Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Leopold G***, Portier, Reinlgasse 13 a/26, 1140 Wien, vertreten durch Dr. Walter Mardetschläger und Dr. Peter Mardetschläger, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Christine G***, Handelsfrau, Reinlgasse 13 a/26, 1140 Wien, vertreten durch Dr. Karl Burka, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ehescheidung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 30. Jänner 1986, GZ 13 R 259/85-37, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 12. Juni 1985, GZ 11 Cg 303/83-30, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.397,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Umsatzsteuer von S 308,85, keine Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am 30.9.1936 geborene Kläger und die am 8.2.1943 geborene Beklagte haben am 12.1.1962 vor dem Standesamt Wien-Penzing die Ehe geschlossen. Dieser Ehe entstammen vier Kinder, von denen drei, nämlich die Söhne Christian und Wolfgang sowie die Tochter Christine, bereits großjährig sind; die noch minderjährige Tochter Gabriele wurde am 20.7.1969 geboren. Beide Streitteile sind österreichische Staatsangehörige; ihr letzter gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt war in Wien gegeben.
Der Kläger begehrte mit seiner am 1.9.1983 eingebrachten Klage die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden der Beklagten, weil sie am 12.11.1981 wegen schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von 6 1/2 Jahren verurteilt worden sei. Sie habe vor ihrer Inhaftierung ganze Nächte außer Haus verbracht und sei ihren Verpflichtungen als Hausfrau nicht ordentlich nachgekommen. Infolge der von der Beklagten begangenen Eheverfehlungen sei die Ehe unheilbar zerrüttet. Der Kläger habe der Beklagten diese Eheverfehlungen nicht verziehen. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 17.10.1984 (ON 24 S 49) stützte der Kläger sein Scheidungsbegehren auch auf § 55 Abs 1 EheG, weil die häusliche Gemeinschaft mit der Beklagten seit 27.5.1981 aufgelöst sei.
Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und wendete ein, daß ihr der Kläger alles verziehen habe. Er habe sie bis April oder Mai 1982 ständig in der Strafvollzugsanstalt Schwarzau besucht und diese Besuche erst eingestellt, nachdem er ehebrecherische Beziehungen zu Gerda S*** aufgenommen habe. Aus diesem Grund stellte die Beklagte auch einen auf Ausspruch des überwiegenden Verschuldens des Klägers gerichteten Mitschuldantrag.
Gegen das auf § 55 Abs 1 EheG gestützte Scheidungsbegehren erhob die Beklagte Widerspruch mit der Begründung, daß sie den Kläger nach wie vor liebe und die Aufrechterhaltung der Ehe sittlich gerechtfertigt sei.
Das Erstgericht schied die Ehe aus dem überwiegenden Verschulden der Beklagten.
Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:
Die Ehe der Streitteile verlief im wesentlichen harmonisch. Der Kläger, der seinen Beruf als Dreher im Jahr 1976 wegen eines Bandscheibenleidens aufgegeben hatte, war seither mit Zustimmung der Beklagten überwiegend als Nachtportier tätig. Er ging um 17 Uhr außer Haus und kam in der Früh zurück. Die Beklagte betrieb eine Modeboutique.
Am 29.5.1980 kam der Kläger um ca. 6,30 Uhr in der Früh vom Nachtdienst nach Hause. Die Beklagte erklärte ihm, sie müsse wegen einer Lenkererhebung zur Polizei. Der Kläger wurde dann von der Kriminalpolizei verständigt, daß seine Gattin etwas angestellt habe und in Haft genommen worden sei. Näheres über die strafbaren Handlungen seiner Frau wurde ihm nicht mitgeteilt.
Das Geschwornengericht beim Landesgericht für Strafsachen Wien erkannte am 11.11.1981 die Beklagte und die Mittäterin Christine T*** wegen schweren Raubes für schuldig, weil sie durch Verabreichung betäubender Medikamente betagten Frauen fremde bewegliche Sachen mit Bereicherungsvorsatz weggenommen haben, und zwar 1) am 21.11.1980 Bargeld in Höhe von S 2.000,--, 2) am 24.11.1980 65 Golddukaten, S 15.000,-- Bargeld sowie verschiedene Gegenstände im Gesamtwert von S 100.000,-- und 3) am 25.3.1981 S 250,-- Bargeld und verschiedene Münzen und Schmuck im Wert von S 5.000,--. Weiters wurden die Beklagte und Christine T*** des Raubversuches schuldig erkannt, weil sie am 24.11.1980 unter dem Vorwand, vom Sozialreferat zum Besuch beauftragt zu sein, Einlaß in eine Wohnung begehrten und beabsichtigten, nach Verabreichung betäubender Medikamente einer betagten Frau Schmuck und Bargeld wegzunehmen. Die Beklagte wurde rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 6 1/2 Jahren verurteilt. Aus dem Strafakt ergibt sich, daß die Beklagte für ihre Handlungen kein Motiv angeben konnte, daß sie jedoch in psychischen Schwierigkeiten im Zusammenhang mit einer Fettsucht und der Einnahme von Medikamenten war. Die Beklagte hat diese Schwierigkeiten nicht mit dem Kläger besprochen; sie hat ihn aber ersucht, er möge den Nachtdienst aufgeben, sie sei oft allein.
Die Beklagte hatte vor den wiedergegebenen Tathandlungen öfter die Abende mit ihrer Freundin T*** außer Haus verbracht, während der Kläger Nachtdienst versah. Davon hatte der Kläger keine Kenntnis. Wenn er zu Hause anrief, erklärten die Töchter, die Mutter sei schon zu Bett.
Erst nach der am 11.11.1981 durchgeführten Hauptverhandlung, bei welcher der Kläger nicht anwesend war, erfuhr er aus Zeitungsberichten von der Schwere der von der Beklagten begangenen strafbaren Handlungen.
Vor allem hatten die Töchter der Streitteile unter der Verurteilung der Beklagten und der Berichterstattungen in den Zeitungen zu leiden. Das Arbeitsverhältnis der Tochter Christine, die bei einem Friseur gearbeitet hatte, wurde gelöst, weil ein Weiterbelassen für den Dienstgeber geschäftsschädigend gewesen wäre.
Auch eine weitere Lehrstelle verlor sie, als in Erfahrung gebracht wurde, sie sei die Tochter der Beklagten. Die Tochter Gabriele kam nach den Zeitungsberichten in der Schule ins Gerede und litt psychisch darunter. Auch der Kläger hatte berufliche Schwierigkeiten; mit Rücksicht auf seine lange Firmenzugehörigkeit wurde er jedoch nicht gekündigt. Er wurde in seiner Umgebung wie ein Verbrecher angesehen. Auch hatte er von der Beklagten aufgenommene Kredite, von denen er keine Kenntnis hatte, zurückzuzahlen. Weiters hatte er Anwaltsspesen zu entrichten und es wurden Exekutionen geführt.
Der Kläger besuchte die Beklagte in ihrer Haft im landesgerichtlichen Gefangenenhaus regelmäßig und schrieb ihr auch Briefe. In einem am 26.8.1981 geschriebenen Brief teilte der Kläger der Beklagten mit, daß er nicht die Absicht habe, sich von ihr zu trennen. Auch aus weiteren Briefen vom 25.9.1981, 2.12.1981, 13.1.1982, 24.1.1982, 1.3.1982, 11.3.1982, 21.3.1982, 22.3.1982 und 25.4.1982 ergibt sich zusammenfassend, daß der Kläger der Beklagten seine Liebe beteuerte und ihr erklärte, trotz allem zu ihr zu stehen und sie nach wie vor zu lieben. Das letzte Schreiben des Klägers vom 23.11.982 (richtig 23.6.1982) ist bereits nüchtern gehalten und enthält Vorwürfe, was ihm die Beklagte alles angetan habe. Diese Briefe hat der Schwager des Klägers gemeinsam mit dem Kläger in Maschinschrift aufgesetzt; der Kläger hat sie dann handschriftlich abgeschrieben.
Der Schwager des Klägers erklärte dem Kläger, er solle sich während der Zeit der Haft seiner Frau Abenteuer suchen, aber keine festen Bindungen eingehen. Er gab für den Kläger Kontaktinserate auf. Nach der Überstellung in die Strafvollzugsanstalt Schwarzau am 29.1.1982 besuchte der Kläger die Beklagte dort nur einmal vor Ostern 1982.
Der Kläger unterhält seit Sommer 1982 ein intimes Verhältnis zu einer Arbeitskollegin Gerda S***. Sie nächtigt fallweise in der Wohnung des Klägers, wobei es zum Geschlechtsverkehr kommt. In letzter Zeit sind die Besuche seltener; das Verhältnis ist eher abflauend.
Der Kläger will die Ehe im Hinblick auf die Begehung der strafbaren Handlungen durch seine Gattin nicht mehr fortsetzen. Er hat der Beklagten die Begehung der strafbaren Handlungen nicht verziehen. Die Beklagte, die den Kläger weiterhin liebt, hofft, daß nach ihrer Entlassung die eheliche Beziehung wieder eingerenkt werden kann. Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, das der strafgerichtlichen Verurteilung der Beklagten zugrundeliegende ehrlose Verhalten sei eine schwere Eheverfehlung im Sinne des § 49 EheG. Die Ehezerrüttungswirkung müsse nicht sofort eintreten, sondern könne sich auch erst allmählich auswirken. Die Beklagte habe durch ihr Verhalten die Zerrüttung der Ehe in erster Linie verschuldet. Eine Verzeihung liege nicht vor, obwohl ihr der Kläger zu Beginn der/Haft nette Briefe geschrieben habe, die auf eine Verzeihung schließen ließen. Verzeihung sei aber erst anzunehmen, wenn der verletzte Eheteil eine gewisse Distanz zu den Eheverfehlungen des anderen gewonnen habe. Im vorliegenden Fall sei dem Kläger die Tragweite der Handlungen seiner Gattin erst nach ihrer Verurteilung richtig zu Bewußtsein gekommen, als er mit den Auswirkungen der Tat im Alltagsbereich konfrontiert worden sei.
Durch die Aufnahme geschlechtlicher Beziehungen zu einer anderen Frau habe der Kläger zwar zur Vertiefung der Zerrüttung beigetragen, doch überwiege das Verschulden der Beklagten.
Der gegen dieses Urteil gerichteten Berufung der Beklagten gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil Folge. Es änderte die Entscheidung des Erstgerichtes im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens ab.
Das Berufungsgericht führte, ausgehend von den unbekämpft gebliebenen Feststellungen des Erstgerichtes, rechtlich im wesentlichen aus, die Fristen des § 57 EheG seien materiellrechtliche Ausschlußfristen, die von Amts wegen zu berücksichtigen seien. Nach den getroffenen Feststellungen habe der Kläger jedenfalls nach der Hauptverhandlung, also im November 1981, Kenntnis von der Art und Schwere der von der Beklagten begangenen Straftaten gehabt. Die Klage sei erst am 1.9.1983 eingebracht worden, sodaß zu prüfen sei, ob eine Fristhemmung infolge Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft eingetreten sei.
Bei der Beurteilung des Begriffes der Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft müsse ein subjektives Element mitbedacht werden. Die häusliche Gemeinschaft der Ehegatten werde durch eine faktische, durch äußere Umstände erzwungene Trennung noch nicht aufgehoben. Sie setze in diesem Fall vielmehr voraus, daß der eheschädliche Wille zumindest eines Eheteiles erkennbar werde, daß also wenigstens ein Partner zeige, daß er unabhängig von den rein äußeren Ereignissen die eingetretene Trennung so empfinde, als hätte er sie selbst herbeigeführt oder gebilligt. Erst dann könne von der Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft gesprochen werden.
Nach den getroffenen Feststellungen habe der Kläger auch nach Kenntnis des Scheidungsgrundes in einer Reihe von Briefen seine Wiedervereinigungsabsicht bekundet. Die häusliche Gemeinschaft der Ehegatten sei daher durch die faktische Trennung der Streitteile infolge der Haft der Beklagten nicht aufgehoben, sodaß auch die Fristhemmung des § 57 Abs 1 EheG nicht eingetreten sei. Das Recht des Klägers auf Scheidung wegen Verschuldens sei sohin im Zeitpunkt der Klage (1.9.1983) bereits erloschen gewesen, was vom Berufungsgericht von Amts wegen zu berücksichtigen sei. Aus demselben Grund, aus dem das Recht auf Scheidung wegen Verschuldens erloschen sei, sei auch die Scheidung der Ehe nach § 55 Abs 1 EheG noch nicht möglich. Die häusliche Gemeinschaft der Streitteile im Sinne des § 55 Abs 1 EheG sei nämlich nicht schon durch die Verhaftung der Beklagten am 29.5.1981, sondern erst in dem Zeitpunkt aufgehoben worden, als der Kläger der Beklagten zu erkennen gegeben habe, daß er die Wiedervereinigung nach der Haftentlassung ablehne. Die Dreijahresfrist des § 55 Abs 1 EheG müsse spätestens mit Schluß der Verhandlung abgelaufen sein. Diese Voraussetzung fehle im vorliegenden Fall, da das erstinstanzliche Verfahren am 16.4.1985 geschlossen worden sei und der Kläger noch in seinem Schreiben vom 25.4.1982 die Beklagte seiner Liebe versichert und sie gebeten habe, ihn nicht zu verlassen. Die Dreijahresfrist des § 55 Abs 1 EheG habe daher jedenfalls nach diesem Zeitpunkt, spätestens mit der Klagszustellung, zu laufen begonnen. Das Scheidungsbegehren des Klägers sei daher abzuweisen, ohne daß auf die Frage der Verzeihung einzugehen sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers. Er bekämpft es aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß seinem Klagebegehren vollinhaltlich stattgegeben werde; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag. Die Beklagte hat eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, der Revision des Klägers nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Das Berufungsgericht ist zutreffend im Sinne der neueren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (SZ 54/170; EFSlg. 38.738; EFSlg. 41.227 ua.) davon ausgegangen, daß bei Beurteilung des Begriffes der "Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft" - wobei dieser Begriff im § 57 Abs 1 EheG in gleicher Weise zu beurteilen ist wie im § 55 EheG (EFSlg. 22.845; 3 Ob 597/85 ua.) - im Falle einer durch strafgerichtlichen Freiheitsentzug erzwungenen räumlichen Trennung der Ehegatten ein subjektives Element mitbedacht werden muß. Die Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft ist in diesen Fällen nicht schon in der von einem Willensentschluß der Ehegatten unabhängigen, durch rein äußerliche Umstände erzwungenen faktischen Trennung zu erblicken, sondern setzt voraus, daß der eheschädliche Wille zumindest eines Eheteiles erkennbar wird, daß also wenigstens ein Partner zeigt, daß er unabhängig von den rein äußerlichen Ereignissen die eingetretene Trennung so empfindet, als hätte er selbst diese herbeigeführt oder gebilligt. Erst dann kann von der Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft gesprochen werden. Andernfalls würde schon die erzwungene Trennung, die von beiden Ehepartnern mißbilligt wird, von ihnen aber nicht abgewehrt werden kann, trotz einer vorerst auf die Erhaltung der Ehe gerichteten Gesinnung der Ehegatten jenem Teil, der später selbst einen Scheidungsgrund setzt und aus der Ehe strebt, die Scheidung unter Berufung auf den Ablauf der Frist des § 55 Abs 1 EheG ermöglichen, was ihm sonst verwehrt wäre (SZ 54/170).
Der Kläger bestreitet in seiner Rechtsrüge die Richtigkeit dieser Rechtsansicht nicht, versucht aber darzutun, daß es nicht darauf ankomme, ob ein Ehepartner von der Absicht des anderen, die Ehe nicht mehr fortzusetzen, Kenntnis erhalte, sondern daß nur die subjektive Absicht entscheidend sei, wenn sie auch mit den tatsächlich abgegebenen Erklärungen im Widerspruch stehe. Dem kann nicht gefolgt werden. Wie bereits oben ausgeführt, kommt es in Fällen erzwungener Trennung der Ehegatten für die Annahme der Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft im Sinne des § 57 Abs 1 EheG und des § 55 EheG darauf an, daß zumindest ein Ehepartner zeigt, daß er unabhängig von den rein äußerlichen Ereignissen die Ehe nicht mehr fortsetzen will. Auf den bloßen nicht erklärten Willen, der noch dazu wie im vorliegenden Fall mit tatsächlich abgegebenen Erklärungen im Widerspruch stehen soll, kann es schon deshalb nicht ankommen, weil es auch dann jenem Teil, der zunächst trotz einer durch äußere Umstände erzwungenen tatsächlichen Trennung erklärtermaßen an der Ehe festhält, später aber selbst einen Scheidungsgrund setzt und aus der Ehe strebt, möglich wäre, die Scheidung unter Berufung auf einen bloß subjektiven und nicht kontrollierbaren Willen und einen dadurch herbeigeführten Ablauf der Frist des § 55 Abs 1 EheG zu ermöglichen, was dem Sinn des Gesetzes keinesfalls entspricht.
Geht man von den Feststellungen der Vorinstanzen aus, dann entspricht die Entscheidung des Berufungsgerichtes durchaus der dargestellten Rechtslage.
Die faktische Trennung der Ehegatten wurde durch die Verhaftung der Beklagten am 29.5.1981 herbeigeführt. Die Beklagte hat trotz dieser Trennung vom Kläger immer an der Ehe festgehalten. Der Kläger schrieb der Beklagten eine Vielzahl von Briefen, in denen er ihr gegenüber beteuerte, sie zu lieben, zu ihr zu stehen und nicht die Absicht zu haben, sich von ihr zu trennen. Der letzte derartige Brief stammt vom 25.4.1982. Das nächste Schreiben des Klägers vom 23.6.1982 an die Beklagte enthält zwar bereits Vorwürfe darüber, was sie ihm angetan habe; eine Erklärung des Klägers, daß er nicht mehr die Absicht habe, mit der Beklagten die Ehe fortzusetzen - die im Hinblick auf den Inhalt der vorangegangenen Briefe des Klägers als erforderlich angesehen werden müßte, um einen plötzlich mangelnden Ehewillen des Klägers zu dokumentieren -, enthält auch dieses Schreiben nicht. Der Kläger hat also bis Ende Juni 1982 keinesfalls gezeigt, daß er die Ehe mit der Beklagten nicht mehr fortsetzen wolle; bis Ende April 1982 hat er ihr vielmehr in seinen Briefen ausdrücklich das Gegenteil versichert.
Geht man davon aus, daß im Sinne der Feststellungen der Vorinstanzen der Kläger erst im November 1981 vom vollen Umfang der der Beklagten angelasteten schuldhaften Eheverfehlungen Kenntnis erhielt, dann endete die Frist des § 57 Abs 1 EheG spätestens mit Ende Mai 1982. Bis zu diesem Zeitpunkt ist aber im Sinne obiger Ausführungen die häusliche Gemeinschaft der Ehegatten nicht als aufgehoben anzusehen, sodaß eine Hemmung der Frist im Sinne des dritten Satzes dieser Gesetzesstelle nicht in Betracht kommt. Da die Klage erst am 1.9.1983 eingebracht wurde, sind die der Beklagten im Sinne des § 49 EheG angelasteten Eheverfehlungen verfristet, sodaß eine Scheidung der Ehe nach dieser Gesetzesstelle nicht in Betracht kommt. Die Frist des § 55 Abs 1 EheG war aber in dem nach der nunmehrigen Rechtslagge (§ 482 Abs 1 und § 483 a Abs 2 ZPO) maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung in erster Instanz am 16.4.1985 (vgl. Pichler in Rummel, ABGB, Rdz.3 zu § 55 EheG) nicht abgelaufen, weil im Sinne obiger Ausführungen die häusliche Gemeinschaft der Ehegatten jedenfalls nicht vor Ende Juni 1982 als aufgehoben angesehen werden kann; es kommt daher auch eine Scheidung der Ehe nach § 55 Abs 1 EheG nicht in Betracht.
Die Entscheidung des Berufungsgerichtes entspricht somit durchaus der Sach- und Rechtslage. Der Revision des Klägers mußte daher ein Erfolg versagt bleiben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E08797European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0080OB00565.86.0828.000Dokumentnummer
JJT_19860828_OGH0002_0080OB00565_8600000_000