TE OGH 1986/8/12 10Os90/86

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Veröffentlicht am 12.08.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12.August 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Dr. Walenta, Dr. Reisenleitner sowie Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Gumpinger als Schriftführer in der Strafsache gegen Franz W*** wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 2, 84 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht in Jugendstrafsachen vom 18.März 1986, GZ 22 Vr 3074/85-24, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen Teilfreispruch enthält, wurde der am 10.April 1966 geborene Angeklagte Franz W*** des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 2, 84 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er am 30.April 1983 in Hallein dem Eduard M*** einen Schlag mit seiner Gipshand gegen das Gesicht und anschließend Fußtritte gegen den Unterbauch versetzt, wodurch der Genannte ein Schädelhirntrauma ersten Grades, Kopfschmerzen und Schmerzen in der linken Backenregion sowie einen Leistenbruch links, somit eine an sich schwere Verletzung erlitten hat.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 5 und 10 (der Sache nach auch Z 9 lit b) des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der jedoch keine Berechtigung zukommt.

Im Rahmen der Mängelrüge (Z 5) remonstriert er lediglich gegen die ihm angelastete Herbeiführung der schweren Verletzung (Leistenbruch). Er wendet ein, das Jugendschöffengericht habe nicht festgestellt (gemeint: mit Stillschweigen übergangen), daß nach dem Ergänzungsgutachten des Sachverständigen Univ.Prof. Dr. S*** (ON 20) ein Fußtritt als Verletzungsursache aus medizinischer Sicht in höchstem Grade unwahrscheinlich sei; es habe ferner dieses Gutachten, auf das es sich zur Begründung des Schuldspruches u.a. beruft, gerade in diesem Punkte unvollständig, somit aktenwidrig zitiert und seine Schlußfolgerungen über die Verursachung des Leistenbruches durch einen Fußtritt des Angeklagten seien somit nicht logisch begründet, zumal der Sachverständige "schlüssig und unwiderlegbar festgestellt" habe, daß dieser Fußtritt "nicht kausal für den Leistenbruch des Verletzten M*** ist".

Der Sachverständige hat in seinem Gutachten wie folgt resümiert:

"Insgesamt erscheint es somit aus medizinischer Sicht in höchstem Grade unwahrscheinlich, daß es durch einen Tritt zu einem Leistenbruch gekommen ist, von dem bereits in einer Aussage erwähnt ist, daß er bereits vorhanden war, wenn auch kleiner, was allerdings anläßlich der Hauptverhandlung bestritten wurde" (S 187 unten, 189 oben). Dies leitet der Sachverständige einerseits (und im allgemeinen) daraus ab, daß nach der einschlägigen Literatur nur in den seltensten Fällen es durch Traumatisierung zu einer für einen Leistenbruch notwendigen Lockerung des Gewebes und zwar nur dann kommen könne, wenn die dafür in Betracht kommende Region im Ausmaß von ungefähr 1 bis 2 cm direkt getroffen wird; andererseits (und im konkreten Fall) daraus, daß der Zeuge Eduard M*** bezüglich des bereits früheren Vorhandenseins eines kleinen Bruches im Verfahren widersprechende Angaben gemacht hat, sodaß seine Darstellung "eher als Aggravation einzustufen" sei.

Davon, daß ein Kausalzusammenhang zwischen einem (in der Beschwerde nicht mehr bestrittenen) Fußtritt des Angeklagten und dem (gleichfalls unbestritten vorhandenen) Leistenbruch des Zeugen M*** ausgeschlossen wäre, ist im Gutachten - den Beschwerdebehauptungen zuwider - keine Rede.

Das Jugendschöffengericht erwähnt nun zwar in seiner Urteilsbegründung tatsächlich nicht, daß nach vom Sachverständigen dargelegter medizinischer Erfahrung im allgemeinen eine Bruchverursachung durch einen Fußtritt "nur in den seltensten Fällen" auftritt. Es setzt sich allerdings mit dessen weiterer Argumentation, daß im besonderen Falle des Zeugen M*** der von diesem behauptete Eintritt eines Leistenbruches auch wegen dessen aggravierter Darstellung "in höchstem Grade unwahrscheinlich" ist, in zureichendem Maße auseinander, indem es diese als vorgreifende und unzulässige Beweiswürdigung durch den Sachverständigen mit der Begründung ablehnt, daß der Zeuge den ihm vom Gutachter gemachten Vorwurf einer widersprechenden Aussage in befriedigender Weise entkräftet hat. Das Erstgericht trägt zumindest in dieser Richtung den Bedenken des Sachverständigen durchaus Rechnung. Zudem stützt es sich aber bei seinen Schlußfolgerungen nicht auf das - wie erwähnt - einen Kausalzusammenhang zwischen Fußtritt und Leistenbruch keineswegs ausschließende Gutachten des Sachverständigen Dr. S*** allein, sondern auch darauf, daß nach der ihm als glaubwürdig erschienenen Aussage des Zeugen M*** bei diesem vor dem Vorfall kein Leistenbruch bestanden hat (US 8), während danach ein solcher in der Ambulanz des Allgemeinen öffentlichen Krankenhauses der Stadt Hallein diagnostiziert worden ist (US 9 unten und verso). Damit überwindet aber das Jugendschöffengericht - ohne dies ausdrücklich erwähnen zu müssen - unter Verwertung zusätzlicher Verfahrensergebnisse auch die allgemeinen Einwendungen des Sachverständigen aus medizinischer Erfahrungssicht und kommt somit nach freier, an keine Beweisregeln gebundenen Prüfung der vorliegenden Beweismittel in ihrem inneren Zusammenhange (§ 258 Abs 2 StPO) zu denkrichtigen und keineswegs außerhalb aller Erfahrung liegenden Schlußfolgerungen, die mit Nichtigkeitsbeschwerde vor dem Obersten Gerichtshof nicht mehr bekämpft werden können. Das Beschwerdevorbringen erweist sich somit in diesem Punkte lediglich als unzulässige Kritik an der Beweiswürdigung des Jugendschöffengerichtes nach Art einer im Verfahren vor Kollegialgerichten nicht vorgesehenen Schuldberufung. Mit der Rechtsrüge (Z 10, der Sache nach auch Z 9 lit b) moniert der Beschwerdeführer einen Feststellungsmangel dahin, daß er gegen Eduard M*** nur in der irrigen Annahme tätlich geworden ist, daß dieser seinen Bruder, Günther W***, bedrohe (§ 8 StGB). Für eine (allenfalls auf Fahrlässigkeit beruhende) Annahme einer Putativnotwehrsituation bieten jedoch die insoweit in der Beschwerde übergangenen Urteilsfeststellungen keinen Raum, wonach der Angeklagte seinen Bruder rächen wollte (US 14), also längst nach dessen Auseinandersetzung mit einem unbekannten Burschen gegen Eduard M***, den er mit diesem verwechselte, tätlich wurde. Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war somit als zur Gänze nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 Z 1 iVm § 285 a Z 2 StPO).

Anmerkung

E08818

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0100OS00090.86.0812.000

Dokumentnummer

JJT_19860812_OGH0002_0100OS00090_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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