Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Klinger, Dr. Egermann und Mag. Engelmaier als Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei I*** U***- UND S***
A***, Tegetthoffstraße 7, 1010 Wien, vertreten durch Dr. Horst Hoskovec, Rechtsanwalt in Wien, und beigetretener betreibender Gläubiger, wider die verpflichtete Partei GEV G***-E***- UND V*** mit beschränkter Haftung, Laxenburgerstraße 117-119, 1100 Wien, vertreten durch Dr. Heinrich Wille, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 8,400.000,-- samt Anhang, S 226.381,44 samt Anhang und S 824.865,25 samt Anhang, infolge Revisionsrekurses der erstbetreibenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 22. April 1986, GZ 46 R 270/86-109, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Mödling vom 30. Dezember 1985, GZ E 22016/82-105, abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Revisionsrekurswerberin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Zur Hereinbringung der vollstreckbaren Geldforderung von S 8,400.000 samt 10 % Verzugszinsen seit dem 19.5.1981 sowie fälliger Zinsen von S 813.000 samt 10 % Verzugszinsen seit dem 19.5.1981 und der Kosten von S 892.777,38 und der Exekutionskosten wurde der erstbetreibenden Partei am 1.3.1982 gegen den Verpflichteten Ing. Günter S*** die Exekution durch Zwangsversteigerung der Liegenschaft EZ 585 KG Hinterbrühl bewilligt. Nach der Anmerkung der Einleitung des Versteigerungsverfahrens erwarb die GEV G***-E***- und V*** mit beschränkter Haftung die Liegenschaft.
Ihr Eigentumsrecht wurde zu TZ 1486/1983 im Rang TZ 949/1982 vorgemerkt und zu TZ 1884/1984 die Anmerkung der Rechtfertigung bewilligt. Seither wird das Zwangsversteigerungsverfahren gegen die neue Eigentümerin fortgeführt.
Die von der erstbetreibenden Partei vorgelegten Versteigerungsbedingungen, die unter anderem vorsahen, daß jeder Bieter vor Beginn der Versteigerung den zehnten Teil des Schätzungswertes der Liegenschaft also S 931.400,-- zu erlegen habe und daß die erstbetreibende Partei als Hypothekargläubiger vom Erlag dieses Vadiums befreit werde, wurden genehmigt.
Bei der Versteigerungstagsatzung am 24.5.1984 traten nur zwei Kauflustige auf: Die erstbetreibende Partei, die vom Erlag des Vadiums befreit wurde, und die M*** M*** Gesellschaft m.b.H., die als Vadium ein Überbringersparbuch mit S 931.400,-- erlegte. Dieser Gesellschaft wurde die Liegenschaft um das Meistbot von S 9,000.000,-- zugeschlagen.
Auf Antrag der erstbetreibenden Partei, die Wiederversteigerung durchzuführen, weil die Ersteherin mit dem Erlag der Meistbotsraten in Verzug sei, und bei dieser Wiederversteigerung das Vadium mit dem geringsten Gebot also S 4,657.000,-- festzusetzen, um nur seriöse Interessenten zum Bieten zuzulassen, bewilligte das Erstgericht am 15.2.1985 die Wiederversteigerung und forderte die Verpflichtete auf, sich zu dem Antrag der erstbetreibenden Partei zu äußern, das Vadium für die Wiederversteigerung mit S 4,657.000,-- festzusetzen, widrigens ihre Zustimmung angenommen wird. Diese Aufforderung wurde dem Rechtsanwalt Dr. Georg W***, der am 9.8.1984 die Urkunde über die ihm von der Verpflichteten am 8.8.1984 erteilte Prozeßvollmacht vorgelegt hatte, am 11.3.1985 zugestellt. Eine Äußerung der Verpflichteten erfolgte nicht. Am 9.4.1985 teilte der Rechtsanwalt Dr. Georg W*** mit, er habe die Vollmacht gekündigt. Nach Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses, mit dem die Wiederversteigerung bewilligt worden war, ordnete das Erstgericht für den 29.11.1985 eine Tagsatzung zur Feststellung der Versteigerungsbedingungen an, weil die erstbetreibende Partei vorgeschlagen habe, von den gesetzlichen Vorschriften über die Versteigerungsbedingungen im Wiederversteigerungsverfahren abzugehen und das Vadium in Höhe des halben Schätzwertes und geringsten Gebotes mit S 4,657.000,-- festzusetzen. Ungeachtet der Angabe des wesentlichen Inhalts des Antrages und der mit dem Nichterscheinen verbundenen Rechtsfolgen nach § 56 Abs 2 EO in der Ladung, die dem Bevollmächtigten der säumigen Ersteherin am 15.11.1985 zugestellt worden war, ist diese bei der Tagsatzung am 29.11.1985 nicht erschienen. Wohl aber schritt der Geschäftsführer der Verpflichteten Ing. Günter S*** und ein von ihm bevollmächtigter Rechtsanwalt bei dieser Tagsatzung ein. Die Verpflichtete trat dem Antrag der erstbetreibenden Partei, von den genehmigten Versteigerungsbedingungen bei der Wiederversteigerung abzugehen und das Vadium auf das Fünffache zu erhöhen, mit dem Hinweis auf die Vorschrift des § 154 Abs 3 EO und den Ausschluß zahlreicher Interessenten, die nicht schon einen so hohen Betrag als Vadium erlegen könnten, entgegen.
Das Erstgericht faßte den Beschluß, daß für die bewilligte Wiederversteigerung die für die erste Versteigerung geltenden Versteigerungsbedingungen mit der Ausnahme gelten, daß das Vadium mit S 4,657.000,-- also dem geringsten Gebot festgesetzt wird, und meinte, es sei zwar von den formell rechtskräftigen Versteigerungsbedingungen nur im Falle einer geänderten Sach- oder Rechtslage abzugehen, doch genüge die Zustimmung der betreibenden Gläubiger zu der Abweichung, die vorliege.
Das Rekursgericht änderte diesen Beschluß infolge des Rekurses der Verpflichteten dahin ab, daß der Antrag der erstbetreibenden Partei abgewiesen und der Wiederversteigerung die mit Beschluß des Erstgerichtes vom 21.12.1983 genehmigten Versteigerungsbedingungen zugrunde gelegt werden. Das Gericht zweiter Instanz führte aus, § 154 Abs 3 EO ordne an, daß der neuerlichen Versteigerung die für die erste Versteigerung festgestellten Versteigerungsbedingungen mit der Abweichung zu Grunde zu legen sind, daß das geringste Gebot bei der Wiederversteigerung stets die Hälfte des Schätzungswertes der Liegenschaft beträgt. Das geringste Gebot sei schon bei der ersten Versteigerung mit dem halben Schätzwert festgelegt gewesen. Sonst könne eine Abänderung der Versteigerungsbedingungen nicht stattfinden. Die Erhöhung des Vadiums finde im Gesetz keine Deckung. Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes, über den es entschieden hat, S 300.000,-- übersteigt.
Rechtliche Beurteilung
Die erstbetreibende Partei zielt mit ihrem gegen den abändernden rekursgerichtlichen Beschluß rechtzeitig und zulässig (§ 78 EO; § 528 Abs 2 und § 502 Abs 4 Z 2 ZPO) erhobenen Revisionsrekurs auf die Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung ab. Sie meint, die Anordnung des § 154 Abs 3 EO schütze ausschließlich den säumigen Ersteher gegen übermäßige Benachteiligung, weil er für den Ausfall am Meistbot hafte; im Verhältnis zwischen dem betreibenden Gläubiger und dem Verpflichteten könne aber aus besonderen Gründen ein höheres Vadium als der zehnte Teil des Schätzungswertes der Liegenschaft geboten sein (§ 147 Abs 1 EO) und es müsse, wenn der säumige Ersteher zustimme, ein Abgehen von der mit dem Mindestbetrag festgesetzten Höhe des Vadiums zulässig sein, wenn zu besorgen sei, daß unseriöse Bieter aus dem Einflußbereich der Verpflichteten das Vadium einsetzen, um der betreibenden Partei durch Verzögerung und Veralterung ihrer Zinsenforderungen Schaden zuzufügen. Die säumige Ersteherin gelte nach § 56 Abs 2 EO als dem Antrag auf Erhöhung des Vadiums zustimmend. Die Verpflichtete habe weder Legitimation noch Beschwer, einer Erhöhung des Vadiums entgegenzutreten, wenn der betreibende Gläubiger und der allein durch die Schutznorm des § 154 Abs 3 EO begünstigte säumige Ersteher der Festsetzung mit dem halben Schätzwert zustimmen.
Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.
Auch die Wiederversteigerung richtet sich grundsätzlich gegen die verpflichtete Partei. Sie wird zwar auf Grund der Säumnis des Erstehers auf seine Kosten und Gefahr bei seiner Haftung für den Ausfall am Meistbot geführt, er wird jedoch ungeachtet gewisser Elemente einer Exekution gegen den Ersteher nicht Verpflichteter (Heller-Berger-Stix 1212; SZ 56/97). Dem Rekursgericht ist beizupflichten, daß die Anordnung des § 154 Abs 3 EO zwingend die Zugrundelegung der für die erste Versteigerung wirksam festgestellten Versteigerungsbedingungen vorsieht und daß von diesen nur insoweit abzugehen ist, daß das geringste Gebot in jedem Fall die Hälfte des Schätzungswertes der Liegenschaft beträgt (so auch Heller-Berger-Stix 1226; Holzhammer, Zwangsvollstreckungsrecht 2 , 181; Petschek-Hämmerle-Ludwig,125). Die Vorschrift dient erkennbar nicht allein dem Schutz des säumigen Erstehers, dessen Einwendung, die Wiederversteigerung sei unter anderen Bedingungen vorgenommen worden, damit abgeschnitten sein soll, sondern vor allem der zügigen Abwicklung der Wiederversteigerung und der Verhinderung der mit der Feststellung der abweichenden Versteigerungsbedingungen (§ 162 Abs 1 EO) verbundenen Verzögerung, um den Zweck, der in erster Linie auf die endgültige Befriedigung der auf das Meistbot gerichteten Personen gerichtet ist (SZ 56/40 ua), ehestens zu erreichen. Es kann nicht übersehen werden, daß die von der erstbetreibenden Partei angestrebte beträchtliche Höhe der von den Bietern zu leistenden Sicherheit, die nach § 147 Abs 1 EO nur dann, wenn nicht auf Antrag vom Richter etwas anderes festgestellt wird, zum mindesten den zehnten Teil des Schätzungswertes erreichen muß, das Bieten erheblich erschwert und damit dem Interesse aller auf das Meistbot gewiesenen Personen aber auch der Verpflichteten zuwider läuft. Schon bei dem ersten Versteigerungstermin hat neben der betreibenden Partei nur noch eine neuentstandene Gesellschaft Anbote gemacht. Ob schon zur Zulassung zum Bieten eine Sicherheit in der Höhe des halben Schätzwertes geleistet werden muß oder ob erst nach Erteilung des Zuschlages für die Erfüllung der Versteigerungsbedingungen vorgesorgt sein muß, macht einen deutlichen Unterschied. Die Anhebung der Höhe des Vadiums verletzt Interessen aller Beteiligten, weil sie bei Insolvenz des säumigen Erstehers zu einer Schmälerung der zur Befriedigung aller auf das Meistbot gewiesenen Personen zur Verfügung stehenden Geldmittel führen kann, etwa dann, wenn sich nur die betreibende Partei, der die Sicherheitsleistung ganz oder teilweise erlassen wird, an der Versteigerung beteiligt, weil alle anderen Interessenten durch die Höhe des Vadiums von der Beteiligung abgehalten werden. Es hat daher dabei zu bleiben, daß bei der Wiederversteigerung von den für die erste Versteigerung festgestellten Bedingungen abgesehen von der Bestimmung über das geringste Gebot nicht abgegangen werden kann (GlUNF 3734), selbst wenn die Zustimmung der Beteiligten vorliegt. Es würde sich dann nicht mehr um eine auf Gefahr und Kosten des säumigen Erstehers vorgenommene "Wiederversteigerung" handeln, wenn sie unter anderen Bedingungen durchgeführt wird. Als Folge der Säumnis des Erstehers kennt das Gesetz aber nur die Wiederversteigerung (§ 154 Abs 1 EO). Es muß daher hingenommen werden, daß die einmal festgestellten Versteigerungsbedingungen nur mehr insofern abänderbar sind, als ein höheres geringstes Gebot als die Hälfte des Schätzungswertes auf diese herabzusetzen ist, sonst aber unverändert die Versteigerungsbedingungen der ersten Versteigerung gelten. Eine nach § 56 Abs 2 EO anzunehmende Zustimmung der Beteiligten ist in einem solchen Falle unbeachtlich, weil die gesetzlichen Voraussetzungen der Stattgebung des Antrages dennoch zu beachten sind (Heller-Berger-Stix 628; EvBl 1973/93). § 154 Abs 3 EO hindert aber ein Abgehen von der für die erste Versteigerung festgesetzten Höhe des Vadiums, so daß die Zweckmäßigkeit einer solchen Maßnahme zur Verhinderung der von der erstbetreibenden Partei befürchteten Umtriebe der Verpflichteten nicht geprüft werden mußte. Dem Revisionsrekurs der erstbetreibenden Partei ist daher nicht stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf dem § 78 EO und den §§ 40 und 50
ZPO.
Wien, am 30. Juli 1986.
Anmerkung
E08743European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0030OB00077.86.0730.000Dokumentnummer
JJT_19860730_OGH0002_0030OB00077_8600000_000