TE OGH 1986/8/14 12Os76/86

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Veröffentlicht am 14.08.1986
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Der Oberste Gerichtshof hat am 14.August 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Krenn als Schriftführer in der Strafsache gegen Susanne P*** wegen des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und Abs. 2 zweiter Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 29. Oktober 1986, GZ 3 c Vr 13664/84-46, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Generalanwaltes Dr. Presslauer als Vertreter der Generalprokuratur, der Angeklagten, des Verteidigers Dr. Gahleitner, und der Privatbeteiligtenvertreterin Dr. Pewny zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche wird Folge gegeben, das Adhäsionserkenntnis aufgehoben und die Privatbeteiligte, Firma S*** & H*** OHG, mit ihren Ersatzansprüchen gemäß § 366 Abs. 2 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Der Berufung der Angeklagten gegen den Strafausspruch wird teilweise Folge gegeben und die verhängte Freiheitsstrafe gemäß § 43 Abs. 2 StGB unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Susanne P*** des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und Abs. 2 zweiter Fall StGB und des Vergehens der versuchten falschen Beweisaussage vor einer Verwaltungsbehörde als Beteiligte nach §§ 15, 12, 2. Alt., 289 StGB schuldig erkannt. Ihr liegt zur Last, in Wien

A/ ein ihr anvertrautes Gut im Wert von mehr als 100.000 S, nämlich für die Firma S*** & H*** OHG vereinnahmte Geldbeträge in nachangeführter Höhe, sich mit dem Vorsatz zugeeignet zu haben, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern;

1. in der Zeit von Dezember 1983 bis 29.November 1984 im Zusammenhang mit in Band I S 137 angeführten Geschäftsfällen insgesamt 401.196 S;

2. am 22.November 1984 einen von Otto S*** (früher N***) erhaltenen Betrag von 50.000 S;

B) Ende November 1984 versucht zu haben, andere zu bestimmen,

vor dem Sicherheitsbüro, sohin vor einer Verwaltungsbehörde, bei ihrer förmlichen Vernehmung zur Sache falsch auszusagen:

a) den Gerhard F*** durch das Ansinnen, wahrheitswidrig zu bestätigen, sie hätte ihm erst kürzlich (im November 1984) 150.000 S zurückgezahlt,

b) den Dr.Günter K*** durch das Ansinnen, wahrheitswidrig zu bestätigen, sie hätte ihm am 20.November 1984 Arzthonorare im Gesamtbetrag von 150.000 S bezahlt.

Die von der Angeklagten auf die Z 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde richtet sich nur gegen den Schuldspruch wegen Verbrechens der Veruntreuung. Mit Berufung bekämpft die Angeklagte den Strafausspruch und das Adhäsionserkenntnis.

Soweit die Beschwerdeführerin aus dem erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund sinngemäß die Urteilsfeststellung über ihre eigenverantwortliche Stellung im Rahmen der Geldgebarung der Filiale Leystraße der Firma S*** & H*** als undeutlich bzw unvollständig begründet rügt, ist die Beschwerde nicht berechtigt. Daß die Angeklagte nicht nur in Ansehung der Geldverrechnung und Kassaführung sondern auch in bezug auf die im Zusammenhang mit dem Filialbetrieb anfallenden Büroarbeiten keiner unmittelbaren innerbetrieblichen Aufsicht und Kontrolle unterstand, bedurfte als miteinander schlüssig vereinbar in der Urteilsbegründung keiner weiteren Klarstellung und steht dem Beschwerdevorbringen zuwider auch nicht im Widerspruch zu der ihren Funktionsbereich betreffenden Verantwortung der Angeklagten bzw den diesbezüglichen Angaben des Zeugen Anton K***. Sowohl die Beschwerdeführerin als auch der genannte Zeuge haben bei ihren wiederholten Vernehmungen im Vorverfahren und in der Hauptverhandlung dargelegt, daß sich der bestimmende Einfluß des Zeugen K*** auf die Verhandlung mit Kunden, die Schätzung von Fahrzeugen und diesbezügliche Preisfestsetzungen beschränkt hat, während das Bürowesen und die Geldgebarung von der Angeklagten ohne weitere Kontrolle in Eigenverantwortung besorgt worden sind (vgl Band I S 45, 69, 111; Band II S 46 und 74). Die davon abweichenden Beschwerdebehauptungen finden in den Beweisergebnissen keine Deckung.

Ebenfalls zu Unrecht vermißt die Beschwerdeführerin in der Urteilsbegründung ein Eingehen auf die Angaben des Zeugen Werner P*** über eine zum Teil kommissionsweise Verkaufsabwicklung bei Gebrauchtwagen. Bleiben doch die einzelne Fahrzeuge betreffenden Eigentumsverhältnisse für die strafrechtliche Beurteilung der der Angeklagten zur Last fallenden eigennützigen Verwendung von nach den Urteilsfeststellungen jedenfalls nicht ihr gehörenden Kundengeldern ohne ausschlaggebende Bedeutung.

Rechtliche Beurteilung

Entscheidungswesentlicher Relevanz entbehren aber auch die weiteren Einwände zur Mängelrüge, die den Vorwurf der Nichterörterung von (teils bloß vermeintlichen) Widersprüchen bzw Unschlüssigkeiten in den Urteilsfeststellungen zum Gegenstand haben. Die in diesem Zusammenhang relevierten Fragen, warum die Angeklagte den zum Zweck der Schadensgutmachung angestrebten Kredit in der Höhe von 500.000 S nicht im Ausmaß der (damals aktuellen) Schadenshöhe von 723.000 S beantragt hat, daß ihr ein Kredit von 430.000 S tatsächlich gewährt worden ist, obwohl ein solcher über die Kreditsumme von 500.000 S mangels entsprechender Sicherheit abgelehnt worden war, und woher jener Teil des am 29.November 1984 erlegten Sparguthabens stammte, der den (nach Leistung einer teilweisen Schadensgutmachung verbliebenen) Restbetrag des in Anspruch genommenen Kredits überstiegen hat, berühren nämlich nicht die Gegenstand des Schuldspruches bildenden Tathandlungen und bleiben solcherart zwangsläufig für den Verfahrensausgang bedeutungslos.

Mit dem die Rechtsrüge gemäß § 281 Abs. 1 Z 9 lit a StPO einleitenden Einwand, das angefochtene Urteil leide in bezug auf die Vorsatzkomponente unrechtmäßiger Bereicherung an einem Feststellungsmangel, vernachlässigt die Beschwerdeführerin, daß die vermißte Konstatierung ohnedies unmißverständlich dem (mit der Urteilsbegründung als Einheit zu verstehenden) Urteilsspruch im Zusammenhang mit den im Urteil (Band II S 101, 102 und 105) festgestellten widmungswidrigen Zueignung der in Rede stehenden Kundengelder zu entnehmen ist. Der von der Beschwerdeführerin weiters vermißten Feststellungen über exakte zeitliche Modalitäten einer ohnehin als nicht näher determiniert eingeräumten Verpflichtung der Angeklagten zur Geldabrechnung, über die zur zivilrechtlichen Beurteilung der sogenannten "Depotgelder" erforderlichen Umstände und über die Rechtswirksamkeit der betreffenden Kaufverträge hat es - soweit entsprechende Konkretisierungen nach den Beweisergebnissen überhaupt möglich gewesen wären - mangels ausschlaggebender Bedeutung für die strafrechtliche Beurteilung der inkriminierten Tathandlungen nicht bedurft.

Die auf § 281 Abs. 1 Z 10 StPO gestützte Rechtsrüge hinwieder, der Angeklagten falle wegen einer in den Geschäftsräumlichkeiten der Firma StUA & H*** in Ansehung der deliktsgegenständlichen Gelder vom Dienstgeber ausgeübten faktischen Sachherrschaft nicht Veruntreuung, sondern (schwerer) Diebstahl nach § 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z 3 (zu ergänzen: § 128 Abs. 2) StGB zur Last, geht von urteilsfremden Tatsachengrundlagen aus und bringt den angerufenen materiellen Nichtigkeitsgrund solcherart nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung. Fehlt es aber - wie nach den Urteilsfeststellungen im vorliegenden Fall - an einer laufenden, unmittelbaren Kontroll- und Überwachungstätigkeit des Dienstgebers, so kommt nach gefestigter oberstgerichtlicher Rechtsprechung Mitgewahrsam des Dienstgebers an den von einem Angestellten (unter welchem Rechtstitel immer) vereinnahmten Kundengeldern selbst dann nicht in Betracht, wenn der diesbezügliche Gewahrsamswechsel in betriebsinternen Geschäftsräumlichkeiten stattfindet (13 Os 84/78; 9 Os 186/68 ua).

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten war daher zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte die Angeklagte nach §§ 28, 133 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten; gemäß § 369 StPO wurde dem Privatbeteiligten, der Firma S*** & H*** OHG, ein Betrag von 451.196 S zugesprochen. Es wertete als erschwerend das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen und die Wiederholung der Angriffe während eines längeren Tatzeitraumes, als mildernd hingegen den bisherigen untadeligen Lebenswandel, das Teilgeständnis zur falschen Beweisaussage, und daß es bei der falschen Beweisaussage beim Versuch geblieben ist.

Die Berufung der Angeklagten richtet sich gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche, gegen die Strafhöhe und gegen die Nichtanwendung bedingter Strafnachsicht.

Die Berufung der Angeklagten, mit der sie eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe anstrebt, ist nicht berechtigt. Die Berufungswerberin vermag keine zusätzlichen Milderungsgründe anzuführen. Bei den vom Erstgericht richtig erfaßten und zutreffend gewürdigten Strafzumessungsgründen ist die über die Angeklagte verhängte Freiheitsstrafe, welche den im § 32 StGB normierten allgemeinen Grundsätzen für die Strafbemessung Rechnung trägt, nicht überhöht.

Berechtigt ist hingegen das auf Gewährung bedingter Strafnachsicht gerichtete Vorbringen der Angeklagten. Der Ansicht des Erstgerichtes, die Angeklagte sei bei der Tatbegehung besonders raffiniert vorgegangen und sei überdies absolut schulduneinsichtig gewesen, weshalb eine Anwendung des § 43 StGB ausgeschlossen sei, kann nicht gefolgt werden. Das mißbräuchliche Ausnützen einer Vertrauensstellung in einem Betrieb, welches durch mangelnde Kontrolle seitens des Dienstgebers über einen derart langen Zeitraum ermöglicht wurde, ist für sich allein noch kein raffiniertes Vorgehen. Geständnis und Schuldeinsicht sind keine unabdingbaren Voraussetzungen für eine Anwendung des § 43 StGB. Deren Fehlen spricht nicht schlechthin gegen eine qualifiziert günstige Zukunftsprognose.

Im vorliegenden Fall vermeint der Oberste Gerichtshof, daß bei der 43jährigen Angeklagten, die bisher niemals strafbar wurde, das Strafübel durch die, wenn auch kurze Untersuchungshaft bereits verspürt hat, und die wieder sozial integriert erscheint, aus besonderen Gründen Gewähr dafür geboten ist, daß sie keine weiteren strafbaren Handlungen begehen werde. Da generalpräventive Erwägungen der Gewährung der bedingten Strafnachsicht ebenfalls nicht entgegenstehen, war in teilweiser Stattgebung der Berufung die verhängte Freiheitsstrafe gemäß § 43 Abs. 2 StGB unter Bestimmung einer angemessenen Probezeit von drei Jahren bedingt nachzusehen. Begründet ist auch die Berufung gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche. Die Angeklagte wurde entgegen dem Gebot des § 365 Abs. 2 zweiter Satz StPO nicht ausdrücklich zu diesen Ansprüchen und deren Höhe vernommen. Ohne eine solche Vernehmung darf ein Zuspruch an den Privatbeteiligten nicht erfolgen (ÖJZ-LSK 1979/221). Es war daher auch der Berufung der Angeklagten gegen den Zuspruch im Adhäsionsverfahren Folge zu geben und der Privatbeteiligte gemäß § 366 Abs. 2 StPO auf den Zivilrechtsweg zu verweisen.

Über die Berufung war somit spruchgemäß zu erkennen.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E09097

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0120OS00076.86.0814.000

Dokumentnummer

JJT_19860814_OGH0002_0120OS00076_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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