TE OGH 1986/7/14 1Ob597/86

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Veröffentlicht am 14.07.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Renate Maria B***, Hausfrau, 4810 Gmunden, Fliegerschulweg 10, vertreten durch Dr. Wilfried Mayer, Rechtsanwalt in Gmunden, wider die beklagte Partei Norbert B***, Pharmareferent, 1140 Wien,

Rosentalgasse 13/9, vertreten durch Dr. Gerhard Schichl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ehescheidung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 10.März 1986, GZ 5 R 20/86-32, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 13. November 1985, GZ 1 Cg 87/85-24, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden im Verschuldensausspruch dahin abgeändert, daß die beklagte Partei das alleinige Verschulden an der Zerrüttung der Ehe trifft.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 54.423,60 bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen (hievon S 4.947,60 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile schlossen am 1.4.1972 vor dem Standesamt Laakirchen die Ehe, der drei Kinder, die am 29.8.1972 geborene Nicole Petra, der am 26.7.1976 geborene Andrü Patrick und die am 16.1.1980 geborene Danielle Sandra, entstammen. Im Zeitpunkt der Eheschließung war die Klägerin im Allgemeinen Krankenhaus in Wien als Hilfskraft berufstätig, der Beklagte studierte seit Herbst 1970 Medizin. Nach der Geburt des ersten Kindes gab die Klägerin ihre Berufstätigkeit auf und befand sich bis Herbst 1973 in Karenz. Die Streitteile waren sich darüber einig, daß sie nach Beendigung des Studiums des Beklagten nach Gmunden, wo die Klägerin bis zu ihrer Übersiedlung nach Wien gewohnt hatte, zurückkehren. Der Beklagte studierte bis zum Sommer 1975 Medizin, erhielt aber in insgesamt zehn Studiensemestern nur zwei Zeugnisse über Präparierkurse. Das Medizinstudium gab er schließlich ohne Rücksprache mit der Klägerin auf und studierte Psychologie; auch dieses Studium schloß er nicht ab. Ab Herbst 1973 wohnte die Klägerin mit dem Beklagten in einem Studentenheim im 20.Wiener Gemeindebezirk, im Herbst 1976, als das zweite Kind zur Welt kam, erhielten die Ehegatten von der Gemeinde Wien eine Wohnung am Rennbahnweg zugewiesen. Die Streitteile lebten von der Familienbeihilfe, der Arbeitslosenunterstützung der Klägerin und von Geldzahlungen des Vaters des Beklagten. Die Klägerin fühlte sich in Wien nicht wohl und tendierte zurück nach Gmunden, wo auch die Urlaube und verlängerten Wochenenden verbracht wurden. Als im Oktober 1980 die Arbeitslosenunterstützungszahlungen an die Klägerin eingestellt wurden und auch der Vater des Beklagten seine finanzielle Unterstützung einstellte, war der Beklagte gezwungen, sich nach einer Arbeit umzusehen. Er war zunächst von Mai bis Oktober 1981 als Heizverbrauchsableser beschäftigt. Ab 1.10.1981 war er bei der Firma S*** als Ärzteberater berufstätig. Von den Streitteilen wurde immer noch eine Übersiedlung nach Gmunden angestrebt. Der Beklagte hoffte, einen Posten als Ärzteberater bei der Firma S*** in Salzburg zu bekommen. In dieser Hoffnung bestärkte er die Klägerin auch dann noch, als er selbst den Plan, nach Gmunden zu übersiedeln, aufgegeben hatte und das Zentrum seiner beruflichen Interessen in Wien sah. Im Hinblick auf die geäußerte Übersiedlungsabsicht suchten die Eltern der Klägerin im Jahre 1982 nach einer geeigneten Wohnung in Gmunden. Der Beklagte blieb in der Folge von der ehelichen Wohnung häufig auch über Nacht mit der Begründung fern, er wolle bei einem Freund studieren und könne sich zu Hause nicht konzentrieren; teilweise gab er auch berufliche Hinderungsgründe für sein Fernbleiben an. Wollte die Klägerin die Telefonnummer des Freundes des Beklagten erhalten, so verweigerte ihr der Beklagte deren Angabe mit der Begründung, er wolle dort nicht gestört werden. Die Klägerin fühlte sich deshalb in Wien immer unglücklicher, zumal der Beklagte abends immer häufiger wegblieb. Schließlich zog die Klägerin im Herbst 1983 nach Gmunden. Die Klägerin begehrt die Scheidung der Ehe wegen schwerer Eheverfehlungen des Beklagten (§ 49 EheG). Sie begehrt darüber hinaus den Zuspruch eines monatlichen Unterhaltsbetrages von S 6.000. Zum Scheidungsbegehren brachte die Klägerin vor, der Beklagte unterhalte mit einer anderen Frau ehebrecherische Beziehungen und verletze seine Unterhaltspflicht.

Der Beklagte trat dem Scheidungsbegehren nur insoweit entgegen, als er den Ausspruch der Scheidung aus dem gleichteiligen Verschulden der Ehegatten begehrte. Die Zerrüttung der Ehe und seine Hinwendung zu einer anderen Frau sei nur darauf zurückzuführen, daß die Streitteile eine "Wochenendehe" geführt hätten, weil die Klägerin jede Gelegenheit benützt habe, in Gmunden zu leben, was ihm wegen seiner beruflichen Tätigkeit in Wien nicht möglich gewesen sei. Das Erstgericht schied die Ehe aus dem beiderseitigen Verschulden der Ehegatten und sprach aus, daß das Verschulden des Beklagten überwiege. Es erkannte den Beklagten schuldig, der Klägerin ab 5.3.1985 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 4.300 zu bezahlen; das darüber hinausgehende Mehrbegehren wies es ab. Das Erstgericht stellte fest:

Der Beklagte habe nicht versucht, die Klägerin von ihrem Entschluß, nach Gmunden zu ziehen, abzuhalten, er habe ihr keine Alternativen für ein gemeinsames Leben in Aussicht gestellt, sondern nur gemeint, vielleicht könne er den Rayon in Salzburg bekommen. Tatsächlich wäre dies aber nur in der Weise möglich gewesen, daß er dieses Gebiet zusätzlich zu seinem Betreuungsgebiet Wien erhalten hätte, so daß eine Wohnsitznahme in Gmunden nicht möglich gewesen wäre. An einer Übersiedlung nach Gmunden sei der Beklagte ernsthaft ohnehin nicht interessiert gewesen, weil er in der ersten Jahreshälfte 1983 ehewidrige Beziehungen zu einer ehemaligen Studienkollegin aufgenommen habe, wovon die Klägerin nichts gewußt habe. Der Beklagte sei zunächst noch zu den Wochenenden nach Gmunden zur Klägerin gekommen, allmählich seien aber die Besuche immer seltener geworden. Im Juli 1984 habe der Beklagte die Klägerin darauf aufmerksam gemacht, daß sie anonyme Briefe erhalten werde, in denen ehewidrige Beziehungen zwischen ihm und einer anderen Frau behauptet würden, sie möge aber diesen Mitteilungen keine Beachtung schenken, weil nichts Wahres dran sei. Erst im September 1984, als sich der Beklagte anläßlich der Durchreise in Gmunden aufgehalten habe, habe er der Klägerin eröffnet, daß an den Mitteilungen etwas Wahres darn sei. Nähere Erörterungen darüber seien wegen der kurzen Zeit, die sich der Beklagte bei der Klägerin aufhielt, nicht möglich gewesen. Der Beklagte habe sich in der Folge nicht mehr in Gmunden eingefunden. Die Klägerin habe ihm einmal in der erkennbaren Absicht geschrieben, dem Beklagten eine Brücke zurück in die Ehe zu bauen, doch habe sich der Beklagte daran nicht interessiert gezeigt. Der Erstrichter führte in rechtlicher Hinsicht aus, der Klägerin sei vorzuwerfen, daß sie sich zu wenig darum bemüht habe, in Wien Fuß zu fassen und der beruflichen Laufbahn ihres Ehegatten in Wien Rechnung zu tragen. Dem Beklagten falle zur Last, daß er im Frühjahr 1983 eine Beziehung zu einer anderen Frau aufgenommen habe, wodurch das Auseinanderleben der Streitteile gefördert worden sei. Die Zerrüttung der Ehe sei letztlich auf das Verhalten des Beklagten zurückzuführen, so daß ihm das überwiegende Verschulden an der Zerrüttung der Ehe anzulasten sei.

Das Berufungsgericht gab den gegen dieses Urteil erhobenen Berufungen beider Streitteile nicht Folge. Es übernahm die Tatsachenfeststellungen des angefochtenen Urteils. Das Verlassen der Ehewohnung im Herbst 1983 sei der Klägerin als schwere Eheverfehlung anzulasten, wenn sie auch der Ansicht gewesen sein möge, daß ihre Übersiedlung auf einem gemeinsamen Beschluß beruhe, weil die Übersiedlung von den Ehegatten in Aussicht genommen worden war und der Beklagte gegen ihre Übersiedlung nach Gmunden nichts einzuwenden gehabt habe. Dem Beklagten falle das überwiegende Verschulden zur Last, weil die Aufnahme ehewidriger Beziehungen zu einer anderen Frau primäre Ursache für die Zerrüttung der Ehe gewesen sei. Mit der gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobenen Revision bekämpft die Klägerin den Verschuldensausspruch der Vorinstanzen. Der Revision kommt Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstrichters waren sich die Streitteile darüber einig, daß sie nach Beendigung des Studiums des Beklagten nach Gmunden übersiedeln. Der Beklagte bestärkte die Klägerin in diesem Glauben auch noch zu einem Zeitpunkt, als er selbst in Wien berufstätig war und diese Absicht fallengelassen hatte. Er nahm ehewidrige Beziehungen zu einer anderen Frau auf, war an einer Wohngemeinschaft mit der Beklagten nicht mehr interessiert und unternahm deshalb auch keinen Versuch, die Klägerin vom Entschluß, nach Gmunden zurückzukehren, abzuhalten. Unter diesen Umständen stellte das Verhalten der Klägerin keinen Beitrag zur Zerrüttung der Ehe dar. Darüber hinaus konnte sie subjektiv der Meinung sein, daß der Beklagte, der sie von ihrer Absicht nach Gmunden zu übersiedeln, nicht abhielt, damit einverstanden ist. Die Verletzung der Verpflichtung zum gemeinsamen Wohnen ist wie jede andere Eheverfehlung nur dann ein Scheidungsgrund, wenn sie schuldhaft gesetzt wird. Ein Verschulden ist nicht gegeben, wenn die Frau ihre Folgepflicht verletzt hat, jedoch im guten Glauben an die Berechtigung gesonderter Wohnungsnahme handelte (EFSlg 27.324, 20.342, 13.801; RZ 1965,8). Demnach ist aber der Klägerin insgesamt eine schwere Eheverfehlung nicht anzulasten, sodaß die Ehe aus dem alleinigen Verschulden des Beklagten zu scheiden ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 43 Abs 2, 50 ZPO.

Anmerkung

E08502

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0010OB00597.86.0714.000

Dokumentnummer

JJT_19860714_OGH0002_0010OB00597_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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