Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch, Dr.Jensik, Dr.Schobel und Mag.Engelmaier als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*** L***
Gesellschaft m.b.H., Salzburg, Fanny-von-Lehnert-Straße 1, vertreten durch Dr.Herwig Liebscher, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Helene S***, Geschäftsfrau, Baden, Kaiser-Franz-Josef-Ring 36, vertreten durch Dr.Peter Spörk, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, wegen Rückstellung eines Fahrzeuges (Streitwert 268.228 S), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 13.Juni 1985, GZ 32 R 200/85-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 22.Februar 1985, GZ 12 C 2673/81-13, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revision wird stattgegeben.
Das angefochtene Urteil und das Urteil erster Instanz werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Ergänzung der Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind Kosten des zu ergänzenden Verfahrens.
Text
Begründung:
Die Beklagte hat im Frühjahr 1981 in Ansehung eines von ihr selbst beim Händler gewählten und übernommenen Personenkraftwagens mit der Beklagten einen Leasingvertrag geschlossen, bei dem das vereinbarte monatliche Leasingentgelt als auf der Grundlage der mit 48 Monaten vereinbarten Vertragsdauer kalkuliert erklärt wurde. Der Vertragsabschluß erfolgte derart, daß die Beklagte als Leasingnehmerin bei dem als Vermittler bezeichneten Händler unter Verwendung eines Formulars der Klägerin den mit 30.April 1981 datierten Antrag unterfertigte und die Klägerin mit dem Begleitschreiben vom 16.Juni 1981 die mit 5.Juni 1981 datierte Annahmebestätigung übermittelte.
Das verwendete Formular der Klägerin enthält die Schablone für einen - im vorliegenden Fall nicht abgeschlossenen - Servicevertrag und für einen Leasingvertrag. Es besteht aus einem DIN A 4-Bogen, dessen erste drei Seiten Vertragsregelungen enthalten, die in einer solchen Schriftgröße abgedruckt sind, daß auf jeder Seite mehr als 100 Zeilen Text untergebracht werden können. Die Bestimmungen zum Leasingvertrag sind in acht Punkte mit Überschriften in Fettdruck gegliedert, die einzelnen Punkte und ihre Unterabschnitte sind durch Randzahlen gekennzeichnet. Dazu kommen sogenannte Allgemeine Vertragsbestimmungen in drei Punkten mit entsprechenden Unterabschnitten. Die vierte Seite enthält Raum für die konkreten Einzelvertragsbestimmungen durch Angabe des Fahrzeuges, der Vertragsdauer, des Nutzungsentgeltes und der Daten des Leasingnehmers.
Das Vertragsformblatt enthält unter anderem folgende vorformulierte Bestimmungen:
"L 1. Vertragsbeginn Der Vertrag kommt durch Annahme des Antrages seitens der ..." (Leasinggeberin) "innerhalb der Anbotsfrist, spätestens jedoch durch die polizeiliche Fahrzeuganmeldung bzw. per Bereitstellungsanzeige an den Kunden zustande. Das Datum der Übernahme des Fahrzeuges bzw. das Datum der Bereitstellungsanzeige bzw. das Datum der polizeil. Fahrzeuganmeldung bezeichnet gleichzeitig das Datum des Vertragsbeginnes. Soferne in der schriftlichen Annahmebestätigung der ..." (Leasinggeberin) "Abweichungen zum Antrag enthalten sind, ist der Kunde berechtigt, binnen 8 Tagen nach Erhalt der Annahmebestätigung schriftlich, tunlichst mittels eingeschriebenen Briefes zu erklären, daß er mit diesen Änderungen nicht einverstanden ist.
In diesem Fall hat der Kunde ..." "L 6. Rückgabe des Vertragsobjektes ...
L 6 6. Bei Vertragsbeendigung aus welchem Grunde immer, ist der Kunde verpflichtet, das Fahrzeug auf seine Kosten und Gefahren an den Sitz des Vertragshändlers, durch den die Auslieferung erfolgte, zurückzustellen. Der Kunde ist aber auch zur Rückstellung verpflichtet, wenn er mit seinen monatlichen Entgeltzahlungen im Rückstand ist. Kommt der Kunde dieser Verpflichtung nicht binnen drei Tagen nach, so ist ..." Allgemeine Vertragsbestimmungen 1. Kündigungsmöglichkeit, vorzeitige Vertragsauflösung Der Kunde ist berechtigt, das Vertragsverhältnis unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Monat zu jedem Monatsletzten schriftlich aufzukündigen. Die ..." (Leasinggeberin) "ist berechtigt, das Vertragsverhältnis mit sofortiger Wirkung aufzulösen, wenn - der Kunde mit seiner Zahlungsverpflichtung länger als 30 Tage in Verzug ist ...
2. Entgelt 2.1. Unter Entgelt sind sämtliche vom Kunden auf Grund des Vertrages monatlich regelmäßig zu leistenden Zahlungen zu verstehen, inkl. jenem Teil der Vorauszahlung, der auf die Vorschreibung angerechnet wird. Diese Zahlungen sind bis zum Ersten eines jeden Monats unaufgefordert im vorhinein zu leisten. Die Annahmebestätigung gilt als Rechnung im Sinne des Ust-Gesetzes. Liegt der Vertragsbeginn vor dem 16. eines Monats, erfolgt der Verrechnungsbeginn mit dem Ersten des laufenden Monats. Sonst mit dem nächsten Ersten, wobei ein entsprechender Ausgleich bei Vertragsende erfolgt. Es werden nur ganze Monatsentgelte verrechnet. ... 2.6. Grundsätzlich werden sämtliche Einzelverpflichtungen aus verschiedenen Service- und Leasingverträgen ein und desselben Kunden als eine Gesamtverpflichtung dieses Kunden gegenüber der ..."
(Leasinggeberin) "betrachtet. Es wird daher ausdrücklich vereinbart, daß jede bei der ..." (Leasinggeberin) "eingegangene Zahlung von der ..." (Leasinggeberin) "für die Abdeckung der jeweils jüngsten Forderung gegen diesen Kunden aus einem Service- oder Leasingvertrag verwendet wird. Sodann werden Zinsen und sonstige Kosten herangezogen. Sofern die ..." (Leasinggeberin) "mehrerer Forderungen mit gleichem Datum besitzt, werden zuerst Forderungen aus dem Servicevertrag und dann aus dem Leasingvertrag abgedeckt. Die ..."
(Leasinggeberin) "ist berechtigt, Forderungen mit eventuellen Guthaben aus anderen Verträgen zu verrechnen." Sechs Monate nach Vertragsbeginn brachte die Leasinggeberin gegen die Leasingnehmerin die Klage auf Zahlung eines vereinbarten Monatsentgeltes samt 12 % Zinsen seit 1. August 1981 sowie auf Rückstellung des Vertragsgegenstandes mit der Behauptung ein, die Beklagte sei mit der Monatszahlung für August 1981 im Verzug, die Klägerin habe daher den Rücktritt vom Vertrag erklärt, die Beklagte sei deshalb zur vertraglich festgelegten Rückstellung des Fahrzeuges an den Händler verpflichtet. In der ersten Tagsatzung erklärte die Klägerin, ihr Begehren "infolge Zahlung am 18.12.1981" auf Herausgabe und Kostenersatz einzuschränken. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 18.Oktober 1982 stützte die Klägerin ihren Rückstellungsanspruch nicht nur auf die Auflösung des Vertrages, sondern auch darauf, daß die Kosten des anhängigen Rechtsstreites unberichtigt aushafteten.
Die Beklagte bestritt eine wirksame Vertragsaufhebung und einen - die Klägerin zur vorzeitigen Vertragsauflösung berechtigenden - Zahlungsverzug, aber auch den Zugang einer Vertragsaufhebungserklärung. Dazu behauptete die Beklagte, am 15. Dezember 1981 eine "außertourliche Leasing-Raten-Einzahlung" vorgenommen und erst am folgenden Tag die - nach den Beurkundungen auf dem Rückschein am 10.Dezember 1981 nach vergeblichen Zustellversuchen vom 9. und 10.Dezember 1981 an der im Vertrag angeführten Anschrift der Beklagten postamtlich hinterlegte - Klagsschrift ausgehändigt erhalten zu haben. Das Erstgericht wies das eingeschränkte Klagebegehren ab.
Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil im Sinne des Klagebegehrens ab. Dazu sprach es aus, daß der Wert des von der Abänderung betroffenen Streitgegenstandes zwar 15.000 S, nicht aber 300.000 S übersteigt und die Revision im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei.
Aus den erstrichterlichen Feststellungen ist in Ergänzung des eingangs dargestellten Sachverhaltes hervorzuheben:
Die Anmeldung des Leasingfahrzeuges (zur Zulassung zum öffentlichen Verkehr) erfolgte am 8.Mai 1981. Die Beklagte übernahm das Fahrzeug (vom Händler) am 11.Mai 1981. Anläßlich dieser Fahrzeugübernahme zahlte die Beklagte neben einer Vorauszahlung von 122.000 S das vertraglich festgesetzte monatliche Entgelt für Mai 1981. Die Klägerin schrieb der Beklagten am 25.Juni 1981 unter Anschluß eines Erlagscheines die Monatsbeträge für Juni und Juli 1981 vor. Die Beklagte überwies diese Beträge nicht unverzüglich, so daß die ihr vorgeschriebenen zwei Monatsbeträge bei der Klägerin erst am 20. August 1981 einlangten. Die Beklagte erteilte ihrer Bank einen Dauerauftrag zur Abbuchung der monatlichen Leasingentgelte. In Erfüllung dieses Auftrages erfolgten ab September 1981 regelmäßig monatliche Überweisungen an die Klägerin.
Die Klägerin mahnte die Beklagte wiederholt wegen eines rückständigen Monatsentgeltes. Die Beklagte ersuchte die Klägerin um Mitteilung, mit welcher Monatszahlung sie sich nach Ansicht der Klägerin in Verzug befände, sie erbat auch die Übersendung eines Kontoauszuges. Diesem Ersuchen kam die Klägerin nicht nach. Die Beklagte erhielt vielmehr den von der Klägerin mit 30.September 1981 datierten, aber erst am 21.Oktober 1981 zur Postaufgabe gebrachten Brief, mit dem die Klägerin unter Berufung auf eine bereits früher erfolgte Aufforderung und auf eine angeblich bereits bei Gericht überreichte Klage sowie unter Ankündigung einer Strafanzeige die Beklagte letztmalig zur Rückstellung des Vertragsgegenstandes aufforderte.
Am 15. Dezember 1981 überwies die Beklagte den von der Klägerin wiederholt eingemahnten Betrag in Höhe eines Monatsentgeltes. Das Erstgericht nahm nicht als erwiesen an, daß der Beklagten vor der Zustellung der Klagsschrift eine schriftliche Vertragsauflösungserklärung der Klägerin zugegangen wäre. Die Klägerin wendete sich mit der in ihrer Berufung ausgeführten Tatsachen- und Beweisrüge gegen diese letzterwähnte negative Feststellung.
Das Berufungsgericht erachtete die Frage nach einer vor der Klagszustellung erfolgten Aufhebungserklärung der Klägerin als unerheblich, weil es in der Klage auf Rückstellung des Leasinggegenstandes eine Vertragsaufhebungserklärung erblickte, den Zugang einer solchen in der Klage gelegenen Rechtsgeschäftserklärung auf den Hinterlegungstag (10.Dezember 1981) bezog und für diesen Zeitpunkt den Verzug der Beklagten in Ansehung des mit 1.August 1981 fällig gewordenen Monatsentgeltes noch nicht als aufgehoben ansah. Das Berufungsgericht führte in seiner rechtlichen Beurteilung ferner aus, daß eine auf Zahlungsverzug der Leasingnehmerin gegründete Vertragsaufhebungserklärung durch nachträgliche Begleichung des Zahlungsrückstandes nicht berührt würde und eine schlüssige Fortsetzung des als aufgelöst erklärten Vertragsverhältnisses schon im Hinblick auf den aufrecht erhaltenen Prozeßstandpunkt der Klägerin nicht angenommen werden könne.
Die vom Berufungsgericht als berichtigungswürdig erachteten erstrichterlichen Rechtsausführungen zur Behebung des Verzuges vor dem Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz haben sich allerdings unmißverständlich nicht auf die vertragliche Rückstellungspflicht im Falle der Vertragsbeendigung, sondern auf die von der Klägerin ebenfalls geltend gemachte Rückstellungsverpflichtung bei Aufrechterhaltung des Vertrages und bloß zeitlicher Aussetzung der Hauptleistungspflichten der Leasinggeberin nach dem zweiten Satz der Vertragsbestimmung nach Punkt L 6.6. bezogen.
Die Beklagte ficht das abändernde Berufungsurteil wegen Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit einem auf Wiederherstellung des klagsabweisenden Urteiles erster Instanz zielenden Abänderungsantrag und einem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag an.
Die Klägerin erachtet die Zulässigkeitsvoraussetzung nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO als nicht gegeben, sie vermißt die Ausführung eines tauglichen Revisionsgrundes. Deshalb beantragt sie in erster Linie die Zurückweisung der Revision. Hilfsweise strebt sie die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig.
Das Berufungsgericht unterstellte das Vorliegen der Voraussetzungen zur einseitigen vorzeitigen Vertragsaufhebung durch die Leasinggeberin. Dabei hätte es sich mit den von der Klägerin selbst aufgestellten allgemeinen Vertragsbestimmungen zu Punkt 1. und Punkt 2.6. zweiter Satz auseinanderzusetzen und die Geltung der letztgenannten Regelung unter dem Gesichtspunkt des § 864 a ABGB zu untersuchen gehabt. Die Hintansetzung dieser Fragen bei der rechtlichen Beurteilung ist im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO qualifiziert. Die Beklagte ist auf die Geltendmachung von Revisionsgründen nach § 503 Abs 2 ZPO beschränkt. Sie hat die Annahme des Vorliegens der Voraussetzungen für eine vorzeitige Vertragsaufhebung bekämpft und damit der Sache nach auch den vorhin erwähnten Fragenkomplex zum Gegenstand ihrer Anfechtung gemacht. Die in diesem Sinne zulässige Revision ist berechtigt. Die Klägerin hat als Leasinggeberin gegenüber der Beklagten als Leasingnehmerin das Begehren auf Rückstellung eines Personenkraftwagens als des Leasinggegenstandes gestellt und in der Klage damit begründet, daß sie wegen (mehrmonatigen) Zahlungsverzuges der Beklagten mit einem Monatsentgelt den Rücktritt vom Vertrag erklärt habe; in der Folge gründete die Klägerin ihr Rückstellungsbegehren auch auf das ihr vertraglich eingeräumte Recht auf Ausschluß der Leasingnehmerin vom Besitz und von der Nutzung des Vertragsgegenstandes, solange ein Verzug der Leasingnehmerin mit ihren Monatsentgelten nicht behoben sei.
Zum zweitgenannten Rechtsgrund hat das Erstgericht unbekämpft festgestellt, daß im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz kein Rückstand der Beklagten bestanden habe und daher ein Rückstellungsanspruch der Klägerin trotz aufrechten Vertrages nicht bestünde (den im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung noch gar nicht fälligen Prozeßkostenersatzanspruch hat das Erstgericht zutreffend nicht als "monatliches Entgelt" im Sinne des zweiten Satzes im Vertragspunkt L
6.6. gewertet). Dieser Klagsgrund war nicht mehr Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens, hat doch die Klägerin selbst in ihrer Berufung ausgeführt, Grundlage für ihr Herausgabebegehren sei lediglich der Umstand, daß sie den Leasingvertrag aufgelöst habe. Die vorzeitige Vertragsbeendigung wegen Zahlungsverzuges der Beklagten als Leasingnehmerin hat eine ausdrückliche Regelung in der von der Klägerin in ihrem Vertragsformblatt vorformulierten Allgemeinen Vertragsbestimmung Punkt 1. gefunden. Nach dieser Regelung sollte die Klägerin unter anderem berechtigt sein, das Vertragsverhältnis mit sofortiger Wirkung aufzulösen, wenn der Kunde mit einer Zahlungsverpflichtung länger als 30 Tage im Verzug ist. Eine derartige vertragliche Regelung bindet den Leasinggeber, ob er sich nun zu einem Rücktritt vom Vertrag, einer außerordentlichen Kündigung mit Wirkung ex nunc oder einer Vertragsaufhebungserklärung im Sinne oder in Analogie zum zweiten Fall des § 1118 ABGB bestimmt sieht. Die einseitige Vertragsauflösung durch den Leasinggeber wegen Zahlungsverzuges des Leasingnehmers hat zur vertraglich bedungenen Voraussetpung, daß der Zahlungsverzug im Zeitpunkt der Gestaltungserklärung bereits mindestens 30 Tage gewährt hat. Diese Voraussetzung könnte aber nach dem unbekämpft gebliebenen Sachverhalt im vorliegenden Fall nur dann erfüllt gewesen sein, wenn die festgestellten Banküberweisungen ab September 1981 der Anrechnungsregel im zweiten Satz des Punktes 2.6. der Allgemeinen Vertragsbestimmungen gemäß nicht auf die jeweils älteste, wegen der Begründung des nach dem Vertragsinhalt qualifizierten und daher zur Vertragsaufhebung durch die Leasinggeberin berechtigenden Verzuges für die Leasingnehmerin beschwerlichere Schuld, sondern auf die im jeweiligen Überweisungsmonat fällig gewordenen Monatsbeträge anzurechnen waren.
Dies durfte das Berufungsgericht aber ohne Erörterung der nach dem aktenkundigen Sachverhaltsbild mehr als zweifelhaft erscheinenden Frage, ob die erwähnte Anrechnungsregel überhaupt Bestandteil der Rechtsgeschäftserklärung der Beklagten geworden oder aber gemäß § 864 a ABGB als nicht beigesetzt zu behandeln ist, nicht unterstellen. Stützt eine Prozeßpartei ihren Prozeßstandpunkt auf eine Bestimmung in einem Vertragsformblatt oder in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die bereits nach den Tatumständen, die nach dem Verfahrensstand keines weiteren Parteienvorbringens und keines Beweises bedürfen, bedenklich erscheint, so hat das Gericht im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung auch ohne ausdrücklich darauf gerichtete Einwendung die Gültigkeit der Vertragsbestimmung nach § 864 a ABGB zu prüfen, im Falle der Wertung der Bestimmung als unwirksam aber der Prozeßpartei die Möglichkeit zu eröffnen, die ihr obliegende Beweisführung nach dem letzten Halbsatz des § 864 a ABGB anzutreten. Der Oberste Gerichtshof vermag sich der These von der "relativen Nichtigkeit" einer gegen § 864 a ABGB verstoßenden Bestimmung und vom Erfordernis der ausdrücklichen Geltendmachung dieses Umstandes (vgl. Krejci HBzKSchG, 121 f und Welser JBl 1979, 450) nicht anzuschließen (vgl. Rummel in Rummel ABGB Rdz 9 zu § 864 a).
Die in Rede stehende Anrechnungsregel war für die Klägerin als die Verwenderin der von ihr vorformulierten Vertragsbestimmungen als nachteilig für ihren Vertragspartner erkennbar, weil die Regelung dazu führt, entgegen der gesetzlichen Dispositivnorm des § 1416 ABGB einen qualifizierten Verzug des Leasingnehmers aufrecht zu erhalten und ein solcher Verzug als Voraussetzung für eine vorzeitige Vertragsauflösung durch die Leasinggeberin vereinbart wurde. Der Klägerin mußte aber nach dem Umfang, dem Aufbau und der Gliederung einerseits, sowie nach der drucktechnischen Abfassung ihres Vertragsformblattes andererseits auch bewußt sein, daß die Beklagte als Leasingnehmerin mit der ihr im Falle vorzeitiger Vertragsaufhebung wegen Zahlungsverzuges nachteiligen Anrechnungsregel, auf die im Zusammenhang mit der Vertragsaufhebungserklärung nicht hingewiesen und auf die weder durch ein drucktechnisch hervorgehobenes Schlagwort "Verzug" oder "Anrechnung" noch sonst aufmerksam gemacht wird, nicht zu rechnen brauchte.
Unter diesen Umständen könnte die für das Vertragsaufhebungsrecht der Klägerin und damit für deren Rückstellungsbegehren erhebliche Anrechnungsregelung nur dann als Bestandteil der Rechtsgeschäftserklärung gewertet werden, wenn die Beklagte im Sinne des letzten Halbsatzes des § 864 a ABGB auf die Bestimmung besonders hingewiesen wurde.
Diese Tatfrage war zur Vermeidung eines Feststellungsmangels mit den Parteien zu erörtern und gegebenenfalls zum Gegenstand eines Beweisverfahrens und danach zum Inhalt von Urteilsfeststellungen zu machen.
Der berufungsgerichtlichen Ansicht, daß die Klage, in der sich die Klägerin auf eine bereits außergerichtlich erfolgte Vertragsaufhebungserklärung berufen hat, als Wiederholung und Aufrechterhaltung dieser Rechtsgestaltungserklärung zu werten sei, ist beizutreten. Die in erster Instanz erfolgreiche Beklagte wirft aber dem Berufungsgericht der Sache nach mit Recht vor, daß es ohne Erörterung des in erster Instanz nicht reflektierten Zuganges der Klage als einer Rechtsgeschäftserklärung das Zukommen dieser Erklärung im Zeitpunkt der postamtlichen Hinterlegung der Gerichtssendung nicht einfach unterstellen durfte. Andererseits wird aber, soweit die Klage als erste wirksame Auflösungserklärung der Klägerin anzusehen wäre, was von der Erledigung der Tatsachen- und Beweisrüge durch das Berufungsgericht abhinge, zu berücksichtigen sein, daß der Verzug der Beklagten nicht schon mit der Überweisung vom 15.Dezember 1981, sondern erst mit dem Einlangen des überwiesenen Betrages auf dem Konto der Klägerin (nach deren Behauptungen am 18.Dezember 1981) beendet wurde und daß, solange der Verzug währte, dieser auch zur Grundlage einer Vertragsaufhebungserklärung gemacht werden konnte, vorausgesetzt allerdings, daß der dafür geforderte qualifizierte Verzug vorlag (siehe Anrechnungsregelung und § 864 a ABGB).
Sollte die Behauptung der Klägerin über das Buchungsdatum der Überweisung vom 15.Dezember 1981 zutreffen, wäre die strittig gebliebene Beweisfrage nach einer der Beklagten vor der Klagszustellung zugegangenen Auflösungserklärung der Klägerin tatsächlich, wie das Berufungsgericht ausgeführt hat, unerheblich. Da dies nach der Erfahrung im Bankverkehr einige Wahrscheinlichkeit für sich hat und weil bereits vor Erlassung der Berufungsentscheidung die Vertragsdauer abgelaufen war, erscheint eine Verfahrensergänzung zur Klärung des Umstandes, ob die Anrechnungsregelung gemäß § 864 a ABGB Bestandteil der Rechtsgeschäftserklärung gewesen ist, durch das Prozeßgericht erster Instanz als zweckmäßig.
In Stattgebung der Revision war die Rechtssache daher unter Aufhebung der Urteile beider Vorinstanzen zur Ergänzung der Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz zurückzuverweisen.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf § 52 ZPO.
Anmerkung
E08782European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0060OB00684.85.0828.000Dokumentnummer
JJT_19860828_OGH0002_0060OB00684_8500000_000