Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch, Dr.Jensik, Dr.Schobel und Mag.Engelmaier als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Berta K***, Pensionistin, Steyr, Ringstraße 5, vertreten durch Dr.Josef Lechner, Rechtsanwalt in Steyr, wider die beklagten Parteien 1.) Johann M***, Kaufmann, Steyr, Jägerbergweg 6, und 2.) Hedwig M***, im Haushalt, Steyr, Jägerbergweg 6, beide vertreten durch Dr.Walter Christl und Dr.Wilfried Werbik, Rechtsanwälte in Steyr, wegen Aufhebung einer Eigentumsgemeinschaft (Streitwert 2 Mio.S), infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 5.Juni 1985, GZ 2 R 45/85-19, womit das Urteil des Kreisgerichtes Steyr vom 15. November 1984, GZ 2 Cg 236/83-13, unter Rechtskraftvorbehalt zur Verfahrensergänzung aufgehoben wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht stattgegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind Kosten des zu ergänzenden Verfahrens.
Text
Begründung:
Die Streitteile sind Miteigentümer einer städtischen Liegenschaft, auf deren Gutsbestand ein zweigeschoßiges Eckhaus mit L-förmigen Grundriß errichtet ist. Ein Hälfteanteil steht im Eigentum der Klägerin, je ein Viertelanteil im Eigentum der beiden Beklagten. Im August 1967 vereinbarten die Klägerin und die Zweitbeklagte eine in 15 Vertragspunkte gegliederte Benützungsregelung, der der Erstbeklagte als Ehemann der Zweitbeklagten und "außerbücherlicher Vierteleigentümer der Liegenschaft" ausdrücklich beitrat. Sowohl der Klägerin als auch den Beklagten wurden ebenerdig gelegene Geschäftsräume, eine jeweils in Eigenbenützung stehende Wohneinheit, Keller- und Dachbodenräume, Garten- und Hofflächen, sowie der Klägerin überdies zwei damals vermietete Wohneinheiten zur ausschließlichen Nutzung zugewiesen. Diese Benützungsregelung sollte auch die jeweiligen Rechtsnachfolger der Vertragsteile berechtigen. Die Klägerin gestattete den Beklagten die Errichtung einer neuen Lagerhalle. Die Klägerin räumte den Beklagten in Ansehung ihres Hälfteanteiles und die Zweitbeklagte der Klägerin und deren Ehegatten in Ansehung ihres Hälfteanteiles ein zu verbücherndes Vorkaufsrecht ein.
Mit der am 5.Mai 1983 angebrachten Klage begehrte die Klägerin die Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft durch gerichtliche Feilbietung der gemeinschaftlichen Liegenschaft. Sie begründete ihr Begehren damit, daß ihr die Aufrechterhaltung der Eigentumsgemeinschaft wegen wiederholter eigenmächtiger baulicher Veränderungen durch die Beklagten nicht länger zumutbar sei. Das erste größere Zerwürfnis sei daraus entstanden, daß die Beklagten entgegen den der Klägerin vorgewiesenen Bauplänen die Lagerhalle derart errichtet hätten, daß diese rund 2 m in den ihr zur alleinigen Benützung zugewiesenen Grund hineinrage. Der jüngste größere Übergriff der Beklagten habe in der Ausführung eines gassenseitigen überdachten Vorbaues bestanden, durch den ein Fenster der der Klägerin zugewiesenen Geschäftsräume verbaut worden sei. Die verbaute Liegenschaft sei real nicht teilbar.
Die Beklagten bestritten die von der Klägerin behaupteten Eigenmächtigkeiten und behaupteten, die Klägerin habe den baulichen Änderungen jeweils ausdrücklich zugestimmt. Im Falle des Vordaches habe die Klägerin lediglich nachträglich ihre Ansicht geändert. Der sogenannte Benützungsregelungsvertrag des Jahres 1967 sei nach jahrelangen Verhandlungen zur Klärung der von den Beklagten damals beabsichtigten bedeutenden Investitionen im Sinne einer Formulierung durch den Rechtsbeistand der Klägerin zustande gekommen. Die Parteienabsicht sei auf eine De-facto-Realteilung gerichtet gewesen. Dies stünde dem von der Klägerin gestellten Teilungsbegehren entgegen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Das Berufungsgericht faßte einen Aufhebungsbeschluß, sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 300.000 S übersteigt, und fügte seiner Entscheidung einen Rechtskraftvorbehalt bei. Bei seiner Entscheidung über die nur auf den Rechtsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützten Berufung der Klägerin hatte das Berufungsgericht die erstrichterlichen Tatsachenfeststellungen zugrundezulegen. Aus diesen ist in Ergänzung des eingangs dargestellten Sachverhaltes hervorzuheben:
Die Klägerin ist die Schwägerin des verstorbenen Vaters der Zweitbeklagten.
Die Beklagten wohnen seit dem Jahre 1958 in dem nun gemeinschaftlichen Haus. Im Jahr 1966 erhielt die Zweitbeklagte von ihrer Mutter deren Hälfteanteil an der Liegenschaft übereignet, der Erstbeklagte ein dort untergebrachtes Getränkehandelsunternehmen. Die Klägerin war bereits seit dem Jahre 1961 mit ihren damaligen Miteigentümern wegen der Verhältnisse aus der Miteigentumsgemeinschaft in Vertragsverhandlungen gestanden. Es sollte vor allem Klarheit über die finanzielle Beteiligung an den notwendigen Investitionen geschaffen werden. Angestrebt wurden voneinander getrennte Nutzungsbereiche der Klägerin und ihrer Miteigentümer. Der Vertragstext der im August 1967 unterfertigten Vereinbarung wurde vom damaligen Vertrauensanwalt der Klägerin ausgearbeitet.
Im Jahre 1968 ersuchten die Beklagten um baubehördliche Bewilligung zur Errichtung von zwei neuen Lagerhallen mit Eigenverbrauchstankstelle an. Die Klägerin war bei der Bauverhandlung, bei der das Bauvorhaben erläutert und eingehend besprochen wurde, anwesend, sie stimmte der geplanten Bauführung zu. Im Zuge der Bauausführung wurde die Grenze der der Klägerin zur alleinigen Benützung zugewiesenen Flächen nicht überschritten. Für die Neu- und Umbauten wendeten die Beklagten einen Betrag in Millionenhöhe auf.
Im Jahre 1981 errichteten die Beklagten vor dem von ihnen benützten und zum Gassenlokal ausgestalteten Geschäftslokal straßenseitig einen fest eingedeckten und mit den Außenmauern des Hauses verbundenen Vorbau in Holzfachbauweise. Dieser Vorbau bewirkt, daß in einen 14 m 2 großen, der Klägerin zugewiesenen Geschäftsraum kaum noch Tageslicht fällt. Die Klägerin hatte der Errichtung des erwähnten Vorbaues ausdrücklich zugestimmt. Die Beklagten unterließen im Sinne einer Auskunft der Bauabteilung des Magistrates ein Ansuchen um Baubewilligung. Nach Fertigstellung der Arbeiten vertrat die Baubehörde die Ansicht, daß ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben vorliege. Einem Ansuchen um nachträgliche Baubewilligung verweigerte die Klägerin entgegen ihrer früheren Haltung die Zustimmung. Im Rechtsstreit über die Klage auf Zustimmung zum entsprechenden Bauansuchen vereinbarten die Streitteile im Hinblick auf den hier anhängigen Rechtsstreit Ruhen des Verfahrens. Anläßlich der Errichtung des Vorbaues ersetzten die Beklagten eine alte Reklametafel durch ein Leuchtreklameschild. Dazu holten sie die Zustimmung der Klägerin nicht ein, weil sie meinten, zur Anbringung des neuen Schildes auch ohne Zustimmung der Klägerin berechtigt zu sein.
Das Erstgericht erachtete in rechtlicher Beurteilung den Geschäftszweck der Vertragserrichtung des Jahres 1967 dafür als wesentlich, ob sich die Klägerin gemäß § 831 ABGB zur Fortsetzung der Eigentumsgemeinschaft verpflichtet habe. Aus der vereinbarten Regelung über eine Fortgeltung der Benützungsregelung für allfällige Rechtsnachfolger schloß das Erstgericht auf die Geschäftsabsicht, eine auf Dauer angelegte und nicht beliebig aufhebbare Regelung zu treffen. Aus den Bestimmungen über die den Beklagten ermöglichte Bauführung folgerte das Erstgericht die Parteienabsicht auf eine Sicherung dauernder Nutzungsmöglichkeiten. Das Erstgericht nahm daher eine schlüssige Vereinbarung zur Fortsetzung der Eigentumsgemeinschaft zumindest auf Lebensdauer der Vertragsschließenden an. Die von der Klägerin vorgebrachten Umstände, aus denen ihr eine Fortsetzung der Gemeinschaft ungeachtet entsprechender vertraglicher Bindung nicht weiter zugemutet werden könnte, habe sie nicht zu erweisen vermocht. Es stünde lediglich fest, daß die Beklagten ein Leuchtreklameschild ohne Einwilligung der Klägerin angebracht haben. Aber selbst wenn darin eine vertragswidrige Verhaltensweise der Beklagten gelegen sein sollte, rechtfertigte dies nicht eine vorzeitige Aufhebung der von der Klägerin vertraglich eingegangenen Bindung zur Fortsetzung der Eigentumsgemeinschaft.
Das Berufungsgericht erblickte im Prozeßvorbringen der Beklagten, die Streitteile hätten mit ihrer Vereinbarung vom August 1967 eine De-facto-Realtteilung bezweckt, kein für die Klägerin als Einwand schlüssigen Teilungsverzichtes erkennbares Vorbringen. Obwohl in der erwähnten Vereinbarung nach den näheren Umständen eine schlüssige Fortsetzungsvereinbarung hätte gelegen sein können, habe das Erstgericht die Klägerin nicht ohne vorhergehende Erörterung mit dieser Rechtsansicht überraschen dürfen. Der Klägerin müsse Gelegenheit gegeben werden, zu diesem rechtlichen Gesichtspunkt Stellung zu nehmen und Beweise anzubieten.
Erst nach Klärung der Bedeutung und der Zusammenhänge aller einzelnen Vertragspunkte einschließlich des vereinbarten Vorkaufsrechtes werde ein verläßlicher Schluß auf eine den gesetzlichen Teilungsanspruch eines jeden Miteigentümers beschränkende Parteienabsicht möglich sein.
Die Klägerin ficht den berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluß mit dem Ziel einer Abänderung im Sinne des Klagebegehrens und einem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag an.
Die Beklagten streben die Ersetzung des Aufhebungsbeschlusses durch eine bestätigende Sachentscheidung, hilfsweise die Bestätigung der berufungsgerichtlichen Entscheidung an.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Die Eigentumsgemeinschaft beruht auf nicht näher offengelegten familiären Wurzeln. 1967 diente das auf der gemeinsamen Liegenschaft stehende Altgebäude sowohl der Klägerin als auch ihrer Nichte als Wohnstätte und den beklagten auch als Stätte ihres Gewerbebetriebes. Im Jahre 1983 stellte die Klägerin ihr Teilungsbegehren. Dabei führte sie in der Klage Gründe aus, aus denen ihr die Fortsetzung der Gemeinschaft nicht länger zumutbar wäre.
Wenn sich die Klägerin nicht auf ihren aus dem Anteilsrecht fließenden gesetzlichen Aufhebungsanspruch nach § 830 ABGB beschränkte und Gründe anführte, die sie selbst bei vertraglicher Bindung zur Fortsetzung der Gemeinschaft zu deren Aufhebung berechtigten, ist das zumindest ein Hinweis, daß die Klägerin einem Einwand vertraglicher Bindung zur Fortsetzung der Eigentumsgemeinschaft zuvorzukommen trachtete. Die Beklagten haben eine Bindung der Klägerin im Sinne des § 831 ABGB nicht ausdrücklich behauptet, sie haben aber eingewendet, die Streitteile hätten mit ihrer vertraglichen Regelung des Jahres 1967 de facto eine Realteilung beabsichtigt. In der protokollierten Formulierung mochte dieses Einwendungsvorbringen unklar erscheinen, ob es sich gegen die nach dem Klagebegehren angestrebte Form der Teilung durch gerichtliche Feilbietung oder gegen die Aufhebung der Gemeinschaft schlechthin wenden sollte.
Das Berufungsgericht hat eine diesbezügliche Klarstellung und allfällige Ergänzung des Verfahrens als erforderlich angesehen. Die Klarstellung eines nicht völlig eindeutigen Prozeßvorbringens ist mit den in der Rechtsprechung als unstatthaft erkannten Fällen nicht vergleichbar, in denen durch Verfahrensergänzung einer Partei die Möglichkeit eröffnet werden soll, bisher überhaupt nicht erhobene Einwendungen, nicht einmal andeutungsweise vorgebrachte Umstände, prozessual geltend zu machen.
Der verfahrensrechtliche Vorwurf der Klägerin trifft daher nicht zu. Dem Sachargument der Klägerin, das Fehlen einer Vertragsbestimmung im Sinne des § 831 ABGB in dem von einem Rechtsanwalt verfaßten, sehr eingehenden Vertragstext spräche gegen die Annahme einer schlüssigen Vereinbarung zur Fortsetzung der Eigentumsgemeinschaft, könnte entgegengesetzt werden, daß die Streitteile nach dem festgestellten Sachverhalt wegen wiederholter Schwierigkeiten unter den Miteigentümern jahrelang nach einer vertraglichen Lösung suchten und in der festgestellten Benützungsregelung, nicht aber in einer Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft fanden. Auch der Grund dafür, daß in den 60er-Jahren keine Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft vorgenommen wurde, könnte einen gewichtigen Hinweis für die der Vereinbarung vom August 1967 übereinstimmend zugrundegelegte Absicht der Vertragsschließenden darstellen.
Die Klägerin kann sich dadurch nicht als beschwert erachten, daß ihr Gelegenheit geboten wird, auf eine als Einwand nach § 831 ABGB deutbare Einwendung der Beklagten, die sie bereits nach ihrer Klagserzählung vorweggenommen zu haben scheint, nochmals ausdrücklich zu entgegnen.
Ihrem Rekurs war ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf § 52 ZPO.
Anmerkung
E08785European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0060OB00663.85.0828.000Dokumentnummer
JJT_19860828_OGH0002_0060OB00663_8500000_000