TE OGH 1986/8/28 8Ob626/86

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Veröffentlicht am 28.08.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Verlassenschaftssache des am 30. Dezember 1984 verstorbenen Elmar A***, Landwirt, zuletzt wohnhaft in 9063 Maria Saal, Lind 2, infolge Revisionsrekurses der Dorothea A***, Landwirtin, Lind 2, 9063 Maria Saal, vertreten durch Dr. Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in Graz, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgerichtes vom 20. Juni 1986, GZ. 1 R 265/86-124, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 2. Mai 1986, GZ. 1 A 1/85-111, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der am 30. Dezember 1984 verstorbene Elmar A*** war Alleineigentümer von 23 Liegenschaften, Miteigentümer von zwei Liegenschaften und war auch an Gesellschaften beteiligt. Er hinterließ nach den Forderungsanmeldungen Schulden in der Höhe von rund S 25,000.000,--. Zum Todeszeitpunkt waren außerdem einige Rechtsstreite bei Gericht anhängig. Elmar A*** setzte in seinem Testament vom 27. Jänner 1980 seine Ehegattin Dorothea A*** zur Alleinerbin ein und bedachte (neben einem Legat für seinen unehelichen volljährigen Sohn) seine drei ehelichen minderjährigen Kinder im wesentlichen mit folgenden Legaten: Für die mj. Karin A***, geboren am 6. Mai 1969, das Schloß Reifnitz (EZ 23 KG Reifnitz), für die mj. Silvia A***, geboren am 11. Oktober 1970, das Gelände des Sablatnigteiches und das Grundstück 212/13 der EZ 23 KG Reifnitz, sowie für den mj. Elmar A***, geboren am 9. Juni 1978, das Gut Lind und das Grundstück Nr. 212/14 der EZ 23 KG Reifnitz. Für diese mj. Legatare bzw. Pflichtteilsberechtigten bestellte das Erstgericht Kollisionskuratoren.

Dorothea A*** wurde mit Beschluß vom 12. Juni 1985 die Abgabe der für die Durchführung der Verlassenschaftsabhandlung erforderlichen Erklärungen, Anträge und Ausweise in Schriftsatzform bewilligt; zugleich wurde ihr zur Abgabe der Erbserklärung eine Frist bis zum 30. Oktober 1985 gesetzt. Bereits mit Beschluß vom 28. Jänner 1985 wurde Dorothea A*** zum Verlassenschaftskurator bestellt. Ihre aus dem Testament zum gesamten Nachlaß abgegebene bedingte Erbserklärung vom 12. Oktober 1985 wurde mit Beschluß vom 17. Dezember 1985 zu Gericht angenommen. In diesem Schriftsatz vom 12. Dezember 1985 behielt sich die erbserklärte Erbin die Umwandlung ihrer bedingten Erbserklärung in eine unbedingte Erbserklärung vor. Sie beantragte im Hinblick auf die in Aussicht genommenen Lösungen von der Anordnung einer Schätzung des Verlassenschaftsvermögens abzusehen und eine Frist zur Abgabe einer unbedingten Erbserklärung bzw. Vorlage eines Erbübereinkommens zu erteilen. Mit dem Schriftsatz vom 30. April 1986 brachte die erbserklärte Erbin vor, daß Verkaufsverhandlungen hinsichtlich der Liegenschaft EZ 23 KG Reifnitz unmittelbar vor dem Abschluß stünden, mit dem Verkaufserlös würde eine weitgehende Entschuldung des Nachlasses herbeigeführt werden. Dorothea A*** werde in der Folge ihre bedingt abgegebene Erbserklärung in eine unbedingte Erbserklärung umwandeln und den Minderjährigen anteiliges Eigentum an den Liegenschaften einräumen. Da die Pflichtteile der Minderjährigen nicht höher sein könnten als das anteilige Eigentum an den Liegenschaften, werde damit der Pfichtteilsausweis erbracht. Die Frist zur Umwandlung der Erbserklärung, zur Abgabe des eidesstättigen Vermögensbekenntnisses und zur Stellung der Schlußanträge möge bis zum 30. Juni 1986 verlängert werden. Die Kollisionskuratoren der Minderjährigen haben zu diesen Anträgen ihr Einverständnis erklärt.

Das Erstgericht hat den Antrag, zur Abgabe einer unbedingten Erbserklärung die Frist bis zum 30. Juni 1986 zu erteilen bzw. zu verlängern abgewiesen sowie die Errichtung eines Inventars und die Schätzung des Nachlasses angeordnet. Dorothea A*** stehe es ohnehin frei, bis zur rechtskräftigen Einantwortung ihre abgegebene bedingte Erbserklärung in eine unbedingte umzuwandeln. Da bisher aber nur eine bedingte Erbserklärung vorliege, sei gemäß § 92 Abs. 1 AußStrG ein Inventar des Nachlasses zu errichten. Aber selbst wenn Dorothea A*** ihre Erbserklärung in eine unbedingte umwandeln sollte, wäre gemäß § 92 Abs. 2 Z 1 AußStrG wegen der minderjährigen Erben (Pflichtteilsberechtigten) von Amts wegen ein Inventar einschließlich Schätzung der Liegenschaften nach § 102 Abs. 2 AußStrG durchzuführen. Es bestehen Zweifel, ob nicht die minderjährigen Noterben in ihren Pflichtteilen verletzt werden. Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Dorothea A*** nicht Folge, sondern bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung. Es vertrat die Auffassung, daß die bedingte Erbserklärung jedenfalls bis zur Errichtung und beschlußmäßigen Zugrundelegung des Inventars in eine unbedingte umgewandelt werden könne. Gemäß § 118 AußStrG könne auch eine Verlängerung der zur Erbserklärung erteilten Frist bewilligt werden, doch sei die hiefür vorgesehene Jahresfrist längst verstrichen. Gemäß § 92 Abs. 2 Z 1 AußStrG sei ein Inventar insbesondere auch deshalb aufzunehmen, um einen Überblick für die nach § 162 AußStrG vorzunehmende Prüfung, ob ein minderjähriger oder pflegebefohlener Noterbe in dem Pflichtteil verletzt sei, zu gewinnen. Lediglich wenn die im § 162 AußStrG umschriebenen Zweifel ausgeschlossen werden können, brauchte das Verlassenschaftsgericht nicht auf die nach §§ 783 bis 789 ABGB eingerichtete Pflichtteilsausweisung zu dringen. Der Meinung der Rekurswerberin, bei den Minderjährigen handle es sich nicht um Erben, sondern nur um Legatare, für welche aber das Gesetz kein Inventar anordne, sei entgegenzuhalten, daß die Eigenschaft als Pflichtteilsberechtigter auch dann vorliegt, wenn der an sich zum Pflichtteil Berechtigte lediglich ein Legat in Anspruch nimmt. Soweit die Rekurswerberin ankündige, den minderjährigen Kindern - anstatt die Legate auszufolgen - anteiliges Eigentum an den nach teilweisem Abverkauf zwecks Schuldentilgung verbleibenden Liegenschaften einräumen zu wollen und dazu ausführe, daß damit der Pflichtteilsausweis erbracht werde, sei vorerst zu bemerken, daß sie die Höhe solcher Miteigentumsanteile bisher noch gar nicht angeführt hat. Aber selbst bei Einräumung von den Pflichtteilen wertmäßig entsprechenden Miteigentumsanteilen an den verbleibenden Liegenschaften könne die Errichtung eines Inventars samt Schätzung nicht entfallen, liege doch keine Bewertung des gesamten Nachlasses mit detaillierter Bewertung der einzelnen Legate vor. Ohne diese Kenntnis könne aber nicht beurteilt werden, ob nicht der Wert der vom Erblasser seinen minderjährigen Kindern eingeräumten Legate die Pflichtteilsansprüche bzw. die von der Haupterbin angebotenen Liegenschaftsanteile sogar übersteigt. Das Verlassenschaftsgericht habe nach § 160 AußStrG für die Sicherstellung der Ansprüche minderjähriger Vermächtnisnehmer zu sorgen. Daß das Erstgericht mangels verläßlicher Bewertung des sehr umfangreichen Nachlasses Zweifel hat, ob den minderjährigen Noterben bzw. Vermächtnisnehmern die Pflichtteile zukommen bzw. ob die Legate gesichert sind, widerspreche keineswegs logischen Überlegungen. Selbst bei einer Umwandlung der von Dorothea A*** abgegebenen bedingten Erbserklärung in eine unbedingte seien die Voraussetzungen für die Errichtung eines Inventars und die Schätzung des Nachlasses gegeben. Mit Zustimmung der Noterben (§ 784 zweiter Satz ABGB) werde das Erstgericht allerdings zur Hintanhaltung übermäßiger Kosten im Sinne des § 102 Abs. 2 zweiter Satz erster Halbsatz AußStrG bereits vorliegende bzw. in Auftrag gegebene Schätzungen (Steierhof und Schloß Reifnitz) nach eventuell notwendiger Ergänzung heranziehen können, sofern gegen die Richtigkeit dieser Gutachten keine Bedenken bestehen. Solange das Erstgericht allerdings die Legate und Pflichtteile der minderjährigen Noterben nicht zweifelsfrei als gesichert ansehen kann, werde es nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet sein, die Grundlagen für die Ausmessung und Berechnung des Pflichtteiles bzw. für die vergleichsweise Betrachtung der Legate mit angestrebten Neuregelungen zu schaffen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Dorothea A***. Sie macht Aktenwidrigkeit und offenbare Gesetzwidrigkeit im Sinne des § 16 AußStrG geltend und beantragt die Abänderung des angefochtenen Beschlusses dahin, daß von der Errichtung eines Inventars und der Schätzung des Nachlasses abgesehen und der Antragstellerin eine Frist zur Umwidmung der bedingten Erbserklärung in eine unbedingte gegeben werde.

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist unzulässig. Als aktenwidrig rügt die Revisionsrekurswerberin die Auffassung des Rekursgerichtes, daß ohne Errichtung eines Inventars samt Schätzung nicht beurteilt werden könne, ob der Wert der den minderjährigen Kindern eingeräumten Legate die Pflichtteilsansprüche bzw. die von der Erbin angebotenen Liegenschaftsanteile nicht sogar übersteigt. Sie beruft sich dabei auf den Akteninhalt, nach dem das der Minderjährigen Karin A*** ausgesetzte Legat Schloß Reifnitz mit Hypotheken von S 37,415.000,-- belastet sei, hingegen ein Vorvertrag im Akt erliege, wonach die Liegenschaft der Gemeinde Maria Wörth um bloße S 25,000.000,-- verkauft werden soll. Für den Fall des Abschlusses dieses Vertrages könnten demnach nicht einmal die Hypotheken abgedeckt werden. Die Zusammenfassung dieser Darlegungen auf ihren wesentlichen Gehalt zeigt bereits ihre Haltlosigkeit: Abgesehen davon, daß damit bloß die Sphäre eines der drei minderjährigen Noterben betroffen wird, ergibt sich schon aus der Darlegung der Revisionsrekurswerberin selbst, daß es sich bei dem bezogenen Verkaufsanbot nicht um eine exakte Wertermittlung der Liegenschaft handelt, auf deren Grundlage sich die Vorinstanzen etwa ein klares Bild über die wirklichen Vermögensverhältnisse hätten machen können. Von einer durch den Akteninhalt widerlegten Auffassung der Untergerichte über den bisher nicht verläßlich ermittelten Wert der Legate kann daher schon nach dem eigenen Vorbringen der Rechtsmittelwerberin nicht die Rede sein. Als offenbar gesetzwidrig sieht die Revisionsrekurswerberin die angeordnete Inventur und Schätzung des Nachlasses an, weil dadurch zum Nachteil der Minderjährigen hohe Kosten anlaufen würden. Im vorliegenden Fall ist jedoch schon zufolge ausdrücklicher Anordnung des Gesetzes (§ 92 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 AußStrG) ein Inventar aufzunehmen. Gemäß § 102 Abs. 2 AußStrG ist eine gerichtliche Schätzung unbeweglicher Güter dann durchzuführen, wenn einer der Erben darum ansucht oder wenn sie vom Gericht wegen Berechnung des Pflichtteils oder aus anderen besonderen Gründen ausdrücklich angeordnet wird. Die beiden letzteren Fälle haben die Vorinstanzen insoweit kombiniert angenommen, als sie in Zweifel sind, ob nicht die angeordneten Legate die Pflichtteilsansprüche der Minderjährigen oder die von der "Haupterbin" angebotenen Liegenschaftsanteile - zugunsten der Pflegebefohlenen - übersteigen. Diese im Ermessen der Vorinstanzen gelegenen Erwägungen können nicht mit dem Hinweis darauf aus der Welt geschaffen werden, daß die Schätzung mit beträchtlichen Kosten verbunden ist. Solange sich die Vorinstanzen kein klares Bild über die tatsächlichen Wertverhältnisse des Nachlasses machen können, bleiben alle Erwägungen über eine beabsichtigte gemeinsame Vorgangsweise der Rekurswerberin und der minderjährigen Kinder eine reine Hypothese und wären die schließlichen Ergebnisse immer dem Verdacht einer möglicherweise dennoch erfolgten Benachteiligung irgendeines der daran beteiligten minderjährigen Pflegebefohlenen ausgesetzt. Demgemäß hat der Oberste Gerichtshof nur dann im Interesse der Pflegebefohlenen von der Klärung der Wertverhältnisse des Nachlasses Abstand nehmen lassen (vgl. NZ 1984, 154; EvBl. 1979/214), wenn die im § 162 AußStrG umschriebenen Zweifel auszuschließen waren. Das Ermessen der Vorinstanzen, daß Zweifel im oben dargestellten Sinn bestehen, kann aber ebensowenig offenbar gesetzwidrig sein, wie die Beurteilung der Frage, welche besonderen Gründe im Sinne des § 102 Abs. 2 AußStrG die gerichtliche Anordnung der Schätzung unbeweglicher Güter rechtfertigen (EvBl. 1979/214). Da somit keiner der beiden herangezogenen Anfechtungsgründe des außerordentlichen Revisionsrekurses vorliegt, war dieser als unzulässig zurückzuweisen.

Anmerkung

E08798

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0080OB00626.86.0828.000

Dokumentnummer

JJT_19860828_OGH0002_0080OB00626_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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