Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Egermann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz S***, Landwirt, Gnadendorf 88, vertreten durch Dr. Ludwig Jira, Rechtsanwalt in Laa an der Thaya, wider die beklagte Partei Maria P***, Gastwirtin, Gnadendorf 62, vertreten durch
Dr. Hellfried Stadler, Rechtsanwalt in Mistelbach, wegen Unterlassung (Streitwert S 30.000), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg als Berufungsgerichtes vom 1. Oktober 1985, GZ 5 R 214/85-25, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Laa an der Thaya vom 20. Mai 1985, GZ C 111/84-20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.309,75 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 257,25 Umsatzsteuer und S 480,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Ortschaft Gnadendorf hat 276 Einwohner; sie liegt im Zayatal am Nordrand der Leiser Berge am Fuß des Buschberges. Die Gemeinde Gnadendorf umfaßt außerdem die Ortschaften Wenzersdorf, Zwentendorf, Pyhra, Eichenbrunn und Röhrabrunn. Die Beklagte betreibt in der Ortschaft Gnadendorf im Haus Nr. 62 seit 18. Oktober 1973 den unbeschränkten Gemischtwarenhandel und seit 21. Juli 1977 das Gastgewerbe in der Betriebsform des Kaffeerestaurants unter der Bezeichnung "Buschbergerhof". Dieses Gasthaus ist in der Ortschaft Gnadendorf ohne Konkurrenz; in den übrigen zur Gemeinde Gnadendorf gehörigen Ortschaften gibt es dagegen noch andere Gasthäuser. Der Kläger, mit dem die Beklagte weitschichtig verwandt ist, suchte den Buschbergerhof anfangs ein- bis zweimal wöchentlich aus persönlicher Neigung, sonn- und feiertags mitunter auch in Begleitung seiner Familie und sonst als Funktionär verschiedener Vereine, Institutionen und Organisationen auf. Das Verhältnis zwischen ihm und den Eheleuten P*** war freundschaftlich. Im Jahre 1980 wurde ein Sportverein mit einer Fußballmannschaft gegründet; Obmann war zunächst Wolfgang P***, der Ehegatte der Beklagten, später Wilhelm T***, ein Schwager des Klägers, und schließlich wieder der Ehegatte der Beklagten, der die Kritik des Klägers am zunehmenden Einsatz auswärtiger Spieler und an den Vorgängen bei einer Neuwahl des Vereinsvorstandes für unangebracht hielt und, weil er sie auf sich bezog, dem Kläger fortan übelnahm. So kam es zum Zerwürfnis zwischen dem Kläger und den Eheleuten P***. Als Wolfgang P*** 1982 bei der Ortsgemeinde um einen Zuschuß für einen Fremdenverkehrsprospekt ansuchte, traten der Kläger, Wilhelm T*** und Johann R*** im Gemeinderat dem Antrag entgegen; ersteren störte eine "Gstetten" vor dem Gasthaus und ein Misthaufen in dessen Hof, die das Ortsbild als ungepflegt erscheinen ließen. Als Wolfgang P*** davon erfuhr, sprach er gegen alle drei ein Lokalverbot aus. Einige Zeit später suchte der Kläger als Ortskommandant in Begleitung anderer Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr nach einer Übung das Gasthaus auf. Dabei kam es zwischen ihm und Wolfgang P*** zu einer Auseinandersetzung, in deren Verlauf der Kläger seine Kritik am Buschbergerhof aufrechterhielt; Wolfgang P*** bestand daraufhin auf dem Lokalverbot, weshalb der Kläger seine Begleiter aufforderte, mit ihm die Gaststätte zu verlassen und das Gasthaus Ö*** in dem 1 km entfernten Wenzersdorf aufzusuchen. Da diese ihm aber nicht Folge leisteten, verließ der Kläger das Lokal allein. Vor der Nationalratswahl 1983 hatte sich Wolfgang P*** um ein Abonnement der Zeitschrift "Der Bauernbündler" beworben. Der Kläger lehnte das Ansuchen in seiner Funktion als Obmann des Ortsbauernrates ab, weil Wolfgang P*** damals als Wahlzeuge der Sozialistischen Partei Österreichs nominiert worden war. Herbert H***, der 1983 Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr geworden war, berief aus Rücksicht auf den Kläger wegen des Lokalverbotes ein- bis zweimal Sitzungen in den Gemeindesaal ein. Als der Kläger von der Absicht der Funktionäre des 1977 gegründeten Sparvereines "Buschbergerhof", der dort seinen Sitz hat, für einen Teil der Einlagen seiner Mitglieder ein Konto bei der örtlichen Zweigstelle der S*** LAA an der Thaya zu eröffnen, erfuhr, gründete er in seiner Eigenschaft als Vorstandsmitglied der R*** M***, die gleichfalls in Gnadendorf eine Zweigstelle unterhält, den Sparverein "Weihnachtsfreude" mit dem Sitz in dieser Filiale. Es kam deshalb zu einem vorübergehenden Mitgliederschwund des Sparvereines "Buschbergerhof". Der Kläger fand einmal eine ihm im Buschbergerhof vorgesetzte Suppe versalzen, ein anderes Mal ein Naturschnitzel zu hart. Bei im Gasthaus der Beklagten abgehaltenen Versammlungen übte er an verschiedenen Vorgängen in den Vereinen und Organisationen, deren Funktionär oder Mitglied er ist, wiederholt Kritik. Er ist dabei aber niemals ordinär oder ausfällig geworden.
Der Kläger begehrt das Urteil, das gegen ihn mit Schreiben vom 2. Februar 1984 ausgesprochene Verbot, den Buschbergerhof zu betreten, sei rechtswidrig und unwirksam, die Beklagte sei schuldig, jedwede Aufforderung an ihn, wegen des Lokalverbotes das Gasthaus zu verlassen oder nicht zu betreten, in Hinkunft zu unterlassen. Der Kläger besuche zwar das Lokal privat schon seit Jahren nicht mehr, in seiner Funktion als Gemeinderat, Obmann des Ortsbauernrates, Ortsparteiobmann, Gemeindegruppenobmann des Bauernbundes, Gemeindeparteiobmannstellvertreter, Mitglied der Bezirksparteileitung, Vorstandsmitglied der R***
M***, stellvertretender Vorsitzender des Pfarrgemeinderates, Mitglied des Ausschusses der Hauptschulgemeinde Asparn an der Zaya und Mitglied des Ausschusses des Zaya-Wasserverbandes lasse sich der Besuch des Lokals nicht immer vermeiden, weil dort üblicherweise auch Sitzungen und Versammlungen dieser Gremien stattfänden. Das willkürlich und grundlos ausgesprochene Lokalverbot und dessen öffentliche Verbreitung seien vor allem angesichts seiner öffentlichen Funktionen eine herabsetzende Äußerung, durch die er in seiner Ehre und in seinem durch § 16 ABGB geschützten Persönlichkeitsrecht verletzt worden sei. Überdies gefährde das Lokalverbot sein Fortkommen, weil er seine öffentlichen Funktionen, in die er gewählt worden sei, seinem Ansehen bei den Gemeindebürgern und in der Öffentlichkeit verdanke und dieses Ansehen durch das Lokalverbot geschmälert werde. Er sei auch schon wiederholt darauf angesprochen worden, ob er sich etwas zuschulden kommen habe lassen und weshalb er sich nicht zur Wehr setze.
Die Beklagte wendete vor allem ein, der Kläger habe das Lokalverbot provoziert; er habe gegen ihren Ehegatten schon seit langem eine unfreundliche, ja sogar feindselige Haltung eingenommen. Sein Verhalten rechtfertige deshalb die bekämpfte Maßnahme. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es nahm als nicht erwiesen an, daß die eingangs dargestellten Verhaltensweisen des Klägers nur dazu gedient hätten, um die Beklagte als Wirtin des Buschbergerhofes zu schädigen bzw. ihr wirtschaftliche Nachteile zuzufügen, und vertrat rechtlich die Auffassung, die Beklagte sei dem Kontrahierungszwang unterworfen; der Kläger habe kein Verhalten, das das Lokalverbot rechtfertige, an den Tag gelegt. Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil, sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes zwar S 60.000, nicht aber S 300.000 übersteige, und ließ die Revision zu. Das Begehren des Klägers sei auf Unterlassung gerichtet, sein erster Teil verdeutliche lediglich die der Beklagten vorgeworfene Handlung, deren künftige Unterlassung angestrebt werde. Der Kläger stütze seinen Anspruch auf § 16 ABGB; mit dem Hinweis in der Klage, es lasse sich angesichts seiner zahlreichen Funktionen nicht immer vermeiden, das Lokal der Beklagten zu betreten, erblicke er in dem Lokalverbot eine Verletzung des durch diese Bestimmung gestützten Grundrechtes der Gleichbehandlung. Das gelte überall dort, wo die faktische Übermacht eines Beteiligten diesem die Fremdbestimmung über andere ermögliche. So werde § 16 ABGB auch Grundlage des Kontrahierungszwanges. Dieser sei im vorliegenden Fall nicht unmittelbar aus dem Gesetz, sondern aus dem Verbot sittenwidriger Schädigung abzuleiten. Stelle ein Unternehmer die Leistung bestimmter Sachen oder Dienste in Aussicht, dürfe er einem zum angesprochenen Personenkreis gehörigen Interessenten, dem zumutbare Auswegmöglichkeiten fehlten, die auf die Deckung seines Bedarfes erforderlichen Leistungen und den vorbereitenden Vertragsabschluß ohne sachlich gerechtfertigte Gründe nicht verweigern. Soweit die Beklagte einwende, dem Kläger gehe es lediglich um das Betreten des Lokals, sei ihr entgegenzuhalten, daß sich das Wesen eines Dorfgasthauses nicht in der Verabreichung von Speisen und Getränken erschöpfe, sondern daß es auch Ort der Begegnung und Stätte örtlicher politischer Willensbildung sei. In diesem Umfang komme der Beklagten eine Monopolstellung zu. Werde einzelnen Gemeindebürgern der Zutritt willkürlich verwehrt, würden diese ungerechtfertigterweise aus der dörflichen Gemeinschaft ausgeschlossen, so daß es zu einer nicht berechtigten Einflußnahme auf die örtliche politische Willensbildung komme. Das Verhalten der Beklagten erweise sich somit als sittenwidrig; die Annahme eines Kontrahierungszwanges sei gerechtfertigt, weil die Beklagte dem Gleichheitsgrundsatz zuwidergehandelt und damit gegen § 16 ABGB verstoßen habe. Auch das Recht der Ehre sei ein Persönlichkeitsrecht im Sinne des § 16 ABGB und genieße absoluten Schutz. Dieser sei umfassend und nicht auf die strafgesetzlichen Tatbestände bzw. auf § 1330 ABGB beschränkt. Es komme daher nicht darauf an, daß die Beklagte etwa Tatsachenmitteilungen über den Kläger verbreitet habe. Abgesehen davon, daß ein ungerechtfertigtes Lokalverbot eine nach § 1330 Abs 1 ABGB abwehrbare Realinjurie darstellen könne, liege darin eine wertende Äußerung, die auf entsprechende Tatsachen, wie etwa ungebührliches Verhalten der betroffenen Person, schließen lasse, die von § 1330 Abs 2 ABGB erfaßt werde. Ein ungerechtfertigt ausgesprochenes Lokalverbot sei deshalb den Bestimmungen der §§ 16 und 1330 ABGB zu unterstellen, werde doch dadurch namentlich im ländlichen Bereich der Ruf einer Person berührt, der in der Kreditwürdigkeit, im Erwerb und im Fortkommen seinen Niederschlag finde. Auch dieser Ruf genieße absoluten Schutz. Voraussetzung der Unterlassungsklage sei allerdings eine Rechtspflichtverletzung. Die Rechtswidrigkeit ergebe sich aus einer umfassenden Interessenabwägung. Die Beklagte behaupte selbst, daß das Lokalverbot in der Öffentlichkeit ausgesprochen worden sei. Damit sei die Verletzung der Persönlichkeitsrechte des Klägers einem größeren Personenkreis zur Kenntnis gelangt. Die von der Beklagten ins Treffen geführten Gründe reichten für ein Lokalverbot nicht hin. Der Kläger habe sich als Gast nichts zuschulden kommen lassen. Die Interessen der Allgemeinheit zielten auf eine Aufhebung des Lokalverbots ab, weil der Kläger als frei gewählter Funktionär und Mandatar in der Gemeinde die Interessen der Bevölkerung zu vertreten habe und daher auch an den Sitzungen und Versammlungen teilnehmen müsse. Das Lokalverbot beruhe ausschließlich auf persönlicher Animosität; andere Interessen seien nicht erkennbar. Die Beklagte habe mit dem die Persönlichkeitsrechte des Klägers verletzenden Lokalverbot erreichen wollen, daß dieser von den Sitzungen und Versammlungen ausgeschlossen werde; damit sei der Unterlassungsanspruch gerechtfertigt. Die Wiederholungsgefahr ergebe sich aus der Aufrechterhaltung des Verbotes.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Beklagten ist nicht berechtigt.
Soweit die Beklagte nach wie vor rügt, der Kläger habe zu Unrecht ein Feststellungs- mit einem Unterlassungsbegehren kumuliert, ist ihr mit den Vorinstanzen entgegenzuhalten, daß er mit dem ersten Teil seines Begehrens in Wahrheit nur den geltend gemachten Unterlassungsanspruch zu verdeutlichen suchte. Demnach ist das Begehren insgesamt als reines Unterlassungsbegehren aufzufassen (ZBl. 1930/234); dem hat schon das Erstgericht dadurch Rechnung getragen, daß es den feststellenden Teil in den Ausspruch über das Unterlassungsbegehren miteinbezogen hat.
Zur Frage des Lokalverbotes (Abweisung von Gasthausbesuchern) hat schon das Bayerische Oberstlandesgericht in seiner Entscheidung NJW 1983, 2040 ausführlich Stellung genommen: Die Vertragsfreiheit gelte grundsätzlich auch für den Inhaber einer Gaststätte. Der Umstand, daß die Gaststätte aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Erlaubnis betrieben werde, begründe für den Inhaber weder einen Abschlußzwang noch enge es sein Ermessen ein, bestimmten Personen oder Personengruppen den Eintritt in die Gaststätte zu verwehren. Soweit er zu einem Geschäftsabschluß nicht verpflichtet sei, dürfe er auch von seinem Hausrecht Gebrauch machen. Trotz Vertragsfreiheit sei es aber nicht nur ein unfreundlicher Akt, sondern könne es auch eine Herabsetzung bedeuten, wenn einer einzelnen Person oder Personengruppe ohne erkennbaren sachlichen Grund der Abschluß von Geschäften verweigert werde, die mit den übrigen Personen ohne erkennbare Einschränkung getätigt werden. Wer ein öffentliches Lokal betreibe, bringe damit der Allgemeinheit gegenüber zum Ausdruck, daß grundsätzlich jeder als Gast willkommen sei. Werde jemand ohne erkennbaren sachlichen Grund als Gast zurückgewiesen, so werde der Eindruck erweckt, als ob bei dieser Person als selbstverständlich vorausgesetzte Eigenschaften fehlten. Da der Gastwirt an regem Besuch interessiert sei, bringe die Zurückweisung zum Ausdruck, seine Vorbehalte hätten ein solches Gewicht, daß sie es ihm geboten oder doch ratsam erscheinen ließen, von der Aufnahme dieser Person abzusehen oder geschäftliche Interessen zurücktreten zu lassen. Die Zurückweisung bedeute deshalb unter diesen Voraussetzungen ein negatives Werturteil über die abgewiesene Person. Als solches werde sie auch verstanden. Sie werde auch vor dem Hintergrund der Vertragsfreiheit von einem objektiven Beobachter als verletzende Diskriminierung angesehen. Das Bayerische Oberstlandesgericht schloß aus diesen Erwägungen, daß ein solches Verhalten eines Gaststätteninhabers den objektiven Tatbestand der (strafrechtlich zu ahndenden) Beleidigung darstellen könne.
Das deutsche Schrifttum (Mertens in Münch.Komm. 2 § 826 BGB Rz 163; Soergel-Hönn, BGB 11 § 826 Rz 100 und 167) vertritt hiezu die Auffassung, daß diese Grundsätze auch für den Bereich des Privatrechtes Geltung beanspruchen dürften; die Abweisung von Gasthausbesuchern ohne erkennbaren sachlichen Grund sei zwar nicht in jedem Fall sittenwidrig, verstoße aber dann gegen die guten Sitten, wenn sie sich als Beleidigung einer bestimmten Person darstelle oder doch ein für den Betroffenen entwürdigendes Verhalten sei. Diesem gebühre dann ein Anspruch auf Unterlassung bzw. Beseitigung der sittenwidrigen Schädigung (Kilian in AcP 1980, 47, 82).
Diesen Ausführungen mißt der Oberste Gerichtshof auch für den österreichischen Rechtsbereich grundsätzliche Bedeutung zu (ob sie auch strafrechtlich relevant sein können, kann dahingestellt bleiben). Die Bestimmungen der §§ 16 und 1330 Abs 1 ABGB in Verbindung mit den §§ 879 Abs 1 und 1295 Abs 2 ABGB sind dahin zu verstehen, daß eine diskriminierende, den Betroffenen gegenüber anderen Personen zurücksetzende Abweisung oder Ausweisung durch den Inhaber eines öffentlich geführten Lokals jedenfalls dann sittenwidrig ist, wenn diesem eine monopolartige Stellung zukommt und schon deshalb ein weitgehender Kontrahierungszwang angenommen werden muß. Das fällt namentlich einer Person gegenüber ins Gewicht, die Funktionär oder zumindest Mitglied zahlreicher Vereine oder Organisationen, die in dem Lokal tagen, ist und - wie in der Revisionsbeantwortung zutreffend dargelegt wird (der Kläger erwähnt die Festlegung der Jahreslieferrechte der Zuckerrübenproduzenten durch die Zuckerrübenindustrie, die deshalb die örtlichen Rübenbauern zu einer Zusammenkunft in dieses Lokal einberuft) - auch aus beruflichen und wirtschaftlichen Gründen auf den Zutritt zu einer bestimmten Gaststätte geradezu angewiesen ist. In diesem Sinne führt Bydlinski, Zu den Grundlagen des Kontrahierungszwanges, AcP 1980, 44 und dort in FN 69, aus, daß man zwar normalerweise von einem nicht bedienten Kunden erwarten und verlangen kann, daß er in das nächste Geschäft geht, wenn ihm diese Möglichkeit zur Verfügung steht, statt mit dem Unternehmer zu prozessieren, der unwillig ist, ihn zu bedienen; zu querulatorischem Verhalten sollten Entscheidungen nicht ermuntern. Ernste Probleme könnte aber im Zusammenhang mit zumutbaren Ausweichmöglichkeiten der Fall aufwerfen, in dem die Verweigerung eines Vertragsschlusses (und häufig in diesem Zusammenhang auch schon des Zutritts) deutlich erkennbar eine Diskriminierung, also eine willkürliche Herabsetzung einer bestimmten Personengruppe darstelle. In einem Gasthaus werden z. B. - auch das Bayerische Oberstlandesgericht hatte einen solchen Fall zu entscheiden - Farbige, Angehörige einer bestimmten Personen- oder Berufsgruppe oder Konfession etc. nicht bedient; bei Fehlen zumutbarer Ausweichmöglichkeiten und Zugehörigkeit der betreffenden Leistungen zum "Normalbedarf" und zum "Notbedarf" verstehe sich ein Kontrahierungszwang von selbst, wenn die fraglichen Leistungen vom Diskriminierenden sonst öffentlich generell angeboten werden.
Nach Lehre und Rechtsprechung (RdW 1983, 72; SZ 46/54; SZ 44/138 ua; Bydlinski aaO 35) besteht auch Abschlußzwang nicht nur dort, wo er gesetzlich vorgeschrieben ist, sondern auch dann, wenn die mit der Ausnützung einer Monopolstellung verknüpfte faktische Übermacht einem Beteiligten trotz formaler Parität die Möglichkeit der Fremdbestimmung einräumt und die Art der Inanspruchnahme dieser Möglichkeit einen Verstoß gegen die guten Sitten darstellt. Ganz allgemein darf ein Unternehmer, der die Leistung bestimmter Sachen bzw. Dienste öffentlich in Aussicht gestellt hat, einem zum angesprochenen Personenkreis gehörigen Interessenten die zur Deckung seines Normalbedarfes (als des für eine durchschnittliche Lebensführung erforderlichen Bedarfes) nötigen Leistungen und den sie vorbereitenden Vertragsabschluß nicht verweigern, sofern dem Interessenten zumutbare Ausweichmöglichkeiten fehlen, es sei denn, der Unternehmer kann für die Weigerung sachlich gerechtfertigte Gründe ins Treffen führen (Bydlinski aaO 39 ff; Hackl, Vertragsfreiheit und Kontrahierungszwang im deutschen, im österreichischen und im italienischen Recht, 93 ff; Rummel in Rummel, ABGB, Rdz 10 zu § 861).
Daß die Beklagte als Eigentümerin des einzigen Gasthauses im Ort, dem als Sitz der Verwaltung der zahlreiche Ortschaften umfassenden Gemeinde zentrale Bedeutung zukommt, ein lokales Monopol innehat, kann nicht zweifelhaft sein, selbst wenn dieser Gasthof angesichts seiner Lage in der Nähe eines Naturparks in erster Linie Fremdenverkehrsbetrieb ist; die Einwohner des Ortes sind dennoch ebenfalls auf seine Leistungen und Dienste angewiesen, besonders wenn öffentliche Veranstaltungen (Vereinsversammlungen und -sitzungen, Feste und Bälle), die üblicherweise in Gasthäusern abgehalten werden, mit Rücksicht auf die monopolartige Stellung der Beklagten in ihrem Lokal stattfinden müssen (vgl. auch Bydlinski aaO 31). Daß dem Kläger zumutbare Ausweichmöglichkeiten fehlen, liegt bei den gegebenen örtlichen Verhältnissen auf der Hand; zweifellos dienen auch die im Gasthaus der Beklagten angebotenen Leistungen dem Normalbedarf.
Die Beklagte vertritt zu Unrecht die Auffassung, er habe seinen Unterlassungsanspruch ausschließlich aus einem in den §§ 16 und 1330 ABGB geschützten Persönlichkeitsrecht abgeleitet; sie übersieht, daß den Behauptungen des Klägers eine Beschränkung auf einen bestimmten Rechtsgrund nicht zu entnehmen ist; zudem wird ohnehin auch die Bestimmung des § 16 ABGB, wie schon das Berufungsgericht ausgeführt hat, zum Schutz der Selbstbestimmung überall dort herangezogen, wo faktische Übermacht eines Beteiligten bei bloß formaler Parität diesem Fremdbestimmung über andere ermöglicht und damit Grundlage für den Abschlußzwang wird, der für den Monopolisten auch aus seiner Bindung an den Gleichheitsgrundsatz abgeleitet wird (Aicher in Rummel, ABGB, Rdz 31 zu § 16 mwN).
Die Beurteilung des Unterlassungsbegehrens aus dem Gesichtspunkt des Abschlußzwanges will die Beklagte weiters deshalb ausschließen, weil auch ein stattgebendes Urteil sie nicht zur Verabreichung von Speisen und Getränken an den Kläger verpflichten könne, so daß schon der schuldrechtliche Ansatz des Berufungsgerichtes verfehlt erscheine. Dabei übersieht sie, daß ein Kontrahierungszwang des Gastwirtes mit dem Recht, das Lokal, in dem dessen Leistungen erbracht werden, zu betreten, in untrennbarem Zusammenhang stehen:
Die Bewirtung des Gastes kommt überhaupt erst in Betracht, wenn er sich im Lokal des Gastwirtes aufhält. Die begehrte Unterlassung im Zusammenhang mit dem Lokalverbot kann demnach als Verlangen nach Bewirtung entsprechend der Bestellung und unter Einhaltung der gesetzlichen und handelsüblichen Bedingungen verstanden werden (vgl. JBl. 1956, 618; vgl. auch Bydlinski aaO 40 f., FN 63). Konsumation bei Betreten des Lokals der Beklagten kann sogar eher als Pflicht des Klägers angesehen werden.
Daß das bekämpfte Lokalverbot auf sachlich gerechtfertigten Gründen beruhe, führt die Beklagte in der Revision nicht mehr ins Treffen. Die Vorinstanzen haben auch richtig erkannt, daß bloß vereinsinterne Rivalitäten, harte, aber immer noch sachliche Kritik in den zuständigen Gremien und die Förderung der Spartätigkeit in jenem Kreditunternehmen, dessen Vorstand der Kläger angehört, von der Beklagten (bzw. deren Ehegatten) nicht zur Rechtfertigung einer an sich sittenwidrigen Sanktion angeführt werden können; das Erstgericht hat ausdrücklich festgestellt, daß sich der Kläger niemals ordinär oder ausfällig verhalten habe.
Der Revision ist ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E08956European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0010OB00554.86.0714.000Dokumentnummer
JJT_19860714_OGH0002_0010OB00554_8600000_000