TE OGH 1986/9/16 5Ob581/85

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Veröffentlicht am 16.09.1986
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Klinger und Dr. Schlosser als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Marianne K***, Landwirtin, Kirchbichl, Kastengstatt 15, vertreten durch Dr. Anton Schiessling, Rechtsanwalt in Rattenberg, wider die beklagten Parteien

1.) Verlassenschaft nach Marianne K***, geborene H***, vertreten durch Dr. Christoph Schneider, Rechtsanwalt in Kufstein,

2.) mj. Sonja K***, vertreten durch die gesetzliche Vertreterin Rosa E***, diese vertreten durch Dr. Josef Steinbacher, Dr. Max Steinbacher, Rechtsanwälte in Wörgl, wegen Widerrufes einer Schenkung (Streitwert: S 2,570.436,-) infolge der Revisionen der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 14. März 1985, GZ. 2 R 49/85-40, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 15. Juni 1984, GZ. 8 Cg 331/83-31, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die erstbeklagte Partei und die zweitbeklagte Partei sind schuldig, der klagenden Partei die mit je S 21.022,65 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.911,15 an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist die Tochter, die Zweitbeklagte die Enkelin nach dem vorverstorbenen Sohn Peter der am 6.6.1980 verstorbenen Marianne K***, geborene Hetzenauer, geboren 29.5.1911 (in der Folge kurz Erblasserin genannt).

Die Erblasserin war Alleineigentümerin des Hofes "Grilln", Wörgl, Pinnersdorf 5, EZ 22 I KG Wörgl-Kufstein. Diese Liegenschaft übertrug sie mit Übergabsvertrag vom 17.2.1972 ihrem Sohn Peter. Die Erblasserin und ihr Ehegatte Gottfried waren je zur Hälfte Eigentümer des Hofes "Obermoosegg" in Kirchbichl, Kastengstatt 15, EZ 259 II KG Kirchbichl. Gottfried K*** starb am 23.12.1972 unter Hinterlassung einer ungültigen letztwilligen Anordnung. Im Verlassenschaftsverfahren nach Gottfried K*** erklärte Peter K***, keine Erb- oder Pflichtteilsansprüche nach seinem Vater zu stellen. Die Klägerin und die Erblasserin hingegen gaben zu 3/4 bzw. 1/4 des Nachlasses die Erbserklärung ab und schlossen am 18.7.1973 vor dem Gerichtskommissär ein Erbübereinkommen, wonach die Klägerin die ihr angefallenen 3/8-Anteile an der Nachlaßliegenschaft der Erblasserin überläßt, welche die auf der Liegenschaft haftende Hypothekarschuld bei der Raiffeisenbezirkskasse Wörgl in der Höhe von S 52.075,50 samt Anhang und allfällige weitere Nachlaßschulden zur Zahlung übernahm. Beide Vertragsteile erklärten, auf das Rechtsmittel, dieses Übereinkommen wegen Verletzung über die Hälfte des wahren Wertes oder wesentlichen Irrtum anzufechten, zu verzichten. Aufgrund dieses Übereinkommens wurde die Erblasserin Alleineigentümerin der Liegenschaft EZ 295 II KG Kirchbichl. Im Verlassenschaftsverfahren nach der Erblasserin gab die Klägerin eine Erbserklärung aufgrund eines (sie zur Alleinerbin berufenden) Testamentes, die Zweitbeklagte aufgrund des Gesetzes ab. Beide Erbserklärungen wurden zu Gericht angenommen; die Klägerin wurde aber zur Feststellung ihres Erbrechtes aufgrund des Testamentes, dessen Echtheit von der Zweitbeklagten bestritten worden war, auf den Rechtsweg verwiesen. Die Klage auf Feststellung ihres Erbrechtes aus dem Testament wurde von der Klägerin nicht erhoben.

Zu 28 Vr 3787/83, Hv 315/83 des Erstgerichtes behing gegen die Klägerin ein Strafverfahren wegen Verdachtes des Verbrechens des versuchten schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3 StGB, in dem ihr zur Last gelegt wurde, im Verlassenschaftsverfahren nach der Erblasserin, A 227/80 des Bezirksgerichtes Kufstein, ein fingiertes Testament, in welchem sie als Alleinerbin aufscheint und das sie selbst mit der Unterschrift der Erblasserin versehen hatte, mit der wahrheitswidrigen Behauptung, dieses Testament sei von der Erblasserin geschrieben und unterschrieben, vorgelegt zu haben. Dieses Verfahren endete mit einer rechtskräftigen Verurteilung der Klägerin.

Mit der am 31.5.1983 beim Erstgericht überreichten Klage begehrte die Klägerin die Fällung folgenden Urteils:

1.) Festgestellt wird, daß 3/8-Anteile der Liegenschaft EZ 295 II KG Kirchbichl nicht in den Nachlaß der am 6.6.1980 verstorbenen Marianne K***, geborene H***, geboren

29.5.1911, A 227/80 des Bezirksgerichtes Kufstein, fallen.

2.) Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, in die Einverleibung des Eigentumsrechtes der Klägerin auf den 3/8-Anteilen am Grundbuchskörper in EZ 295 II KG Kirchbichl einzuwilligen.

Zur Begründung brachte die Klägerin vor:

Die Erblasserin und deren Ehegatte hätten von allem Anfang an beabsichtigt, die Höfe "Grilln" und "Obermoosegg" an ihre beiden Kinder, die Klägerin und Peter K***, in der Weise weiterzugeben, daß den Hof "Grilln" Peter K*** und den Hof "Obermoosegg" die Klägerin bekommen sollte. Aus diesem Grunde habe auch die Erblasserin den Hof "Grilln" mit Übergabsvertrag vom 17.2.1972 an ihren Sohn Peter übertragen. Gottfried K*** habe in einem fremdhändig geschriebenen, eigenhändig unterschriebenen Testament angeordnet, daß nach dem Ableben seiner Ehegattin (der Erblasserin) seine Tochter Marianne (die Klägerin) alles erhalten solle. Dieses Testament sei formell ungültig gewesen, weshalb hinsichtlich des Hälfteanteiles des verstorbenen Gottfried K*** an der Liegenschaft EZ 295 II KG Kirchbichl die gesetzliche Erbfolge eingetreten sei. Entsprechend dem erklärten Willen der Eltern, wonach die Klägerin den Hof "Obermoosegg", Peter K*** hingegen den Hof "Grilln" erhalten sollte, habe Peter K*** auch im Verlassenschaftsverfahren nach seinem Vater die Erklärung abgegeben, keine Erb- oder Pflichtteilsansprüche zu stellen.

Im Hinblick auf diesen ihr gegenüber erklärten und auch allgemein bekannten Willen ihrer Eltern, daß nämlich die Klägerin den Hof Obermoosegg einmal als Alleineigentümerin erhalten solle, habe sie sich in der Abhandlungstagsatzung am 18.7.1973 bereiterklärt, ihrer Mutter, der Erblasserin, die ihr angefallenen 3/8-Anteile an der Nachlaßliegenschaft EZ 295 II KG Kirchbichl schenkungsweise zu überlassen. Da die Voraussetzung und Bedingung für die schenkungsweise Überlassung der 3/8-Anteile der Nachlaßliegenschaft an die Erblasserin, nämlich die Übertragung des Hofes in das Alleineigentum der Klägerin, nicht eingetreten und die diesbezügliche Zusage - zwischen der Erblasserin und der Klägerin sei anläßlich des Übereinkommens vom 18.7.1973 zudem ausdrücklich mündlich vereinbart worden, daß die Liegenschaft

EZ 295 II KG Kirchbichl nach dem Tode der Erblasserin an die Klägerin fallen solle - nicht erfüllt worden sei, habe die Klägerin die seinerzeitige Schenkung der 3/8-Anteile an ihre Mutter widerrufen und forderte nunmehr diesen Anteil von den Beklagten zurück. Die Parteien hätten den Beweggrund bzw. den Endzweck ihrer Einwilligung ausdrücklich zur Bedingung der schenkungsweisen Überlassung des 3/8-Anteiles der Klägerin an die Erblasserin gemacht. Dieser Beweggrund sei wie jede andere Bedingung anzusehen, wobei bei den unentgeltlichen Rechtsgeschäften wie bei den letztwilligen Anordnungen vorzugehen sei. Da somit weder die Bedingung der schenkungsweisen Überlassung noch der Endzweck eingetreten sei, sei die Geschäftsgrundlage des Übereinkommens vom 18.7.1973 weggefallen, die Klägerin sohin zu dessen Anfechtung berechtigt.

Die Beklagten bestritten dieses Vorbringen, beantragten Klageabweisung und wendeten im wesentlichen ein:

Es sei unrichtig, daß seitens der Erblasserin und ihres Mannes immer vorgesehen gewesen sei, den Hof "Grilln" ihrem Sohn Peter und den Hof "Obermoosegg" der Klägerin zu übertragen. Die Übertragung des Hofes "Grilln" an den Sohn Peter sei lediglich deshalb erfolgt, weil die Erblasserin und ihr Gatte nicht in der Lage gewesen seien, zwei Höfe zu bewirtschaften. Das Übereinkommen vom 18.7.1973 sei keine Schenkung gewesen, weil die Erblasserin die Deckung der Nachlaßschulden für die Klägerin übernommen habe. Darüber hinaus habe die Klägerin in diesem Übereinkommen auf eine Anfechtung wegen Irrtums verzichtet. Es fehle auch an der Behauptung eines gesetzlichen Widerrufsgrundes. Die Beklagten seien nicht bereichert. Das Erstgricht wies das Klagebegehren vollinhaltlich ab und traf über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus folgende weitere entscheidungswesentliche Feststellungen:

Im Jahre 1973 war es gemeinsame Meinung der gesamten Familie, daß die Klägerin einmal den Hof "Obermoosegg" in das Alleineigentum übertragen bekommen sollte. Aus dieser Erwägung heraus handelte die Klägerin, als sie den ihr anfallenden Erbteil nach ihrem Vater der Erblasserin überließ. Diese hatte nämlich den Wunsch, bis zu ihrem Ableben noch allein als Bäuerin auf dem Hof zu sein; es war für sie jedoch vorher wie auch nachher immer unzweifelhaft, daß den Hof nach ihr die Klägerin bekommen werde. In dieses Einverständnis eingebunden war auch Peter K***, der dies durch den Verzicht, sich am Erbgang nach seinem verstorbenen Vater zu beteiligen, sichtbar zum Ausdruck brachte. Konkrete Vorstellungen, wie dies rechtlich zu bewerkstelligen sei, daß nach dem Tode der Erblasserin die Klägerin Alleineigentümerin des Hofes "Obermoosegg" wird, hatten alle Beteiligten nicht. Das Vertrauen auf die Anständigkeit des Bruders bzw. Sohnes ließ bei der Klägerin und der Erblasserin die Frage der rechtlich-formalen Absicherung des ihnen unbestritten erscheinenden Familienkonsenses als unwesentlich erscheinen.

Daß zwischen der Klägerin und der Erblasserin neben dem Erbübereinkommen vom 18.7.1973 ein Zusatzübereinkommen dahin zustandekam, wonach es Auflage oder Bedingung der Schenkung sei, daß die Klägerin seinerzeit Eigentümerin der gesamten Liegenschaft werde, steht nicht fest.

Im Zeitpunkt des Erbübereinkommens vom 18.7.1973 hatte die Liegenschaft EZ 259 II KG Kirchbichl einen Gesamtwert von 5,9 Mill. S. Der auf die Klägerin damals entfallende Erbteil errechnet sich mit S 2,212.500,-. Der Anteil der Klägerin an den Nachlaßverpflichtungen betrug S 40.000,-. Genaue Wertvorstellungen über die Nachlaßaktiven hatte weder die Klägerin noch die Erblasserin, jedoch war beiden bewußt, daß der von der Klägerin überlassene Liegenschaftsanteil wesentlich mehr wert war als der auf die Klägerin entfallende Anteil an den Nachlaßverbindlichkeiten. Die Parteien hatten daher den Willen, durch dieses Übereinkommen zum überwiegenden Teil eine Schenkung zu vollziehen.

Diesen Sachverhalt unterzog das Erstgericht nachstehender rechtlicher Beurteilung:

Da der unentgeltlich überlassene Teil im Erbübereinkommen vom 18.7.1973 weitaus überwiege, sei das Übereinkommen als Schenkung zu beurteilen. Ein Motivirrtum sei bei Schenkungen zwar grundsätzlich relevant, doch sei ein solcher Irrtum über Zukünftiges bei Schenkungen nicht generell beachtlich, weil es ansonsten unnötig wäre, bestimmte Widerrufsgründe im Gesetz vorzusehen. Außerhalb dieser Widerrufsgründe könne eine Schenkung daher gemäß § 946 ABGB nicht widerrufen werden. Da nicht feststehe, daß außerhalb des Übereinkommens eine gesonderte Vereinbarung zwischen der Erblasserin und der Klägerin zustandegekommen sei, könne das Klagebegehren auch nicht auf den Nichteintritt von Voraussetzungen, Bedingungen oder Zusagen gestützt werden. Aber auch der Hinweis auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage versage, weil die Erwartung der Klägerin, einmal Erbin der gesamten Liegenschaft zu werden, eine individuelle Voraussetzung sei.

Das Berufungsgericht erkannte im Sinne der Klage und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, S 300.000,- übersteigt. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen und führte zur Rechtsrüge der Klägerin aus:

Entscheidungswesentlich seien die Feststellungen, wonach die Klägerin (allein) aus der Erwägung heraus, einmal den Hof "Obermoosegg" in das Alleineigentum übertragen zu bekommen, handelte, als sie den ihr angefallenen Erbteil nach ihrem Vater im Übereinkommen vom 18.7.1973 der Erblasserin überließ. Daraus folge zunächst, daß die Klägerin mit diesem Übereinkommen keineswegs eine Schenkung auf eigenes Risiko machen wollte, sondern es in Erwartung einer zukünftigen und ihr von der Erblasserin auch zugesagten Gegenleistung, nämlich des im Erbwege erfolgenden Erwerbes des Alleineigentums an der Liegenschaft EZ 295 II KG Kirchbichl nach dem Tode ihrer Mutter, schloß. Diese erwartete Gegenleistung sei nun festgestelltermaßen nicht eingetreten, weil die Erblasserin ohne Hinterlassung einer gültigen letztwilligen Anordnung, in welcher die Klägerin als Alleinerbin dieser Nachlaßliegenschaft eingesetzt gewesen wäre, verstarb. Damit erweise sich aber das Begehren der Klägerin auf Rückstellung des von ihr Geleisteten aus dem Titel der Bereicherung als berechtigt. Wenn auch im erstinstanzlichen Verfahren dieser Rechtsgrund von der Klägerin nicht ausdrücklich geltend gemacht worden sei, so hindere dies eine rechtliche Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes unter diesem Gesichtspunkt nicht, weil der von der Klägerin vorgebrachte Sachverhalt eine rechtliche Beurteilung unter diesem Rechtsgrund zulasse und einem Begehren nur dann aus einem anderen Rechtsgrund nicht stattgegeben werden dürfe, wenn die Klage ausdrücklich (und ausschließlich) auf einen bestimmten Rechtsgrund gestützt werde, was hier jedoch nicht zutreffe.

Die Bestimmung des § 1435 ABGB werde nach Lehre (Wilburg in Klang 2 VI 466; Koziol-Welser 5 I 339 f.,; Rummel, Wegfall des Rechtsgrundes und Zweckverfehlung als Gründe der Kondiktion nach § 1435 ABGB, JBl. 1978, 449 ff.) und ständiger Rechtsprechung (SZ 41/76, SZ 44/192, JBl. 1981, 153 = SZ 53/71) über ihren Wortlaut hinaus auch als Grundlage für die Anerkennung eines Rückforderungsanspruches wegen Wegfalles des Grundes oder wegen Nichteintrittes des erwarteten Erfolges herangezogen. Sie sei immer dann anzuwenden, wenn der Geschäftszweck oder ganz allgemein diejenigen Umstände weggefallen seien, die nach der Interessenabwägung und nach dem Sinn und Zweck des Geschäftes die Grundlage der Leistung gewesen seien. Nach § 1435 ABGB werde auch abgewickelt, wenn eine Leistung in Erwartung einer Gegenleistung, ohne daß eine gültige causa entstehen solle oder könne, erbracht werde. Hierher gehörten auch Zuwendungen in Erwartung künftiger Erbeinsetzung (Rummel aaO 450; SZ 36/30). Das Argument, daß die Zusage oder Vereinbarung künftiger Erbeinsetzung eine Beschränkung der Testierfreiheit bedeute und daher nicht Gegenstand eines schuldrechtlichen Vertrages sein könne, sei zwar richtig, bedeute aber nicht, daß dann, wenn - wie hier - der Empfänger einer Leistung eine Gegenleistung in Aussicht stelle, zu der er sich nicht verpflichten könne, wie z.B. eine Erbeinsetzung, der Nichteintritt des erwarteten Verhaltens eine Kondiktion nicht rechtfertigen würde (SZ 36/30). Daß im vorliegenden Fall die Klägerin mit dem Übereinkommen keine Schenkung auf eigenes Risiko machen wollte (was eine Kondiktion ausschließen würde), ergebe sich zwingend als Schlußfolgerung in tatsächlicher Hinsicht aus der Feststellung, daß die Klägerin - getragen von der gemeinsamen Meinung, sie solle einmal den Hof "Obermoosegg" in das Alleineigentum übertragen bekommen - handelte, als sie den ihr angefallenen Erbteil nach ihrem Vater der Erblasserin überließ.

Eine Bereicherung des Nachlasses und der erbserklärten Erbin sei gegeben. Ohne die klagegegenständlichen 3/8-Anteile bestehe der Nachlaß nämlich nur aus 5/8-Anteilen; dieser sei nach den Grundsätzen über die gesetzliche Erbfolge auf die gesetzlichen Erben aufzuteilen, die 3/8-Anteile hingegen hätten als schon im Alleineigentum der Klägerin stehend völlig außer Ansatz zu bleiben. Nach der Aktenlage sei der Nachlaß nach der Erblasserin noch nicht eingeantwortet, weshalb sowohl das rechtliche Interesse der Klägerin an der begehrten Feststellung als auch ihr Anspruch auf Mitwirkung der Beklagten an der Eigentumsübertragung gerechtfertigt seien. Gegen das Berufungsgericht richten sich die auf den Revisionsgrund des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO gestützten Revisionen der Beklagten mit dem Antrag auf Wiederherstellung des Ersturteils; die Erstbeklagte stellt darüber hinaus auch einen Aufhebungsantrag. Die Klägerin beantragt in ihren Revisionsbeantwortungen, den Revisionen nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionen sind nicht berechtigt.

Der Meinung der Zweitbeklagten, das Berufungsgericht hätte der Klage schon deswegen nicht aus dem Grund des § 1435 ABGB stattgeben dürfen, weil die Klage ausdrücklich auf den Rechtsgrund des Schenkungswiderrufs gestützt worden sei, ist entgegenzuhalten, daß die Klägerin ihren Anspruch nicht individualisieren - d.h. rechtlich qualifizieren - mußte, es vielmehr genügte, ihren aus irgendeinem Rechtsgrund ableitbaren Anspruch durch das Vorbringen von Tatsachen zu umschreiben (Substantiierungstheorie; Fasching, Lehrbuch, Rdz 1040); qualifizierte sie dennoch, so darf ihr ein dabei unterlaufener Fehler nicht schaden (SZ 46/109; SZ 51/148 ua, zuletzt etwa 5 Ob 599/83, JBl 1986, 514). Das Berufungsgericht hat daher das erstinstanzliche Tatsachenvorbringen der Klägerin - daß die Klägerin ihr Begehren ausschließlich nach dem in der Klage angegebenen Rechtsgrund des Schenkungswiderrufs beurteilt wissen wollte, ist ihrem erstinstanzlichen Vorbringen nicht zu

entnehmen - zulässigerweise nach § 1435 ABGB geprüft. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß § 1435 ABGB nach herrschender Lehre und ständiger Rechtsprechung (vgl. nunmehr auch Koziol-Welser 7 I 375 f. und Rummel in Rummel, ABGB, Rdz 4 ff. zu § 1435; 1 Ob 575/83 ua) über seinen Wortlaut hinaus auch als Grundlage für die Anerkennung eines Rückforderungsanspruches wegen Wegfalles des Geschäftszweckes (Geschäftserfolges, allgemeiner: jener Umstände, die nach Interessenabwägung und Geschäftsziel die Grundlage der Leistung bildeten) oder Nichteintrittes des erwarteten Geschäftszweckes (Geschäftserfolges, allgemeiner: der vorgenannten Umstände) herangezogen wird. Ein solcher Rückforderungsanspruch besteht im Falle der Erbringung einer Leistung in der sich dann nicht erfüllenden Erwartung einer künftigen Erbeinsetzung (Wilburg in Klang 2 VI 469; Koziol-Welser 7 I 376 mit weiteren Nachweisen in Fußnote 93; Rummel in JBl. 1978, 450 und 452; Rummel in Rummel, ABGB, Rdz 8 lit. c zu § 1435; 7 Ob 585/82 ua).

Die Erstbeklagte vertritt zunächst den Standpunkt, ein Rückforderungsanspruch nach § 1435 ABGB scheitere im gegenständlichen Fall schon daran, daß die Klägerin ihre Erwartung, einmal den Hof "Obermoosegg" von der Erblasserin zu bekommen, bei Abschluß des Erbübereinkommens vom 18.7.1973 dieser gegenüber nicht ausdrücklich als Voraussetzung ihrer Leistung erklärt habe. Dem ist zu erwidern, daß es genügt, wenn die Erwartung des Leistenden (hier die Erwartung der Klägerin, einmal Alleineigentümerin des Hofes "Obermoosegg" zu werden) dem Leistungsempfänger (hier der Erblasserin) unzweifelhaft erkennbar war; unberücksichtigt bleiben nur einseitige, nicht erkennbare Motive und Zwecke der Leistung (Wilburg aaO, Rummel in JBl. 1978, 453; 3 Ob 532/79). Hier war der Erblasserin mit Rücksicht auf die wiederholt zum Ausdruck gebrachte Willensübereinstimmung zwischen ihr und der Klägerin, daß letztere nach dem Tod der Erblasserin Alleineigentümerin des Hofes "Obermoosegg" werden solle, und den (beiden bekannten) Umstand, daß der der Klägerin zugefallene 3/8-Anteil an der Liegenschaft wesentlich mehr wert war als der auf sie entfallende Anteil an den Nachlaßverbindlichkeiten, unzweifelhaft erkennbar, daß ihr die Klägerin die Liegenschaftsanteile in der Erwartung, nach dem Tod der Erblasserin Alleineigentümerin des Hofes zu werden, überläßt und nicht eine Schenkung auf eigenes Risiko vornehmen will. Dem Rückforderungsanspruch der Klägerin nach § 1435 ABGB steht der im Erbübereinkommen erklärte Verzicht auf dessen Anfechtung unter anderem wegen wesentlichen Irrtums gleichfalls nicht entgegen. Nach dem festgestellten Sachverhalt ist es auszuschließen, daß die Parteien des Erbübereinkommens, die gemeinsam davon ausgingen, daß die Klägerin nach dem Tod der Erblasserin Alleineigentümerin des Hofes wird, den Anfechtungsverzicht auch auf diesen Umstand bezogen haben (vgl. Rummel in Rummel, ABGB, Rdz 5 zu § 1444 mwN zur einschränkenden Auslegung eines Verzichtes).

Die Verurteilung der Klägerin wegen Testamentsfälschung (die sie im übrigen auch nicht erbunwürdig macht, weil die Klägerin nicht gegen die Intentionen der Erblasserin handelte, sondern deren Willen verwirklichen wollte; vgl. Welser in Rummel, ABGB, Rdz 1 zu § 542) ist auf den Nichteintritt der Erwartung der Klägerin ohne Einfluß und kann dem Fall, daß sie den Eintritt der Erwartung wider Treu und Glauben verhindert hätte (vgl. Rummel in Rummel, ABGB, Rdz 9 zu § 1435; SZ 43/16), nicht gleichgestellt werden.

Der Rückforderungsanspruch der Klägerin kann schließlich auch nicht aus der Überlegung heraus verneint werden, daß sie 3/8-Anteile der Liegenschaft der Erblasserin überlassen hat und aufgrund des Gesetzes nach dieser ohnehin 4/8-Anteile erbt. Der Rückforderungsanspruch der Klägerin wurde vom Berufungsgericht mit Recht bejaht, weil die Erwartung der Klägerin, Alleineigentümerin des Hofes zu werden (also mehr als den gesetzlichen Erbteil zu erlangen), nicht eingetreten ist, sodaß sie ihre Leistung (3/8-Anteile an der Liegenschaft) zurückfordern und davon unabhängig die Hälfte des um diese Anteile verminderten Nachlasses als gesetzliche Erbin beanspruchen kann. Die Zwei-Kondiktionen-Theorie und die Saldo-Theorie, die im Zusammenhang mit der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung bei zufälligem Untergang der erbrachten Leistung beim Empfänger aufgestellt wurden (vgl. Koziol-Welser 7 I 380 f), vermögen den Beklagten nicht zum Erfolg zu verhelfen.

Es war daher beiden Revisionen ein Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Der begehrte Streitgenossenzuschlag war der Klägerin nicht zuzuerkennen, weil sie ohnehin für jede ihrer beiden Revisionsbeantwortungen den vollen Kostenersatz zugesprochen erhielt.

Anmerkung

E09028

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1986:0050OB00581.85.0916.000

Dokumentnummer

JJT_19860916_OGH0002_0050OB00581_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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