Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuderna und Dr.Gamerith sowie die Beisitzer Dr.Rupert Dollinger und Dr.Willibald Aistleitner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann S***, Kaufmann, Tumeltsham/Ried, Ornetsmühl Nr. 28, vertreten durch Dr.Aldo Frischenschlager, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei C*** Versicherungs-AG in Wien 1., Börsegasse 14, vertreten durch Dr.Alfred Haslinger, DDr.Heinz Mück und Dr.Peter Wagner, Rechtsanwälte in Linz, wegen restl. 164.995,31 S brutto s.A. (Revisionsstreitwert 151.660,26 S), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Teilzwischenurteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 19.Dezember 1985, GZ 12 Cg 21/85-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Zwischenurteil des Arbeitsgerichtes Ried im Innkreis vom 31.Juli 1985, GZ Cr 12/85-9, teilweise bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Teilzwischenurteil, daß der Anspruch des Klägers an Kündigungsentschädigung, Abfertigung und Urlaubsentschädigung dem Grunde nach zu Recht bestehe, wird einschließlich der diesen Teil der Entscheidung betreffenden Kostenentscheidung aufgehoben und die Rechtssache insoweit zur weiteren Verhandlung und neuen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.
Text
Begründung:
Der Kläger war vom 1.September 1979 bis 30.Juni 1982 als Vertriebsbereichsleiter, vom 1.Juli 1982 bis 22.Oktober 1984 als Firmenberater und vom 23.Oktober 1984 bis 16.Jänner 1985 als Versicherungsberater der beklagten Partei angestellt. Mit Schreiben vom 18.Oktober 1984 wurde er wegen finanzieller Unregelmäßigkeiten, die in der Folge auch zu seiner rechtskräftigen Verurteilung wegen Vergehens des versuchten schweren Betruges führten (Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis vom 27.März 1985, 7 E Vr 268/85-6), entlassen. Die beklagte Partei nahm jedoch diese Entlassung in der Folge zurück und traf mit dem Kläger neue Vereinbarungen über die Fortsetzung seines Dienstverhältnisses. Mit Schreiben vom 3.Jänner 1985 forderte der Kläger von der beklagten Partei die Auszahlung des Jännergehaltes und drohte für den Fall, daß dieses nicht bis 15. Jänner 1985 auf seinem Konto eingetroffen sein sollte, den vorzeitigen Austritt an. Mit Schreiben vom 16.Jänner 1985 erklärte der Kläger den vorzeitigen Austritt.
Der Kläger behauptet, sein Gehalt sei im Vorhinein fällig gewesen.
Er stellt wegen vorzeitigen Austritts folgende Ansprüche:
a) Kündigungsentschädigung S 62.372,26
b) Abfertigung: drei Monatsbezüge a 17.992 S = 53.976 S. Geltend
gemacht wurden aber S 53.996,--
c) Urlaubsentschädigung S 35.292,--
S 151.660,26.
Ferner forderte der Kläger an (z.T. Interventions-)provision und
restl. Gehalt weitere S 13.355,05
= zusammen 165.015,31 S, Endsumme aber wieder richtig begehrt mit
S 164.995,31
und vorprozessuale Kosten von S 6.600,--
(die beiden letztgenannten Ansprüche sind nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens).
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, der Kläger habe sie am 28.November 1984 um einvernehmliche Auflösung seines Dienstverhältnisses zum 31.Dezember 1984 ersucht. Die beklagte Partei habe dem Kläger am 4.Dezember 1984 mitgeteilt, daß sie mit der Ausstellung einer Arbeitsbestäigung bis zum Einlangen seines Kündigungsschreibens zuwarten werde. Mit Schreiben vom 11.Jänner 1985 habe sie dem Kläger mitgeteilt, daß sie seinen Gehalt unter einem überweisen werde, was auch geschehen sei. Durch die Einvernahme des Schwagers des Klägers, Franz S***, habe sich herausgestellt, daß der Kläger auf Grund gefälschter Unterschriften unberechtigt mehr als 11.000 S Provisionen kassiert habe. Die beklagte Partei habe daher mit Schreiben vom 16.Jänner 1985 die fristlose Entlassung des Klägers ausgesprochen. Der Kläger habe seinen Austritt erst zum 17.Jänner 1985 erklärt. Sein Dienstverhältnis sei zu diesem Zeitpunkt bereits durch die von der beklagtgen Partei ausgesprochene Entlassung beendet gewesen. Die beklagte Partei habe gegen den Kläger eine Gegenforderung in Höhe von 17.574,72 S, die sie hilfsweise einwende.
Das Erstgericht sprach mit Zwischenurteil aus, daß der Anspruch des Klägers auf Bezahlung von 6.600 S netto und 164.995,31 S brutto s. A., also aller Klagsansprüche dem Grunde nach zu Recht bestehen. Das Erstgericht traf umfangreiche Feststellungen über den Inhalt der Vereinbarungen vom 23.Oktober 1984, die mit dem Kläger nach seiner Entlassung vom 18.Oktober 1984 über die Fortsetzung des Dienstverhältnisses schriftlich getroffen wurden. Wesentlicher Inhalt dieser Vereinbarungen war, daß der Kläger sofort die Position eines Inspektors im produzierenden Außendienst antreten sollte. Die Streitteile vereinbarten ein Fixum von 2.500 S, Reisespesen von 1.500 S und ein Provisionsakonto von 14.417 S monatlich. Dieser Betrag wurde insofern als Garantiebezug angesehen, als der Kläger "per 31.12.1985 die Richtlinien eines Außendienstmitarbeiters und Anforderungen eines Inspektors ab dem 5. Dienstjahr erfüllt hat. Sollten diese Richtlinien und Anforderungen leistungsmäßiger Art nicht erreicht werden, wird ein per 31.12.1985 bestehender Minussaldo auf dem Provisionskonto (des Klägers) nicht abgebucht, sondern in das neue Jahr ohne weitere Möglichkeit einer Einkommensgarantie vorgetragen". Die beklagte Partei erteilte dem Kläger die befristete Ermächtigung, bis auf Widerruf der Nebenbeschäftigung einer Personalkreditvermittlung nachzugehen, sofern diese vorwiegend der Vermittlung von Versicherungsgeschäften für die beklagte Partei diene.
Am 28.November 1984 teilte der Kläger der beklagten Partei mit, daß er sich 1985 zur Gänze selbständig machen wolle. Er ersuchte um einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses per 31.Dezember 1984. Die beklagte Partei stimmte dieser Auflösung wegen der daraus entstehenden Rechtsansprüche nicht zu, widerrief die erteilte Zustimmung zur nebenberuflichen Tätigkeit mit sofortiger Wirkung und stellte den Kläger ab sofort bis auf Widerruf vom Dienst frei. Am 3.Jänner 1985 forderte der Kläger, wie bereits eingangs angeführt, seine Jännerbezüge. Das Austrittsschreiben des Klägers vom 16.Jänner 1985 ging der beklagten Partei am 17.Jänner 1985 zu. An diesem Tag wurde dem Konto des Klägers für Jänner 1985 eine Gehaltszahlung von 7.236,05 S gutgebucht. Die beklagte Partei sprach mit einem mit 16.Jänner 1985 datierten Schreiben die fristlose Entlassung des Klägers wegen Vertrauensunwürdigkeit aus. Dieses Schreiben wurde am 17.Jänner 1985 in Wien zur Post gegeben und langte am 18.Jänner 1985 beim Kläger ein.
Das Erstgericht war der Ansicht, daß der Kläger gemäß § 26 Z 2 AngG berechtigt vorzeitig ausgetreten sei, weil das mit Monatsbeginn fällige Jännerentgelt auch innerhalb der gesetzten Nachfrist nicht gezahlt worden sei. Die Auflösungserklärung des Klägers habe das Dienstverhältnis beendet, so daß eine nochmalige Auflösung durch Entlassung begrifflich ausgeschlossen sei. Mache ein Dienstnehmer einen (berechtigten) Austrittsgrund geltend, so gehe die spätere Geltendmachung eines, wenn auch berechtigten Entlassungsgrundes zu Lasten des Dienstgebers. Es sei daher nicht erforderlich gewesen, die Berechtigung des behaupteten Entlassungsgrundes zu prüfen. Dem Kläger gebühre aus dem durch seinen Austritt beendeten Dienstverhältnis eine Abfertigung in der Höhe des dreifachen Monatsentgelts; dabei sei von einem Monatsbezug von 17.992 S brutto auszugehen. Überdies gebühre ihm eine Kündigungsentschädigung in noch nicht feststehender Höhe und grundsätzlich auch eine Urlaubsentschädigung. Die Entscheidung über die aufrechnungsweise eingewendete Gegenforderung gehöre nur dann in das Verfahren über den Grund des Anspruches, wenn die Gegenforderung gleich hoch oder höher als die Klagsforderung sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei teilweise Folge. Es bestätigte das Ersturteil als Teilzwischenurteil dahin, daß der Anspruch des Klägers auf Kündigungsentschädigung, Abfertigung und Urlaubsentschädigung dem Grunde nach zu Recht bestehe; hob im Umfang der Provisions- und Entgeltansprüche von 13.355,05 S das Ersturteil ohne Rechtskraftvorbehalt auf und wies die Klage, soweit vorprozessuale Kosten von 6.600 S begehrt wurden, (rechtskräftig) zurück.
Das Berufungsgericht verhandelte die Rechtssache gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG von neuem und traf dieselben Feststellungen wie das Erstgericht, mit der Ergänzung (auf Grund vorgelegter Kontoauszüge und Überweisungsbelege), daß die Bezüge des Klägers vor und nach dem Übereinkommen vom 23.Oktober 1984 jeweils im vorhinein bezahlt wurden.
Das Berufungsgericht war der Ansicht, daß die vorzeitige Auflösung eines Vertrages eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung sei, die erst mit dem Zeitpunkt, in dem sie dem anderen Teil zugehe, wirksam werde. Der Absender der Erklärung habe dafür zu sorgen, daß diese durch Zustellung in die persönliche Sphäre des anderen Teils gelange. Der Absender trage das Risiko für den ordnungsgemäßen Zugang. Die Austrittserklärung des Klägers sei der beklagten Partei am 17.Jänner 1985 ordnungsgemäß zugekommen.
Damit sei das Arbeitsverhältnis aufgelöst worden. Mit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses sei regelmäßig der Erwerb von Rechten verbunden. Nach der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses eintretende Umstände könnten diese Rechte nicht mehr beeinträchtigen. Da die beklagte Partei ihren Entschluß, das Arbeitsverhältnis ebenfalls vorzeitig zu beenden, dem Kläger erst mitgeteilt habe, als das Arbeitsverhältnis bereits gelöst gewesen sei, könne ihre Erklärung keine Wirkung mehr haben. Das Erstgericht habe auch zutreffend das Vorliegen des Austrittsgrundes des § 26 Z 2 AngG angenommen. Die Provisionsakontierungen seien als Garantiebezug vereinbart gewesen. Nur dann, wenn der Kläger die vereinbarten Richtlinien nicht erreicht hätte, sollte am 31.Dezember 1985 ein bestehender Minussaldo auf dem Provisionskonto nicht abgebucht, sondern in das neue Jahr ohne weitere Möglichkeit einer Einkommensgarantie vorgetragen werden. Die Dienstfreistellung des Klägers habe an der Berechtigung zum weiteren Gehaltsbezug und an der Fälligkeit des Jännerbezuges nichts geändert. Die beklagte Partei könne sich daher für ihre Säumigkeit in der Entgeltzahlung nicht auf Gründe in der Person des Klägers berufen.
Da ein Zwischenurteil erst gefällt werden könne, wenn jeder einzelne Teilanspruch, wenn auch nur mit einem geringen Betrag, berechtigt sei, könne nur über die im Berufungsverfahren mit je 1 S außer Streit gestellten Teilansprüche der Kündigungsentschädigung, Abfertigung und Urlaubsentschädigung mit Zwischenurteil erkannt werden.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision der beklagten Partei ist im Ergebnis berechtigt. Die Revisionswerberin bekämpft die Zulässigkeit des Teilzwischenurteils mit der Begründung, von den Vorinstanzen sei über ihre in rechtlichem Zusammenhang mit der Klagsforderung stehende Gegenforderung nicht entschieden worden; der Kläger habe mehrere Entlassungsgründe gesetzt, die schließlich auch zur Entlassungserklärung geführt hätten; jedenfalls könne die Feststellung der Haftung dem Grunde nach ohne "Einräumung eines Mitverschuldens des Klägers ... nicht aufrecht erhalten werden". Diese Ausführungen sind teilweise berechtigt. Die beklagte Partei brachte in der Berufungsschrift unter Hinweis auf ihre Schreiben vom 10. Jänner und 11.Jänner 1985 an den damaligen Klagevertreter vor, es sei allen Beteiligten klar gewesen, daß die vom Kläger behauptete Verzögerung der Gehaltszahlung Anfang Jänner 1985 ihre Ursache in "diesen" (in den Schreiben erwähnten) "Erhebungen" (wegen des Verdachtes einer neuerlichen strafbaren Handlung des Klägers) hatte. Der beklagten Partei sei auf Grund der Manipulationen des Klägers eine Gegenforderung zugestanden, die noch genau zu verifizieren war. Die angeblich verzögerte Gehaltszahlung stehe mit dem die Entlassung verursachenden Verhalten des Klägers im Zusammenhang. Mit diesem Vorbringen berief sich die beklagte Partei deutlich darauf, daß sie berechtigt gewesen sei, das Entgelt des Klägers wegen des Verdachtes weiterer finanzieller Unregelmäßigkeiten zurückzubehalten oder daß den Kläger an seinem vorzeitigen Austritt jedenfalls ein gewichtiges Mitverschulden treffe.
Wenn auch die Ansicht der Vorinstanzen, daß durch das Zugehen (RdW 1984, 317) der Austrittserklärung des Klägers das Arbeitsverhältnis der Streitteile aufgelöst wurde, so daß der Ausspruch der Entlassung durch die beklagte Partei (der dem Kläger erst einen Tag später zukam), wirkungslos bleiben mußte, richtig ist (- und auch von der Revisionswerberin nicht mehr in Zweifel gezogen wird -), durfte das Berufungsgericht dieses neue Vorbringen der Revisionswerberin, mit dem sie behauptete, daß das Vorenthalten des Entgelts nicht ungebührlich war, nicht übergehen.
Der Tatbestand des § 26 Z 2 AngG setzt nämlich voraus, daß der Arbeitgeber wußte oder infolge der ihm obliegenden Sorgfaltspflicht hätte wissen müssen, daß seine Vorgangsweise unrechtmäßig ist (Martinek-Schwarz AngG 6 563; Arb. 9082; RdA 1979, 224). Durch eine bloß objektive Rechtswidrigkeit, die insbesondere dann vorliegt, wenn über das Bestehen eines Anspruchs verschiedene Rechtsmeinungen vertreten werden können und daher der Ausgang eines hierüber zu führenden Rechtsstreites nicht abzusehen ist, wird der Tatbestand des § 26 Z 2 AngG nicht erfüllt (Martinek-Schwarz aaO; Arb. 9082, 10.147).
Die Verzögerung der Bezahlung des Jännerentgelts - auf die Bestreitung der Fälligkeit in der Revision wird noch zurückzukommen sein - wäre nicht ungebührlich im Sinne des § 26 Z 2 AngG gewesen, wenn zu dieser Zeit schon der dringende, innerhalb kurzer Zeit aufklärbare Verdacht weiterer finanzieller Machenschaften des Klägers bestanden hätte, so daß die beklagte Partei aus guten Gründen annehmen durfte, der Entgeltforderung des Klägers stehe ohnehin bereits eine auf absichtlicher Schadenszufügung beruhende und daher jedenfalls bis zu einem allfälligen Widerspruch (§ 7 DHG) unbeschränkt (§ 293 EO) aufrechenbare Gegenforderung gegenüber. Auch wenn sich nach Abschluß der Erhebungen herausgestellt hätte, daß die vermutete Gegenforderung niedriger als das vorenthaltene Entgelt war, läge bei unverzüglicher Nachzahlung des Differenzbetrages kein Austrittsgrund vor.
Selbst wenn aber der beklagten Partei das Vorenthalten des Entgelts auch subjektiv vorzuwerfen wäre, etwa weil ungenügende Verdachtsgründe zunächst diese Maßnahme nicht rechtfertigten, könnte der Beweis, daß der Kläger tatsächlich auf Grund gefälschter Unterschriften Provisionen kassiert habe, eine damit im Zusammenhang stehende Nichtauszahlung des Entgelts in einem anderen Licht erscheinen lassen und ein gewichtiges Mitverschulden (§ 32 AngG) an der Lösung des Dienstverhältnisses darstellen.
Der Zulässigkeit des gefällten Zwischenurteils steht somit schon entgegen, daß noch gar nicht geklärt ist, ob dem Kläger ungebührlich fälliges Entgelt vorenthalten wurde. Selbst wenn dies nicht der Fall war, könnte aber ein Mitverschulden des Klägers an der vorzeitigen Lösung des Dienstverhältnisses in Betracht kommen. Auch diese Frage muß vor Fällung des Zwischenurteils geklärt werden. Wird nämlich Mitverschulden des Klägers eingewendet, so kann ein Zwischenurteil nur dann gefällt werden, wenn gleichzeitig über die Frage des Mitverschuldens und über das Ausmaß der Anspruchskürzung entschieden wird (SZ 21/70, SZ 43/218, SZ 47/34 u.a.). Daran ändert auch nichts, daß die beklagte Partei im Berufungsverfahren die vom Kläger geltend gemachte Kündigungsentschädigung, Abfertigung und Urlaubsentschädigung mit je 1 S der Höhe, nicht jedoch dem Grunde nach außer Streit gestellt hat, weil die beklagte Partei auch noch eine Gegenforderung von 17.574,72 S einwendete. Stünde diese Gegenforderung mit der Hauptforderung in einem rechtlichen Zusammenhang, wofür allerdings die bloße Ableitbarkeit beider Forderungen aus demselben Dienstverhältnis nicht ausreicht (SZ 56/70 und 150), so könnte ein Zwischenurteil nur dann gefällt werden, wenn die Gegenforderung niedriger als die Hauptforderung wäre. Hiebei reicht es aber nicht aus, daß der Klagsbetrag im ganzen die eingewendete Gegenforderung übersteigt (so aber anscheinend Fasching III 592 und LB Rz 1430); es muß vielmehr bei der Prüfung des Grundes des Anspruches die Höhe des Klagsanspruches so weit geprüft werden, daß gewährleistet ist, daß die Gegenforderung keine der mehreren Klagsforderungen der Höhe nach erreichen kann (2 Ob 28/73 u.a.; vgl. auch SZ 19/331, EvBl 1972/229 und SZ 53/92). Andernfalls steht nicht fest, ob die einzelnen Klagsforderungen nicht doch durch Gegenforderungen getilgt sind. Da die beklagte Partei bisher von den Vorinstanzen nicht aufgefordert wurde, die eingewendete Gegenforderung unter Darlegung des Rechtsgrundes zu spezifizieren, kann derzeit nicht beurteilt werden, ob sie mit der Hauptforderung in einem rechtlichen Zusammenhang steht; es steht auch nicht fest, ob die Gegenforderung die Kündigungsentschädigung und die Urlaubsentschädigung übersteigt (lediglich bei der bereits ziffernmäßig festgestellten Abfertigung ist dies ausgeschlossen). Die Klärung dieser Umstände erfordert die Aufhebung des Zwischenurteils. Den übrigen Ausführungen der Revisionswerberin kommt hingegen keine Berechtigung zu.
Sie behauptet, der Jännergehalt 1985, dessen nicht rechtzeitige Bezahlung der Kläger als Austrittsgrund geltend machte, sei am 1. Jänner 1985 noch nicht fällig gewesen. Aus dem Umstand, daß die beklagte Partei "einige Monate hindurch" im Voraus den Gehalt bezahlt habe, könne noch nicht auf das Zustandekommen einer von § 15 AngG abweichenden schlüssigen Vereinbarung über den Zahlungstermin geschlossen werden.
Zu dieser Frage stellte das Berufungsgericht ergänzend fest, daß die Bezüge des Klägers vor und nach dem Übereinkommen vom 23.Oktober 1984 jeweils im Vorhinein bezahlt wurden. Die Belege, auf die die zweite Instanz diese Feststellung stützte, reichen zwar nur bis Februar 1984 zurück, doch wurde weder von der beklagten Partei behauptet noch von den Vorinstanzen festgestellt, daß die beklagte Partei vor dieser Zeit den Gehalt des Klägers jemals zu anderen Terminen - etwa am 15. oder am Letzten eines jeden Monats (§ 15 AngG) - bezahlt habe. Die Bezahlung des Gehalts jeweils am Ersten (mindestens) elf Monate hindurch läßt aber bei objektiver Betrachtung nur den Schluß zu, daß die beklagte Partei zur ständigen Gehaltszahlung am Ersten eines jeden Monats bereit war (ähnlich schon Arb.7622). Nach der gleichmäßigen Bezahlung von (mindestens) elf Gehältern jeweils am Ersten des Monats durfte der Kläger auf die Kontinuität dieser Entrichtung seiner Bezüge vertrauen. Er mußte nicht mehr damit rechnen, daß die beklagte Partei nach ihrer Willkür von dieser Vorgangsweise wieder abgeht, zumal ein Wechsel der Zahlungsweise zur Folge gehabt hätte, daß er zwei Monate hindurch (vom Ersten des einen Monats bis zum Letzten des Folgemonats) keine Gehaltszahlung erhalten hätte. Es ist daher von der Fälligkeit der Bezüge des Klägers am Ersten eines jeden Monats auszugehen. Dem hat die beklagte Partei auch nicht widersprochen, als sie vom Kläger unter Androhung des vorzeitigen Austritts aufgefordert wurde, den Jännergehalt bis 15.Jänner 1985 nachzuzahlen.
Die vom Kläger gesetzte Nachfrist (Einlangen des Gehalts auf seinem Konto bis 15.Jänner 1985) war an sich ausreichend bemessen. Die beklagte Partei war daher, sofern ihr nicht die bereits oben erörterten Umstände (dringender Verdacht weiterer finanzieller Unregelmäßigkeiten des Klägers) zugutekamen, verpflichtet, die zur Einhaltung dieser Frist erforderlichen Dispositionen so rechtzeitig zu treffen, daß die Gutschrift auf dem Konto des Klägers zeitgerecht erfolgte (RdW 1985, 150). Dieser Verpflichtung entsprach die Revisionswerberin nicht einmal beim überwiesenen Teilbetrag von 7.236,05 S, den sie so spät zur Aufgabe brachte, daß er erst am 17. Jänner 1985 dem Konto des Klägers gutgebucht wurde. Die Behauptung der Revisionswerberin, sie habe das vom Kläger geforderte Entgelt bereits vor dem 11.Jänner 1985 zur Anweisung gebracht, ist feststellungsfremd.
Verfehlt ist auch die Ansicht der Revisionswerberin, die Vorinstanzen hätten ein Mitverschulden des Klägers wegen vertragswidriger Ausübung einer Nebenbeschäftigung und wegen der von ihm begangenen strafbaren Handlung, die (später) Gegenstand des Verfahrens 7 E Vr 268/85 des Kreisgerichtes Ried im Innkreis war, annehmen müssen. Zur Frage der Nebenbeschäftigung des Klägers brachte die beklagte Partei nur vor, er habe auf einem Brief(- papier) der Firma "O***-F***, Darlehen- Kredite- Versicherungen, Johann S*** ..." um die einvernehmliche Auflösung seines Dienstverhältnisses per 31.Dezember 1984 ersucht. Festgestellt wurde, daß die beklagte Partei dem Kläger diese Nebenbeschäftigung am 23.Oktober 1984 unter bestimmten Voraussetzungen ausdrücklich gestattet hatte. Die beklagte Partei brachte nicht vor, daß der Kläger diese Nebenbeschäftigung auch nach dem Widerruf ihrer Bewilligung weiter betrieb. Auf die dem Verfahren 7 E Vr 268/85 des Kreisgerichtes Ried im Innkreis zugrundeliegende strafbare Handlung kann die beklagte Partei den Mitverschuldenseinwand nicht stützen, weil sie die wegen dieser Verfehlungen ausgesprochene Entlassung zurückgezogen und mit dem Kläger das Fortbestehen seines Dienstverhältnisses unter geänderten Bedingungen vereinbart hatte. Auch der Meinung der beklagten Partei, die Verzögerung der Bezahlung des Jännergehaltes 1985 sei dadurch verursacht worden, daß die Auflösung des Dienstverhältnisses des Klägers damals in Schwebe gewesen sei, ist nicht zu folgen. Ein Schwebezustand bestand nicht, weil die beklagte Partei das Ansinnen des Klägers, sein Dienstverhältnis einverständlich aufzulösen, schon mit Schreiben vom 4. Dezember 1984 ablehnte und auch keinen Anspruch darauf hatte, daß der Kläger daraufhin von sich aus das Dienstverhältnis durch Kündigung zur Lösung bringe.
Daß per 1.Jänner 1985 ein fälliger Saldo zugunsten der beklagten Partei in Höhe von 25.819 S bestand, hat schon das Berufungsgericht zutreffend dargelegt. Eine allfällige Rückrechnung der dem Kläger gewährten Provisionsvorschüsse sollte vereinbarungsgemäß erst mit 31. Dezember 1985 erfolgen. Daß der Kläger infolge der Dienstfreistellung nicht mehr in der Lage war, Provisionen zu verdienen, konnte an der vereinbarten Fälligkeit der Provisionsvorschüsse nichts ändern. Die beklagte Partei hat keine Gründe für die Dienstfreistellung des Klägers behauptet. Diese Maßnahme geht also zu ihren Lasten.
Die Rechtssache ist somit nur zur Klärung der eingangs aufgezeigten Fragen an die zweite Instanz zurückzuverweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf den § 52 ZPO.
Anmerkung
E08754European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0140OB00108.86.0715.000Dokumentnummer
JJT_19860715_OGH0002_0140OB00108_8600000_000