TE OGH 1986/9/9 2Ob642/86

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Veröffentlicht am 09.09.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik, Dr.Melber, Dr.Huber und Dr.Egermann als weitere Richter in der Vormundschaftssache der mj.Veronika W***, geboren am 1.9.1981, infolge Revisionsrekurses des ue.Vaters Günter S***, Angestellter, Troststraße 41/2, 1100 Wien, vertreten durch Dr.Harald Jelinek, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 24.Juni 1986, GZ.47 R 303/86-96, womit der Rekurs des ue.Vaters gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Hietzing vom 17.Februar 1986, GZ.2 P 258/81-77, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben. Dem Rekursgericht wird aufgetragen, unter Abstandnahme vom Grund der Zurückweisung neuerlich über den Rekurs zu entscheiden.

Text

Begründung:

Der uneheliche Vater beantragte die Herabsetzung des vergleichsweise festgesetzten Unterhaltsbetrages mit der Begründung, sein Einkommen habe sich vermindert. Am 28.6.1985 gab er in Gegenwart des Rechtsanwaltes Dr.J*** anläßlich einer Vernehmung zu Protokoll, er habe Dr.J*** für das Unterhaltsbemessungsverfahren Vollmacht erteilt (ON 59, AS 84). Auf die schriftliche Aufforderung des Erstgerichtes, die Vollmacht vorzulegen, erwiderte Dr.J*** mit Schriftsatz vom 16.10.1985, er habe sich "gemäß § 30 Abs.2 ZPO auf die erteilte Vollmacht berufen". Das Erstgericht wies den Unterhaltsherabsetzungsantrag ab. Dieser Beschluß wurde dem ue.Vater am 21.2.1986 durch Hinterlegung und Dr.J*** am 24.2.1986 zugestellt.

Dagegen erhob RA Dr.Christiane P*** namens des ue.Vaters Rekurs, der am 10.3.1986 zur Post gegeben wurde.

Das Rekursgericht wies diesen Rekurs als verspätet zurück. Es führte aus, die Rekursfrist habe mit der Zustellung an den ue.Vater zu laufen begonnen, da Dr.J*** keine Vollmacht vorgelegt habe. Im Verfahren außer Streitsachen sei nicht § 30 Abs.2 ZPO, sondern § 2 Abs.2 Z 3 AußStrG anzuwenden. Überdies habe Dr.J*** den Vater im Februar 1986 wegen einer Disziplinarsperre nicht vertreten können. Eine Bedachtnahme auf den verspäteten Rekurs gemäß § 11 Abs.2 AußStrG sei nicht möglich gewesen.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der von Dr.J*** eingebrachte Rekurs des Vaters. Dr.J*** weist neuerlich gemäß § 30 Abs.2 ZPO auf die erteilte Vollmacht hin.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig und berechtigt.

Die in Lehre und Rechtsprechung nicht einhellig beantwortete Frage, ob die Vorschrift des § 30 Abs.2 ZPO auch im Außerstreitverfahren anzuwenden ist, braucht nicht erörtert zu werden. Gemäß § 30 Abs.3 ZPO kann bei Bezirksgerichten die Erklärung über die erteilte Bevollmächtigung, wenn die Partei bei einer in der Streitsache anberaumten Tagsatzung mit dem Bevollmächtigten persönlich zu Gericht erscheint, auch zu gerichtlichen Protokoll aufgenommen werden. Aus § 2 Abs.2 Z 3 AußStrG kann nicht entnommen werden, daß im außerstreitigen Verfahren eine schriftliche Vollmacht vorgelegt werden muß. Diese Vorschrift kann vielmehr sinnvoller Weise nur dahin verstanden werden, daß sich das Gericht die sichere Überzeugung vom Vorliegen der Vollmacht zu verschaffen hat (Petrasch, Die Zivilverfahrens-Novelle 1983 in der Rechtsprechung des OGH OJZ 1985, 259). Erklärt der Vollmachtgeber in Anwesenheit des Bevollmächtigten vor Gericht, er habe die Vollmacht erteilt, dann kann die Überzeugung des Gerichtes vom Bestehen eines Vollmachtsverhältnisses keinesfalls geringer sein als bei schriftlicher Vollmachtsvorlage. § 30 Abs.3 ZPO ist daher auch im außerstreitigen Verfahren anzuwenden. Da der ue.Vater am 28.6.1985 bei einer Vernehmung in Gegenwart des Dr.J*** erklärte, er habe diesem Vollmacht erteilt, ist davon auszugehen, daß Dr.J*** bereits seit 28.6.1985 Vertreter des ue.Vaters im Unterhaltsverfahren ist. Der Vorlage einer Vollmachtsurkunde bedurfte es also nicht. Aus diesem Grund war gemäß § 6 AußStrG und § 93 ZPO die Entscheidung des Erstgerichtes Dr.J*** zuzustellen, die Zustellung an den ue.Vater konnte den Beginn der Rechtsmittelfrist nicht auslösen (EFSlg.39.568, 39.569). Daran vermag der Umstand, daß Rechtsanwalt Dr.Harald J*** mit Disziplinarerkenntnis die Ausübung der Rechtsanwaltschaft für die Dauer von 6 Monaten bis 24.5.1986 eingestellt worden war, Dr.J*** im Zeitpunkt der Zustellung daher nicht berechtigt war, als Rechtsanwalt einzuschreiten, deshalb nichts zu ändern, weil im Verfahren außer Streitsachen kein Anwaltszwang besteht. Auch wenn eine Person zum Vertreter bestellt wurde, die nicht als Rechtsanwalt zugelassen ist, hat die Zustellung an diese zu erfolgen (37.165). Die Rechtsmittelfrist begann daher erst mit der Zustellung des Beschlusses des Erstgerichtes an Dr.J***, weshalb der von Dr.P*** eingebrachte Rekurs nicht verspätet ist. Aus diesen Gründen mußte der Beschluß des Rekursgerichtes aufgehoben werden.

Anmerkung

E09135

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0020OB00642.86.0909.000

Dokumentnummer

JJT_19860909_OGH0002_0020OB00642_8600000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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