweiten Rechtsgang wies das Erstgericht den Antrag ab. Die Antragstellerin habe rechtswirksam auf die Bestellung eines Heiratsgutes verzichtet. Mit der Erklärung vom 15.6.1981 habe die Antragstellerin auch auf künftige, erst entstehende Ansprüche verzichtet. Es spiele keine Rolle, daß sie damals vom Institut eines Heiratsgutes noch nichts gewußt habe.

Das Rekursgericht gab mit dem angefochtenen Beschluß dem Rekurs der Antragstellerin Folge, hob den Beschluß des Erstgerichtes auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Ergänzung des Verfahrens an das Erstgericht zurück. Da die Antragstellerin nicht an den Dotationsanspruch habe denken können, liege ein wirksamer Verzicht nicht vor. Die Feststellungen des Erstgerichtes über die beiderseitige Vermögens- und Einkommenslage seien ergänzungsbedürftig.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Antragsgegner ist berechtigt. Wie der erkennende Senat bereits in seiner Entscheidung vom 11.1.1984, 1 Ob 791/83, ausführte, kann auch auf künftige Heiratsgutansprüche wirksam verzichtet werden. Die von der Antragstellerin abgegebene Erklärung vom 14. Juni 1981 sei so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspreche. Sollte es übereinstimmend erklärter Parteiwille gewesen sein, daß die Antragstellerin gegen die Antragsgegner überhaupt keine weiteren vermögensrechtlichen Ansprüche, insbesondere auch solche, die im Familienrecht begründet sind, mehr stellen werde, spiele es keine Rolle, ob sie bei Abgabe dieser Erklärung konkret daran dachte, daß ihr ein Heiratsgutanspruch zustehen könnte. Im Sinne der Vertrauenstheorie, die auch hier zur Anwendung gelange, sei nur maßgeblich, ob die Antragstellerin daran denken konnte und der andere Teil daher annehmen durfte, daß mit der Erklärung auch allfällige Dotationsansprüche bereinigt seien.

Die Frage, ob die Parteien bei einem Generalvergleich an einem bestimmten Anspruch bei Vergleichsabschluß denken konnten, ist entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes keine Tatsachen-, sondern eine Rechtsfrage (Arb 9884; 2 Ob 125/75). Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Umfang der Bereinigungswirkung der Erklärung vom 14.6.1981 zwischen den Parteien erörtert wurde (EvBl 1977/266). Die Antragstellerin, die damals schon bei ihrem späteren Gatten wohnte und Meinungsverschiedenheiten mit ihren Eltern hatte, nahm wegen ihres Anspruches auf Herausgabe von Dokumenten und Fahrnissen gerichtliche Hilfe in Anspruch. Im Zuge eines gerichtlichen Vergleichsversuches wurde vereinbart, daß sich die Antragstellerin die von ihr beanspruchten Gegenstände am 15.6.1981 abholen könne. Die Antragsgegner, die über die Vorgangsweise der Tochter aufgebracht waren, wollten von ihr "ein für allemal Ruhe" haben. Sie verlangten daher, daß die Antragstellerin eine Erklärung unterfertige, wonach sie sich verpflichte, keine weiteren Forderungen, gleich welcher Art immer, gegen ihre Eltern zu stellen. Nach dem auch hier maßgeblichen objektiven Erklärungswert dieser Erklärung (ZAS 1986/8; Rdw 1984, 317; Koziol-Welser 7 I 84) muß dann, selbst wenn über den Umfang der Bereinigungswirkung keine Erörterungen stattfanden, angenommen werden, daß die Antragstellerin gegen ihre Eltern in Zukunft zumindest keine weiteren aus dem Familienrecht sich ergebenden vermögensrechtlichen Ansprüche stellen werde. Darunter fällt auch der Anspruch auf Gewährung eines Heiratsgutes, an den die Antragstellerin umso eher denken konnte, als sie damals bereits bei ihrem späteren Gatten wohnte. Daß die Antragstellerin tatsächlich an einen solchen möglichen Anspruch nicht dachte, kann nichts daran ändern, daß ihre Verzichtserklärung von ihren Eltern, den Antragsgegnern, so verstanden werden mußte. Dem Rekurs der Antragsgegner ist Folge zu geben. In Abänderung des Beschlusses des Rekursgerichtes ist der Beschluß des Erstgerichtes wieder herzustellen.

Anmerkung

E08496

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0010OB00557.86.0714.000

Dokumentnummer

JJT_19860714_OGH0002_0010OB00557_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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