Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Hofmann, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Mietrechtssache der Antragsteller 1.) Reg.Rat Katharina P*** und 2.) Hildegard C***, geschiedene O***, geborene P***, beide
Pelikangasse 10/1/8, 1090 Wien, beide vertreten durch Dr. Karl Zingher, Rechtsanwalt in Wien, wider den Antragsgegner Dr. Herbert K***, Hauseigentümer, Kaufingerstraße 25, D 8000 München, BRD, vertreten durch Dr. Peter Ponschab, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs.1 Z 13 MRG, infolge Revisionsrekurses der Antragsteller gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 9. April 1986, GZ. 41 R 1174/85-20, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 20. August 1985, GZ. 44 Msch 38/84-16, abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß des Rekursgerichtes wird dahin abgeändert, daß der erstgerichtliche Sachbeschluß wiederhergestellt wird.
Der Antragsgegner ist schuldig, den Antragstellerinnen die mit 40,-- S bestimmten Barauslagen des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Mit dem am 19.7.1983 bei der Schlichtungsstelle des Magistrates der Stadt Wien erhobenen Antrag begehrten die Antragsteller die Feststellung, der Antragsgegner habe ihnen gegenüber als Mieter der Wohnung Nr.3 im Haus Wien 9., Pelikangasse 10, durch die Vorschreibung und Einhebung eines monatlichen Erhaltungsbeitrages von 1.134,10 S (einschließlich des Hauptmietzinses) zu den Zinsterminen ab März 1983 das gesetzlich zulässige Zinsausmaß um monatlich 752,63 S überschritten. Zur Zeit des Abschlusses des Mietvertrages mit dem Ehegatten der Erstantragstellerin und Vater der Zweitantragstellerin im Jahre 1948 sei die Wohnung unbrauchbar gewesen; sie habe auch kein Badezimmer gehabt. Die Instandsetzung der Wohnung sei vom Mieter auf dessen Kosten vorgenommen worden. Infolge Wechsels der Hausinhabung (von ÖBB an Dr. K***) sei 1962 ein neuer Mietvertrag abgeschlossen worden, der jedoch nur die Änderung des Vermieters zum Gegenstand gehabt habe. 1977 seien die Mietrechte gemäß § 19 Abs.2 Z 11 MG auf die Antragsteller übergegangen. Da die Kategorie nach dem Zeitpunkt des ersten Vertrages zu beurteilen sei, sei die Wohnung in Kategorie D einzureihen und die Vorschreibung des Erhaltungsbeitrages nach Kategorie B unzulässig.
Der Antragsgegner beantragte die Abweisung des Antrages, weil der Hauptmietvertrag über die Wohnung erst im Jahre 1962 abgeschlossen worden sei und zu dieser Zeit die Wohnung sich in brauchbarem Zustand befunden und in der Küche über eine Badenische verfügt habe.
Die Antragsteller gaben sich mit der ihren Antrag abweisenden Entscheidung der Schlichtungsstelle nicht zufrieden und riefen rechtzeitig das Gericht an (§ 40 Abs.1 MRG). Obwohl den übrigen Mietern des Hauses Gelegenheit zur Beteiligung am Verfahren gegeben worden war, machten sie von diesem Recht keinen Gebrauch. Das Erstgericht stellte im Sinne des Antrages fest, daß der Antragsgegner als Vermieter der genannten Wohnung das gesetzlich zulässige Zinsausmaß durch Vorschreibung von monatlich 1.006,18 S an Erhaltungsbeitrag in der Zeit vom 1.4.1983 bis 31.1.1984 um monatlich je 756,07 S und in der Zeit vom 1.2.1984 bis 31.7.1984 um monatlich je 714,83 S überschritten habe. Das auch für März 1983 gestellte Mehrbegehren wies es ab. Es traf im wesentlichen folgende Feststellungen:
Im Februar 1946 mieteten die österreichischen Staatseisenbahnen vom damaligen Eigentümer Dr. Friedrich N*** das gesamte Haus Wien 9., Pelikangasse 10, um die darin befindlichen Wohnungen an Betriebsangehörige weiterzuvermieten. Am 1. April 1948 mietete Heinrich P***, der Gatte der Erstantragstellerin und Vater der Zweitantragstellerin die Wohnung top.Nr.3 in diesem Haus von den Ö*** B***, die das Hauptmietverhältnis der
österreichischen Staatseisenbahnen übernommen hatten. Bei Übergabe der Wohnung an Heinrich P*** im Jahr 1948 fehlten Teile des Deckenverputzes, des Wandverputzes und des Brettelbodens und Sesselleisten. Weiters fehlten Fensterflügel, Fensterglas und Fensterbretter; an den Fenster- und Türstöcken waren kleinere Schäden vorhanden. Der Anstrich war sehr schlecht und insgesamt erneuerungsbedürftig. Es war kein Küchenherd vorhanden, ebenso kein Kachelofen. In der Küche gab es wohl einen Wasseranschluß, Auslaufhahn und Ausgußbecken fehlten jedoch. Die WC-Schale war zertrümmert, ein Spülkasten war nicht vorhanden, die WC-Gainze war gebrauchsunfähig. Badewanne, Warmwasserspeicher, Waschbecken, Abwäsche oder Auslaufhähne fehlten ebenso wie dazu notwendigen Installationen. Die Gasleitung war nicht gebrauchsfähig, ebensowenig die elektrische Lichtinstallation; Beleuchtungskörper, Schalter oder Steckdosen waren nicht vorhanden. Von 1948 bis 1962 ließ Heinrich P*** sämtliche Installationen erneuern, das WC instandsetzen; in der Küche richtete er eine Badenische ein. Diese Badenische hat drei feste Wände, die vierte Wand wurde durch einen Vorhang gebildet. In dieser Badenische befinden sich eine Dusche und ein Waschbecken. Im Jahr 1983 ließ die Zweitantragstellerin anstelle des Vorhanges eine Gipswand errichten und den Fußboden dieser Badenische verfliesen. Diese Investitionen erfolgten sämtlich auf Kosten der Mieter. Zum 31.12.1961 legten die Ö*** B*** ihre
Hauptmietrechte hinsichtlich der gegenständlichen Wohnung zurück, dies jedoch unter der Bedingung, daß mit Heinrich P*** ein Hauptmietvertrag zu den gleichen Bedingungen abgeschlossen würde. Tatsächlich wurde im Jänner 1962 ein Hauptmietvertrag zwischen Dr. S*** als Vertreter des damals noch minderjährigen Antragsgegners, der das Haus im Jahr 1954 erworben hatte, und Heinrich P*** über die gegenständliche Wohnung zum Friedenskronenmietzins (monatlich 127,92 S) abgeschlossen. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Wohnung aufgrund der Investitionen Heinrich P*** in einem durchaus brauchbaren Zustand und verfügte sie bereits über die oben beschriebene Badenische in der Küche. Die Wohnung weist eine Nutzfläche von 103,10 m 2 auf. Heinrich P*** verstarb am 5.8.1977. Im Zeitpunkt seines Todes lebten im gemeinsamen Haushalt mit ihm sowohl die Erstantragstellerin als auch die Zweitantragstellerin.
Mit Schreiben vom 22.2.1983 wurde den Antragstellerinnen ein monatlicher Erhaltungsbeitrag von 1.006,18 S zuzüglich des bisher bezahlten Hauptmietzinses von 127,92 S, daher insgesamt 1.134,10 S beginnend ab 1.4.1983 bis jedenfalls einschließlich Juli 1984 vorgeschrieben.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß der von den ÖBB als Mieter des gesamten Hauses mit Heinrich P*** abgeschlossene Mietvertrag als Hauptmietvertrag anzusehen sei und der spätere Mietvertragsabschluß im Jahre 1962 nur einen Wechsel auf seiten des Vermieters und keine Änderung der Stellung Heinrich P*** als Hauptmieter gebracht habe. Für den Erhaltungsbeitrag sei die "Urkategorie" maßgebend. 1948 sei die Wohnung unbrauchbar gewesen. Der Erhaltungsbeitrag für die 103,10 m 2 große Wohnung dürfe demnach nur aufgrund der Ausstattungskategorie D berechnet werden.
Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs des Antragsgegners dahin Folge, daß es den Antrag zur Gänze abwies. Zutreffend habe das Erstgericht ausgeführt, daß die Rechtsprechung vor Inkrafttreten des MRG dem Mieter eines ganzen Hauses oder selbständiger Teile eine fruchtnießerähnliche Stellung eingeräumt und die mit ihm abgeschlossenen Mietverträge als Hauptmietverträge angesehen habe (vgl.MietSlg. 28.110, 31.160 ua). In all diesen Fällen habe die Rechtsprechung aber als Vertragszweck die gewinnbringende Verwertung der Bestandobjekte durch Weitergabe seitens des Mieters des ganüen Hauses gefordert. Anhaltspunkte dafür, daß die ÖBB das Haus zur Erzielung von Gewinn durch Vermietung der einzelnen cohnungen gemietet hätten, fehlten aber im vorliegenden Fall. Den ÖBB habe somit keine fruchtnießerähnliche Stellung eingeräumt werden können. Die mit den ÖBB abgeschlossenen Untermietverträge stellten somit auch keine Hauptmietverträge dar. Ende 1961 hätten zwar die ÖBB ihre Bestandrechte an der Wohnung Nr.3 unter der Bedingung aufgegeben, daß mit dem bisherigen Untermieter, Heinrich P***, ein Hauptmietvertrag zu den gleichen Bedingungen (wie bisher) abgeschlossen werde. Auch wenn ein solcher Vertragsabschluß zwischen Hauseigentümer und Heinrich P*** erfolgt sei, so könne darin kein Eintritt P*** in das Vertragsverhältnis der ÖBB mit dem Hauseigentümer erblickt werden. Denn das Vertragsverhältnis der ÖBB habe sich auf das ganze Haus und nicht auf einzelne Wohnungen bezogen. Somit komme es bei der Beurteilung des Ausstattungszustandes der Wohnung auf den 1.1.1962 an. Zu diesem Zeitpunkt habe aber die Wohnung nach den getroffenen Feststellungen bereits alle Merkmale der Kategorie B aufgewiesen. Der vorgeschriebene Erhaltungsbeitrag von 1.134,10 S (einschließlich des Hauptmietzinses von 127,92 S) überschreitet somit nicht das gesetzlich zulässige Ausmaß. Dem Rekurs sei daher Folge zu geben gewesen.
Gegen diesen Sachbeschluß des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsteller mit dem Antrag, den Beschluß des Rekursgerichtes im Sinne der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Sachbeschlusses abzuändern.
Der Antragsgegner beantragte, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig (§ 37 Abs.3 Z 18 MRG), und auch berechtigt.
In ihrem Revisionsrekurs vertreten die Antragstellerinnen die Ansicht, das Rekursgericht sei bei Berechnung des Erhaltungsbeitrages zu Unrecht von der Kategorie B ausgegangen, es hätte der Berechnung vielmehr die Kategorie D zugrunde legen müssen. Dem ist beizupflichten.
Es entspricht der Lehre und Rechtsprechung, daß für die Einordnung einer Wohnung in eine der Ausstattungskategorien - von hier nicht in Betracht kommenden gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - der im (ursprünglichen) Mietvertrag vereinbarte und in der Regel auch ausgeführte Ausstattungszustand im Zeitpunkt des Beginnes des Mietverhältnisses bei Übergabe der Wohnung an den Mieter maßgebend ist (vgl. Würth in Korinek-Krejci, Handbuch zum MRG, 353 f; MietSlg. 36.334).
Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ist vor allem entscheidend, daß der Mietvertrag hinsichtlich der von Heinrich P*** seit 1948 bewohnten Wohnung Ende 1961 nicht schlechthin aufgelöst wurde, der Antragsgegner also nicht in der Lage war, über diese Wohnung - im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen - frei zu verfügen. Die ÖBB "legten" nämlich ihre Mietrechte an dieser Wohnung nur "unter der Bedingung zurück", daß vom Antragsgegner mit Heinrich P*** ein Hauptmietvertrag abgeschlossen wird, der inhaltlich dem zwischen Heinrich P*** und den ÖBB bestehenden Vertrag entspricht. Diesem Verlangen der ÖBB lag offensichtlich die Absicht zugrunde, ihrem Dienstnehmer, der ja erhebliche Investitionen vorgenommen und den Bestandgegenstand dadurch überhaupt erst benützbar gemacht hatte, dem Hauseigentümer gegenüber abzusichern und ihm die Benützung der Wohnung so wie bisher zu garantieren. Da der Antragsgegner mit dieser "Bedingung" einverstanden war, ist das Rechtsverhältnis zwischen ihm und Heinrich P*** - dem Vertragswillen der an der Verschaffung der Benützungsrechte an der gegenständlichen Wohnung an P*** beteiligten Personen entsprechend - so zu beurteilen, als ob Heinrich P*** schon seit Beginn der ihm an der Wohnung zustehenden Benützungsrechte die Stellung eines Hauptmieters zu den zwischen P*** und den ÖBB vereinbarten Vertragsbedingungen gehabt hätte. Für die Einordnung der Wohnung der in diesen Mietvertrag gemäß § 19 Abs.2 Z 11 MG eingetretenen Antragstellerinnen in eine der Ausstattungskategorien des § 16 Abs.2 MRG ist daher der Ausstattungszustand der Wohnung zur Zeit des Beginnes des Benützungsrechtes des Rechtsvorgängers der Antragstellerinnen, also bei Übergabe der Wohnung an ihn maßgebend. In diesem Zeitpunkt war die Wohnung aber als solche überhaupt unbenützbar. Das Erstgericht ist somit bei Ermittlung des Erhaltungsbeitrages für die gegenständliche Wohnung im Ergebnis zu Recht von einer Wohnung der Ausstattungskategorie D ausgegangen.
Damit erweist sich der Revisionsrekurs als berechtigt. Da die Berechnung des Erhaltungsbeitrages und der sich daraus ergebenden Überschreitungen des zulässigen Zinsausmaßes durch die vom Antragsgegner vorgenommenen monatlichen Vorschreibungen durch das Erstgericht von den Parteien nicht bekämpft wurde, mußte die angefochtene Entscheidung des Rekursgerichtes im Sinne der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Sachbeschlusses abgeändert werden.
Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf § 37 Abs.3 Z 19 MRG, §§ 41 und 50 ZPO. Im Revisionsrekursverfahren wurden keine Kosten verzeichnet.
Anmerkung
E09038European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0050OB00146.86.0909.000Dokumentnummer
JJT_19860909_OGH0002_0050OB00146_8600000_000