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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §71 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über den Antrag des AB in W, vertreten durch X, Y & Partner, Rechtsanwälte KEG in W, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung einer gemäß § 34 Abs. 2 VwGG gesetzten Frist im hg. Verfahren Zl. 2005/06/0055, den Beschluss gefasst:
Spruch
Der Antrag wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem hg. Beschluss vom 26. April 2005, Zl. 2005/06/055-6, wurde das Verfahren über die vom nunmehrigen Wiedereinsetzungswerber erhobene Beschwerde gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 1. Dezember 2004 betreffend Übertretung des Bundesstraßen-MautG 2002 gemäß § 34 Abs. 2 und § 33 Abs. 1 VwGG eingestellt, weil der Beschwerdeführer der an ihn gerichteten Aufforderung vom 2. März 2005, die Mängel der gegen den vorbezeichneten Verwaltungsakt eingebrachten Beschwerde zu beheben, dadurch nicht fristgerecht nachgekommen war, dass der Beschwerdeführer die beiden mit dem Verbesserungsauftrag zurückgestellten Beschwerdeausfertigungen und den diesen angeschlossenen angefochtenen Bescheid nicht wieder vorgelegt hatte.
Im vorliegenden, rechtzeitigen Wiedereinsetzungsantrag wird vorgebracht, dass der Mängelbehebungsauftrag vom 2. März 2005 von dem näher angeführten Partner Dr. H.P. der vertretenden Rechtsanwälte KEG bearbeitet worden sei, dem durchaus klar gewesen sei, dass mit solchen Mängelbehebungsaufträgen im Hinblick auf die allfälligen Säumnisfolgen eine besondere Gefahr verbunden sei. Schon beim Eingehen des Mängelbehebungsauftrages in die Kanzlei werde von ihm geprüft, ob die vom Verwaltungsgerichtshof zurückgestellten Unterlagen vollständig seien, und er achte persönlich darauf, dass, sofern die Mängelbehebung nicht prompt zu bewerkstelligen sei, diese Unterlagen umgehend in den Handakt zwecks Vermeidung ihres Verlustes abgelegt würden. In weiterer Folge lege er besonderes Gewicht darauf, dass Mängelbehebungsaufträgen buchstabengetreu entsprochen werde. Er weise in diesem Zusammenhang auf einen Fall hin, in dem er den Partner Mag. B. im Besonderen darauf aufmerksam gemacht habe, bei der Bearbeitung eines ähnlichen Mängelbehebungsauftrages ganz genau zu sein.
In der Kanzlei der Beschwerdevertreter sei betreffend die gesamte Postabwicklung ein effizientes Kontrollsystem eingerichtet. Dieses solle insbesondere sicherstellen, dass der für den jeweiligen Akt zuständige Rechtsanwalt, der dann auch selbst den Schriftsatz zu fertigen habe, noch persönlich kontrolliere, ob sämtliche Inhalts- und Formvorschriften eingehalten seien. Auch sei vorgesehen, dass für das Schreiben eines Schriftstückes bis zu dessen Abfertigung nur eine Kanzleikraft eingesetzt werde, um eine entsprechende umfassende Information zu gewährleisten. Diese habe auch alle Beilagen bereits vorzubereiten und dann dem verantwortlichen Rechtsanwalt mit dem Schriftsatz zur Prüfung vorzulegen. Bei dieser Vorbereitung habe die Sekretärin auch zu prüfen, ob außer allenfalls im Rubrum oder einer Fußnote angeführte Beilagen auch solche beizulegen seien, die sich nur aus dem Text ergäben. Die Unterfertigung von Schriftstücken erfolge erst dann, wenn der den Schriftsatz fertigende Rechtsanwalt persönlich kontrolliert habe, ob dem Schriftsatz auch sämtliche erforderlichen Beilagen angeschlossen worden seien. Nur der Kuvertierungsvorgang selbst obliege in der Folge einer Kanzleikraft. Diese habe nach nochmaliger Kontrolle, sofern irgendwelche Zweifel auftauchten, ob dem Rechtsanwalt nicht ein Irrtum unterlaufen sei, diesen darauf hinzuweisen und mit diesem eine Klarstellung herbeizuführen. Eine eigenmächtige Änderung, wie Entfernung, Hinzufügung oder Austausch von Beilagen ohne Rückfrage sei ausgeschlossen. Im konkreten Fall erinnere sich Dr. P. noch genau daran, dass die doch sehr voluminösen Beilagen vollständig dem Mängelbehebungsschriftsatz angeschlossen und sohin nur mehr zu kuvertieren gewesen seien. Dr. P. erinnere sich, dass er, als der Schriftsatz schon zur Postabfertigung (Kuvertierung) bereit gelegen sei, noch diese letzte Gelegenheit in diesem speziellen Fall wahrgenommen habe, um nochmals die Vollständigkeit, wie oben beschrieben, zu prüfen.
Dazu sei noch auf folgende Details der Abwicklung hinzuweisen:
Bei Einlangen der Verfügung ONr. 3 am 10. März 2005 sei diese mit einer roten Eingangsstampiglie, wie angeordnet, von der dafür zuständigen Kanzleikraft versehen worden, die auch als bewährte Kanzleikraft den von ihr vorgemerkten Termin handschriftlich anmerkte: "Termin 24.3.". In der Folge werde nochmals von einem Partner (RA) in der Regel Mag. B. kontrolliert und vor allem geprüft, ob die von der Kanzleiangestellten vorgemerkten Termine richtig berechnet seien (siehe dessen Zeichen: "Termin MB"). Weiters werde auf dieser Stampiglie der für den Akt zuständige Rechtsanwalt angeführt, in diesem Fall Dr. H.P. Dieser prüfe zunächst nochmals den vorgemerkten Termin und treffe die weitere Veranlassung. In diesem Fall sei dies die Anweisung an seine Sekretärin, den Akt vorzulegen und bereits jetzt eine weitere Ausfertigung der Beschwerde auszudrucken.
Nach Vorlage des Mängelbehebungsschriftsatzes zur Unterschrift, habe Dr. P. die Vollständigkeit der Beilagen geprüft und habe deren Vollständigkeit festgestellt. Vorsichtshalber sei anzumerken, dass ihn auch die Angabe auf diesem Schriftsatz "1 Beilage" deshalb nicht gestört habe, weil er als Beilage zu dieser Mängelbehebung nur die weitere, vom Verwaltungsgerichtshof angeforderte Ausfertigung der Beschwerde gezählt hätte. Die zurückgestellte Beschwerde sei nicht als Beilage dieses Schriftsatzes anzusehen gewesen. Bei einer Anführung auch der ursprünglichen Beschwerde als Beilage wäre dies deswegen missverständlich gewesen, weil auch dieser Beilagen angeschlossen gewesen seien. Dr. P. erinnere sich genau daran, dass er aus den genannten Gründen auf die besondere Wichtigkeit hingewiesen habe, dass auch die ursprüngliche Beschwerde samt Beilagen dem Verwaltungsgerichtshof wieder vorzulegen sei. Dies sei auch daran erkennbar, dass er in der Verfügung ONr. 3 die diesbezüglichen Passagen mit Kugelschreiber unterstrichen hätte.
Auch sei darauf hinzuweisen, dass der von der angeführten Schreibkraft geschriebene Mängelbehebungsantrag den ausdrücklichen Hinweis enthalte, dass auch die ursprüngliche Beschwerde samt Beilagen mit diesem Schriftsatz nochmals vorgelegt werde. Der Versuch, das gegenständliche Missgeschick zu klären, habe zu folgendem Ergebnis geführt:
Die ursprüngliche Beschwerde samt Beilagen sei im Handakt abgeheftet, abgelegt worden. Die Ursache hiefür habe auf Grund der dargestellten Organisation nur auf ein Missgeschick zurückgeführt werden können. Der Versuch diesen dafür ursächlichen Umstand aufzuklären, habe mangels einschlägiger Erinnerung der Kanzleikraft N.K. und des sonstigen Personals zu keinem Ergebnis geführt. Der Partner der Beschwerdevertreterin, Dr. H.P., habe diesen Antrag unterfertigt und erkläre auch, dass die Sachverhaltsangaben seiner eigenen Wahrnehmung entsprächen und richtig seien.
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG i.d.F BGBl. Nr. 564/1985 ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 46 Abs. 1 VwGG (auch in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 564/1985) ist das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten, während jenes eines Kanzleibediensteten eines bevollmächtigten Rechtsanwaltes (auch eines bei einem Rechtsanwalt tätigen Rechtsanwaltsanwärters) dem Rechtsanwalt (und damit der Partei) nur dann als Verschulden anzurechnen ist, wenn er die ihm zumutbare und nach der Sachlage gebotene Überwachungspflicht jenem Bediensteten gegenüber unterlassen hat (vgl. den hg. Beschluss vom 22. Oktober 1990, Zl. 90/12/238).
Die Organisation des Kanzleibetriebes eines Rechtsanwaltes ist so einzurichten, dass u.a. auch die vollständige und fristgerechte Erfüllung von Mängelbehebungsaufträgen, die ja bereits das Vorliegen einer zumindest zum Teil nicht den gesetzlichen Vorschriften entsprechenden Eingabe zur Grundlage haben, gesichert erscheint. Die anwaltliche Sorgfaltspflicht umfasst in einem solchen Fall auch die geeignete Überwachung des Fertigmachens der Postsendung zur Abgabe und die Überprüfung der Vollständigkeit der an den Verwaltungsgerichtshof in Befolgung des Verbesserungsauftrages übermittelten Aktenstücke. Unterläuft jedoch dem sonst verlässlichen Kanzleibediensteten erst nach der Unterfertigung und Kontrolle eines fristgebundenen Schriftsatzes durch den Rechtsanwalt im Zuge der Kuvertierung oder Postaufgabe ein Fehler, so ist dieser, sofern nicht nach der konkreten Fallgestaltung ein eigenes Verschulden des Rechtsanwaltes hinzutritt, nicht dem Rechtsanwalt (und damit der Partei) als Verschulden anzurechnen (vgl. den angeführten hg. Beschluss vom 22. Oktober 1990 und die in diesem Beschluss dazu angeführte Vorjudikatur).
Der Begriff des minderen Grades des Versehens in § 46 Abs. 1 VwGG ist der leichten Fahrlässigkeit gleichzustellen. Das zumutbare Maß an Aufmerksamkeit darf nicht so extrem unterschritten werden, dass sich darauf das Urteil auffallender Sorglosigkeit gründen lässt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. April 2005, Zl. 2005/20/0080, und die dazu angeführte hg. Judikatur und Literatur). An einen rechtskundigen Parteienvertreter ist allerdings ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige oder bisher nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen.
Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers (innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist) gesteckt ist. Wird als Wiedereinsetzungsgrund ein Versehen eines Kanzleibediensteten des einschreitenden Rechtsanwaltes geltend gemacht, so muss immer auch dargelegt werden, dass es zur Fehlleistung des Kanzleibediensteten gekommen ist, obwohl die dem Rechtsanwalt im Sinne der obigen Ausführungen obliegenden Aufsicht- und Kontrollpflichten eingehalten worden seien.
Bewertet man das Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag nach diesen rechtlichen Grundsätzen, so ist dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers Dr. H.P. eine nicht nur einen minderen Grad des Versehens bildende Verletzung der Überwachungspflicht anzulasten. Auch wenn nach den Behauptungen des Rechtsvertreters dem an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Mängelbehebungsschreiben, das von ihm unterfertigt worden war, sämtliche Beilagen angeschlossen waren, hätte der Rechtsvertreter die missverständliche Angabe auf Seite 1 des Mängelbehebungsschreibens von "1 Beilage" weglassen oder entsprechend ergänzen müssen, indem als diesem Schreiben angeschlossene Unterlagen auch "zurückgestellte Beschwerden samt deren Beilagen (angefochtener Bescheid in Kopie, Beilage A und B)" anzuführen gewesen wäre. Mangels einer solchen Ergänzung hat die Angabe auf dem Mängelbehebungsschriftsatz "1 Beilage" offensichtlich dazu geführt, dass von der damit befassten Kanzleikraft bei der Kuvertierung nur die geforderte weitere Beschwerdeausfertigung dem Mängelbehebungsschreiben angeschlossen wurde. Es genügt zwar grundsätzlich, dass dem Mängelbehebungsschriftsatz im Zeitpunkt der Unterschrift des Rechtsanwaltes die entsprechenden anzuschließenden Unterlagen beiliegen und der Schriftsatz so der Kanzleikraft zur Kuvertierung weitergegeben wird, wenn aber auf Seite 1 des Schriftsatzes eine Angabe über die angeschlossenen Unterlagen erfolgt, dann muss der Vertreter darauf achten, dass die Angabe den anzuschließenden Unterlagen entspricht. Dem Rechtsvertreter ist im Hinblick auf diese in seinen Verantwortungsbereich fallende unzutreffende Angabe der dem Schriftsatz anzuschließenden Unterlagen auf dem Mängelbehebungsschriftsatz selbst ein eigenes Verschulden an der letztlich mangelhaft durchgeführten Mängelbehebung anzulasten, wobei dieses Verschulden nicht nur als ein minderer Grad des Versehens qualifiziert werden kann.
Der Wiedereinsetzungsantrag war daher abzuweisen.
Wien, am 14. Juli 2005
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2005060177.X00Im RIS seit
20.09.2005