Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Juli 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Schneider (Berichterstatter), Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Steinberger als Schriftführers in der Strafsache gegen Karl L*** wegen des Verbrechens der vorsätzlichen Gemeingefährdung nach § 176 Abs. 1 StGB. und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichts Ried im Innkreis als Schöffengerichts vom 20. Februar 1986, GZ 6 Vr 1171/85-17, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Kodek, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Hasibeder zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Der am 14. April 1949 geborene Landwirt Karl L*** wurde mit dem angefochtenen Urteil schuldig erkannt, am 15. Juni 1985 in Krautsdorf, Gemeinde Obernberg am Inn, dadurch, daß er in den Tränketrog auf der Rinderweide der Aloisia G*** zwei Liter des Halmverkürzungsmittels "Halmfest-Chemia" schüttete, worauf sechs Rinder im Wert von 173.600 S infolge Vergiftung verendeten und weitere drei Tiere an Vergiftungserscheinungen litten,
1. anders als durch eine der in den §§ 169, 171 und 173 StGB. mit Strafe bedrohten Handlungen eine Gefahr für fremdes Eigentum in großem Ausmaß herbeigeführt;
2. Tieren unnötige Qualen zugefügt
und hiedurch das Verbrechen der vorsätzlichen Gemeingefährdung nach § 176 Abs. 1 StGB. sowie das Vergehen der Tierquälerei nach § 222 Abs. 1 StGB. begangen zu haben.
Gegen diese Verurteilung richtet sich die auf § 281 Abs. 1 Z. 4, 5, 9 lit. a und 10 StPO. gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
Rechtliche Beurteilung
Unzweifelhaft ist, daß die Abweisung des Antrags der Verteidigung auf Einvernahme eines informierten Vertreters der landwirtschaftlichen Fachschule Altmünster (S. 178) keinen dem Angeklagten nachteiligen Einfluß auf die Entscheidung auszuüben vermocht hat (§ 281 Abs. 3 erster Satz StPO.); denn der mit diesem Antrag angestrebte Nachweis, daß zur Zeit des Besuches der erwähnten Fachschule durch den Angeklagten eine Ausbildung über die Wirkung von Pflanzenschutzmitteln und ähnlichen Chemikalien nicht zum Lehrplan gehörte (S. 176), hätte die Urteilsannahme, der zufolge der Angeklagte auf Grund mehrjährigen praktischen Umgangs mit Chemikalien der gegenständlichen Art (als sogenannter "Spritzer") - also nicht etwa auf Grund seiner
Schulausbildung - die Gefährlichkeit des von ihm in die Viehtränke geschütteten Halmverkürzungsmittels gekannt hat (S. 5, 8, 9, 11 bis 13), in keiner Weise berühren können.
Aber auch durch die Abweisung des - bereits mit Schriftsatz ON. 15, S. 147-150 vorgebrachten, in der Hauptverhandlung (infolge prozeßordnungsgemäßer Behandlung durch das Schöffengericht [S. 178] ersichtlich) wiederholten (S. 176) - Antrages auf Einholung von Sachverständigen-Gutachten wird keine Urteilsnichtigkeit nach § 281 Abs. 1 Z. 4 StPO. begründet.
Aufgrund des beantragten Gutachtens eines Sachverständigen für Chemie (Spezialfach Pflanzenschutzmittel) hätte der Beweis erbracht werden sollen, daß die Gefährlichkeit des angewendeten Mittels für den Angeklagten subjektiv nicht erkennbar gewesen sei (S. 148). In diesem Zusammenhang hätte ein solches Sachverständigengutachten höchstens Aufklärung darüber verschaffen können, welcher besonderen chemischen Vorkenntnisse es bedarf, um von sich aus - ohne Hinweis von anderer Seite - die Möglichkeit einer toxischen Wirkung des Mittels ernstlich in Betracht zu ziehen. Doch selbst wenn dem Angeklagten hiezu ausreichende Kenntnisse und Fähigkeiten gefehlt haben sollten, könnte dies keinen Einfluß auf die entscheidende Feststellung des Erstgerichtes üben, wonach dem Angeklagten die Giftigkeit solcher Spritzmittel schon wegen der ausdrücklichen Hinweise auf (allen) Behältnissen bekannt gewesen ist. Der in der Vorbeugung völliger oder teilweiser Entwertung erkrankter Tiere liegende Zweck ihrer Notschlachtung bedurfte keiner Klärung durch das vom Angeklagten - gleichfalls laut S. 176 in Zusammenhang mit ON. 15 - beantragte Gutachten eines tierärztlichen Sachverständigen; er ergibt sich schon aus § 2 Abs. 2 FleischuntersuchungsG., BGBl. 1982/522. Anders als das Oberlandesgericht Linz in seiner Entscheidung ON. 13 über den Einspruch des Angeklagten gegen die Anklageschrift ging das Erstgericht nicht davon aus, daß schon durch das Erfordernis der Notschlachtung länger dauernde Schmerzen indiziert seien. Soweit aber der Beweisantrag auf eine Klarstellung abzielt, daß die Vergiftung nur Ermüdungserscheinungen - nicht jedoch Qualen - der betroffenen Tiere nach sich gezogen habe, beruht er auf einer rein hypothetischen, mit dem Akteninhalt nicht vereinbaren Annahme. Anhaltspunkte für eine solche Vermutung bietet auch nicht die Verantwortung des Angeklagten, er sei beim Spritzen oft extrem müde geworden (S. 156). Eine derartige Reaktion eines Menschen auf das Einatmen minimaler Dosen des stark verdünnten und versprühten Mittels (vgl. die Gebrauchsanweisung für "Stabilan", Blg. zum Hauptverhandlungsprotokoll ON. 16, verlesen laut S. 159) läßt keinen Rückschluß auf jene Wirkung zu, welche bei Rindern durch Einnahme unvergleich größerer, stärker konzentrierter Mengen hervorgerufen wird. Diese Reaktion steht sohin auch nicht im Widerspruch zu jenen Verfahrensergebnissen (S. 11, 13, 47 zweiter Abs., 49, 168, 173), welche keinen Zweifel daran offenlassen, daß die Vergiftungserscheinungen bei den Rindern der Aloisia G*** in einer wesentlichen, länger anhaltenden, bei einigen Tieren im deutlich erkennbaren Todeskampf kulminierenden Beeinträchtigung ihres Wohlbefindens bestanden haben, sohin in Qualen. Zu diesem Begriff vgl. EBRV zum StrafrechtsänderungsG. 1971, 39 Blg. NR. 12. GP.; Pallin in WrK., § 222 StGB., RZ. 11, 12; Leukauf-Steininger 2 , § 222 StGB., RN. 4; EvBl. 1980/27 = RZ. 1979/79 = ÖJZ-LSK. 1979/277, 278).
Soweit aber der Angeklagte im Antrag auf Vernehmung eines tierärztlichen Sachverständigen auch auf die Beweisfrage Bezug nahm, ob die Zufügung unnötiger Qualen von seinem Tatvorsatz umfaßt gewesen sei, unterließ er eine Darlegung jener Gründe, aus welchen seiner Ansicht nach von der Beweisaufnahme ein Beitrag zur Klärung seines inneren Vorhabens zu erwarten gewesen sein soll. Da sich diese Gründe auch nicht aus dem Sachzusammenhang ergeben, fehlt es (wenigstens) insofern an einer wesentlichen prozessualen Voraussetzung für die Erhebung der Verfahrensrüge (Mayerhofer-Rieder 2 , § 281 Abs. 1 Z. 4 StPO., EGr. 19). Aus ähnlichem Grund kann die Unterlassung der Beischaffung des im Zivilprozeß 3 Cg 345/85 des Kreisgerichtes Ried im Innkreis zu erstattenden Sachverständigengutachtens zwecks "Ermittlung der genauen Schadenshöhe an den verendeten und auch an den nicht verendeten Tieren" (Beweisantrag S. 176 unten) nicht mit Erfolg nach § 281 Abs. 1 Z. 4 StPO. geltend gemacht werden. Denn angesichts der unbestrittenermaßen (vgl. S. 179 oben) die Wertgrenze des § 126 Abs. 2 StGB. weit übersteigenden Höhe des tatsächlich eingetretenen Schadens, der seinerseits nur einen Bruchteil des nach § 176 Abs. 1 StGB. maßgeblichen Gesamtausmaßes der drohenden Schädigung beträgt (vgl. S. 101), ergibt sich der von einer genauen Schadensermittlung zu erwartende Einfluß auf die Entscheidung nicht bereits aus dem Sachzusammenhang; es hätte daher eines die Relevanz des Beweisergebnisses erläuternden Vorbringens im Beweisantrag bedurft. Eine besondere Prüfung der subjektiven Fähigkeit des Angeklagten, das Gefahrenausmaß zu erkennen, durch zeugenschaftliche Einvernahme des Arztes Dr. Peter P*** über die "depressive und nervlich stark belastete gesundheitliche Situation" des Angeklagten zur Tatzeit sowie durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, daß es dem Angeklagten auf Grund dieser Umstände nicht möglich gewesen sei, die volle Tragweite der Gefahr zu erkennen (Antrag S. 177 oben), wäre nur bei Vorliegen von in diese Richtung weisenden Indizien erforderlich gewesen. Solche Anhaltspunkte ergeben sich jedoch nicht einmal aus der Verantwortung des Angeklagten, der selbst nie behauptet hat, durch seine Depressionen zur Tatzeit an der richtigen Einschätzung des Gefahrenausmaßes gehindert gewesen zu sein, und sogar ausdrücklich eingeräumt hat, erst nach der Tat erstmals wegen seines depressiven und schockierten Gemütszustandes den Gemeindearzt Dr. P*** aufgesucht zu haben (S. 166 unten).
Die Vernehmung der mit der Entnahme der Wasserprobe aus dem Tränketrog befaßt gewesenen Gendarmeriebeamten wurde (zufolge S. 177 unten) vom Verteidiger "zur Prüfung, wie die Zusammensetzung des Wassers war", beantragt. Damit wurde dem Gericht gegenüber weder das von dieser Einvernahme erwartete Ergebnis noch dessen Einfluß auf die Sachentscheidung konkret dargelegt; solche Ausführungen erübrigten sich auch nicht etwa wegen eines bereits aus dem Akteninhalt hervorgehenden Sachzusammenhanges. Die Abweisung eines Beweisantrages, der von vornherein keine Prüfung auf seine Relevanz durch das Erstgericht zuläßt, kann aber nicht Gegenstand einer prozeßordnungsgemäßen Verfahrensrüge sein (vgl. erneut Mayerhofer-Rieder 2 , § 281 Abs. 1 Z. 4 StPO., EGr. 19). Die erst in der Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde nachgeholte Begründung des Antrags dahin, daß die Vermengung des giftigen Spritzmittels mit dem Wasser der Viehtränke möglicherweise inhomogen gewesen sei, weshalb die gerichtsärztlich ermittelte (gefährlich hohe) Konzentration von 4,6 g je l Wasser (S. 103 f.) nicht als Durchschnittswert herangezogen werden dürfe, kann keine Berücksichtigung finden, weil bei Prüfung des Beweisantrags (in formeller und materieller Hinsicht) von der für das Erstgericht gegebenen Verfahrenslage auszugehen ist (Mayerhofer-Rieder a.a.O., EGr. 41). Nur der Vollständigkeit halber sei in diesem Zusammenhang erwähnt, daß der in S. 103 angegebene Konzentrationsgrad gerade unter der dem Beschwerdevorbringen zugrundeliegenden Annahme eines höheren spezifischen Gewichtes des Spritzmittels (im Vergleich zu Wasser) eher gering erscheint, wenn man der Verantwortung des Angeklagten über das Mischungsverhältnis (2 l auf 100 bis 150 l Wasser - siehe S. 160, 161, 163 unten, 164) folgt; somit wäre nicht der in der Nichtigkeitsbeschwerde (aus den Angaben des Zeugen Dr. H*** S. 170 bis 172) gezogene Schluß auf eine überdurchschnittlich hohe Giftkonzentration der von der Gendarmerie gezogenen Probe, sondern sogar eine gegenteilige Folgerung indiziert.
Eine innere Widersprüchlichkeit der Urteilsgründe erblickt der Angeklagte darin, daß seine Kenntnis hinsichtlich der Gefährlichkeit des für die Tat verwendeten Spritzmittels "Halmfest-Chemia" (produziert von der Fa. C*** AG Wien) auf Grund der Beschriftung einer Dose des Produktes "Stabilan" einer anderen Firma (C*** L***) festgestellt worden sei, obwohl kein Anhaltspunkt dafür vorliege, daß er beide Produkte als gleich schädlich erkannt habe. Diesem Vorbringen ist einerseits entgegenzuhalten, daß der Angeklagte selbst "Halmfest-Chemia" nur als anderen Namen des sonst als "Stabilan" verkauften Produkts bezeichnet hat (S. 154 unten, 155 erster Absatz), andererseits, daß in den Urteilsgründen (S. 195) - durchaus aktengetreu (S. 159, 161) - die Existenz von Hinweisen auf die Gefährlichkeit (Toxizität) des Mittels auf sämtlichen in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Behältern einschließlich des Kanisters für "Halmfest-Chemia" hervorgehoben wird.
Soweit aber der Beschwerdeführer vorbringt, mangels besonderer Nachdrücklichkeit dieser Hinweise hätte seine "Absicht, den Tierbestand schwer zu schädigen", nicht angenommen werden dürfen, geht er nicht von der (zur Erfüllung der subjektiven Tatseite des § 176 Abs. 1 StGB. hinreichenden) Urteilsannahme seines (bedingten) Vorsatzes, Gefahr für fremdes Eigentum in großem Ausmaß herbeizuführen (S. 192), aus. Schon aus diesem Grunde handelt es sich insoweit um keine prozeßordnungsgemäße Ausführung der Mängelrüge (in deren Rahmen zudem nicht bloß auf die Möglichkeit für den Angeklagten günstigerer Tatsachenfeststellungen hinzuweisen, sondern ein Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungsgrundsätze aufzuzeigen gewesen wäre).
Der Einwand gegen die Erwähnung der (allein) vom Vorsitzenden des Schöffensenates außerhalb der Hauptverhandlung gemachten und laut dem Hauptverhandlungsprotokoll den übrigen Senatsmitgliedern nicht zur Kenntnis gebrachten Wahrnehmung eines stechenden Geruchs des Spritzmittels "Stabilan" in der Urteilsbegründung (S. 196) schlägt nicht durch, weil den betreffenden Ausführungen keine entscheidende Bedeutung zukommt. Schon aus der Einleitung dieses Begründungsteils S. 196 oben, ergibt sich nämlich, daß die erwähnten Umstände nur noch der Vollständigkeit halber angeführt wurden, die Verantwortung des Angeklagten, ihm sei die Gefährlichkeit des Spritzmittels nicht bekannt gewesen, aber bereits aus früher erwähnten Gründen (S. 195) als widerlegt betrachtet worden ist. Was den Hinweis des Beschwerdeführers auf sein Schweigen zu allen das Lesen der Gebrauchsanweisungen betreffenden Vorhalten (S. 196 mit Beziehung auf S. 160, 161) betrifft, ist zu erwidern, daß es dem Gericht nach § 258 Abs. 2 StPO. nicht verwehrt ist, auch das Schweigen des Angeklagten auf einzelne Fragen oder Vorhalte einer Würdigung zu unterziehen, sofern - wie hier - die hieraus gezogene Folgerung mit Denkgesetzen, allgemeiner Erfahrung und mit den übrigen Verfahrensergebnissen vereinbar ist.
Das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers, gerade der stechende Geruch des Spritzmittels spreche für die Richtigkeit seiner Behauptung, er habe bloß die Tiere davon abhalten wollen, ihren Durst aus dem Tränketrog zu stillen, stellt keine prozeßordnungsgemäße Auseinandersetzung mit der auch auf dieses Argument eingehenden Urteilsbegründung (S. 197), sondern einen erneuten Hinweis auf die bloße Möglichkeit für den Angeklagten günstigerer Tatsachenfeststellungen dar. Der vom Beschwerdeführer bekämpfte Hinweis des Erstgerichtes auf die mindestens halbstündige Gehzeit des Angeklagten bis zum Tatort, die ihm noch als Überlegungsfrist zu Gebote gestanden sei (S. 198 erster Absatz), ist wiederum nicht als entscheidendes Argument, sondern nur als (zusätzliche) Illustration der Richtigkeit jener vom Schöffensenat bereits aus anderen Gründen getroffenen Urteilsannahme aufzufassen, wonach der Angeklagte mit der Aufnahme des von ihm vergifteten Wassers durch die Weidetiere gerechnet hat (S. 197 unten). Daß dieser Umstand für sich allein nicht hinreichen würde, eine solche Tatsachenfeststellung zu stützen, kann daher nicht mit Erfolg als Begründungsmangel geltendgemacht werden.
In der die subjektive Tatseite der Tierquälerei betreffenden Mängelrüge wird überhaupt nicht auf den Urteilssachverhalt eingegangen, demzufolge der Angeklagte sich mit der von ihm ernstlich bedachten Möglichkeit abgefunden hat, daß das Weidevieh das vergiftete Wasser aufnehmen und hiedurch unnötige Qualen erleiden werde (S. 8/9). Der Beschwerdeführer wendet sich vielmehr ausschließlich gegen die vom Erstgericht rein hypothetisch angestellte (zusätzliche) Erwägung, wonach dem Angeklagten selbst bei Richtigkeit seiner Verantwortung ein tierquälerischer Vorsatz zur Last fallen würde, weil er die Tiere in diesem Fall durch längere Zeit am Stillen ihres Durstes zu hindern gesucht hätte (S 14/15). Mangels einer vom Erstgericht in diesem Sinne getroffenen Konstatierung liegt aber - der abschließenden Mängelrüge zuwider - auch insoweit kein Widerspruch zwischen entscheidenden Sachverhaltsfeststellungen vor.
Zu den Rechtsrügen:
In seinem auf Z 9 lit. a (der Sache nach jedoch auf Z. 10 i.V.m. Z. 9 lit. c) des § 281 Abs. 1 StPO. gestützten Vorbringen strebt der Beschwerdeführer die ausschließliche Beurteilung seiner Tat als Sachbeschädigung zum Nachteil seiner (damaligen) Ehegattin Aloisia geb. G***, und sohin als Vergehen nach § 166 Abs. 1 StGB. ab, welche Subsumtion - mangels Erhebung der Privatanklage nach § 166 Abs. 3 StGB. - einen Freispruch nach § 259 Z. 1 StPO. (nicht - wie vom Beschwerdeführer beantragt - nach Z. 3 dieser Gesetzesstelle) zur Folge haben würde.
Wenn der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang die Auffassung vertritt, schon in objektiver Hinsicht sei der Tatbestand des Verbrechens der vorsätzlichen Gemeingefährdung (welches nicht zu den nach § 166 StGB. privilegierten Delikten zählt) nicht erfüllt, weil sich die Gemeingefahr nicht allein aus der Größe des Schadens ergebe, ist die Rechtsrüge in diesem Punkt gesetzmäßig ausgeführt; insofern erweist sie sich jedoch als sachlich nicht begründet. Zwar trifft es zu, daß das 100.000 S übersteigende Ausmaß des (konkret drohenden) Schadens an fremdem Eigentum für die (rechtliche) Annahme der Gemeingefahr an sich noch nicht hinreicht; denn die bloße Herbeiführung der Gefahr eines solchen Vermögensschadens mit strengerer Strafe zu bedrohen, als (nach § 126 Abs. 2 StGB.) die vorsätzliche Verursachung dieses Schadens, erscheint dem Strafgesetzgeber nicht zusinnbar. Das Wesen der Gemeingefahr liegt vielmehr in der Unberechenbarkeit ihres Wachstums und in der Unmöglichkeit für den Täter, die Folgen seiner Handlung zu bestimmen oder zu begrenzen; sie muß (einen größeren Personenkreis oder) fremdes Eigentum in größerer Ausdehnung auf solche Weise betreffen, daß der Täter die Gefahr innerhalb dieses Umfangs nicht beliebig beschränken kann (Dokumentation zum StGB. 180; SSt. 51/22; 9 Os 40/80 = ÖJZ-LSK. 1980/145 zu § 173 Abs. 1 StGB., Leukauf-Steininger, Komm. 2 RN. 4 zu § 176 StGB.). Ein solcher Umfang setzt aber auch eine größere lokale Ausdehnung des gefährdeten Eigentums voraus (EBRV z. StGB., 316;
Leukauf-Steininger, Komm. 2 , RN. 14 zu § 169 StGB.;
Foregger-Serini 3 Erl. III zu § 176 StGB.; Mayerhofer-Rieder 2 , Anm. 2 zu § 176 StGB.; Kodek in ÖJZ. 1981, 483 ff.); die Gefahr für ein äußerst wertvolles Schmuckstück allein würde daher nicht ausreichen (Mayerhofer-Rieder 2 , Anm. 8 zu § 169 StGB.). Eine überhaupt nicht begrenzbare Ausdehnung ist hingegen nicht erforderlich; auch eine Gefahr, welche nur innerhalb eines bestimmbaren (größeren) lokalen Bereiches wirksam ist, kann innerhalb dieses Umfanges einer Begrenzung durch den Täter auf Einzelgefährdungen entzogen sein und es ihm solcherart unmöglich machen, die Folgen seiner Handlungen zu bestimmen (vgl. insbesondere SSt. 51/22).
Der Ansicht des Beschwerdeführers zuwider steht daher der Annahme einer von ihm durch Vergiften des Wassers der Viehtränke herbeigeführten Gemeingefahr der Umstand nicht entgegen, daß nur das innerhalb einer abgezäunten Fläche befindliche Weidevieh (insgesamt 16 Tiere; vgl. S. 193 unten) gefährdet war. Denn für den "lokalen" Umfang des gefährdeten fremden Eigentums, innerhalb dessen der Angeklagte die Folgen seiner Tat weder genauer einzugrenzen noch vorauszubestimmen vermochte, ist nicht das Flächenmaß der Weide - die an sich von keinerlei Beeinträchtigung bedroht war - sondern die Gesamtzahl (und der Gesamtwert) der einer konkreten Gefahr ausgesetzten Tiere maßgeblich.
Wenn der Beschwerdeführer vermeint, ein Ausmaß des drohenden
Schadens in der Größenordnung von etwa 100.000 S sei noch nicht groß
im Sinne des § 176 Abs. 1 StGB., vielmehr müsse die Wertgrenze des
§ 126 Abs. 2 StGB. erheblich überschritten sein, steht er damit im
Gegensatz zur herrschenden - insbesondere auf die
Gesetzesmaterialien (AB. z. StGB., 28) gestützten - Rechtsprechung
(EvBl. 1976/150 = JBl. 1976, 602; LSK. 1976/216 zu § 169 Abs. 2
StGB.; 9 Os 40/80 = LSK. 1980/145 zu § 173 Abs. 1 StGB.); er
übersieht zudem, daß auch eine solche Voraussetzung durch das Gesamtausmaß des Schadens, dessen Eintritt konkret drohte, erfüllt wäre (S. 194 zweiter Absatz i.V.m. S. 101; vgl. S. 179). Soweit der Angeklagte aber die Erfüllung der subjektiven Tatseite des § 176 Abs.1 StGB. bestreitet, geht er nicht von den hiezu getroffenen Urteilsfeststellungen aus, denen zufolge er es ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden hat, daß die Weidetiere das vergiftete Wasser zu sich nehmen würden, daß sie hiedurch der konkreten Gefahr der Erkrankung und des Verendens ausgesetzt würden, und daß solcherart eine Gefahr für fremdes Eigentum in großem Ausmaß herbeigeführt werden könnte (S. 192/193). Vielmehr stützt er sich auf vom Erstgericht nicht getroffene (teilweise allerdings als bloße Hypothese erörterte) Annahmen, indem er den Rechtsausführungen seinen angeblichen Vorsatz, die Tiere nur vom Stillen ihres Durstes aus dem Tränketrog abzuhalten, sowie angebliche Unkenntnis der Gefährlichkeit des verwendeten Präparats zugrundelegt. Gesetzmäßig ausgeführt ist eine Rechtsrüge aber nur dann, wenn sie im Vergleich des Urteilssachverhaltes mit dem Strafgesetz besteht.
In gleichermaßen prozeßordnungswidriger Weise negiert der Beschwerdeführer die zur inneren Tatseite der Tierquälerei getroffenen Urteilsfeststellungen (S. 192/193), wenn er diesen Tatbestand als nicht erfüllt bezeichnet, weil sich aus dem Urteil nicht ergebe, daß er eine Zufügung unnötiger Qualen ernstlich für möglich gehalten habe. In seinen weiteren Ausführungen, nach denen objektiv nicht feststehe, ob und wodurch die Tiere in einen qualvollen Zustand versetzt worden wären, befaßt er sich weder mit dem Urteilssachverhalt noch mit dessen Subsumtion durch das Erstgericht unter den zweiten Fall des § 222 Abs. 1 StGB., der - anders als Abs. 2 dieser Gesetzesstelle - einen qualvollen Zustand nicht voraussetzt (vgl. zu § 222 StGB. insbesondere Mayerhofer-Rieder 2 , E. 4 a; Leukauf-Steininger, Komm. 2 , RN. 4). Als zur Gänze nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt erweist sich schließlich die (ausdrücklich) auf § 281 Abs. 1 Z. 10 StPO. gestützte, auf eine Tatbeurteilung nach § 177 StGB. abzielende Rechtsrüge; denn auch diese geht von den urteilsfremden Annahmen aus, der Angeklagte habe die Herbeiführung der Gefahr im konkret eingetretenen Ausmaß nicht in seinen Vorsatz aufgenommen, insbesondere habe er die Gefährlichkeit des angewendeten Mittels verkannt und habe zu dem nicht gewollt, daß die Weidetiere das mit diesem Präparat versetzte Wasser trinken würden.
Aus den aufgezeigten Gründen war die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.
Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach § 176 Abs. 1 StGB. unter Anwendung des § 28 StGB. eine Freiheitsstrafe von eineinhalb Jahren, deren Vollziehung es gemäß § 43 Abs. 2 StGB. unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren vorläufig nachsah. Bei der Strafbemessung wertete es das Zusammentreffen mehrerer (zweier) strafbarer Handlungen als erschwerend, hingegen als mildernd: die bisherige Unbescholtenheit, den depressiven Zustand des Angeklagten zur Tatzeit und die zum Großteil erfolgte Schadensgutmachung; im Rahmen des § 32 StGB. berücksichtigte es die durch die Tat ausgelöste Gefahr des wirtschaftlichen Ruins der Aloisia G***.
Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte - zum Teil unter Hinweis auf ohnehin berücksichtigte, zum Teil unter Reklamierung weiterer Milderungsgründe - die Herabsetzung der Freiheitsstrafe an. Auch diesem Rechtsmittel ist ein Erfolg nicht beschieden. Der Meinung des Angeklagten zuwider sind die (zusätzlich reklamierten) Milderungsumstände des § 34 Z. 7 und 15 StGB. nicht gegeben.
Unbesonnenheit in der Bedeutung des § 34 Z. 7 StGB. liegt nämlich nur dann vor, wenn die Tathandlung auf eine augenblickliche Eingebung zurückzuführen ist, auf einen Willensimpuls, der aus besonderen Gründen der Lenkung durch das ruhige Denken entzogen ist und nach der charakterlichen Beschaffenheit des Täters in der Regel unterdrückt worden wäre. Wenn die Tat auf Unbesonnenheit zurückzuführen ist, liegt ihr keine kriminelle Neigung oder grundsätzliche Geringschätzung fremder Interessen zugrunde (Leukauf-Steininger, Komm. 2 , RN. 13 zu § 34; SSt. 31/37). Im vorliegenden Fall handelte der Angeklagte - wenn auch in einer vorübergehenden Depression - aus Rachsucht gegen seine (nunmehr geschiedene) Ehefrau, und zwar nach einem vorbereiteten Plan. Bei dieser Sachlage sind die vorstehend dargelegten Kriterien des § 34 Z. 7 StGB. nicht erfüllt.
Daß der Angeklagte Dieselöl in den Wassertrog geleert haben soll, um die Tiere am Trinken zu hindern, woraus er sein Bemühen ableiten will, sich ernstlich für die Verhinderung weiterer nachteiliger Folgen eingesetzt zu haben, widerspricht den - (auch) bei Beurteilung der Strafzumessungsgründe
maßgebenden - (ausdrücklichen) Urteilsfeststellungen (S. 197). Auf der Grundlage der vom Kreisgericht richtig und vollständig angeführten aber auch zutreffend gewürdigten allgemeinen und besonderen Strafzumessungsgründe erweist sich die ohnehin nahe der Strafuntergrenze liegende (bedingt nachgesehene) Freiheitsstrafe nicht als reduktionsbedürftig. Der - vom Berufungswerber beantragten - Gewährung der außerordentlichen Strafmilderung (§ 41 StGB.) steht schon der Umstand entgegen, daß es sich bei der Tat keinesfalls um einen atypisch leichten Fall (s. dazu u.a. 9 Os 175/79 und 9 Os 40/80, zitiert bei Mayerhofer/Rieder, Nr. 2 zu § 41 StGB. 2 ) handelt.
Anmerkung
E08847European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0130OS00061.86.0717.000Dokumentnummer
JJT_19860717_OGH0002_0130OS00061_8600000_000