TE OGH 1986/8/12 10Os100/86

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Veröffentlicht am 12.08.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12.August 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Dr. Walenta, Dr. Reisenleitner sowie Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Gumpinger als Schriftführer in der Strafsache gegenh Friedrich G*** wegen des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 5. Mai 1986, GZ 7 Vr 114/86-11, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Strafsache an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Darauf wird der Angeklagte mit seiner Berufung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem bekämpften Urteil wurde der Angeklagte Friedrich G*** der Vergehen des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 StGB und der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1, Abs. 2 Z 4 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe sowie zur Zahlung eines Betrages von 3.000 S an den Privatbeteiligten Karl S*** verurteilt.

Ihm liegt zur Last, am 27.November 1985 in Villach

I. versucht zu haben, die Polizeibeamten S***, C*** und S*** mit Gewalt, nämlich durch wiederholtes Versetzen wuchtiger Stöße und Schläge, an einer Amtshandlung, nämlich an seiner Einlieferung in den Polizeiarrest zu hindern,

II. durch die zu I. bezeichnete Handlung den Polizeibeamten S*** vorsätzlich am Körper verletzt zu haben, wobei die Tat an einem Beamten während der Vollziehung seiner Aufgaben begangen wurde und eine an sich schwere Körperverletzung, verbunden mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung, nämlich einen doppelten offenen Nasenbeinbruch, einen Bruch des rechten Mittelfingers sowie mehrere blutende Schnittwunden an beiden Händen zur Folge hatte.

Die Schuldsprüche bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 4, 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, gegen den Strafausspruch und das Adhäsionserkenntnis wendet er sich mit Berufung.

Rechtliche Beurteilung

Der Nichtigkeitsbeschwerde kann jedenfalls schon aus dem erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund im Hinblick auf die zutreffend geltend gemachten Verfahrensmängel Berechtigung nicht versagt werden. In der zur Urteilsfällung führenden Hauptverhandlung vom 5. Mai 1986 wurde vom Verteidiger des Angeklagten die Vornahme eines Ortsaugenscheins im Gebäude der Bundespolizeidirektion Villach zum Beweis dafür, daß sich der Tathergang entsprechend der Verantwortung des Angeklagten und nicht entsprechend der Aussage des Zeugen S*** zutrug, sowie die Vernehmung der Zeugin N. T*** zum Beweis dafür beantragt, daß der Angeklagte auf der Wiese südlich des Gebäudes der Bundespolizeidirektion Villach (wo er letztlich überwältigt wurde) keinen Widerstand mehr leistete (S 75 f).

Das Schöffengericht wies diese Beweisanträge ab; nach dem Inhalt des - ungerügt gebliebenen - Hauptverhandlungsprotokolls, von dem der Oberste Gerichtshof auszugehen hat, verkündete der Vorsitzende unmittelbar vor der Urteilsverkündung diesen Beschluß des Schöffengerichtes "samt wesentlichen Gründen" (S 76). Welcher Art diese Gründe waren, ist dem Protokoll jedoch nicht zu entnehmen. Auch im Urteil fehlen hiezu jegliche Ausführungen.

Gemäß § 238 Abs. 2 StPO sind die Entscheidungsgründe eines Zwischenerkenntnisses der vorliegenden Art zu verkünden und im Protokoll ersichtlich zu machen. Unterbleibt eine Darlegung der Entscheidungsgründe für das Zwischenerkenntnis, dann fehlt dem Rechtsmittelgericht die Möglichkeit, dieses auf seine Richtigkeit hin zu überprüfen. Diese Möglichkeit wäre zwar dann noch gegeben, wenn das Erstgericht - obschon unter Verletzung der Vorschrift des § 238 Abs. 2 StPO - die tatsächlichen Erwägungen für das Zwischenerkenntnis (erst) in die Entscheidungsgründe des Urteils aufgenommen hätte (vgl. Mayerhofer/Rieder, StPO 2 , E 10 und 11 zu § 238), doch unterblieb vorliegend selbst dies.

Es ist auch nicht unzweifelhaft erkennbar, daß die dem Erstgericht unterlaufene Formverletzung auf die Entscheidung keinen dem Angeklagten nachteiligen Einfluß üben konnte (§ 281 Abs. 3 StPO). Zu den Vorgängen im Inneren des Gebäudes hatte nämlich der Zeuge C*** ausgesagt, seiner Wahrnehmung nach habe der Zeuge G*** die Flügeltür "auf den Kopf bekommen", als der Angeklagte diese aufriß (S 74 f), eine Darstellung, die nicht voll im Einklang mit der Aussage des Zeugen G*** steht, wonach er als Folge eines Stoßes des Angeklagten gegen die Tür geprallt und sich dabei die Verletzungen zugezogen habe (S 72 und 34).

Desgleichen kann eine mögliche Relevanz der beantragten Vernehmung der Zeugin T*** über die Vorfälle auf der Wiese südlich des Polizeigebäudes nach der bisherigen Aktenlage nicht von vornherein unzweifelhaft verneint werden, liegt doch dem Angeklagten versuchter Widerstand gegen die Staatsgewalt durch tätliche Attacken nicht nur gegen den Zeugen G*** (in der ersten Phase), sondern auch gegenüber den Polizeibeamten C*** und S*** (in der zweiten Phase) zur Last, die mit dem Angeklagten erst auf der genannten Wiese in (körperlichen) Kontakt kamen (S 6). Zu diesem Teil der Vorgänge hatte sich der Angeklagte dahin verantwortet, überhaupt keinen Widerstand geleistet zu haben. Die vom Erstgericht vorgenommene Beurteilung dieser Verantwortung als unglaubwürdig ohne Vernehmung der beantragten Zeugin, die nach dem Sinngehalt des Beweisantrages als Tatzeugin geführt wurde, kommt demnach einer unzulässigen vorgreifenden Beweiswürdigung gleich.

Schon wegen dieser dem Erstgericht unterlaufenen Verfahrensmängel, die nach dem Vorgesagten geeignet waren, den Angeklagten in seinen gesetzlich verankerten Verteidigungsrechten zu beeinträchtigen, sah sich der Oberste Gerichtshof genötigt, bereits bei der nichtöffentlichen Beratung das angefochtene Urteil aufzuheben und die Verfahrenserneuerung anzuordnen, ohne daß es erforderlich gewesen wäre, auf das weitere Vorbringen in der Nichtigkeitsbewschwerde des Angeklagten einzugehen. Mit seiner Berufung gegen den Strafausspruch und gegen das Adhäsionserkenntnis war der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E08812

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0100OS00100.86.0812.000

Dokumentnummer

JJT_19860812_OGH0002_0100OS00100_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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