Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 9.September 1986 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, Dr. Felzmann, Dr. Kuch sowie Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Hinger als Schriftführer in der Strafsache gegen Mathilde B*** und Helga Maria E***-L***, wegen des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1, 128 Abs. 1 Z 4 StGB über die von der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis erhobenen Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde hinsichtlich der Angeklagten B*** sowie der Berufung hinsichtlich beider Angeklagten als Schöffengericht in Jugendstrafsachen vom 24.Juni 1986, GZ 8 Vr 210/86-13, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Hauptmann, und des Verteidigers Dr. Leeb (für die Angeklagte E***-L***), jedoch in Abwesenheit beider Angeklagten, des Verteidigers Dr. Nagele sowie der gesetzlichen Vertreter der Angeklagten E***-L***, die trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen sind, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben; das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, wird in dem die Angeklagte Mathilde B*** betreffenden Ausspruch nach § 13 Abs. 1 JGG aufgehoben; gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO wird in diesem Umfang in der Sache selbst erkannt:
Mathilde B*** wird für das ihr laut dem aufrecht gebliebenen Schuldspruch zur Last liegende Vergehen des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1, 128 Abs. 1 Z 4 StGB gemäß § 128 Abs. 1 StGB zu 2 (zwei) Monaten Freiheitsstrafe verurteilt; gemäß § 43 Abs. 1 StGB wird ihr diese Strafe unter Bestimmung einer Probezeit in der Dauer von 3 (drei) Jahren bedingt nachgesehen. Die Staatsanwaltschaft wird mit ihrer Berufung hinsichtlich der Angeklagten Mathilde B*** auf diese Entscheidung verwiesen. Im übrigen wird der Berufung der Staatsanwaltschaft Folge gegeben und die Angeklagte Helga Maria E***-L*** unter Ausschaltung des Ausspruchs nach § 13 JGG gemäß § 128 Abs. 1 StGB unter Anwendung des § 11 Z 1 JGG zu 6 (sechs) Wochen Freiheitsstrafe verurteilt; gemäß § 43 Abs. 1 StGB wird auch ihr diese Strafe unter Bestimmung einer Probezeit in der Dauer von 3 (drei) Jahren bedingt nachgesehen.
Gemäß § 390 a StPO fallen beiden Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden die am 18.Jänner 1967 geborene Mathilde B*** und die am 10.Juli 1969 geborene Helga Maria E***-L*** des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1, 128 Abs. 1 Z 4 StGB schuldig erkannt, weil sie zwischen dem 30.Juli und dem 1.August 1985 in Bad Reichenhall (Bundesrepublik Deutschland) in Gesellschaft als Beteiligte in 17 Kaufhäusern Diebstähle von Sachen im Wert von etwa (4.000 DM =) 28.000 S begangen haben; in Ansehung beider Angeklagten wurde gemäß § 13 JGG der Ausspruch und die Vollstreckung einer deswegen zu verhängenden Strafe für eine Probezeit in der Dauer von 3 Jahren vorläufig aufgeschoben.
Die gegen den Ausspruch nach § 13 (Abs. 1) JGG hinsichtlich der Angeklagten B*** gerichtete, auf § 281 Abs. 1 Z 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft ist berechtigt. Die zuerst relevierte Bestimmung hätte nämlich - wie das Erstgericht bei der Urteilsausfertigung selbst erkannt hat - auf diese Angeklagte nicht angewendet werden dürfen, weil sie nur den vorläufigen Aufschub des Ausspruchs und der Vollstreckung der wegen Jugendstraftaten zu verhängenden Geld- oder Freiheitsstrafe vorsieht, mithin nur in Beziehung auf solche Taten anwendbar ist, die von Personen begangen wurden, die zur jeweiligen Tatzeit zwar das vierzehnte, aber noch nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet hatten (§ 1 Z 2 und 3 JGG). Durch die Anwendung des § 13 Abs. 1 JGG auf die zur Tatzeit diesem Alter bereits entwachsene Angeklagte B*** hat das Jugendschöffengericht demnach seine Strafbefugnis überschritten (Z 11).
In Stattgebung der von der Staatsanwaltschaft erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde war daher über diese Angeklagte nach § 128 Abs. 1 StGB eine Strafe zu verhängen.
Dabei waren die Wiederholung der diebischen Angriffe und eine zur strafsatzbestimmenden Qualifikation des Diebstahls hinzutretende weitere Qualifikation als erschwerend, die Begehung der Taten vor Vollendung des einundzwanzigsten Lebensjahres, der bisher ordentliche Lebenswandel, die ungünstigen häuslichen Verhältnisse und das reumütige Geständnis der Angeklagten B*** sowie die durch die Sicherstellung der Diebsbeute bewirkte Schadensgutmachung dagegen als mildernd zu werten.
Das Wohlverhalten der genannten Angeklagten seit den hier abgeurteilten Taten fällt allerdings entgegen der vom Erstgericht zum Ausdruck gebrachten Meinung als mildernd nicht ins Gewicht, weil vom seitherigen Verstreichen einer längeren Zeit (§ 34 Z 18 StGB) noch nicht gesprochen werden kann, und umgekehrt kommt, der in der Berufung vertretenen Auffassung zuwider, auch der Schadenshöhe noch nicht die Bedeutung eines besonderen Erschwerungsumstands zu. Auf Grund der angeführten Strafzumessungsgründe erachtete der Oberste Gerichtshof nach der tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB) der Angeklagten B*** die Verhängung einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Monaten als angemessen. Da im Hinblick auf die vorliegenden Milderungsgründe jedoch anzunehmen ist, daß die bloße Androhung der Vollziehung genügen werde, um diese Angeklagte von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten, und generalpräventive Erwägungen nicht entgegenstehen, war die Strafe bedingt nachzusehen (§ 43 Abs. 1 StGB).
Die Staatsanwaltschaft war mit ihrer hinsichtlich der Angeklagten B*** angemeldeten (S 157), jedoch nicht ausgeführten - aber auch nicht zurückgezogenen - Berufung (§§ 294 Abs. 4, 296 Abs. 2 StPO) auf diese Entscheidung zu verweisen. Bei der Angeklagten E***-L*** zog das Erstgericht deren bisher ordentlichen Lebenswandel, die völlige Schadensgutmachung, ihr reumütiges Geständnis und ihr Wohlverhalten seit den Diebstählen (als mildernd) sowie die Wiederholung der diebischen Angriffe (als erschwerend) in Betracht; darnach vermeinte es, im Hinblick auf die (nicht näher bezeichneten) "besonderen Umstände der Tat" und die aus den Jugenderhebungen hervorgehenden (günstigen) "persönlichen Umstände" werde bei ihr der Schuldspruch allein genügen, um sie von weiteren Straftaten abzuhalten, sodaß die Anwendung des § 13 Abs. 1 JGG gerechtfertigt sei.
Rechtliche Beurteilung
Gegen diesen Ausspruch richtet sich die Berufung der Anklagebehörde, mit der sie die Verhängung einer (allenfalls bedingt nachzusehenden) Strafe über die genannte Angeklagte anstrebt. Die (insoweit ausgeführte) Berufung ist berechtigt. Im Hinblick auf die doch sehr beträchtliche Intensität der deliktischen Energie beider Angeklagten, die sich in der drei Tage hindurch währenden vielfachen Verübung von Ladendiebstählen deutlich manifestiert, ist auch bei der noch jugendlichen Angeklagten E***-L*** nicht anzunehmen, daß der Schuldspruch allein eine ausreichende spezialpräventive Wirkung erzielen würde (§ 13 Abs. 1 JGG); dazu ist es vielmehr in der Tat erforderlich, auch über sie eine Strafe zu verhängen.
Aus den darauf bezogenen Erwägungen des Erstgerichts, die (ebenso wie bei der Angeklagten B***) durch die Ausschaltung des Wohlverhaltens seit den Straftaten als Milderungsgrund und durch das Hinzufügen der zweifachen Qualifikation der Diebstähle als Erschwerungsumstand zu korrigieren waren, erschien bei dieser Angeklagten unter Anwendung des § 11 Z 1 JGG eine Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Wochen, die zugleich in ausgewogener Relation zur Dauer der über die Mitangeklagte verhängten Freiheitsstrafe steht, als schuldangemessen (§ 32 StGB).
Aus den gleichen Gründen wie bei jener liegen auch bei der Angeklagten E***-L*** die Voraussetzungen für die Gewährung bedingter Strafnachsicht vor (§ 43 Abs. 1 StGB).
Die Anwendung des § 37 StGB kam bei beiden Angeklagten nicht in Betracht, weil es angesichts der gehäuften Angriffe gegen fremdes Vermögen der Verhängung einer Freiheitsstrafe bedarf, um sie von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten.
Über den Antrag der Anklagebehörde auf Bestellung eines Bewährungshelfers für die Angeklagte E***-L*** (gleichwie über die allfällige Erteilung von Weisungen) wird das Erstgericht zu entscheiden haben (§ 494 StPO).
Anmerkung
E09087European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1986:0100OS00115.86.0909.000Dokumentnummer
JJT_19860909_OGH0002_0100OS00115_8600000_000