Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 26.August 1986 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Reisenleitner, Dr. Felzmann sowie Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Hinger als Schriftführer in der Strafsache gegen Rudolf P*** wegen des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z 4 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 12.Dezember 1985, GZ 3 c Vr 9517/85-12, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen
Über die Berufung wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die durch die Nichtigkeitsbeschwerde verursachten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Rudolf P*** des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z 4 StGB schuldig erkannt; darnach hat er am 16.Juli 1985 in Wien der Berta J*** fremde bewegliche Sachen, und zwar zumindest 5.500 S Bargeld, mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern.
Der auf § 281 Abs. 1 Z 4, 5 und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen diesen Schuldspruch kommt keine Berechtigung zu.
Mit der Verfahrensrüge (Z 4) moniert der Beschwerdeführer die Abweisung seiner Anträge auf Einholung einer Auskunft der E*** Ö*** S***-C*** zum Beweis dafür, daß vor dem 16. Juli 1985 von einem Konto seiner Ehefrau Beträge in der Gesamthöhe von 6.000 S abgehoben worden seien (S 66 f.), sowie auf Vernehmung der Maria K*** und der Renate R*** als Zeugen darüber, daß er in der Woche vom 15. bis zum 19.Juli 1985 (in der CA-Filiale Thaliastraße) Golddukaten verkauft habe (S 81); zudem beschwert er sich über das Unterbleiben einer (von der Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift beantragten) Vernehmung des (zur Hauptverhandlung als Zeugen geladenen, aber nicht erschienenen) Emil T*** (über dessen Wahrnehmungen zur Tatzeit am Tatort), in Ansehung deren der Verteidiger ohne eigene Antragstellung erklärt hatte, darauf nicht zu verzichten (S 77); und letztlich remonstriert er dagegen, daß das Schöffengericht nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls seine Beweisanträge ohne Begründung abwies (S 83). Alle diese Einwände gehen fehl.
In bezug auf das Unterbleiben einer Einvernahme des (nach einer Mitteilung der Zeugin Hermine T***, S 77, bettlägerigen und vernehmungsunfähigen) Zeugen Emil T*** ist der Angeklagte zur Beschwerde nicht legitimiert; denn die bloße Erklärung des Verteidigers, auf dessen Vernehmung nicht zu verzichten, vermag eine zur Verfahrensrüge nach § 281 Abs. 1 Z 4 StPO jedenfalls vorauszusetzende eigene Antragsstellung durch den Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung nicht zu ersetzen (10 Os 21/85, 12 Os 125/85 u.a.).
Richtig hingegen ist allerdings, daß nach § 238 Abs. 2 StPO die Gründe eines abweisenden Zwischenerkenntnisses jederzeit zu verkünden (sowie - zum Zweck ihrer Überprüfbarkeit im Rechtsmittelverfahren - im Protokoll ersichtlich zu machen) sind und daß die Beachtung dieser Vorschrift durch das Wesen eines die Strafverfolgung gleichwie die Verteidigung sichernden Verfahrens geboten ist (Z 4), weil sie - in Verbindung mit der Verpflichtung des Gerichtshofs zur sofortigen Entscheidung (§ 238 Abs. 1 StPO) - dem Antragsteller im Interesse der Wahrheitsfindung die Möglichkeit sichern soll, die für die Ablehnung seines Begehrens maßgebend gewesenen Erwägungen allenfalls auf geeignete Weise auszuräumen. Im vorliegenden Fall ist jedoch, und zwar aus der Urteilsbegründung, unzweifelhaft erkennbar, daß die dem Erstgericht (dem Hauptverhandlungsprotokoll zufolge) durch die Nichtverkündung der (in die Ausfertigung der Entscheidung aufgenommenen) Gründe für die Abweisung der Beweisanträge unterlaufene Formverletzung keinen dem Angeklagten nachteiligen Einfluß auf die Entscheidung üben konnte (§ 281 Abs. 3 StPO).
Denn darin wird mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht, daß das Schöffengericht die vom Beschwerdeführer unter Beweis gestellten Vorgänge (Geldabhebung, Dukatenverkauf) letzten Endes doch als möglich ansah, und eingeräumt, daß das (nach seiner Ausforschung) bei ihm vorgefundene Geld auch aus diesen Quellen - also nicht aus dem Diebstahl - stammen könnte (US 13 f.); diesem Umstand jedoch maß das Erstgericht deshalb ausdrücklich keine entscheidungswesentliche Bedeutung bei (US 11), weil aus dem Besitz von Bargeld unbedenklicher Herkunft gegen die Annahme seiner Täterschaft bei dem ihm angelasteten Diebstahl, die es auf die Aussage der Zeugen J*** und Hermine T*** stützte, wonach er dazu in einem ausschließlichen Gelegenheitsverhältnis gestanden sei (US 6 bis 9), nichts abgeleitet werden könne (US 13).
Unter diesen Umständen war zum einen die vom Beschwerdeführer begehrte Beweisaufnahme in der Tat entbehrlich, weil deren von ihm angestrebtes Erfordernis vom Schöffengericht - ungeachtet jener (ersichtlich nur auf das bereits durchgeführte Beweisverfahren gemünzten) Urteilspassage, wonach ihm letzteres seine Darstellung über den angeblichen Dukatenverkauf nicht glaube (US 13) - ohnehin zumindest alternativ als richtig unterstellt und als eine mögliche Variante in den Kreis der für die Entscheidung über die Täterschaft aktuellen Erwägungen einbezogen wurde, bei denen es auf die allgemeinen Bedenken gegen seine Wahrheitsliebe, die es auf Grund seiner widersprüchlichen Angaben über das behauptete Münzengeschäft hegte (und die durch die abgelehnten Beweise allerdings möglicherweise hätten relativiert werden können), nicht zurückgriff (Z 4). Deswegen kann auch von einer Widersprüchlichkeit der Urteilsbegründung in bezug auf eine allfällige Relevanz der hier relevierten Verantwortung (Z 5) insoweit nicht gesprochen werden.
Rechtliche Beurteilung
Aus eben diesen Gründen aber erhellt zum anderen überdies, daß die Nichtverkündung der Begründung für die Abweisung der in Rede stehenden Beweisanträge dem Angeklagten keinesfalls zum Nachteil gereichen konnte, weil er die betreffenden, immerhin nunmehr dargelegten Erwägungen selbst im Fall ihrer vorgeschriebenen sofortigen Bekanntmachung in der Hauptverhandlung (§ 238 Abs. 2 StPO) in concreto nicht in Frage zu stellen vermocht hätte. Gleichfalls nicht stichhältig sind die Beschwerdeeinwände gegen die Diebstahlsqualifikation nach § 128 Abs. 1 Z 4 StGB. Die Rechtsrüge (Z 10) entbehrt nämlich insofern einer prozeßordnungsgemäßen Darstellung, als sich der Beschwerdeführer mit der Behauptung, im Urteil werde nicht exakt festgestellt, ob er mehr oder weniger als 5.000 S gestohlen habe, über jene Konstatierung hinwegsetzt, wonach das Schöffengericht "...eine geringe Überschreitung von Schilling fünftausend zum Inhalt des Schuldspruchs gemacht" (US 10) und damit unmißverständlich auf den Tenor Bezug genommen hat, demzufolge die Diebsbeute "zumindest S 5.500,--" (US 2) betrug.
Der Mängelrüge (Z 5) jedoch ist zwar einzuräumen, daß die den Umfang der Diebsbeute betreffenden Entscheidungsgründe ein wünschenswertes Maß an Klarheit vermissen lassen; im Zusammenhang mit dem Urteilsspruch ist ihnen aber letzten Endes doch mit hinreichender Bestimmtheit (§ 270 Abs. 2 Z 5 StPO) zu entnehmen, daß das Erstgericht der Aussage der Geschädigten, die den ihr gestohlenen Geldbetrag mit 10.000 bis 12.000 S bestehend aus Tausend- und Fünfhundert-Schilling-Banknoten, bezifferte (S 12, 27 f., 65 f.), grundsätzlich Glauben schenkte, daß es sich darnach lediglich außerstande sah, jeweils die genaue Anzahl der entfremdeten Banknoten verläßlich zu ermitteln, und daß es deswegen trotz seiner Überzeugung vom Diebstahl eines insgesamt höheren Betrages den Umfang der Beute zugunsten des Angeklagten bloß mit zumindest 5.500 S konstatierte (US 2, 6, 9 f.).
Demnach kann indessen, der Beschwerdeauffassung zuwider, nicht mit Fug angenommen werden, daß die Feststellung der Mindesthöhe des gestohlenen Geldbetrages mit 5.500 S einer logischen Begründung entbehre: im Hinblick darauf, daß das Schöffengericht die Aussage der Bestohlenen auch insoweit, als sie einen Schadensbetrag in der Höhe von 10.000 bis 12.000 S bekundete, als grundsätzlich überzeugend und lediglich in bezug auf die Art und die Anzahl der gestohlenen Banknoten als nicht hinreichend verläßlich beurteilte, sind die Intensität und die Wirksamkeit der darauf bezogenen Zweifel nicht mathematisch bestimmbar, sondern weitgehend von nicht meßbaren Faktoren abhängig; im vorliegenden Fall hat das Erstgericht, indem es bei der Konstatierung des Mindestumfangs der Diebsbeute mit 5.500 S erwog, daß es sich dabei um eine derartige Anzahl von in der Mitte gefalteten Tausend- und Fünfhundert-Schilling-Banknoten handelte, daß ihr Fehlen für die Bestohlene schon bei geschlossener Kellnerbrieftasche einen Auffälligkeitswert erlangte (US 7), durchaus auf ein mit den Denkgesetzen und mit allgemeiner Lebenserfahrung im Einklang stehendes Kriterium abgestellt. Von einer unstatthaften Vermutung zu Lasten des Beschwerdeführers oder von einer willkürlichen Ergänzung ungeklärt gebliebener Umstände zu seinem Nachteil kann daher im gegebenen Zusammenhang keine Rede sein. Mit seinem Einwand, das Erstgericht hätte das Maß seiner Zweifel noch weitergehend bis zur Annahme eines 5.000 s nicht übersteigenden Beuteumfangs ausdehnen sollen, unternimmt der Angeklagte vielmehr nur einen im Rechtsmittelverfahren gegen schöffengerichtliche Urteile unzulässigen Angriff gegen die erstinstanzliche Beweiswürdigung nach Art und Zielsetzung einer Schuldberufung.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher nach Anhörung der Generalprokuratur schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285 d Abs. 1 Z 2 und Z 1 iVm § 285 a Z 2 StPO). Über die Berufung hingegen wird bei einem Gerichtsag zur öffentlichen Verhandlung zu entscheiden sein (§ 296 Abs. 3 StPO).
Anmerkung
E09090European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0100OS00122.86.0826.000Dokumentnummer
JJT_19860826_OGH0002_0100OS00122_8600000_000