Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Klinger, Dr. Egermann und Mag. Engelmaier als Richter in der Exekutionssache der betreibenden Parteien 1. Dkfm. Wilhelm Otto H***** Steuerberater, 2. Diplom-Volkswirt Volkmar Ernst S*****, Steuerberater, 3. Dkfm. Wolfgang B*****, Steuerberater und Rechtsanwalt, alle *****, alle vertreten durch Dr. Otto Hauck, Rechtsanwalt in Kirchdorf an der Krems, wider die verpflichtete Partei Verlassenschaft nach dem am 16. April 1984 verstorbenen Heinz Wilhelm D*****, zuletzt *****, vertreten durch die Verlassenschaftskuratorin Gertraud S*****, diese vertreten durch Dr. Rudolf Just, Rechtsanwalt in Kirchdorf an der Krems, wegen 4.573,83 DM s.Ng., infolge Revisionsrekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 9. Dezember 1985, GZ 5 R 269/85-8, womit der Beschluss des Kreisgerichtes Steyr vom 4. Juni 1985, GZ 1 Nc 33/85-3, bestätigt wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Exekutionsbewilligungsbeschluss wird mit der Maßgabe bestätigt, dass seine den Beitritt betreffenden Teile (Überschrift, Absätze 2 und 3 des Spruches und Abs 2 der Nachricht) zu entfallen haben.
Die verpflichtete Partei hat die Kosten des Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Mit am 18.10.1984 verkündetem Versäumnisurteil des Amtsgerichtes München, GNr 12 C 5333/84, wurde der damalige Beklagte "Heinz Wilhelm D*****, Prozessbevollmächtigter Rechtsanwalt K*****", verurteilt, den nunmehrigen betreibenden Parteien 4.573,83 DM samt 16,5 % Zinsen seit 21.12.1983 zu zahlen und die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Gleichzeitig wurde das Urteil für vorläufig vollstreckbar erklärt. Auf der den Klägern zum Zwecke der Zwangsvollstreckung erteilten, mit dem Gerichtssiegel versehenen vollstreckbaren Ausfertigung dieses Versäumungsurteils befindet sich auch der Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichtes München vom 14.11.1984, wonach die zu erstattenden Koten auf 589,97 DM samt 4 % Zinsen seit 13.11.1984 festgesetzt wurden. Weiters findet sich darauf die Bestätigung des Amtsgerichtes München vom 5.(?)12.(?)1984, dass das Urteil von Amts wegen am 3.12.1984 an die beklagte Partei zugestellt wurde. Die Urteilsausfertigung trägt auch die mit dem Gerichtssiegel versehene Rechtskraftbestätigung des Amtsgerichtes München vom 21.2.1985.
Mit gesiegeltem Schreiben vom 18.2.1985, GNr 12 C 5333/84, teilte das Amtsgericht München Rechtsanwalt B***** mit, dass "die Klage vom 5.3.84, die Verfügung vom 22.3.84, die Ladung zum Termin vom 3.5.84 mit Zustellnachweis am 5.4.1984 zugestellt wurde" und dass das Versäumnisurteil dem Beklagtenvertreter am 3.12.1984 gemäß §§ 176, 212 a ZPO zugestellt wurde (nach § 176 dZPO müssen Zustellungen, die in einem anhängigen Rechtsstreit bewirkt werden sollen, an den für den Rechtszug bestellten Prozessbevollmächtigten erfolgen.
§ 212 a dZPO regelt die Zustellung an Anwälte usw) Aufgrund der beschriebenen Urteilsausfertigung des Amtsgerichtes München "nebst" dem vorstehend beschriebenen Schreiben dieses Gerichtes vom 18.2.1985 beantragten die betreibenden Parteien am 11.4.1985 beim Kreisgericht Steyr (§ 82 Abs 1 EO) gegen die Verlassenschaft nach dem am 16.4.1984 verstorbenen Heinz Wilhelm D*****, vertreten durch den Verlassenschaftskurator Gertraud S*****, zur Hereinbringung öS im Gegenwert von 4.573,83 DM samt 16,5 % Zinsen seit 21.12.1983 und der Kosten von 589,97 DM samt 4 % Zinsen seit 13.11.1984 "zum Börsendevisenkurs Wien am Zahlungstag" und der Kosten ihres Ansuchens die Bewilligung der Zwangsversteigerung der Liegenschaft EZ ***** KG S***** durch Beitritt zu dem beim Bezirksgericht Kirchdorf an der Krems zu E 3001/85 bereits anhängigen Zwangsversteigerungsverfahren. Das Kreisgericht Steyr bewilligte die beantragte Exekution am 4.6.1985 und sprach aus, daß die betreibenden Parteien dem von ihnen zur Hereinbringung von 29.804,30 DM samt Nebengebühren eingeleiteten Zwangsversteigerungsverfahren E 3001/85 des Bezirksgerichtes Kirchdorf an der Krems beitreten.
Dagegen erhob die Verpflichtete aus zwei Gründen einen auf Abweisung des Exekutionsantrages gerichteten Rekurs. Die Exekution hätte schon deshalb nicht bewilligt werden dürfen, weil die Bewilligung des führenden Verfahrens noch nicht rechtskräftig und dieses Verfahren daher noch nicht im Sinn des § 139 EO "im Gange sei". Ferner seien Ladung und Versäumungsurteil nicht an den mit Beschluss des Bezirksgerichtes Linz vom 9.10.1984, 2 A 526/84-22, bestellten, allein vertretungsbefugten Verlassenschaftskurator Gertraud S***** zugestellt worden, so dass das Versäumungsurteil noch nicht wirksam zugestellt worden sei. Es könne daher noch nicht rechtskräftig sein. Bei seinem Zustandekommen sei der Grundsatz des beiderseitigen rechtlichen Gehörs verletzt worden, weshalb dem Titel die Anerkennung zu versagen sei.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs nicht Folge, erklärte den Revisionsrekurs nach § 83 Abs 3 EO und § 502 Abs 4 Z 1 (§ 528 Abs 2) ZPO für zulässig und führte im wesentlichen aus:
Da die Einleitung des Verfahrens E 3001/85 im Zeitpunkt der Entscheidung des Erstgerichts über den vorliegenden Exekutionsantrag bücherlich angemerkt gewesen und das erstgenannte Versteigerungsverfahren damals noch im Gang gewesen sei, sei das vorliegende Versteigerungsverfahren nach § 139 Abs 1 EO zu Recht als Beitritt bewilligt worden.
Nach Art 7 Abs 1 Z 2 des Vertrages vom 6. Juni 1959 zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, BGBl Nr 105/1960, habe der betreibende Gläubiger dem Antrag auf Bewilligung der Exekution den Nachweis beizufügen, dass die Entscheidung rechtskräftig und vollstreckbar sei. Dieser Nachweis sei hier durch die Rechtskraftbestätigung des Amtsgerichtes München vom 21.2.1985 und durch die Vollstreckungsklausel "Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar" erbracht. Habe sich die unterlegene Partei - wie hier - nicht auf das Verfahren eingelassen, so bilde dies nach Art 2 Abs 2 lit a des Vertrages dann keinen Versagungsgrund, wenn die Zustellung der prozesseinleitenden Verfügung dem Recht des Erststaates entsprochen habe. Formgerechte Ersatzzustellung genüge. Diese ordnungsgemäße Zustellung habe die die Anerkennung anstrebende Partei nach Art 7 Abs 2 des Vertrages durch eine beglaubigte Abschrift der Zustellungsurkunde oder durch eine gerichtliche Bestätigung über den Zustellvorgang nachzuweisen. Die Bestätigung des Amtsgerichtes München vom 18.2.1985 werde diesen Erfordernissen gerecht. Die Anerkennung des Versäumnisurteils könnte nur dann versagt werden, wenn die unterlegene Partei nachweise, dass sie von der formgerechten Ladung nicht so zeitgerecht Kenntnis habe nehmen können, um sich auf das Verfahren einzulassen. Obwohl der Beklagte 11 Tage nach Zustellung der Klage gestorben sei, bestünden nach der Aktenlage keine Anhaltspunkte für eine solche Annahme. Eine grobe Verletzung des Grundsatzes des beiderseitigen rechtlichen Gehörs würde zwar gegen die öffentliche Ordnung des Zweitstaates verstoßen, sei aber nicht evident.
Dagegen wendet sich der Revisionsrekurs der verpflichteten Partei mit den Anträgen, die Beschlüsse der Vorinstanzen durch Abweisung des Exekutionsantrages abzuändern, allenfalls aufzuheben und die Sache an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Rechtliche Beurteilung
Das nach den §§ 83 Abs 3 und 78 EO sowie § 528 Abs 2 ZPO wegen Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet.
Da das Kreisgericht Steyr als Bewilligungsgericht nicht auch zum Exekutionsvollzug berufen war, hätte es sich um die Frage des Beitritts nicht zu kümmern gehabt. Es ist vielmehr Sache des Bezirksgerichtes Kirchdorf an der Krems als Exekutionsgerichtes, den Beitritt festzustellen (Heller-Berger-Stix II 1116). Ob beim letztgenannten Gericht hinsichtlich derselben Liegenschaft nach bücherlicher Anmerkung der Einleitung des Versteigerungsverfahrens dieses noch im Gange ist, so dass zugunsten der hier betriebenen Forderung nach § 139 Abs 1 EO beim Exekutionsgericht ein besonderes Versteigerungsverfahren nicht mehr eingeleitet werden kann, ist daher für die Bewilligung anderer Zwangsversteigerungen derselben Liegenschaft, und damit auch für die hier zu beurteilende Exekutionsbewilligung ohne Bedeutung.
Die in Zivil- oder Handelssachen ergangenen Entscheidungen der Gerichte der Bundesrepublik Deutschland, durch die .... in einem Verfahren der streitigen ..... Gerichtsbarkeit über Ansprüche der Parteien erkannt wird, werden in Österreich anerkannt (Art 1 Abs 1 des zitierten Vollstreckungsvertrages).
Die Anerkennung darf nur versagt werden, 1. wenn sie der öffentlichen Ordnung des Staates, in dem die Entscheidung geltend gemacht wird, widerspricht; oder 2. wenn die unterlegene Partei sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, a) sofern ihr die Ladung oder die Verfügung, durch die das Verfahren eingeleitet worden war, nicht nach dem Recht des Staates, in dem die Entscheidung ergangen ist, zugestellt worden war, oder b) sofern sie nachweist, dass sie von der Ladung oder der Verfügung nicht so rechtzeitig Kenntnis nehmen konnte, um sich auf das Verfahren einlassen zu können; .... (Art 2).
Die in einem Staat ergangene Entscheidung, die in dem anderen Staat geltend gemacht wird, darf nur daraufhin geprüft werden, ob einer der im Art 2 .... genannten Versagungsgründe vorliegt. Darüber hinaus darf die Entscheidung nicht nachgeprüft werden (Art 4). Rechtskräftige gerichtliche Entscheidungen, die in einem Staate vollstreckbar und in einem anderen Staat anzuerkennen sind, werden in diesem Staate nach Maßgabe der Art 6 und 7 vollstreckt (Art 5 Abs 1).
Die Bewilligung der Exekution und die Durchführung der Zwangsvollstreckung richten sich, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt wird, nach dem Recht des Staates, in dem vollstreckt werden soll (Art 6).
Bei der Vollstreckung rechtskräftiger Entscheidungen hat der betreibende Gläubiger dem Antrag auf Bewilligung der Exekution beizufügen 1. eine mit amtlichem Siegel oder Stempel versehene Ausfertigung der Entscheidung, ....; 2. den Nachweis, dass die Entscheidung rechtskräftig und vollstreckbar ist; dieser Nachweis ist bei Entscheidungen von Gerichten in der Bundesrepublik Deutschland durch das Zeugnis über die Rechtskraft und durch die Vollstreckungsklausel zu erbringen (Art 7 Abs 1).
Hat die unterlegene Partei sich auf das Verfahren nicht eingelassen, so hat der betreibende Gläubiger außerdem nachzuweisen, dass die das Verfahren einleitende Ladung oder Verfügung der unterlegenen Partei ordnungsgemäß zugestellt worden ist; dieser Nachweis ist durch eine beglaubigte Abschrift der Zustellungsurkunde oder durch eine gerichtliche Bestätigung über den Zustellungsvorgang zu erbringen (Art 7 Abs 2).
Nach dem Exekutionstitel und der Bestätigung des Amtsgerichtes München vom 18.2.1985 war Heinz Wilhelm D***** im Titelverfahren vor dem Amtsgericht München durch einen bestellten Prozessbevollmächtigten, nämlich dem Münchner Rechtsanwalt K***** vertreten. Zustellungen im Titelverfahren mussten daher nach § 176 dZPO an den für den Rechtszug bestellten Prozessbevollmächtigten erfolgen, der auch nach § 313 I 1 dZPO in der Ausfertigung des Versäumnisurteils als Prozessbevollmächtigter des damaligen Beklagten bezeichnet ist.
§ 239 I dZPO bestimmt zwar, dass im Fall des Todes einer Partei eine Unterbrechung des Verfahrens bis zu dessen Aufnahme durch die Rechtsnachfolger eintritt, doch tritt eine Unterbrechung des Verfahrens nach § 246 I dZPO nicht ein, wenn eine Vertretung durch einen Prozessbevollmächtigten stattfand. Die letztgenannte Bestimmung geht davon aus, dass in diesem Fall eine Unterbrechung nicht nötig ist, weil die Prozessvollmacht, die nach § 81 dZPO zu allen den Rechtsstreit betreffenden Prozesshandlungen ermächtigt, nach § 86 dZPO durch den Tod des Vollmachtgebers nicht aufgehoben wird (Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann dZPO 44 , Anm 1 zu § 246). Die Anerkennung des diesem Exekutionsantrag zugrunde liegenden Versäumnisurteils des Amtsgerichtes München, das dem Prozessbevollmächtigten des damaligen Beklagten ordnungsgemäß zugestellt wurde, widerspricht daher nicht der öffentlichen Ordnung in Österreich. Sie darf auch nicht aus einem anderen im Art 2 des zitierten Vollstreckungsvertrages genannten Grund versagt werden. Das genannte rechtskräftige Versäumnisurteil ist in Österreich zu vollstrecken, weil die betreibenden Gläubiger ihrem Exekutionsantrag die im Art 7 Abs 1 und 2 des Vollstreckungsvertrages angeführten urkundlichen Nachweise beigefügt haben.
Dem Revisionsrekurs ist daher nicht Folge zu geben. Im Hinblick auf die obigen Ausführungen, dass das Bewilligungsgericht, das nicht zugleich Exekutionsgericht ist, sich bei der Entscheidung über den Zwangsversteigerungsantrag nicht um die Frage des Beitritts zu kümmern gehabt hätte, war der Exekutionsbewilligungsbeschluss mit der Maßgabe zu bestätigen, dass seine den Beitritt betreffenden Teile (Überschrift, Absätze 2 und 3 des Spruches und Abs 2 der Nachricht) zu entfallen haben. Nach den gemäß § 78 EO auch im Exekutionsverfahren anzuwendenden §§ 40, 41 und 50 ZPO hat die verpflichtete Partei keinen Anspruch auf Ersatz der Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels.
Textnummer
E08536European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0030OB00003.860.0730.000Im RIS seit
22.09.2015Zuletzt aktualisiert am
22.09.2015