TE OGH 1986/7/17 13Os77/86

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Veröffentlicht am 17.07.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Juli 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Schneider (Berichterstatter), Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Steinberger als Schriftführers in der Strafsache gegen Peter I*** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143, erster Fall, StGB. über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Jugendgerichtshofs Wien als Schöffengerichts vom 4. März 1986, GZ. 3 b Vr 452/85-42, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Rzeszut, des Angeklagten, der gesetzlichen Vertreterin Margarete I*** und der Verteidigerin Dr. Musil zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und die (Zusatz-)Strafe auf 10 (zehn) Monate herabgesetzt.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 9. Juli 1969 geborene Peter I*** wurde mit dem angefochtenen Urteil des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143, erster Fall, StGB. schuldig erkannt und zu einer (Zusatz-)Freiheitsstrafe verurteilt. Ihm liegt zur Last (s. S. 170), am 24. Februar 1985 im Wiener Prater in Gesellschaft der abgesondert verfolgten Dragan R*** und Wilhelm P*** sowie eines weiteren (unbekannt gebliebenen) Jugendlichen als Beteiligter (§ 12 StGB.) dem Andreas W*** (zunächst) einen Schal und (wenig später, s. S. 173) einen Pullover geraubt zu haben. Als Mittel zur Verwirklichung der - angenommenen (S. 170) - Abnötigung stellte das Erstgericht in beiden Fällen Gewalt fest, und zwar gewaltsames Reißen des (als Stirnband getragenen) Schals vom Kopf W***'s bzw. Versetzen von Schlägen, hinsichtlich des Pullovers überdies Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben durch Einnahme einer drohenden Haltung.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte im Schuldspruch mit einer auf § 281 Abs. 1 Z. 5 und 10 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und im Strafausspruch mit Berufung.

Rechtliche Beurteilung

Zur Mängelrüge (§ 281 Abs. 1 Z. 5 StPO.):

Die Verlesung der Eingaben des zu 3 b (früher: 10, unrichtig: 5 a) Vr 1738/85 des Jugendgerichtshofes Wien abgesondert verfolgten Mittäters Wilhelm P*** (ON. 10 des eben zitierten Aktes) in der (neudurchgeführten, der Urteilsfällung vorangegangenen) Hauptverhandlung am 4. März 1986 entspricht der Vorschrift des § 252 Abs. 2 StPO. Daraus ergibt sich (i.V.m. § 258 Abs. 1 StPO.) die rechtliche Möglichkeit, diese Angaben im angefochtenen Urteil zu verwerten.

Der vom Beschwerdeführer im gegebenen Zusammenhang erwähnte Umstand, daß sich Wilhelm P*** in einer früheren, durch Zeitablauf und geänderter Senatszusammensetzung wirklungslos gewordenen Hauptverhandlung (§ 276 a, zweiter Satz, StPO.) der Aussage "entschlagen" habe (richtig: nach Vorhalt des § 153 StPO. Aussagen zum Tathergang verweigerte, s. S. 139/140), ist - insbesondere auch unter dem geltend gemachten Nichtigkeitsgrund - ebenso bedeutungslos wie die Tatsache, daß Wilhelm P*** im vorliegenden Verfahren weder bei der Polizei noch bei Gericht vernommen wurde, zumal eine entsprechende Antragstellung nicht vorlag und die Nichtausschöpfung aller möglichen Beweismittel keinen Nichtigkeitsgrund darstellt. Die Urteilsannahme, der Beschwerdeführer und seine Mittäter hätten gegenüber W*** (anläßlich der Abnahme des Pullovers) eine drohende Haltung eingenommen, begründete das Schöffengericht im Sinn des § 270 Abs. 2 Z. 5 StPO. hinreichend und ohne Verstoß gegen die Denkgesetze (s. S. 173 ff.). Daß es hiebei den Angaben der Zeugen Andreas W*** und Werner D*** bei der Polizei mehr Glauben beimaß als ihren in der Hauptverhandlung (zunächst) etwas abgeschwächten (s. S. 174 Mitte), stellt einen der Anfechtung im Nichtigkeitsverfahren entzogenen Akt freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs. 2 StPO.) dar. Das gleiche gilt für die Beurteilung der Verantwortung des Angeklagten im Lichte anderer, vom Erstgericht herangezogener Verfahrensergebnisse, insbesondere auch für die Feststellung des Bereicherungsvorsatzes. Entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers überging das Schöffengericht (auch) hiebei nicht seine Verantwortung, es schenkte ihr nur keinen Glauben (s. abermals S. 173 ff.).

Der Meinung des Beschwerdeführers zuwider sind auch die Vorgänge unmittelbar vor und während der Abnahme des Schals auf der Grundlage der Verfahrensergebnisse ohne Verstoß gegen die Denkgesetze hinreichend begründet. Daß Dragan R*** gegenüber dem Tatopfer als Sprecher auftrat und - dem Plan aller vier Täter entsprechend - die Herausgabe des Schals verlangte, macht die Urteilsfeststellung, die Täter richteten an W*** die eben erwähnte Aufforderung (S. 172) keinesfalls mangelhaft. Es kann nämlich keinem Zweifel unterliegen, daß der Wille aller vier Täter nur durch einen verbal zum Ausdruck gebracht werden kann (will man ein Durcheinanderreden vermeiden).

Die Behauptung des Rechtsmittelwerbers, das Erstgericht habe seinen Schuldspruch (u.a.) auf die sich aus den Jugenderhebungen ergebenden ungünstigen familiären Verhältnisse und Einflüsse gestützt, ist aktenwidrig. Es handelt sich hiebei lediglich um Feststellungen zur Person des Angeklagten, nicht zur Schuldfrage. Mithin erweist sich die Mängelrüge teilweise als unbegründet und teilweise, nämlich soweit sie nur eine Beweiswürdigungsbekämpfung enthält oder aktenwidrig ist, als nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt.

Zur Rechtsrüge (§ 281 Abs. 1 Z. 10 StPO.):

Mit dieser bestreitet der Angeklagte eine Tatbeteiligung im Sinn des § 12 StGB. an dem Raub und damit nach der Fallgestaltung auch die Qualifikation der Raubgenossenschaft (§ 143, erster Fall, StGB.), behauptet ferner, mangels Vorteilszuwendung aus der Tat und eines solchen Vorhabens sei ihm ein Bereicherungsvorsatz nicht nachzuweisen, und gelangt zu dem Ergebnis, er hafte rechtlich "höchstens" für den Tatbestand der Nötigung und - weil er den (geraubten) Schal kurze Zeit getragen hatte - für Hehlerei. Die Gewaltanwendung gegenüber W*** zwecks Erlangung des Pullovers habe Wilhelm P*** zu verantworten, Wort- und Rädelsführer bei den Angriffen seien dieser und Dragan R*** gewesen.

Auch die Rechtsrüge ist nicht zielführend.

Der Beschwerdeführer verkennt, daß Verübung eines Raubes in Gesellschaft (§ 143, erster Fall, StGB.) nicht erfordert, daß jeder Beteiligte unmittelbarer Täter ist; unter den - nach den Urteilsfeststellungen (s. S. 172 f.) nicht

zweifelhaften - Voraussetzungen gleichzeitiger Anwesenheit am Tatort und zur Tatzeit und des Einverständnisses mit den unmittelbaren Tätern (hier: P*** und R***) genügt eine die Raubausführung bloß fördernde Tätigkeit im Sinn eines sonstigen Tatbeitrages nach § 12, dritter Fall, StGB. (s. dazu u.a. Mayerhofer/Rieder, Nr. 1 zu § 143 StGB 2 und die dort zitierte Judikatur).

Demgemäß kommt es auch - der Rechtsmeinung des Beschwerdeführers zuwider - nicht darauf an, daß sich jeder Raubgenosse selbst bereichern will. Es genügt, daß sein Vorsatz auf die Bereicherung eines Dritten (hier: Komplizen) gerichtet ist. Daran besteht aber nach den Urteilskonstatierungen - und selbst nach dem Beschwerdevorbringen - kein Zweifel. Damit scheidet die Subsumtion des in Ansehung des Angeklagten festgestellten Sachverhalts unter die Bestimmung des § 105 StGB. aus. Hehlerei ist für einen Haupttäter (wie hier den Beschwerdeführer als Raubgenossen) eine straflose (vorbestrafte) Nachtat.

Aus den vorstehenden Darlegungen ergibt sich aber auch, daß ein Täter, der - wie der Beschwerdeführer - nicht als Rädels- und Wortführer auftritt, als Raubgenosse figurieren kann; muß doch ein solcher nicht an allen Ausführungshandlungen beteiligt sein, wenn er nur - wie schon ausgeführt - zur Tatzeit am Tatort anwesend war und im Einverständnis mit den unmittelbaren Tätern die Raubausführung unterstützt.

Daß der Beschwerdeführer - wie er hinweist und vom Schöffengericht auch gar nicht angenommen wurde - bei den vom Schuldspruch erfaßten Vorfällen als Bestimmungstäter (§ 12, zweiter Fall, StGB.) ausscheidet, steht der Annahme von Raubgenossenschaft nicht entgegen.

Insoweit der Angeklagte die Beteiligung an der drohenden Haltung gegenüber dem Tatopfer bestreitet, weicht er vom Urteilssachverhalt ab (s. abermals S. 172 ff.) und bringt solcherart die Rechtsrüge nicht zu prozeßordnungsgemäßer Darstellung.

Zur Berufung:

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB. unter Anwendung des § 11 JGG. und des § 41 StGB. sowie unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB. auf die Urteile des Jugendgerichtshofs Wien vom 12. November 1985, AZ. 4 c Vr 1194/85 (zwei Monate - bedingt

nachgesehene - Freiheitsstrafe wegen §§ 127 Abs. 1 und 2 Z. 1, 129 Z. 1 und 2 und § 15; 136 Abs. 1, 2 und 3, erster Fall, und § 15 StGB.) und vom 3. Jänner 1986, AZ. 4 c Vr 1236/85 (sechs Monate - gleichfalls bedingt nachgesehene - Freiheitsstrafe wegen §§ 125; 127 Abs. 1 und 2 Z. 1, 128 Abs. 1 Z. 4, 129 Z. 1 und 2 und § 15; 136 Abs. 1 und 2 und § 15; 229 StGB.) eine Zusatzfreiheitsstrafe von einem Jahr.

Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht die wiederholten Angriffe als erschwerend, hingegen als mildernd: die (anzunehmende) Unbescholtenheit, den Beitrag zur Wahrheitsfindung, die untergeordnete Rolle bei der Tatbegehung, die teilweise objektive Schadensgutmachung und die äußerst ungünstigen Erziehungsverhältnisse.

Der Berufung, mit welcher der Angeklagte die Herabsetzung der (zusätzlichen) Freiheitsstrafe begehrt, kommt im Ergebnis Berechtigung zu.

Wenngleich - entgegen der Meinung des Rechtsmittelwerbers - sehr wohl wiederholte, nämlich zwei Angriffe auf Andreas W*** als Erschwerungsumstand ins Gewicht fallen (§ 33 Z. 1, erster Fall, StGB.) und überdies die den gemäß § 31 StGB. zu berücksichtigenden Urteilen zugrunde liegenden Taten nicht übersehen werden dürfen, erweist sich die vom Erstgericht geschöpfte zusätzliche Freiheitsstrafe als etwas überhöht.

Auf der Grundlage der schon angeführten Strafzumessungsgründe und der gemäß §§ 31, 40 StGB. zu berücksichtigenden Strafen von sechs und zwei Monaten erachtet der Oberste Gerichtshof eine Gesamtstrafe von 18 Monaten für angemessen, sodaß sich eine Zusatzstrafe von zehn Monaten ergibt. In diesem Sinn war der Berufung ein Erfolg zuzuerkennen.

Anmerkung

E08708

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0130OS00077.86.0717.000

Dokumentnummer

JJT_19860717_OGH0002_0130OS00077_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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